Da waren sie nun also. Oshibana Town, Heimat der Gilde Blue Pegasus. Hier konnte sie sich vorerst vor Übergriffen dunkler Magier sicher sein. Zumal sie sich auch relativ sicher war, dass niemand ihnen gefolgt war. Kein fremder Geruch, der ihre Alarmglocken läuten ließ, hatte sich in der Luft gezeigt, während sie der Stadt nähergekommen waren. Ob ihre Verfolger sie noch weiterhin im Wald vermuteten oder einfach die Suche abgebrochen hatten konnte Sylvana nicht genau sagen, es war ihr aber auch relativ egal. Sie war jetzt in Sicherheit. Und Ciel stellte auch sogleich eine Frage, die sie klären musste: Wollte sie jetzt sofort nach Magnolia zurückkehren? So sehr sie ihrer Gilde vertrauen wollte, der Verrat hatte wirklich eine tiefe Wunde hinterlassen, die nicht von jetzt auf gleich verschlossen werden konnte. Zumal das Risiko zu groß war, jetzt sofort zurückzukehren. Vielleicht überwachten Mitglieder der Gilde den Bahnhof in Magnolia. Erst einmal brauchte sie Abstand, ein wenig Ruhe und Zeit, um zu entscheiden, wie sie weiterhin vorgehen wollte. Immerhin hatte sie Entscheidungen zu treffen, die man nicht von jetzt auf gleich fällen sollte.
„Ich denke, einige Tage in Oshibana untertauchen und ein wenig Gras über die Angelegenheit wachsen lassen.“ Sie nickte, rieb sich ein wenig den Nacken und schaute in den Himmel. Zu allererst musste sie Gildenmeisterin Fiona in Kenntnis setzen, was ihr widerfahren war und in welchen Schwierigkeiten sich ihre Gilde befand. Auch, dass sie für einige Zeit nicht zurückkehren würde und Zeit für sich benötigte sollte die Gildenmeisterin schon erfahren. Alles weitere würde sich dann zeigen. Je nachdem, wozu ihre Überlegungen führen würden.
Langsam wandte sie ihren Blick zu Ciel. Schicksal oder nicht, sie war froh, dass er es gewesen war, der bei ihrer Flucht geholfen hatte. Auch, wenn seine kämpferischen Fähigkeiten ja zu wünschen ließen, er hatte sein Herz eindeutig am rechten Fleck. Zumal er ihr auch zeigte, dass es auch männliche Dragonslayer gab, die sich nicht wie ein totaler Arsch verhielten, wie Kazuya es ja irgendwie tat.
„Also… Du hast was gut bei mir, Ciel.“ Verlegen kratzte sich Sylvana am Hinterkopf. Eigentlich war es gar nicht so ihre Art, ihre von Selbstbewusstsein strotzende Art abzulegen und sich wie ein kleines Mädchen zu verhalten. Aber in diesem Moment konnte sie irgendwie nicht anders. Kurz schloss sie Ciel in die Arme, schenkte ihm noch ein kleines Lächeln, nur im nächsten Moment mit einem „Wir sehen uns garantiert nochmal.“ zwischen einigen Menschen zu verschwinden.

Ende des Offs~

Nach Aussage seiner allwissenden und dementsprechend altklugen Mutter gab es in den Wäldern West-Fiores nicht nur zauberhafte Naturgestalten, sondern auch einen abgefahrenen Fundus an Kräutern, die jeder Healing Herbs Magier in sein Repertoire aufnehmen sollte, der ansatzweise etwas auf sich und seine Kunst hielt. Ivy Griffin war nun nicht zwingend der selbstbewussteste Mensch Fiores, aber was seinen Beruf anging, nahm er die meisten Ratschläge seiner Erzeugerin dennoch ernst, schließlich kannte sie sich damit ja auch wirklich sehr gut aus. Der in Hosenka Town lebende Magier hatte eine weite Reise hinter sich und befand sich daher schon seit einigen Tagen im Westen des Kontinents, damit er neben seinen Streifzügen durch die Natur auch ein wenig kulturellen Sprit tanken konnte. Die Ländlichkeit in diesem Teil der Welt erinnerte ihn an Zuhause und gefiel ihm daher sehr, auch wenn er Bauernhöfe und deren Tiere lieber mied, sofern er nicht auf traumatische Erlebnisse aus war. Vor etwa einer Woche hatte ihn ein Zug mit leeren Taschen und Abenteuerlust zu einer kleineren Stadt gebracht, seither marschierte er zu Fuß durch Dörfer und Landstriche, bis er letztendlich den Rand des vielversprechenden Waldes erreicht hatte, in dem er nun schon länger hauste. Ivy wusste, wie man in der Wildnis überlebte und die natürlichen Vorräte Mutter Erdes optimal nutzte, also sah er weniger heruntergekommen aus, als man das vielleicht von jemanden erwarten würde, der durch Büsche kroch und kleine Blüten sammelte oder Wurzeln ausgrub, Wasserläufen folgte und generell alles einsammelte, was ihm nützlich erschien. Der Kräuterbeutel an seiner Hüfte wölbte sich bereits beträchtlich und er musste vermutlich bald ein Ende seiner Expedition veranschlagen, damit er noch genug Zeit hatte, seine Objekte zu verarbeiten, bevor sie austrockneten, obwohl er die dringenden Fälle bereits entsaftet und eingekocht hatte, wenn er schon dabei war, sein Trinkwasser zu erhitzen. Natürlich durfte man aber nicht behaupten, dass sein Naturtrip vollkommen spurlos an ihm vorbeigegangen war, denn die Haare waren zerknautscht, seine Hosen etwas dreckverkrustet und seine Wangen von einem leichten grünen Flaum bedeckt, wie er ihn eben bekam, wenn Rasieren nicht zu seinen höchsten Prioritäten gehörte. Wen sollte er in diesem Wald auch treffen? Jeder, der weniger Orientierungssinn als er hatte, würde sich hier bestimmt hemmungslos verirren und außerdem, wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass er jedes Mal, wenn er ein Nickerchen in einem Wald machte, ein kleines, süßes Mädchen beschwor, das seinen Weg kreuzte?
Ja … Wieso fragte er das Schicksal eigentlich noch?
Der momentan nicht mehr allzu blasse Griffin öffnete ein Auge und betrachtete von einer erhöhten Position (er saß auf einem Baum), wie sich die Büsche bewegten und das Knacken zertrampelter Äste die Ankunft eines großen Tieres ankündigte, was vielleicht ein Wildschwein war, vielleicht … ein Mädchen? Für einen Moment traf ihn die Grausamkeit von Fortuna so hart in den Magen, dass er ins Straucheln geriet und vom Ast in ein Moosbett purzelte, doch das war gar nicht so übel, da er so einen besseren Blick auf die rennende Person hatte und neben der Tatsache, dass es idiotisch war durch einen Wald zu rasen weil man stolpern und sich verlaufen konnte auch bemerkte, dass sie irritierenderweise grüne Haare hatte … Genau wie er. Sie wehten hinter ihr her wie ein Grasschleier und Ivy richtete sich leicht auf, um sie verwundert an sich vorbeirennen zu sehen, als wäre der Teufel höchst persönlich hinter ihr her. Eigentlich war es ja nicht seine Aufgabe sich um soetwas zu sorgen oder gar zu kümmern, aber wenn sie so weitermachte, würde sie all seine Kräuter unter ihren kleinen Füßen zermalmen, deshalb gebot er dieser Dummheit besser möglichst bald Einhalt … „Hey? Was ist dir denn auf den Fersen?“, rief er ihr hinterher und rieb sich den Hintern, ehe er aufstand und die Glieder ausstreckte. Memo an ihn selbst: Nicht auf Bäumen schlafen.

Sinikka hatte etwas Zeit im Westen von Fiore verbracht, um Dinge zu tun. … Dinge wie einen Einkaufsbummel. Aber eigentlich war sie nur auf der Durchreise und guckte sich den Wald an, in welchem es angeblich Feen oder so geben sollte. Man sollte hier angeblich sehr leckere Teepflanzen finden können. Die süße Verlockung auf einen köstlichen Tee war aber fast verschwunden, als Sinikka zufällig auf einem kleinen Markt eine neue Rüstung gesehen hatte! Nunja, „Rüstung“ war in diesem Fall vielleicht kein passender Name, denn es war bloß ein schwarzer Umhang. Der Verkäufer war ein wenig zwielichtig, aber auf einem normalen Weg bekam man ja auch keine schwarzen Umhänge von guter Qualität. Und so schlimm war der Verkäufer auch wieder nicht. Freundlich, zuvorkommend und gut informiert. Kundenbetreuung erster Klasse. Den Laden zu finden war leider kein sehr leichtes Unterfangen, aber dafür war die Inneneinrichtung ein Traum. Alles war schön düster gehalten, ein paar Kerzen erhellten die Hallen und ein Miniaturwasserfall sorgte für eine entspannte Atmosphäre. 4 von 5 Punkten und garantiert ein Geschäft, welches man weiterempfehlen konnte. Den 5. Punkt gab es leider nicht, weil die Öffnungszeiten leider nicht so sehr erster Klasse entsprachen. Aber es gab Trinken und Essen! Die Preise waren auch total in Ordnung und fair. Da könnte sich das Gasthaus man eine Scheibe abschneiden... Schlechteres Essen, absolut keine Atmosphäre und die Schlafräume... die erwähnte man besser erst garnicht. Sinikka war zufrieden und bei Gelegenheit, oder wenn sie mal wieder in der nähe ist, wird sie sicher wieder beim Laden vorbeischauen. Es war ein schöner Start in den Tag gewesen. Bei ihrer weiterreise traf sie auf zwei nette, junge Herren, welche ihr Alter anscheinend viel zu hoch einschätzen. Erst wollte Sinikka empört etwas sagen, aber kurz bevor sie etwas sagen konnte fiel ihr ein, dass sie es vielleicht ganz falsch verstanden hatte und die Zwei sie nicht für eine alte Schachtel hielten, sondern sie einfach nur nett zu einer schönen, jungen Frau sein wollten und gefallen an ihr gefunden hatten! Leider brach sich der eine beinahe die Hand, als er versuchte ihr beim tragen ihrer Sachen zu helfen und musste vorzeitig weg. Schade aber auch. Leider traf sie danach auch nicht erneut auf irgendwelche Leute und sie musste ganz ganz alleine durch die Landschaft wandern, bis sie schlussendlich den Wald mit den tollen Pflanzen und Kräutern erreichte. Und aus welcher Pflanze machte man nun den tollen Tee? Vielleicht hätte Sinikka sich die Pflanze beschreiben oder zeigen lassen sollen... Das Mädchen guckte in ihren Reisebeutel und hoffte, dass andere Personen für sie mitgedacht hatten und ihr auf einem Zettel die Pflanze beschrieben oder aufgemalt hatten. Und ja, ganz unten war ein Zettel mit einer Beschreibung der Pflanzen und sogar mit kleinen Bildchen jeweils dazu! Aww, wie nett. Das Mädchen machte sich auf die Suche. Ob Sinikka wohl auch zu den kleinen, süßen Mädchen die Ivy beschwor zählte? Sie war ein wunderschönes, kleines, süßes Mädchen! Ob er eine Tasse Tee mochte? Leider müsste er sich da noch ein paar Minütchen gedulden, denn Sinikka hatte angefangen einen kleinen Topf voll Tee zu machen, aber der war gerade noch am ziehen. Das der Junge auch hier war, dass wusste das Mädchen übrigens noch nicht. Sie beschäftigte sich eher mit ihrer weiteren Reiseroute zurück nach Hosenka Town und ihrem Einkauf. Und entspannte sich ein wenig. Irgendwas lief da durch den Wald. … Sinikka erstarrte und guckte den Topf an. Der Topf war leer und ihr Tee auf dem Waldboden verteilt... Ihr Tee... Sinikka wollte heulen. Oder etwas schlagen. Eine kleine Träne bildete sich in ihrem Auge und irgendwo, ein kleines Stück weiter, kam etwas auf dem Boden auf. Ihr Tee war weg, darum entschied sie sich aus Neugierde nachzugucken, was da passiert war. Nach Tieren hörte sich das nämlich sicherlich nichtmehr an und sie hatte eh nichts besseres mehr zu tun, ihr Tee war ja weg! Und irgendein kleines Glühwürmchen flog da durch den Wald, ungefähr in die gleiche Richtung wie sie. Oh, sie war nicht alleine in dem Wald. Sinikka entdeckte einen grünhaarigen Jungen, welcher ihr irgendwie bekannt vorkam und ein grünhaariges Mädchen. Den Jungen kannte sie sogar noch! Sie hatte mit ihm eine Quest gemacht, es war Ivy! Das Mädchen kannte sie nicht, aber sie hatte auch grüne Haare. Hatte Ivy eine Schwester? Die Zwei waren sicherlich für den Lärm und den Tee verantwortlich. Sinikka war neugierig, was sie hier machten. Wobei sie sich die Frage bei Ivy ziemlich schnell selbst beantworten konnte. Bestimmt hatte es was mit den Kräutern zutun! Und wenn das kleine Mädchen seine Schwester war, dann half sie ihm bestimmt. Die große Knightmagierin, die wie ein kleines, süßes Mädchen herbeschworen worden war, winkte mit einem fröhlichen Lächeln Ivy zu und sagte: „Hallo Ivy.“

Shae schien zu fliegen. Der Waldboden raste unter ihren Füßen nur so dahin, während sie mit eiligen Schritten immer weiter über das Unterholz rannte, nicht sicher welche Richtung sie als nächstes einschlagen sollte. Sie bildete sich ein, dass hämische Kichern der Fee beinahe in ihrem Nacken hören zu können, doch das Ganze konnte auch lediglich eine Einbildung ihrer Fantasie sein. Dennoch reichte sie, um die junge Magierin weiter anzuspornen, auch wenn ihr der Atem mittlerweile schon in den Lungen brannte und sich ihre nicht sonderlich gute Kondition bemerkbar machte. Ihr Körper war nicht trainiert und gerade das wurde ihr nun zum Verhängnis, war sie doch längere Laufstrecken nicht einmal ansatzweise gewohnt. Natürlich konnte man das Mädchen des Öfteren einmal durch die heimatlichen Wälder streifen sehen und dennoch war dies nicht unbedingt eine Begebenheit, bei der sie regelmäßig in Ausdauersprints verfallen und vor einer drohenden Gefahr flüchten musste. Nun gut, manch einer würde einen harmlosen kleinen Naturgeist nicht unbedingt als eine Bedrohung ansehen, doch Shae hatte mittlerweile genug Erfahrung mit den geflügelten Biestern gemacht, um zu wissen, dass man diese besser nicht unterschätzte wenn man an seinen Haaren und an seinem Eigentum hing. Daher konnte man sagen, dass sie durchaus allen Grund hatte, im Vollsprint durch das Unterholz zu sausen und hier und da einem tief hängenden Ast oder einem Gebüsch auszuweichen. Wer konnte es ihr schon verübeln? Immerhin bestand hier die Gefahr, dass diese blöde Fee ihr wieder einmal eine ihrer Blumenspangen klauen würde und momentan hatte die Eiden weder das Geld, noch die Zeit sich neu mit ihren Lieblingsaccessoirs einzudecken. Außerdem erwartete sie nicht, jemanden im Wald zu treffen, der sie nach ihren Motiven fragen und sich nach dem Grund für ihre beinahe panikartige Flucht erkundigen würde.
Dementsprechend erschrak die junge Magierin auch, als sie mit einem Mal so plötzlich und unerwartet von hinten angesprochen wurde und sie vor Schreck doch glatt über ihre eigenen Füße stolperte. Den Geistern sei dank landete sie weich, auf einem Bett von Moos und Laub und blinzelte so nur verwirrt in die Richtung des Jungen, welcher sie angesprochen hatte. Er sah ein bisschen aus wie ein Elf, mit den grünen Haaren und den gelben Augen, doch zu Shaes unendlicher Dankbarkeit fehlte ihm sowohl die schimmernde Haut, als auch die spitzen Ohren, weshalb sie ihren angehaltenen Atem rasselnd wieder ausstieß. Sie war unverletzt, hatte offensichtlich ihren Verfolger abgehängt und sich bei ihrem Sturz zu dem nicht allzu schmutzig gemacht, also war im Grunde alles in Ordnung. Nun, bis auf die Tatsache dass sie gerade mitten im Wald von einem wildfremden Jungen angesprochen worden war. Nun, auch dafür hatte die Eiden sich im Nu eine relativ plausible Erklärung zusammen gesponnen. Schickt der Pan dich? Es tut mir wirklich leid, dass ich den Feen nicht helfen wollte, aber sie ärgern mich immer und ziehen mir an den Haaren. Dabei kann ich wirklich nichts dafür, dass sie immer in die Netze fliegen und dann gefressen werden.", meinte sie schuldbewusst und unterzog kurz darauf auch schon ihre Hände einer eingehenden Musterung. Wenn der Pan ihn geschickt hatte, dann war er bestimmt unzufrieden mit ihr und das war etwas, woran Shae gar nicht erst denken wollte. "Findest du, er sieht aus wie ein Naturgeist?", erklang wenige Sekunden später auch schon eine vertraute Stimme aus ihrem Ärmel, ehe sich die etwa handrückengroße Spinne vorsichtig aus ihrem Klamotten schälte und von Shaes nackten Arm in flinken Schritten auf ihre Schulter krabbelte. "Wirkt nicht sehr magisch auf mich, der Bursche und ich habe auch noch nie einen Naturgeist wie ihn gesehen. Was soll er darstellen, eine verkümmerte und etwas groß geratene Fee? Oder doch einen Elfling?"
Gerade wollte Shae Luft holen und Vica daraufhinweisen, was das letzte Mal passiert war, als sie ganz frei ihre Gedanken ausgesprochen hatte, da wurde sie von einer zweiten unbekannten Stimme aus ihrer Überlegung gerissen und kurz darauf kam eine Frau durch das Gebüch gedrungen, die größer war, als alle Menschen, die Shae jemals gesehen hatte. "Ach du liebe Güte, du hast eine Riesin dabei? Es tut mir wirklich leid, ich wollte den Feen wirklich helfen." Mittlerweile hatte das Gesicht der Magierin jegliche Farbe verloren und sie neigte eilig den Oberkörper in einer entschuldigenden Geste. Was, wenn sie die beiden Fremdlinge verärgert hätte? Oder noch schlimmer, was, wenn diese gar nicht vom Pan geschickt worden waren...?
Wobei, das war doch eigentlich undenkbar, wie groß war schon die Wahrscheinlichkeit, dass man sich ansonsten durch Zufall zu dritt in einem solch gewaltigen Wald traf? Vor allem wo sich die beiden Fremden offensichtlich zu kennen schienen...

Jedes Mal, wenn man in einem Wald schlief eine andere Person zu treffen, die seine Pläne durchkreuzte, das war unwahrscheinlich. Dass es sich dabei immer um ein süßes Mädchen handelte war irgendwie merkwürdig. Dass er aber nun auch noch auf ein bekanntes Gesicht treffen sollte, einfach so, in einem menschenverlassenem Abschnitt unberührter Natur – das war ein derartig gewaltiges Paradoxon, dass der rational denkende Ivy sich genausogut eine Kugel durch den Schädel hätte jagen können … Doch der Reihe nach. Zunächst war da der interessante Eindringling in sein Reich aus Blättern und Ästen, welchen er angesprochen hatte, damit er eben dieses nicht mit tollpatschigen Patschefüßen zertrampelte. Mittlerweile fragte sich der Grüne, ob es eine gute Idee gewesen war, eine völlig Fremde in eine Konversation zu vermitteln, denn sie schien entweder geistig verwirrt oder nicht ganz vorhanden zu sein. Andererseits lag das aber vielleicht auch alles an ihm, denn er vernahm Worte wie Pan und Feen und Elfling und hörte kurz darauf sogar eine Riesenspinne sprechen, was ihn durchaus an seiner psychischen Verfassung zweifeln ließ. Möglicherweise war er ja schon so lange alleine im Wald, dass sein Gehirn ihn Halluzinationen sandte, wäre das nicht eine viel logischere Erklärung als die tatsächliche Anwesenheit eines Mädchens, das von Fabelgestalten faselte und so tat, als wäre er ein Waldgeschöpf? Wie kam sie überhaupt darauf? Natürlich, grüne Haare und gelbe Augen, das war nun keineswegs irgendwie alltäglich, aber er hatte doch keine Hörner oder spitze Ohren … Was hatte er nur aus Versehen gegessen? Ivy war sich normalerweise sehr sicher, sich nicht zu vergiften, weil er sich mit Kräutern ja ausgezeichnet auskannte, aber vielleicht hatte er ja wirklich einen Fehler gemacht und vegitierte in Wirklichkeit auf einem Baum oder lag in einem Wurzelgraben oder unterhielt sich gerade mit einem Busch … Das musste es sein. Es gab keine andere Erklärung als die, dass sein Unterbewusstsein ihm haarsträubende Märchen erzählte, doch wie kam er wieder aus dieser Scharade heraus? Sollte er sich auf die Geschichte des Mädchens einlassen, weil sie eine Verkörperung seiner Selbst war, die den richtigen Weg wies oder sie womöglich bekämpfen, weil sie den Tod darstellte? Ivy runzelte die Stirn und betrachtete seine Gesprächspartnerin, besonders ihr Gesicht und natürlich die seltsam vorlaute Spinne, die irgendwie sprechen konnte. Davon hatte er noch nie gehört … Doch bevor er wirklich dazu kam, sie zu fragen, was in aller Welt hier eigentlich los war, betrat noch ein Spieler das Geschehen und kippte ihn fast aus den Latschen. Wie … Okay, das hier war ein Traum. Ein seltsamer, zufälliger und vollkommen irrwitziger Traum, denn wie sonst sollte jetzt Sinikka hier auftauchen, einfach so, ohne jeden Grund … Nein, den Zufall würde er als Mensch, der sich auf empirische Beweise verließ nicht akzeptieren! „Habe ich Pilze gegessen? Kräuter … Nein, alle überprüft und katalogisiert. Insekten? Amphibien? Das Teichwasser … Abgekocht. Ich erinnere mich nicht an Symptome, außerdem ist die Illusion zu deutlich … Das Gesicht unbekannt. Eine Mischung aus meiner Mutter, mir selbst und einen Fremden …? Huh. Woher die Spinne dann ...“ Der Grünhaarige fixierte Shae mit scharfem Blick und schaute dann auch zu Sinikka, ehe er die Arme verschränkte und die Stirn in noch tiefere Falten legte. Mitspielen, also. Was sollte schon passieren, wenn er mit ein paar Bäumen redete? „Was wollt ihr von mir?“

Was hatte sie da nur für seltsame Waldwesen gefunden? Sinikka beobachtete die zwei Grünhaare neugierig und hörte zu, was sie fasselten. Verwirrt blickte Sinikka sich um. Eine Riesin? Hatte man sie gerade ernsthaft als Riesin bezeichnet? Nun, sie war groß, aber für Sinikka begannen Riesen ab 5 Metern. Und das waren dann die kleinen Kinder. Aber das Mädchen wüsste ernsthaft nicht, dass sie eine Riesin sei. Sie hielt sich für einen stinknormalen Menschen. Zumindest hatte man ihr bisher noch nichts anderes erzählt. Außerdem waren in ihrer Heimat viele in ihrer Größe! Als war sie ganz normal. … Was aber nicht unbedingt ein Argument dafür war, dass sie keine Riesin war, wenn sie selbst zugab, dass die Menschen in ihrer Heimat etwas anders und größer sind. Da hatte man ihre Größe wenigstens einfach so akzeptiert! Uh, süßer Heimatschmerz. Aber hier war man auch überwiegend nett zu ihr und das mit der Größe war simpel eine Gewohnheitssache. Aber wo man gerade schon bei anderen Wesen war, Shae konnte mit ihrer momentanen Gesichtsfarbe sehr gut als Geist durchgehen. Sinikka näherte sich den Beiden ein wenig und meinte beruhigend ruhig zu Shae: „Ich bin alleine hier. Ich bin keine Riesin. Und ich habe nichts mit den Feen zu tun. Welchen Feen eigentlich?“ Freundlich lächelte sie und hoffte, dass das Gesicht der jungen Magierin ein wenig Farbe zurückerhalten würde. Sah nicht sehr gesund aus, wie blass und panisch sie sie anblickte. Ivy hatte auch ein wenig merkwürdiges Zeug geredet. Nicht alles davon hatte Sinikka verstanden oder mitbekommen, aber er schien nachzudenken und verschiedene Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Pilze? Kräuter? Illusionen? Bei seinem Problem konnte Sinikka ihm nicht helfen, aber seine Frage konnte sie beantworten! Zumindest für ihren Teil. „Ihr habt ziemlichen Lärm gemacht und da wurde ich neugierig, was passiert ist. Irgendwas hat hier durch den Wald gewütet und dann ist etwas umgefallen. Oder runtergefallen.“ Was die Zwei wohl hier machten? Also recht hatten sie ja, es war ein ziemlicher Zufall sich hier zu treffen. Auch wenn sie vielleicht etwas überreagierten. Ihr armer Tee... Was für Feen hatte das Mädchen eigentlich gemeint? Hieß das, sie würden noch mehr Gesellschaft bekommen hier? Also bald würde es ziemlich voll werden, wenn das so weiter ging. Sinikka hätte gerne gewusst, was hier gerade los war. Hoffentlich würde es sich gleich klären, wenn die zwei Grünhaarigen wieder sprechen würden.

Etwas sprachlos lauschte Shae zunächst einmal dem Monolog des Jungen, dem sie kurzerhand entnahm, dass es ihm körperlich nicht wirklich gut gehen konnte. Andererseits ließ sich jedenfalls nicht erklären, warum er plötzlich an seiner Gesundheit und seinem Geisteszustand zweifelte und sie zudem auch noch für eine Illusion hielt. Die Magierin neigte den Kopf, als wollte sie abschätzen, was sie von dieser Situation halten sollte. Er war also kein Elfling, oder wusste zumindest nicht, wovon sie redete, woraus sie schloss, dass der Pan ihn nicht geschickt hatte. Das Gleiche traf offensichtlich auch auf seine Begleiterin die Riesin, welche eigentlich wohl gar nicht seine Begleiterin und eine Riesin zu sein schien. Was für eine verwirrende Situation und Shae konnte beinahe spüren, dass Vica ähnliches durch den Kopf schlich, denn die große Spinne klapperte beinahe unruhig mit ihrem Kieferklauen, während sie ihren Oberkörper alle paar Sekunden so drehte, dass ihr Blick von dem Grünhaarigen zu der großen Frau wanderte, als wolle sie abschätzen, ob diese eine Gefahr für die kleine Nature Spirit Magierin darstellte. Shae selbst konnte auf Grund der ablehnenden Haltung des Jungen plötzlich eine Spur von Unbehagen in sich aufsteigen spüren, weshalb sie ihn kurz darauf aus rehgleichen, rosanen Augen unschuldig anblinzelte und kurz darauf eine Verbeugung in seine und in Sinikkas Richtung andeutete. "Bitte verzeiht mir, ich muss euch im ersten Moment mit jemandem verwechselt haben. Aber sagt mal, wenn der Pan euch nicht geschickt habt, was macht ihr denn dann in diesem Wald?" Schließlich traf man in dieser Botanik nicht alle Tage auf zwei völlig fremde Menschen. Und was noch viel interessanter war, wie lange würde es wohl dauern, bis diese vorwitzige Fee sie eingeholt hatte? Shae wollte sich gar nicht ausmalen, was das für ein Chaos auslösen würde und gerade jetzt konnte sie weitere Verwirrung wirklich nicht gebrauchen. Denn dass der geflügelte Naturgeist bald ihre Fährte wieder aufgenommen hatte, daran gab es für die junge Magierin überhaupt keine Zweifel, wusste sie doch nur allzu gut, wie geschickt die Magiesensoren dieser kleinen Wesen funktionierten. Die Fee würde sie auch noch auf Kilometer aufspüren können, schließlich kannte es ihre Manasignatur genau. Nun, erst einmal musste die zusehen, dass sie dieses Gespräch wieder irgendwie gerettet bekam und was eignete sich da schon besser, als ein wenig Normalität in die Situation zu bringen. Also ein freundliches Lächeln auf die Lippen gezaubert, sich die etwas zerzausten Haare und eine fast verlorene Blümchenhaarspange zurechtgerückt und ihre Gegenüber freundlich angestrahlt, ehe sie fröhlich erneut das Wort ergriff. "Was für eine seltsame Begegnung. Ich heiße übrigens Shae, es freut mich, euch kennen zu lernen.", dann wandte sie sich an Sinikka, um deren letzte Frage zu beantworten. "Und was die Fee betrifft, ich bin eine Magierin und leider scheint es dieser äußerst hartnäckige Naturgeiststamm ein wenig auf mich abgesehen zu haben. Dabei habe ich wirklich versucht ihnen zu helfen, aber ich kann doch nicht jede einzelne Fee aus den Spinnennetzen befreien. Versteht ihr mein Problem? Die meisten sind ohnehin längst völlig verklebt wenn ich dort ankommen...", man konnte das Schuldbewusstsein deutlich in ihrer Stimme tanzen hören und auch ihr Gesicht wurde von einem bedauernden Ausdruck geziert. "Jetzt zieh nicht so einen deprimiertes Flunsch, es ist schließlich nicht deine Schuld, dass diese Viecher zu blöd sind, aufzupassen wohin sie fliegen. Außerdem ist es auch gar nicht deine Aufgabe ihnen ständig zur Hilfe zu kommen, immerhin hast du nicht einmal einen Vertrag mit ihnen. Sich weigern, dich im Kampf zu unterstützen und dann dennoch andauernd deine Hilfe zu verlangen ist einfach nur erbärmlich. Sie sollten sich schämen, dich jedes Mal erneut aufzusuchen." fauchte die Spinne verstimmt und rieb aggressiv ihre langen Vorderbeine aneinander, als wollte sie ihre These damit unterstützen. Im Grunde hatte sie ja auch recht und dennoch konnte sich die junge Magierin nicht behelfen, wenn sie sich irgendwo trotzdem für die Sicherheit der kleinen Wesen verantwortlich fühlte. Was hatte der Pan immer gesagt? Alle Naturgeister waren liebevolle und gutherzige Wesen und verdienten es daher beschützt zu werden. Andererseits hatte Shae da öfter ihre Zweifel, wenn sie daran dachte, wie gemein die kleinen geflügelten Tierchen ihr immer an den Haaren zogen und sie in die Ohren bissen.

Diese beiden Mädchen waren also keine Illusionen und Ivys geistige Gesundheit war absolut intakt. Niemand hier war verrückt. Nun, theoretisch könnte er durchaus einen an der Waffel haben, da 97% aller Geistesgestörten sich für absolut normal hielten, doch davon einmal abgesehen, hatte er sich immerhin keine Mädchen herhalluziniert, was ein Schritt in die richtige Richtung war, wenn man den Grünen fragte. Der Kräutermagier betrachtete aufmerksam, was die große Frau namens Sinikka zu sagen hatte und wie sie diese ulkige und zufällige Situation erklärte. Sie war also einfach so im Wald gewesen und hatte dann bemerkt, wie viel Krach sie gemacht hatten? Na ja, eigentlich hatte diese Kleine ja den ganzen Lärm verursacht und Ivy war ihretwegen vom Baum gestürzt, aber er verkniff sich eine Zurechtbiegung der Ereignisse und konzentrierte sich stattdessen auf besagte Hooliganerin, welche nicht unbedingt schuldbewusst wirkte und stattdessen erzählte, dass sie Gegenstand einer Verwechslung sein mussten. Ja, klar, Ivy hielt auch alle möglichen Menschen für Elfen und Riesen, laberte von einem Pan und regte sich über Feen auf … Der Magier runzelte leicht die Stirn, aber auch dazu sagte er nicht viel, weil ihm keine höfliche Antwort einfiel. Wie sagte man seinem Gegenüber auch, dass sie wahrscheinlich irgendwie irre war? Andererseits hatte sie diese riesige quasselnde Spinne dabei, da konnte man ihr soetwas wie Feen ja vielleicht sogar abkaufen. War es nicht ironisch, dass sich Feen in Netzen verhedderten? Da Ivy wusste, wie Spinnen für gewöhnlich ihre Beute fraßen, nämlich, indem sie ihr Futter aussaugten, bis nur noch eine Hülle übrig war, konnte man mit etwas schwarzem Humor ja fast schon lachen, wenn man hörte, dass diese seltsamen Feenwesen Shae auf ähnliche Art ausnutzten … Natürlich tat er das nicht, sondern überlegte sich, was er auf ihre Frage antworten sollte, oder eher, auf den Monolog von Spinni und Grünhaar. Wie war er nur wieder in eine so seltsame Situation geraten? „Ich bin vom Baum gefallen“, erläuterte er in Sinikkas Richtung, „und ich bin hier, weil ich nach Kräutern für meine Magie gesucht habe. Ich bin Healing Herbs Magier und mein Name ist Ivy Griffin.“ Er hielt ihr seine Handfläche entgegen, auf der das Zeichen von Lamia Scale prangte, und verschränkte dann die Arme. „Kann man dir irgendwie mit deinem Feenproblem behilflich sein?“

Pffff... Verrückt sollte man sein, nur wegen ein paar Geistern? Nunja, eher wegen der sprechenden Spinne, vermutete Sinikka, den Geister waren schließlich nicht so ungewöhnlich. Genau so wie es Wanderer in einem bekannten Wald waren. Aber beim Wald konnte Sinikka wenigstens zustimmen, dass sie überrascht war plötzlich zwei Leute zu treffen. Sicherlich hatte das an der vorherigen Ruhe gelegen. Es war erstaunlich was für Leute man an welchen Orten treffen konnte... Awww, Shae lächelte sie freundlich an! Also niedlich war das kleine Kind ja schon. Da konnte man ihr sicherlich leicht verzeihen, dass sie wohlmöglich etwas mit dem umgekippten Tee zu tun hatte. Den hatte Sinikka sowieso schon längst wieder vergessen. Wer würde sich auch schon so lange an irgendwelchen Tee erinnern. Es war immerhin nur Tee! Sinikka hatte genug Getränke dabei, da kam es auf den einen Kessel Tee auch nicht an. Sie war eine vernünftige, normale, wenn auch etwas große, Frau und würde sich nicht wegen sowas banalem aufregen. Sie hatte den Tee garantiert schon längst vergessen. Später, wenn sie anderen davon erzählte, würden sie alle fröhlich Lachen und es würde total lustig sein! Das kleine, süße Mädchen, welches anfangs nicht so ganz normal war und mit merkwürdigen Gestalten wie Geistern redete, bat um Verzeihung und fragte, was sie hier taten. „Oh. Ich hoffe, dein Aufprall war nicht so schlimm.“ meinte sie vorher noch leicht erschrocken, besorgt zu Ivy. Hoffentlich hatte er sich nichts getan. „Ich bin ein wenig durch die Landschaft gereist und hab mir einen schönen, neuen Umhang gekauft.“ Man konnte deutlich hören, wie stolz und glücklich Sinikka wegen dem neuen Kleidungsstück war. „Man hatte mir erzählt, hier gibt es sehr gute Teepflanzen, mit denen man sehr guten Tee machen kann, also wollte ich mir davon ein paar sammeln. Oh, und ich heiße Sinikka.“ Nichts weltbewegendes, nur ein simpler Ausflug. Etwas was Sinikka des öfteren machte, viele andere Menschen vermutlich eher nicht. Shae erzählte etwas mehr zu den Feen und dadurch wurde die ganze Situation gleich noch ein großes Stück normaler. Sinikka lächelte fröhlich und meinte: „Ich helfe dir auch gerne, falls ich kann.“ Das große Mädchen musterte die Spinne und sagte: „Ich denke du solltest dir nicht soviel Schuld zuschieben. Klingt für mich eher danach, das die Feen es etwas übertreiben.“ Verwundert sprach sie dann noch: „Und ich hätte nicht gedacht, dass Feen sich so leicht in Spinnennetzen verheddern...“ Das war wirklich etwas, was Sinikka so nicht erwartet hatte. Aber es kam auch selten vor, dass man von Spinnennetzen und Feen in einem Satz hörte.