Offenbar nahm der Dschinn es nicht so einfach hin, wenn man seine Lampe demolierte. Zwar hatte er es geschafft, einem Klasse III-Zauber eines Dragonslayers zu entgehen und dessen frontale körperliche Attacke einfach zu ignorieren, aber das bedeutete noch lange nicht, dass es nichts gab, das ihn treffen konnte. Das ganze erinnerte Seraphim an eine der wenigen Geschichten, die Grandine ihm je erzählt hatte; zwar hatte es sich nicht um eine Kindergeschichte gehandelt, aber die dargestellten Ereignisse hatten wohl kaum der Wahrheit entsprechen können. Darin war es um einen bösen Zauberer gegangen, der sich aus Angst vor dem Tod das Herz herausgerissen hatte und es in einer Truhe verschloss, damit er niemals sterben möge. Tatsächlich sorgte diese Prozedur dafür, dass niemand ihn töten konnte, weil sein Herz weit entfernt von ihm pochte. Natürlich riss er sich damit auch alle Emotionen aus der Brust, sodass sein Leben immer leerer und sinnloser wurde und er irgendwann der Misere selbst ein Ende setzte, indem er sein Herz mit einem Dolch durchbohrte, nachdem ihm aufgefallen war, dass es von einer dünnen Eisschicht überzogen gewesen war. Was sie Seraphim damit hatte sagen wollen, blieb jedem zur Interpretation selbst überlassen, was er davon aber mitgenommen hatte, war die Tatsache, dass man sein Leben nicht an magische Artefakte binden sollte, weil man sonst verwundbar war. Das gleiche galt auch für Personen, denn wenn man diese erst einmal in sein Herz ließ, wurden sie praktisch ein Stück davon, sodass man nicht nur sich selbst, sondern auch sie beschützen musste, wenn man nicht wollte, dass sein eigenes Herz Schaden davon trug. Wahrscheinlich war das nicht gewesen, was ihm die Drachendame hatte beibringen wollen, aber er neigte bei solchen Dingen ja im Allgemeinen zu etwas speziellen Deutungen und hatte das ziemliche Gegenteil von erreicht, was gemeint gewesen war.
Der Dschinn trug zwar keine Schuld daran, dass er in einer Lampe leben musste, aber was er selbst verbockt hatte, war den Magiern in den Weg zu kommen. Jeder, der sich speziell ausgebildeten Magiern von Blue Pegasus entgegen stellte, musste sich darauf einstellen, zu scheitern, das stand doch sozusagen schon fest im Namen. Selbst wenn man ein großer, roter Dschinn war, der nun aber gar nicht mehr furchterregend aussah. Tatsächlich schien es beinahe, als fordere das dauernde Zeitzurückspulen seinen Tribut, da er in Rekordschnelle zu altern schien, mit jeder Beule, jeder Delle, die Souta dem metallenen Objekt zufügte, schien er zehn Jahre älter, bis er schließlich mit eingefallenen Wangen und faltengeziert den Arm ausstreckte, nach etwas unsichtbarem Griff und in einer diffusen Rauchwolke aufging. Er war verpufft, bedeutete das, dass seine Magie nun verwirkt war? Seraphim wollte gerade beginnen, sich zu freuen, als ihm etwas einfiel, das ihm überhaupt nicht gefiel... er steckte gerade in einem Rock. Und einem Top, das seinem eigentlichen Körper nicht ansatzweise passen würde, wenn er nun also wieder er selbst wurde, dann... Katastrophe! Doch es war schon zu spät. Die Farbschlieren rasten in Rekordtempo ihren Ursprünglichen Weg zurück, die Umgebung um sie herum bildete sich wieder zurück und der Dragonslayer warf einen leicht verzweifelten Blick zu Souta, dem sich ein besonders interessantes Bild bieten würde. "Wehe du ziehst mich damit auf..."
Momentan war nicht recht ersichtlich, welches Geschlecht Seraphim besaß, weil sich weibliche Merkmale zurückbildeten, während sich männliche langsam wieder ausprägten, sodass man ihn für den Moment als ein Es bezeichnen könnte. Die Haare des Weißhaarigen schrumpften scheinbar in seine Kopfhaut zurück, um an anderer Stelle wieder hervorzutreten, seine Statur streckte sich langsam, sein Kreuz wurde breiter, seine Brust flacher und sein Gesicht wieder kantiger, doch da war noch etwas anderes, das bisher noch nicht vollends verschwunden war und wie ein letzter Stoß des Dschinns auf seinem Antlitz nachglühte.
Beginnend an seiner rechten Schläfe, über seine Augen, den Nasenrücken, beide Wangen und das Kinn, glühte in dunkelblauen Lettern:

Souta soll meine Liebe erwidern.

"Was?"