Es war eine komische Folge von Ereignissen, die Sylvana in ihrer Situation so garnicht verarbeiten konnte. Sie wusste nicht, wie ihr geschah und warum sie so plötzlich am fallen war. Noch gerade eben hatte sie dort am Geländer gestanden, ihre Lungen nach Sauerstoff schreiend, ihre Puls rasend und ihr Kopf leer von allen Gedanken. Kaum verwunderlich, nachdem sie ihren Körper an die Grenzen seiner Kraft gezwungen hatte. Anscheinend hatte sie die Distanz des Laufes doch ein klein wenig überschätzt. Mehrere Sprints über einhundert Meter mit voller Geschwindigkeit, mit kleineren Zwischenphasen, in denen sie nur locker joggte, waren eben nicht so anstrengend, wie ein Sprint über zweihundert bis dreihundert Meter am Limit. Ob sie froh war konnte sie nicht sagen, dafür war ihr Kopf fiel zu leer. Nur das laute Dröhnen ihres Herzschlages und das Blut, welches mit jedem Mal durch ihren Körper gepumpt wurde, waren allgegenwärtig. Und dann verschwand der Halt unter ihren Füßen und sie fiel. Warum sie fiel konnte sie nicht sagen, sie tat es einfach. Das Schwert, welches hinter ihr einschlug, bemerkte sie garnicht mehr. Sie sah nur, wie sie sie nicht gerade langsam sich dem Boden näherte, nur um im nächsten Moment durch eine Drehung in der Luft die Treppe und kurz darauf den blutroten Mond zu sehen. Das war in dem Moment, wo sie mit dem Rücken auf dem Boden aufschlug. Natürlich konnte sie vom Glück reden, dass der sandige Untergrund ihren Sturz ein wenig abfederte. Glück im Unglück, wie man es nennen konnte. Dennoch war der Aufprall nicht schöner Natur. Die ohnehin schon wenige Luft wurde auf ihren Lungen gepresst, Wogen intensiver Schmerzen fegten durch ihren Körper hinweg. Als ob man tausend glühende Schwerter in ihre Knochen bohren würde. Ihr Mund war weit aufgerissen, wollte aufschreien. Aber da kam kein Ton aus ihrer Kehle. Sie lag dort wie eine Schildkröte, die ein kleines Junge aus Spaß umgedreht auf den Boden gesetzt hatte. Nur, dass sie nicht so viel umherzappelte und nicht einmal den Gedanken verfolgte, sich umzudrehen. Dafür waren Schmerzen und der Drang, nach Luft zu schnappen, fiel zu groß. Überhaupt war es sowieso schwer genug, einen einzigen tiefen Atemzug zu nehmen. Ihr Hals war wie zugeschnürt, ihre Brust fühlte sich an, als ob etliche Tonnen auf sie niederdrückten. Dementsprechend waren es auch nur kurze, hastige Atemzüge, zu denen Sylvana in der Lage war. Ob es nun ihr Glück war, dass Seraphim die sich nähernden Rüstungen aus dem Weg pustete, konnte die Dragonslayerin nicht sagen. Wie denn auch, wenn sie damit beschäftigt war, überhaupt Luft zu bekommen und nicht völlig ihrer Panik zu verfallen. Immerhin war da noch dieser Hintergedanke. Da war irgendwo ein riesiger Blechhaufen, der es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht hatte, Sylvana zu Aufschnitt zu Verarbeiten. Wenn er jetzt vor ihr auftauchen würde, dann wäre es vorbei. Sie würde sich nicht wehren können und wäre innerhalb weniger Sekunden erledigt. Wenigstens konnte sie sich sicher sein, dass sie nicht viel spüren würde. Dafür war ihr Körper zum einen schon zu taub vom Schmerz, zum anderen war sie sich sicher, dass der erste Schwertschlag sie direkt in zwei Hälften teilen würde. Aber wieder schien sie Glück im Unglück zu haben. Der Krieger zeigte sich nicht. Man hörte keine Schritte, die den Boden beben ließen. Nur das leise Klackern der Rüstungen, welches man überall auf diesem Schlachtfeld vernahm. Und Seraphims Stimme, die von oben herab zu ihr sprach. Zu ihrem Schmerz mischte sich jetzt noch eine Quäntchen Zorn. Nicht, weil dieser miese Hund gerade so tat, als ob er von nichts wissen würde. Eher die Bezeichnung, die er für die eigentlich so stolze Dragonslayerin parat hatte. Elementarmagier? Was bildete sich dieser Luftikus überhaupt ein, sie als einfachen Elementarmagier zu bezeichnen?!
„Ich bin kein Elementarmagier…“ Ihre Stimme war schwach, vermutlich zu leise, dass Seraphim sie überhaupt hören konnte. Sylvana ballte ihre Hände zu Fäusten, biss sich auf die Unterlippe. Würde sie sich so leicht unterkriegen lassen? Dann hatte er mit seiner Behauptung vermutlich recht. Dann war sie einer dieser einfachen Elementarmagier, die in der Masse untergingen. „Ich bin kein Elementarmagier…!“ Die Schmerzen waren fast schon vergessene Nebensache. Eine Randerscheinung, die sie nur daran hinderte, sich jetzt einfach aufzurichten oder überhaupt wirklich bewegen zu können. Sie brachen aber nicht ihren Willen, ihren Stolz. Sie war kein Elementarmagier. Durch ihre Adern floss das Blut der alten Drachen. Ihr Vater war Raiden, der Drache des Donners. Nein, sie war wirklich kein Elementarmagier. Sie war ein Dragonslayer!
„Ich bin kein Elementarmagier!!“ Endlich hatte ihre Stimme wieder ihre alte Kraft erlangt, war laut genug geworden, um zu Seraphim vordringen zu können. Sie konnte sich zwar immernoch nicht bewegen, aber sie konnte diesem eingebildeten Kerl gleich einmal klar machen, dass sie sich nicht nur einer von vielen, einfachen Elementarmagiern war! „Ich bin ein Dragonslayer! Und wenn du mich noch einmal als Elementarmagier bezeichnest, dann schwöre ich dir beim Blute meines Vaters Raiden, dass ich dir eines Nachts im Schlaf deine Kehle aufschneiden und deinem Leben ein abruptes Ende bereiten werde!“ Ein schwerer Hustenreiz überkam sie, ehe sie wieder nach Luft schnappte und das erste Mal nach langer Zeit wieder einigermaßen tief einatmen konnte. Sie wusste, wie lächerlich diese Drohung in ihrer Situation klingen mochte, aber sie meinte jedes einzelne Wort ernst. Todernst!

Es war sehr vorteilhaft, dass die Leute nicht in Seraphims Kopf gucken konnten, denn dort spielten sich so manches Mal Szenarien ab, die gerade für die Augen von Kindern nicht geeignet waren. Während er so am Geländer lehnte und, abgesehen von dem einen oder anderen Zauber, den er gegen die herannahenden Rüstungen schießen musste, Sylvana beobachtete, tat diese in seinem Kopf etwas andere Dinge, als ausgepowert in einer zertrampelten Steppenlandschaft zu stehen. Der erste große Unterschied zwischen Vorstellung und Realität war der Zustand ihrer Kleidung. Sie hatte sich ja für den Anlass doch irgendwie recht geschmackvoll angezogen, auch wenn er sich fragte, mit welcher Art von Magie sie die Kleidung fixiert hatte, dass sie immer noch recht gut saß, doch so gut das auch aussehen mochte, weniger war seiner Meinung nach in dieser Hinsicht oft mehr. Das konnte etwas großzügigere Ausschnitte bedeuten, kürzere Röcke oder mal keinen Rollkragenpullover samt Schlabberhose. Natürlich gab es Menschen, die ihre Körper am liebsten hinter Stoff versteckten, aber weder gehörte Seraphim zu dieser Sorte, noch empfand er sie als besonders hübsch. Kleidung sollte nicht dazu beitragen, zu verstecken, sondern eher, zu betonen und Akzente zu setzen... aber manchmal war Barrierefreiheit in dieser Hinsicht doch noch ein bisschen besser, wenn das Wesen auch ohne Kleidung attraktiv genug wirkte. Inzwischen ging Seraphim sehr stark davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er Sylvana so weit hatte, dass sie um Hilfe bat und es war eine Freude, sich auszumalen, was er dann als Gegenleistung verlangen könnte. Vielleicht würde sie sich zum Beispiel ausziehen müssen. Nicht, dass ihre Kleidung besonders viel verbarg, aber es war wohl eine Eigenschaft vieler Männer, dass sie sich vor allem für die fünfzig Prozent interessierten, die vor ihren Blicken verborgen lagen. Frauenkleidung war manchmal mehr eine Provokation als ein Schutz und er war der festen Überzeugung, dass die meisten Frauen diesen Effekt ziemlich bewusst einsetzten. Das war ja auch solange sinnvoll, wie man damit etwas erreichen konnte, aber es konnte eben auch Rückschläge verursachen. Jetzt zum Beispiel, denn immerhin hätte sich Seraphim ganz bestimmt etwas anderes ausgedacht, wenn er Sylvana hässlich gefunden hätte - auch wenn es durchaus hätte sein können, dass er sie dann ihrem Schicksal überlassen hätte. Für den Himmels Dragonslayer waren die Menschen nämlich nicht alle gleich. Hässliche Menschen waren für ihn nicht von Belang, weil sie ihm nicht den Alltag versüßen konnten, Dumme waren bereits grenzwertig. Ein paar Stunden konnte er sicherlich ignorieren, wie hohl eine Frau war, wenn sie etwas ausgleichend in die Waage legen konnte, aber auf Dauer war das auch kein Zustand. Im Gegensatz zu einigen anderen Menschen unterschied er nicht zwischen magisch begabten und magisch nicht begabten Menschen, wohl aber zwischen Magiern, die eine menschengemachte Magie ausübten und solchen, die...
Sylvanas Worte rissen den Weißhaarigen aus himmlischen Tagträumen und mit einem Mal war die junge Dame in seinem Kopf wieder gesellschaftstauglich ausstaffiert. Offenbar hatte er sie ein wenig mit seiner Einstufung als Elementarmagierin beleidigt, weil es sich bei ihr scheinbar um die Donner Dragonslayerin handelte... und das änderte einiges. Für Seraphim waren die Dragonslayer etwas Besseres, Halbgötter beinahe, weil sie die Söhne und Töchter der Drachen waren, die für ihn wirklich Götterstatus innehatten. Dummerweise war er auch einer dieser Magier, also hieß das nun nicht, dass er Sylvana jeden Wunsch von den Lippen ablesen würde - aber sie war zumindest ein wenig in seiner Achtung gestiegen, was ihr die Schmach ersparte, eine solche Forderung von den blassen Lippen zu hören. Auch wenn es sehr schade war, er würde keine Dragonslayerin vor die Wahl stellen, entweder geschreddert das Examen zu verlassen oder ihre Kleidung auf dem Boden zu drapieren... am Ende petzte sie das noch Raiden und der gab es an seine Mutter weiter. Das wäre wirklich unschön, denn Grandine war mit ihrem Sohn in vielerlei Hinsicht nicht zufrieden und zeigte das auch, wenn er sie besuchte. Das änderte nichts an seiner Ergebenheit ihr gegenüber, aber man musste es ja auch nicht ganz extrem provozieren - und eine junge Frau auf derartige Weise erpressen, gehörte sicherlich zu den Dingen, die er besser nicht tat. Allerdings sprach nichts dagegen, dennoch ein wenig auszukosten, was er da fabriziert hatte.
"Ich wüsste da einen Weg, wie du Nachts in mein Schlafzimmer kommen könntest...", meinte er mit einem breiten Lächeln und legte die Unterarme auf das Geländer. Tatsächlich gab es da einen sehr einfachen Weg, mit dem allerdings kein garantierter Erfolg bei einer solchen Angelegenheit zu erwarten war. Seraphims Schlaf war höchst leicht, etwas, was er sich in seiner Kindheit angewöhnt hatte, denn wenn man in der freien Natur lebte, konnten Tiefschlafphasen gefährlich werden. Er wachte meist auf, wenn sich jemand in sein Zimmer bewegte, was auch einer der Gründe für seine beinahe ständig geöffnete Schiebetür war. "Du bist also die Donner Dragonslayerin? Dann sind wir ja so etwas wie Cousins..." Ein wenig enttäuschend war es ja doch, dass die Tochter von Raiden so eine schwache Magierin war... er hatte erwartet, dass die meisten Dragonslayer sich ungefähr auf seinem Niveau oder darüber befanden, aber offenbar hatte er sich in der Hinsicht getäuscht. Andererseits war sie wirklich hübsch... und er hatte nach wie vor noch nie etwas mit einer Dragonslayerin gehabt, weil er seine Chance bei Lia irgendwie verpasst hatte. Dementsprechend war das Interesse da sicherlich noch vorhanden. "Was bekomme ich, wenn ich dir durch diesen Raum helfe?", fragte er schließlich mit abwägender Stimme und blickte zu dem Krieger hinüber, der, das Schwert mit beiden Händen gepackt, in kampfbereiter Haltung auf Sylvana zumarschierte. Dieses Mal würde er wahrscheinlich genau auf ihre Bewegungen achten.

Ganz genau konnte Sylvana nicht sagen, ob es ihre Drohung oder der Umstand, dass Seraphim sie, als Abkömmling eines Drachens, nun in eine völlig andere Schublade einordnete, war. Dennoch schien der Dragonslayer mit einem Mal eine andere, zugegeben nicht wirklich bessere, Seite ihr gegenüber aufzog. Er bot ihr Hilfe an. Hilfe, die sie durchaus nötig hatte, da sie keine wirkliche Lust darauf hatte, sich vom nicht gerade langsam nähernden Krieger zerstückelt zu werden. Aus eigener Kraft würde sie nicht wirklich etwas gegen ihn ausrichten, geschweige denn sich überhaupt bewegen können. Dafür schienen die Schmerzen des Sturzes ihren Körper noch zu stark im Griff zu haben. Obwohl sie ihre Stimme und ihren Willen wiedererlangt hatte, sie war weiterhin die hilflose Schildkröte, die auf ihrem Rücken zappelte und sich von alleine nicht wieder umdrehen konnte. Fragte sich nur… Was würde sie Seraphim geben? Wobei eine viel bessere Frage doch war: Mit was würde sich der Dragonslayer zufriedengeben? Sylvana kannte ihn ja kaum, somit also weder seine Vorlieben und Abneigungen – auch wenn sie schon lange das Gefühl hatte, dass hübsche Frauen auf der Liste für seine Vorlieben standen. Was also tun? Zeit zum Überleben blieb ihr immerhin nicht wirklich, jede Sekunde würde den finalen Schwertschlag nur näher bringen. Zumal all die Schmerzen, unterstützt durch die aufkommende Panik auf den sich nähernden Krieger, es ihr nicht gerade einfacher machten, einen klaren Gedanken fassen zu können. Unter anderen Bedingungen hätte sie sicherlich nie im Leben so reagiert, hätte versucht sich so weit es ihr nur möglich war aus der Situation zu winden, Ausflüchte zu kreieren und am Besten irgendeine schlecht gemachte Lüge aufzutischen, die man ihr sogar abkaufen würde. Leider war dieses Examen nur kein Wunschkonzert und die Bedingungen waren nun einmal, wie sie eben waren: Beschissen. Sie hatte nichts in der Hand, womit sie Seraphim in kurzer Zeit um den Finger wickeln konnte – wenn ihr das bei diesem Kerl überhaupt möglich war. Jedenfalls, da ihr Hirn seine Arbeit versagte und keinen Anstand machte, sie laut schreiend anzubrüllen, dass die Worte, die sich aus ihrer Kehle bahnten einer der größten Fehler ihres Lebens sein würden. So kam es, dass Sylvana, ohne Hintergedanken, Stolz oder ähnlichen Dingen so laut, wie es ihre Stimme zuließ, schrie: „Ich erfülle dir einen beliebigen Wunsch deiner Wahl, wenn du mich unversehrt hier rausschaffst!“
‚Sollen die Starken die Schwachen schützen? Oder sind die Schwachen Futter für die Starken? Um ein Ziel zu erreichen, muss sich etwas opfern...’ Es geschah, wie es der Text am Anfang förmlich prophezeit hatte: Etwas musste geopfert werden. In diesem Fall war es Sylvanas Stolz, den sie in dem Moment verstummen ließ, als die Dragonslayerin ihre Stimme erhoben hatte.

Seraphim einen Blankocheck auszufüllen war... grundsätzlich unklug. Der Weißhaarige war so weit von Moral und Anstand entfernt, dass es an ein Wunder grenzen würde, wenn er eine solche Aussage nicht vollends auskosten würde und so konnte man wenige Millisekunden nach Sylvanas Satz ein geradezu animalisches, zähnefletschendes Grinsen auf seinen Zügen beobachten, ehe es in Sekundenschnelle wieder verschwand - ebenso wie Seraphim. Der Dragonslayer war leichtfüßig über das Geländer gesprungen und segelte nun abwärts, der Braunhaarigen und dem Boden entgegen, ehe er deutlich zu sanft für einen solchen Fall hinter der jungen Frau aufkam. Den Blick zur Sicherheit auf das Schwert der Donner Dragonslayerin gerichtet, packte er den wohlgeformten Körper unter Kniekehlen und Achseln, lächelte sie unangemessen freundlich an und stieß sich mit aller Kraft vom Boden ab. Dafür war es auch höchste Zeit, denn der Krieger hatte sie beinahe erreicht und schlug noch auf den letzten Metern nach der Magierin, ohne sie jedoch erreichen zu können. Wenn man einmal von der Tatsache absah, dass diese ganze Geschichte grenzwertig erpresserische Züge angenommen hatte, hatte das Bild, das sich einem zufälligen Zuschauer bieten würde, durchaus etwas: Sich ganz leicht um die eigene Achse drehend, stieg der Weißhaarige durch in die Lüfte, die weißen, abstehenden Haare im Flugwind wehend und Sylvana auf den Armen tragend, als sei das hier kein um Haaresbreite entkommener Tod, sondern etwas schrecklich kitschiges wie eine Hochzeit. Nicht, dass er vorhatte, die junge Frau um ihre Hand anzuhalten, aber solche Bräuche konnte man doch auch sicher abkürzen. Gewisse Abschnitte ließen sich bestimmt überspringen, wie zum Beispiel die lästige Geschichte mit dem Kleid und dem Ring, den vielen Gästen und natürlich dem Eheversprechen. Seraphim gehörte nämlich zu der Art von Menschen, für die es nur eine Sache gab, die schlimmer als die ernsthafte Teilnahem an einer solchen Veranstaltung wäre: Kinder bekommen. In seinem Fall wohl eher Kinder durch Unbedarftheit in die Welt zu setzen und dann für sie verantwortlich zu sein. Kleine Blagen waren praktisch das Game Over der realen Welt, ebenso wie Hochzeiten das Fegefeuer darstellten... aber das Nachspiel dieser Rituale hatte doch etwas an und für sich.

Zumindest theoretisch. Es gab da noch zwei winzige Kleinigkeiten, die Seraphim davon abhielten, Sylvana mit honigtriefenden Worten zu verklickern, dass es im Allgemeinen genau eine Sache gab, die er von hübschen Frauen wollte. Die eine war ihr Status als Dragonslayerin. Es hatte durchaus einen Grund, warum er sie nicht zu peinlichen Dingen gebracht hatte, weil er nämlich einen Heidenrespekt vor den Drachen hatte und sie nicht übermäßig erzürnen wollte. Er wusste nicht genau, wie Raiden drauf war, aber wenn er eine Frau wäre und jemand würde ihn so ausnutzen, würde Grandine wahrscheinlich Amoklaufen. Also tat er gut daran, seine Gedanken nicht in die Tat umzusetzen, auch wenn er die Idee für höchst fruchtbar hielt. Die andere war Seraphim selbst, denn auch er kannte Dinge, die er nicht tat, weil er sie nicht guthieß. Andere Leute zu intimen Handlungen zwingen war sicherlich eines dieser dogmatisch Ausgeschlossenen, denn das hatte er gar nicht nötig. Es war schwach, auf so etwas zurückgreifen zu müssen, weil es geradezu sportlichen Ehrgeiz erforderte, die Leute erst einmal so weit zu kriegen, dass sie es freiwillig taten. Jeder, der einigermaßen kräftig war, konnte Leuten Gewalt antun, aber das war nicht reizvoll, sondern stupide, brutal und dumm. Erpressung zu diesem Zwecke war auch nicht gerade besser, also würde er nichts dergleichen tun - oder zumindest nicht direkt. "Du musst dir keine Sorgen machen, Sylvana-chan - so bin ich nicht...", erklärte er und blickte auf die junge Dame in seinen Armen hinunter, "Ich... wäre mit einem Date vollkommen zufrieden." Ach, was war er doch wieder reizend, wie er sie so treuherzig anblickte, als wären seine Intentionen ehrlich und voller Unschuld. Natürlich waren sie das nicht, denn die meisten Dates, die man mit Seraphim verleben konnte, endeten in einem ganz bestimmten Möbelstück, aber immerhin zwang er sie dann ja zu nichts... außer, dass sie sich wohl mit ihm treffen sollte. Um genau zu sein würde sie es wohl müssen, denn die Chance, Seraphim in Oshibana Town auf Dauer ausweichen zu können, war extrem gering. So hatte er zwar keine direkte Belohnung, aber allein der Triumph gefiel ihm gut genug, als dass er sich über diese kleine Tatsache ärgern würde.

Die Stufen flogen so weit unter ihnen hinweg, dass ein Sturz sicherlich unangenehm wäre und der Krieger sie garantiert nicht erwischen würde, ehe sie vor der Schwelle des nächsten Raumes im zweiten Stock angekommen waren und Seraphim die Donner Dragonslayerin auf den Boden herunter ließ. Er erwartete nicht, dass der Krieger sie weiterhin verfolgen würde, aber zur Not konnte er ihm entweder einen gepfefferten Wirbelwind entgegen speien oder einfach durch die Tür verschwinden, also sollten sie einigermaßen in Sicherheit sein. Der weißhaarige Dragonslayer lächelte, trat einen Schritt zurück und deutete auf die Tür zu seiner Linken. "Ladies first?~"

Nun, da sämtliche Teilnehmer den ersten Stock verlassen hat, bricht mit einem Mal der Boden komplett auseinander, als wäre alles, was die letzten Reste des Gesteins zusammen gehalten hatte, mit einem Mal verschwunden. Einen Fuß zurück in dieses Stockwerk zu setzen, erscheint nun als keine gute Idee mehr, sofern man nicht an den weiterhin bröckelnden Wänden entlang laufen kann. Welch Zufall, dass es gerade geschah, als niemand mehr da war...

Das Limit von 2 Wochen für den 2. Stock setzt nun ein.