Fairy Tail RPG » Große Städe Fiores » Marokkasu Town » Catch me if you can

Ein neuer Tag, eine neue Quest, aber eine alte Location. Langsam kam es Souta so vor, als würden tatsächlich alle Wege nach Marokkasu Town führen, wie es in dem Sprichwort hieß. Ihre letzte Quest hatte eine negative Bilanz hinterlassen, auch wenn er in der Lage gewesen war, seine Miete zu bezahlen. Ließ man diese Tatsache einmal außen vor, hatte sie allerdings mehr Schaden angerichtet, als bei seiner Lebensführung geholfen. Souta hatte das tiefste und dunkelste Geheimnis seines Freundes erfahren, der wiederum nicht ganz er selbst gewesen war. Der Ort des Geschehens war zwar dieselbe große Stadt mit dem berühmten Regierungsturm, der das persönliche Highlight des Kettenmagiers war, wann immer er ihn sah, aber weder Auftraggeber noch Missionsbeschreibung waren dieselben wie das letzte Mal. Auch wenn er kaum richtig hingehört hatte, als er die genaueren Details erfuhr, weil Seraphims Stimme und der Speisewagen des Zuges sich was Aufmerksamkeit anging gegenseitig ausschlossen, hatte er doch soviel verstanden, dass es um einen gewitzten Teufel ging, der sich in dieser Stadt herumtrieb und der Polizei bislang ständig durch die Lappen gegangen war. Kein Wunder also, dass man sie als überqualifizierte Spürhunde anstellte, um das verlorene Lamm zurück in die Koppel zu bringen – oder wo auch immer Schafe wohnten, was wusste er denn davon? Souta schaute zur strahlenden Sonne hoch, welche freundlich am kristallklaren Himmel stand und bewunderte die kleinen Schäfchenwolken, die sich hin und wieder träge durch die Lüfte schoben. Der Bahnhof der Stadt war wie immer gut besucht, was bei einer so großen Ortschaft sicherlich üblich war, doch Souta konnte nicht behaupten, dass er sich inmitten des Trubels nicht wohlfühlte. Er genoss das Wirrwarr an Stimmen und Bahnhofsansage, das Rauschen der ankommenden Züge und den unverwechselbaren Geruch von Zivilisation fast so sehr wie einen romantischen Sonnenuntergang bei einem Picknick im Wald. Hier gehörte er hin, passte wie die Faust aufs Auge der Gemeinschaft und hinterließ trotzdem ein hübsches Veilchen, weil er nun einmal Souta war. Ein großer, braun gebrannter Mann, der eine Jeans trug, die auch aufgemalt hätte sein können, es aber nicht war, da man die typischen Schlitze an den Knien sehen konnte, zusammen mit einem Gürtel, der eigentlich zum Festhalten gedacht war. Diese Rechnung ging allerdings nicht auf, da das Gewicht seiner Peitsche das Konstrukt etwas nach unten zog, wodurch man einen kleinen Teil der Blue Pegasus Tätowierung sehen konnte, die immer dann hervorblitzte, wenn er die Arme hob. Oben herum trug er ein hübsches weißes Shirt, das ebensowenig Raum zur Spekulation bot, allerdings teilweise von einer ziemlich schicken Lederjacke verdeckt wurde, die neu war und ihn in seinen Augen mehr als nur cool aussehen ließ. Die Haare hingen dem Ketten/Feuermagier im Gesicht herum, konnten jedoch weder seine Ohrringe noch seine Augenklappe verbergen. Alles in allem sah er wohl wirklich hübsch aus, wie er so auf dem Gleis stand und Richtung Stadt blickte, doch um cool zu wirken, musste man wohl auch cool sein. Souta war es nicht. Jedenfalls nicht, wenn er gerade ewig lange in einem Zug gehockt hatte, was dezent auf seine Nerven gegangen war. Aus diesem Grund war er gerade dabei, sich in alle Richtungen zu dehnen und zu verrenken, fasste nach seinen Zehen und kugelte mit den Schultern, wie bei einem Turner, der sich zum großen Marathon bereitmacht. “Ich kann es kaum erwarten”, meinte er, während er die Arme hinter dem Rücken zusammenführte und sein Oberteil dabei über die Muskeln an seinem Bauch rutschte, was eine junge Dame ein paar Meter weiter dazu brachte, gegen den Zeitschriftenhalter des Kiosks zu laufen und diesen mit lautem Poltern halb umzustoßen. Leider sah er es nicht, weil sein Kopf dabei immernoch dem Himmel zugewandt war, als wäre dort die Lösung aller Fragen verborgen, die das Universum ihm stellen könnte. Und selbst wenn nicht, dann hatte er immernoch den DRAGONSLAYER des Himmels dabei, der Abhilfe schaffen konnte.

Zugfahrten mussten auch irgendwie herum gebracht werden. Viele Menschen hörten dazu Musik aus magischen Geräten oder nahmen sich ein Buch mit auf die Reise, weil es den wenigsten Spaß machte, stundenlang aus dem Fenster zu sehen. Seraphim las auch gerne, wenn er lange an einem Ort sitzen musste, aber wenn er mit Souta auf eine Quest ging, dann war es nicht nötig, sich auch nur ein Heftchen mitzunehmen. Der Dragonslayer könnte eine halbe Ewigkeit einfach nur dasitzen und den Kettenmagier bewundern, weil er einfach so überaus hübsch war. Souta hatte es zusätzlich ziemlich drauf, sich dementsprechend anzuziehen, selbst wenn das vielleicht mit seinem Appetit zusammen der Grund dafür war, dass er stets knapp bei Kasse war. Allein die Tatsache, dass er sich nicht hinter dem Stoff seiner Kleidung versteckte sorgte dafür, dass sich Seraphim zwingen musste, ihm zu erklären, worum bei es ihrer heutigen Quest eigentlich ging. Irgendwann als er bemerkte, dass der Kettenmagier nicht einmal richtig zuhörte, gab er auf und begnügte sich damit, sich zurückzulehnen, die Schläfe auf die Hand zu stützen und ihn anzustarren, angefangen bei seiner dankbar eng anliegenden Hose bis hin zu seinem etwas zu kurzen Oberteil, das ab und an den Blick auf durchtrainierte Bauchmuskeln freigab. Wenn er solche Ablenkung hatte, dann konnte er auch den halben Tag in einem kleinen Abteil verbringen, allerdings würde er dann früher oder später zu direkteren Tätigkeiten übergehen. Was war der bloße Anblick seines Körpers schon gegen das Gefühl, ihn unter seinen Fingerspitzen zu fühlen? Es erfüllte ihn mit einem guten Gefühl, zu wissen, dass er derjenige war, der mit diesem unglaublich hübschen jungen Mann zusammen war, der so nah bei ihm wohnte, dass er nur eine Treppe hinunter steigen musste, um bei ihm zu sein. An den er sich kuscheln konnte, wenn er nachts ins Bett ging und den er schon ganz anders hatte blicken sehen als jetzt... Es war von Vorteil, dass Souta nicht in seinen Kopf sehen konnte, denn sonst würde er nun einige Szenen wiederholt sehen, die die beiden zusammen erlebt hatten und die sicherlich nicht an diese Stelle gehörten, einfach weil sie garantiert nicht jugendfrei waren.
In Marokkasu Town angekommen stieg der Dragonslayer aus dem Zug und drehte das Gesicht in den Wind. Die Kapuze seines weißen Leinentops wehte den Kordeln nach, welche an der Vorderseite seines Kleidungsstückes hervorkamen. Er trug eine graue Jeans und dunkle Stiefel, die im Gegensatz zu Soutas Kleidung nicht aussahen, als seien sie gut erhaltene Relikte des letzten Jahrhunderts. Seraphim bemerkte, wie tollpatschig sich die junge Dame einige Meter weiter verhielt, als der Kettenmagier sich streckte und runzelte die Stirn. Nicht etwa, weil er das albern fand, denn als Souta sich vorgebeugt hatte, war der Blick eines ganz bestimmten Himmelsmagiers auch ziemlich fixiert gewesen... Von hinten trat er an ihn heran, legte kalte Hände auf seinen entblößten Bauch und flüsterte "Ist dir etwa langweilig, Souta-chan?~" in die ihm entgegen gereckte Ohrmuschel, ehe er leicht hinein pustete und seinen Gildenkameraden losließ. Sie sollten einen Taugenichts in der Stadt einfangen und ihn für alle Zeit dingfest machen, eine Quest, die als besonders schwierig dargestellt worden war, sich aber seiner Ansicht nach überhaupt nicht so anhörte. Irgendwie schien man sie beide in letzter Zeit für schlechte Nebenjobs zu missbrauchen, weil man keine weniger qualifizierten Magier fand oder es kam ihm nur so vor... nun, solange man sie auch dem Rang ihrer Quest nach bezahlte, würde er sich nicht beschweren. Souta konnte das Geld immer gut brauchen und solange es Blue Pegasus weiterhalf, würde er seinen Stolz in dieser Hinsicht wohl schlucken können. "Wir sollten zuallererst bei den örtlichen Autoritäten nachfragen, was sie alles über diesen Kerl wissen... nach dir, mein Hübscher~" Zum Glück handelte es sich dabei diesmal nicht um die Regierung selbst, denn er hätte wahrscheinlich einen Nervenzusammenbruch erlitten, wenn er Loire schon wieder über den Weg laufen würde, sondern nur um die Ordnungshüter der Stadt, die aber offenbar mit diesem Kerl restlos überfordert waren. Er grinste, streichelte über Soutas Kehrseite und machte sich dann beschwingten Schrittes auf den Weg.

Im Gegensatz zu Seraphim bestand Souta nicht aus unlauteren Gedanken und grabschenden Händen, wenn sich der Himmelsmagier dazu entschloss, seinen von Natur aus ansprechenden Körper in schicke Kleidung zu hüllen, was eben darin begründet lag, dass der Rothaarige diesem nichts abgewinnen konnte. Er mochte seinen besten Freund und genoss ihre gemeinsame Zeit, aber es würde wohl nie geschehen, dass er errötete, sollten sich die Hüllen des Dragonslayers spontan in Luft auflösen. Anders herum funktionierte das durchaus, auch wenn man nicht behaupten konnte, dass Seraphims Gesicht in Sachen Blutverkehr sonderlich gut besucht war, wann immer das passierte. Souta hatte seinen Kopf nach oben gedrückt die Aufmerksamkeit auf ein paar Vögelchen gerichtet, die über das Bahnhofsdach flatterten, so dass die unvermittelte Attacke auf den freien Flecken Haut nicht nur dafür sorgte, dass sich zuvor entspannte Muskeln verhärteten und einzogen, sondern auch ein Quiekgeräusch aus der Kehle des Magiers hervorlockte, das nicht ganz so männlich war, wie er das gerne gehabt hätte. Peinlich berührt zog er sich den Hemdzipfel wieder über das Gildenzeichen und blinzelte auf die Worte des Älteren hin verwirrt. Natürlich war ihm langweilig! Sie hatten die ganze Zeit im Zug gehockt, wie konnte einem da bitte nicht langweilig sein … Hoffentlich hatte ihre Aufgabe zumindest ansatzweise Potential, sonst würde er während dieser scheinbaren Verfolgungsjagd noch einschlafen oder musste sich anderweitig vergnügen … Der Blick des grünen Auges glitt über die Rückseite des Vorangegangenen, verirrte sich für einen Wimpernschlag auf dessen Hinterteil und glitt dann sofort wieder nach oben, wo er sich auf weiße Haare fixierte und die Augenbrauen sich in einer Geste der Missbilligung zusammenzogen. Eine seiner Hände berührte die Stelle, an der die blassen Finger vorbeigezogen waren und er blickte über die Schulter, als würde er nach einer spontan apparierten Meute mit Fackeln und Mistgabeln Ausschau halten, ehe er relativ mühelos zu Seraphim aufschloss. Zwei seiner Finger hakten sich in seine Kapuze ein, daraufhin wirbelte sein ganzer Körper vor den Dragonslayer und brachte ihn so zum Innehalten, da er sonst auf Kollisionskurs mit ihm gehen musste. Mit einem leichten Schritt nach vorne, um seine Balance wiederzufinden, griff er nach den Kordeln und zwirbelte sie um seine Finger, zog den dazugehörigen Weißschopf ein Stückchen nach unten und grinste. „Das war Belästigung Ihres Untergebenen, Sephirot“, hauchte er mit gespielt empörtem Ton, während er in die violetten Augen schaute, die Lippen leicht gespitzt und den Körper nach vorne geneigt. Für ein paar Sekunden verweilte er in dieser Position, bis er jemanden pfeifen hörte und sich umdrehte. Er sah eine Gruppe Jugendlicher mit Skateboards und Dosen fragwürdigen Inhalts, die auf einer der Treppen hockten, welche aus dem Bahnhof hinausführten und sie beide ziemlich offensichtlich angrinsten und Pfeifgeräusche machten. Es gab vermutlich einen Grund, wieso sie ihnen nicht direkter auf die Nerven gingen (seine Waffen?), doch der Rothaarige bemerkte den Wink mit dem Zaunpfahl und brachte hurtig Abstand zwischen sich und dem Objekt seines vorherigen Spottes, wobei sich sein Gesicht verzog, als hätte er Bauchschmerzen. Vielleicht sollte er sich korrigieren: Er hasste große Städte wohl doch, dort gab es nämlich Idioten. Wobei er streng genommen wohl kaum anders als sie dachte, aber eben deutlich ruhiger war und niemals jemanden deshalb … Nein, ihm käme es niemals in den Sinn, jemanden auszulachen, für was auch immer. Obwohl er wohl irgendwie dazu in der Lage wäre, sie alle mit einem Hieb ins All zu schießen, fühlte er sich plötzlich wie ein ertappter kleiner Junge und richtete nervös seine Augenklappe, in der Hoffnung, dass sie irgendwie größer werden könnte, um sein ganzes Gesicht zu verdecken. Seine Schuhe waren in den letzten Sekunden aber auch interessant geworden ...

Seraphim wollte gerade zu einer kecken Antwort ansetzen, die das Wort Untergebener in einen etwas anderen Zusammenhang setzte, als er die Pfiffe hörte und sich Souta in einer viel zu hastigen Bewegung verabschiedete. Ihm waren solche Reaktionen des Rothaarigen ebenso wenig unbekannt, wie das Gespött, das manche Menschen für gleichgeschlechtliche Techtelmechtel übrig hatten - aber das änderte auch nichts daran, dass es ihn ärgerte. Erstens wurde ihm in solchen Momenten auf brutale Weise vor Augen geführt, dass Souta sich dafür schämte, was er mit ihm machte, was sie miteinander hatten und das setzte dessen Wert herunter, egal, wie man darum herum zu reden versuchte. Damals, auf einem Kreuzfahrtschiff, noch bevor sie offiziell ein Paar gewesen waren, hatte sie eine bärbeißige Kapitänin gestört und hier reichte eine Gruppe dummer Halbstarker dazu aus... Die Kiefermuskulatur des Weißhaarigen verspannte sich und er blickte zu den Spöttern hinüber. Zweitens hatte der Dragonslayer ein Problem damit, wenn Menschen es wagten, sich über ihn lustig zu machen oder gar Souta weh zu tun. Ganz davon abgesehen, dass es ihm weh tat, wenn dieses alberne Getue dem Kettenmagier unangenehm war, durfte solches Verhalten nicht geduldet werden. Hätten sie in die andere Richtung gehen müssen, hätte er sie wohl einfach ignoriert, aber so waren sie gezwungen an ihnen vorbei zu laufen und er würde garantiert nicht den Schwanz einziehen. Seine Mundwinkel kräuselten sich bedrohlich in die Höhe und er schlenderte direkt auf sie zu, blieb einen halben Meter vor den Füßen desjenigen stehen, den er für den Anführer der Gruppe hielt. Der Jugendliche hatte eine knallig orange Mütze über seinen Kopf gezogen, die Unterarme auf die Knie gestützt und ließ eine Dose in seiner Hand baumeln. Wie alt er wohl sein mochte ließ sich schlecht schätzen, aber es interessierte Seraphim auch nicht wirklich. Mit einer schnellen Bewegung riss er ihm die Dose aus der Hand und beäugte das Etikett mit kritischem Blick, ehe er die Inhaltsstoffliste zu studieren begann. Der Mützenträger hatte mit einem verärgerten und wahrscheinlich auch herausfordernden Geräusch, das Seraphim als Grunzen interpretierte reagiert, aber noch wagte er es nicht, tätlich zu versuchen, sein Getränk wieder zu bekommen. "Yare Yare, wie ungesund~", säuselte der Dragonslayer und setzte mit spöttisch herabgelassenen Lidern nach: "Ob deine Mama das hier gutheißen würde, Kleiner?~" Die Gesichtsfarbe des Angesprochenen verdunkelte sich so urplötzlich, dass man vermuten könnte, es handele sich bei ihm um einen Oktopus und wurde danach weiß vor Zorn. Es war immer ein guter Schachzug, die Mutter seines Gegners durch den Dreck zu ziehen, denn gerade Männer reagierten darauf doch heftiger, als man denken würde. "Was meinst du, du Schwuc-", setzte er an, doch ehe er den Satz zuende bringen konnte, hatte Seraphim ihm am Kragen gepackt und hochgehievt, die alarmierten Reaktionen seiner Kumpel ignorierend. "Wenn du mir noch einmal blöd kommst, Arschloch, nehme ich dich auseinander." Die offensichtliche Drohung wurde zu zuckersüßem Honig, "Und dann hat deine arme Mama niemanden mehr zum Umsorgen..." Er nahm einen Schluck aus der Dose, die er immer noch in der anderen Hand hielt, verzog das Gesicht und spuckte es gleich wieder aus, ehe er den Raufbold losließ und zurück auf die Stufen schubste. "Im Ernst, wie könnt ihr dieses Zeug trinken...?", murmelte er mit angewiderter Stimme, zuckte die Schultern und drehte sich zu Souta um. Wie erwartet hörte er hinter sich ein Rascheln, das nur von einer Bande gleichzeitig aufstehender Randalemacher stammen konnte und konzentrierte sich. In dem Moment, in dem die ersten beiden Jugendlichen auf ihn losstürmen wollten, ließ er den Zauber >Sky Dragon's Repulsion< los, allerdings in einer Drosselung, die die Bande zwar einige Meter zurück warf, aber ihnen keinen ernsthaften Schaden zufügen würde. "Ich bin ein Dragonslayer, ihr Helden... zieht niemals den Zorn eines Drachen auf euch und betrachtet das besser als Warnung.", erklärte er mit abfälligem Ton in der Stimme, ehe er durch die Schneise der sich aufsetzenden Jugendlichen ging und darauf wartete, dass Souta zu ihm aufschloss. So etwas ließ er sich nicht bieten.

Manchmal war Seraphim so … dramatisch. Natürlich: Eigentlich konnte man diese Bezeichnung wohl eher Souta zuschreiben, der schon herumjammerte und heulte, wenn er sich den Zeh stieß oder sich mit anime-typischen Sternchen in einer Menschenmenge zum Alleinunterhalter hochschraubte. In dieser speziellen Situation war das allerdings das Allerletzte, was er wollte. Mit schreckensgeweitetem Auge betrachtete der Kettenmagier seinen Freund dabei, wie er diese Jugendlichen erst verbal und dann mit einem Luftschuss fertigmachte. An sich waren sie sicherlich dumm und intolerant, wodurch sie eine derartige Behandlung wahrscheinlich mehr als nur verdient hatten, doch Souta mochte es trotzdem nicht, wenn der Weißhaarige sich so aufführte. Selbst wenn es tausendmal milder gewesen war (er hätte sie auch zerfleischen können), musste er dadurch automatisch an das eine Mal denken, als Seraphim jemanden brutal zusammengeschlagen hatte, weil er ihm eine blutige Nase verpasst hatte. Dagegen waren ein paar Kommentaren von idiotischen Kindern doch keine große Sache. Es war nicht nötig gewesen, sie derartig vorzuführen, nur weil sie unüberlegt gehandelt hatten, weswegen er unzufrieden die Stirn runzelte. Im Grunde war es seine Schuld gewesen, wo er sich doch so an den Älteren gehängt hatte. Dadurch hatte er eine ähnliche Reaktion ja quasi herausgefordert … Das bedeutete, dass er sich zusammenreißen musste. Bevor Menschen für ihre dummen Meinungen verletzt wurden, hielt er es lieber aus, seinen besten Freund ein paar Minuten lang nicht anzugrabbeln. Ein Teil des Kettenmagiers wollte den über den Boden kugelnden Jungen aufhelfen, aber da er auch kein Messer in den Rücken des Dragonslayers stechen wollte, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ, seufzte er nur und schritt mit leichten Hüpfschritten die Stufen hinab. Die letzten vier nahm er mit einem Sprung, landete nur wenige Zentimeter vor dem Mützenträger und blickte mit gemischten Gefühlen zu ihm hinab, ehe er sich losriss und dem Himmelsmagier folgte. Allerdings kamen die beiden Magier nicht sonderlich weit, weil schon nach den ersten Schritten ein Gepolter zu hören war, das den Rotschopf erneut umfahren ließ. Zunächst nahm er an, dass sich die Jugendlichen für ihre Behandlung rächen wollten, doch als sein Auge die Szenerie erfasste, war er nicht mehr alarmiert, sondern besorgt. Eine junge Dame saß mit hochrotem Kopf und angewinkelten Knien am Ende der Treppe und sortierte offensichtlich peinlich berührt einen Haufen Papiere und Stifte, die großflächig verteilt waren. Die verbeult aussehende Aktentasche, in der sie ihre Schreibwerkzeuge vermutlich aufbewahrte und ein leichter Blutfluss aus einem ihrer Knie, sowie eine wilde Frisur und ihr schmerzerfülltes Gesicht ließen kaum Zweifel daran, dass sie volle Kanne diese Treppen heruntergerasselt war. Hätte sie nicht so mitleiderweckend ausgesehen und wäre er eine etwas schlechtere Person, hätte er sie sicher ausgelacht … Aber das ging nicht. Ihre Aufmachung erinnerte den Kettenmagier spontan an eine Sekretärin oder Bibliothekarin: kurzer Rock, der ihre Oberschenkel und Knie zeigte, Strümpfe mit einfachen Schuhen, ein weißes Shirt und ein brauner Pullunder, der sich über eine nicht gerade knapp bemessene Oberweite spannte, die leicht hüpfte, während sie durch die Gegend irrte und ihre Sachen aufklaubte. Souta beobachtete sie (und die junge Frau) dabei, wie sie ihre Brille richtete, erleichtert ausatmete und sich dann zu ihnen umdrehte. „E-Entschuldigt mich!“ Ja, sie meinte ganz klar die beiden Magier, und der Kettenmagier musste sich ein Grinsen verkneifen, während Seraphim sicherlich bereits erkannt hatte, dass es sich bei dieser jungen Frau um die Kioskrandaliererin von vorhin handelte. Ihre interessanterweise grünen Haare wehten im Wind hinter ihr her, während sie in ihre Richtung hinkte und Souta kam ihr gnädigerweise entgegen, schließlich konnte er niemanden ignorieren, der sich für sie eine Treppe herabgestürzt hatte, oder? „Kann ich dir helfen?“ Sie war einen guten Kopf kleiner als er, aber sicherlich nicht viel jünger. Tatsächlich zog sie eine Polizeimarke aus ihrer Aktentasche und verblüffte den Kettenmagier damit über alle Maßen. „Mein Name ist Nora, ich arbeite für die Polizei. Was ihr sehen könnt … Ähm … Man hat mich beauftragt, euch vom Bahnhof in euer Hotel zu eskortieren und euch dort mit den nötigen Informationen zu versorgen. Ihr seid doch die Magier, oder? Ich habe dich gerade sagen hören, dass du ein Dragonslayer bist und d-d-d-d“ Sie drückte den Stapel Papiere noch etwas fester an ihre Brust, lief hochrot an und blickte scheinbar hektisch zu Boden, ehe sie sich wieder gefasst hatte und in Soutas Auge guckte, allerdings ihre Stimme zu einem Flüstern senkte. „Und dein Gildenzeichen gesehen ...“ „Geht es um den Jones-Fall? Was das angeht, sind wir die Beauftragten.“ „H-hai! Seht, ich bin diesem Mistkerl schon seit Monaten auf der Spur“, meinte sie und sah dabei plötzlich deutlich bedrohlicher aus, als ihre sonst so knuffige Aura es erlauben sollte, „aber bisher ist er uns immer entwischt. Wir gehen davon aus, dass er einen Kontaktmann bei der Polizei hat, einen Maulwurf. Daher diese Vorsichtsmaßnahmen … Darf ich euch also begleiten?“

Grundsätzlich hatte Seraphim sicherlich nichts gegen das spontane Auftauchen einer gut gebauten und sicherlich praktisch naiven Dame, vor allem nicht, wenn sie auch noch mit ihrer Quest zu tun hatte und er sich nicht einmal insgeheim dafür schelten musste, dass er sich von ihrer Aufgabe ablenken ließ, wenn er sie musterte. Es war sicherlich irgendwie mit der Aufgabe vereinbar, besonders viel über die Proportionen ihrer Anleiterin in Erfahrung zu bringen, nicht wahr? Souta schien das allerdings ebenso zu sehen, wenn man bedachte, wie gründlich er sich damit befasste und obwohl Seraphim das nur allzu gut nachvollziehen konnte und es verstand, versetzte es ihm einen irrationalen Stich, wenn man die vorangegangenen Ereignisse betrachtete. Souta ließ sich von ein paar dummen Rotznasen so verunsichern, dass er auf Abstand von ihm ging und musste ihm dann gleich danach noch einmal unter die Nase reiben, dass er eigentlich nur ein seltsamer Fehlgriff war, den niemand so recht erklären konnte? Er war sich ziemlich sicher, dass Souta das nicht absichtlich und sich vor allem auch keine Gedanken machte, aber es war dennoch ein unangenehmes Gefühl. Vor allem aber veränderte es seine Sicht auf die nette, tollpatschige Nora, die sich als ein Mitglied der Polizei auswies und offenbar sehr von Souta angetan war. Hätte der Kettenmagier vor wenigen Minuten zu ihm gestanden und nicht Muffensausen bekommen, hätte er wohl darüber weggesehen, dass sie wie ein Kind im Körper eines Erwachsenen wirkte und dass sie offenbar nicht einmal ihre grundlegenden motorischen Fähigkeiten unter Kontrolle hatte. Er hätte sich gedacht, dass sie gut genug aussah, um darüber hinweg zu sehen und statt sich zu ärgern lieber den Ausblick genossen. Jetzt aber glitt sein Blick immer wieder zu Souta und es ärgerte ihn grundlos, dass er nur Auge für diese Frau hatte... er verzog das Gesicht und schalt sich innerlich für dieses ungewohnt alberne eifersüchtige Verhalten. So war er nicht. Er würde diese Frau genauso anstarren. Er würde es sogar bringen, auf einer Quest mit ihr zu schlafen und Souta dabei zu vernachlässigen, oder? Man erinnere sich nur an eine Quest, auf der sie eine Frau mit sehr lockerer Sexualmoral getroffen hatten und er beinahe ignoriert hätte, dass Souta überhaupt nicht angetan von solchen Gedanken gewesen war... "Aber natürlich darfst du uns begleiten... nach dir bitte.", antwortete er auf die Frage der Polizistin und wartete, bis diese sich in Bewegung setzte. Männer ließen Frauen nicht den Vortritt, weil sie höflich sein wollten, sie taten es, damit sie ihnen auf den... sehr ansprechenden, wenn auch vielleicht eine Spur fülligen Hintern starren konnten. Nun, man kaufte die Katze ja auch nicht im Sack...
Das Hotel, das die Polizei für sie ausgewählt hatte, war ein wenig abseits der Hauptstraßen und ungefähr eine Viertelstunde vom Bahnhof entfernt. Selbst wenn Seraphim es versucht hätte, auf dem Weg hätte er Souta nicht dazu bekommen, sich mit etwas anderem als Nora zu beschäftigen und so war er minimal genervt, als sie endlich ankamen. Es war sehr offensichtlich, warum man diese Unterkunft ausgewählt hatte, denn sie sah so unscheinbar aus, dass niemand auf die Idee gekommen wäre, dass hier irgendetwas von Bedeutung ablaufen würde. Der schlichte Namen "Am Eck" stand auf dem Schild am Eingang und als sie hinein gingen, stellte sich auch die Lobby als relativ durchschnittlich heraus. Nicht schäbig oder verranzt, aber einfach nichts besonderes. Dieses Hotel könnte aus einem Lehrbuch für Hotels stammen, das den Lernenden kein falsches Bild vermitteln wollte. Man konnte hier stehen und sagen "Das ist ein Hotel" und würde die Essenz dieses Wortes perfekt zusammenfassen. Mit anderen Worten, es war langweilig. Auf eine sehr gewöhnliche, normale Art eben.

Obwohl das Hotel so ordinär wirkte, dass es mit Sicherheit niemanden beeindrucken konnte, war Souta weit davon entfernt sich über mangelndes Beobachtungsmeaterial zu beklagen. Auf dem Weg zu ihrem Ziel war dem Kettenmagier aufgefallen, dass Nora nicht nur auf niedrige Art tollpatschig war, sondern auch ziemlich seinem Typ entsprach, was ihr Äußeres anging. Natürlich mochte er alle Frauen, doch da er eine besondere Vorliebe für Kurven besaß, bot ihre neue Begleiterin quasi den Jackpot, den er sich schon immer gewünscht hatte. Auch wenn es unfair war, ein menschliches Wesen derart zu einem Objekt zu degradieren, hatte er sich einfach nicht beherrschen können, sie die ganze Zeit über fasziniert anzustarreb. Die Art, wie sie sich bewegte und ihre Haarem die dabei fröhlich wippten, ihre großen, intelligenten Augen … Souta war hin und weg. Nichts in Fiore konnte seine Aufmerksamkeit jetzt von dieser Frau lösen, so dass er während ihres Marsches sogar ungewöhnlich wortkarg wirkte. Als sie im Hotel angekommen waren und Nora zur rezeption eilte, war der Rothaarige insgeheim froh darüber, dass die Polizei bereits für ein Zimmer gesorgt haben musste. Seraphim hatte nämlich diese lästige Angewohnheit, ihnen nur ein Bett zu erlauben, was wohl sozusagen sein Recht sein sollte, wo er doch fast immer bezahlte und davon ausging, dass sie ohnehin zusammen nächtigten. Jetzt gerade wären Fragen zu einem Doppelbett allerdings nur dumm und unpassend. Souta war glücklich, dass sein Freund noch nicht versucht hatte, ihm die Tour zu vermiesen oder diese junge Dame für sich zu gewinnen, doch noch immer rechnete er mit allem. Man konnte bei Seraphim sicherlich nicht von Eifersucht als Tatmotiv sprechen, doch als starke und vor allem dominante Persönlichkeit gefiel es ihm bestimmt nicht, wenn ein weibliches Wesen so offenkundig den Kettenmagier dem Dragonslayer vorzog, was ja auch mehr als verständlich war. Trotzdem käme es Souta natürlich nie in den Sinn, auf diesen tollen Fang zu verzichten, denn das würde er wohl nur dann hinkriegen, wenn sein bester Freund Brüste entwickelte. Der Grund für ihre Besprechung waren allerdings nicht bewunderswerte Fettpolster, wie sich der Rotschopf mit Mühe erinnerte, sondern ihre Quest. Das durfte er nicht vergessen, denn Nora wirkte wenn schon nicht sehr geschickt, durchaus arbeitssam, so dass er sich sicherlich ein paar Pluspunkte verschaffen konnte, wenn er ihr half, den Fall zu lösen. Souta hatte lässig an der Wand gelehnt, doch als sich die Polizistin umdrehte, stand er plötzlich hinter ihr und nahm den Zimmerschlüssel wie sebstverständlich entgegen, auch wenn es das erste Mal seit Längerem war, dass er so einen in der Hand hielt. Beim Greifen streifte er mit den Fingern versehentlich über die Hand der jungen Frau und musste schmunzeln, als er bemerkte, dass sogar diese kleine Geste ausreichte, um ihr die Röte ins Gesicht zu treiben. Sie war so süß, da bekam man sicherlich Karies, wenn man sich zu lange mit ihr beschäftigte. Ein Blick auf die Nummer am Schlüssel verriet ihm, wo sich das Zimmer befinden musste, deshalb ging er voran und führte die Gruppe durch die Tür in ein kleines, rechteckiges Kämmerchen, in das jemand mit sehr optimistischer Platzplanung zwei Betten und einen Tisch mit zwei Stühlen gequetscht hatte. Die Vase in der Mitte des Möbels war mit einer schon etwas angeschimmelten Tulpe dekoriert und die Wandtapete besaß aus irgendeinem Grund ein Schmetterlingsmuster, doch im Großen und Ganzen war es ganz hübsch. Nora trat zielstrebig auf den Tisch zu und ließ sich von Souta auf einen der Stühle drängen bevor sie ihre Aktentasche öffnete und eine amtlich aussehende Akte hervorholte, die fast so groß wie sie selbst war. Der Rotschopf warf unter ihren scharf beobachtenden Augen seine Lederjacke auf eines der Betten und lehnte sich dann über den Tisch, wobei er eine Hand an der Rückenlehne des besetzten Stuhles legte und schaute ihr über die Schulter. Das machte die junge Frau ziemlich offensichtlich nervös, denn sie zitterte und zerfetzte fast das Deckblatt, als sie nach oben blickte und das Gesicht Soutas deutlich näher war, als sie erwartete. „Iek!“ Dieser blinzelte sie ziemlich ratlos an, denn das hatte er nicht absichtlich gemacht, aber ignorierte es, um ihr eine Frage zu stellen. Das Blatt, was sie ihnen zeigte, beinhaltete eine Karte der Stadt, die von verschiedenfarbigen Zeichen übersäht war. Soviel zu gründlicher Arbeit ... „Auf dieser Karte sind die Sichtungen von Jones markiert?“, fragte Souta und erntete ein Nicken, „Und was bedeuten diese beiden roten Kreuze?“ „Na ja, wir haben ihn beobachtet und versucht, sein Schema zu lernen. Aus unseren Überwachungen und Wahrscheinlichkeitsberechnungen hat sich ergeben, dass sich Jones in einem dieser beiden Lokale aufhält. Das „Royal Diner“ arbeitet, wie wir wissen, eng mit dem Untergrund der Stadt zusammen und hat uns schon einige Informanten beschert … Das „Busty Beauties“ hingegen ...“ „Jones soll sich in einem Stripschuppen befinden?“ „W-woher...“ Nicht, dass sich Souta mit derartigen Etablissements auskannte … „Ich hab mal einen Flyer gesehen. Wir müssen uns also entscheiden, ob wir in einem schicken Restaurant oder einem Stripclub ermitteln?!“ Wahrscheinlich sah er gerade deutlich zu enthusiastisch aus, um auch nur den geringsten Zweifel zu lassen, wo er hinwollte, doch Nora überging das und schob den Blätterstapel zusammen, während sich Souta auf das Bett mit der Lederjacke warf und die Arme hinter dem Kopf verschränkte. Die Polizistin wandte sich um, blickte kurz hilfesuchend zu Seraphim hinüber und räusperte sich dann. „Ah … Ja. Ja, so ist es. A-also, ihr könnt euch natürlich auch aufteilen. Ihr habt das bestimmt schon tausendmal gemacht, ihr seid doch erfahrene Magier, oder?“
„Die erfahrensten.“
„Oh, deine Freundin ist sicher sehr glücklich darüber...“
„Ich habe keine Freundin.“
„O-oh...“ Nora nahm die Brille ab und begann sie hektisch mit ihrem Pullunder zu putzen. "Ist das okay für dich?", fragte sie Seraphim und zuckte gleich darauf heftig zusammen. "Also ... D-Das mit den Lokalen. Wo wollt ihr anfangen?"

Violette Augen hatten jede Bewegung des Rothaarigen mitverfolgt, registrierten jeden Blick und ließen nicht ein einziges Mal von seinem Gesicht ab. Natürlich war da noch ein paar Männerträume im Raum, aber dieser Anblick war ihm nicht so unbekannt, dass er diese unbedingt begaffen musste. Viel lohnender war ihm in diesem Moment eher der Versuch des Kettenmagiers erschienen, ihre Verbindungsfrau zur Polizei zu umgarnen. Sicherlich hätte er ihm Konkurrenz machen können, aber es war viel interessanter zu sehen, wie viel Mühe er sich um sie gab. Wie er sie anblickte. Es war ihm ein wenig so vorgekommen, als hocke er wieder verbotenerweise in einem Schrank und beobachtete, wie irgendeine wahllos ausgesuchte Frau das Glück hatte, sich mit dem Einäugigen vergnügen zu dürfen - er fühlte sich, als sei er irgendwie fehl am Platz, wie er auf einem der Stühle saß, ein Stückchen entfernt vom Tisch, die Arme verschränkt und den Körper zurückgelehnt. Eigentlich müsste er jetzt gar nicht hier sein. Er war sich ziemlich sicher, dass Souta ohne seine Anwesenheit schon zu ganz anderen Taktiken übergegangen wäre, wenn er sich schon vor seinen Augen traute, so etwas abzuziehen. Seraphim störte sich nur minimal daran, weil sie ja beschlossen hatten, dass es in ihrer Beziehung gewisse offene Stellen gab. Das einzige, was ihm nicht gefiel, war die dreiste Direktheit Soutas, gepaart mit seinem unmöglichen Timing. Wenn er gewollt hätte, hätte er sein Verhalten nämlich so interpretieren können, dass er nichts mit ihm zu tun haben wollte, dass er ihm peinlich war und er jede Gelegenheit ergreifen würde, um von ihm weg zu kommen... aber Seraphim wollte Souta nichts böses und wusste sowieso, dass ein einziger treumütiger Blick aus seinem großen, grünen Auge schon dazu taugen würde, ihn zu schmelzen... Zumindest war er davon ausgegangen, bis sich die Konversation der beiden von ihrem Ziel in rasantem Tempo über Strip-Clubs bis hin zu Soutas Familienstatus entwickelte und seine Atmung plötzlich einen Moment aussetzte.
Seraphim behauptete stets, dass er als Dragonslayer kein normaler Mensch sei und obgleich die allgemeine Anatomie seines Körpers ihm in dieser Hinsicht widersprach, gab es doch einige Eigenarten, die seine Theorie bestärkten. Eine davon war ohne Frage das Mienenspiel des Mannes, welches in diesem Moment sehr interessant zu beobachten gewesen wäre. Allerdings war man ja damit beschäftigt, schwingende Fettpolster und grüne Augen zu begutachten, sodass keiner der beiden Anwesenden mitbekamen, was mit dem Weißhaarigen vor sich ging. Tatsächlich wurde das Lächeln der immer blasser wirkenden Lippen stetig verkrampfter, aber gleichzeitig breiter und die violetten Augen schienen intensiver zu funkeln. Jeder, der ihn ein wenig besser kannte, hätte diese Anzeichen als Warnung gedeutet, aber Nora gehörte nun einmal nicht zu diesen Leuten. Soutas Behauptung, er habe keine Freundin, war zwar streng genommen richtig, aber er konnte sich kaum etwas dreisteres vorstellen, als zu behaupten, man sei single, während sein Lebenspartner nur einige Meter weiter saß und die ganze Szenerie beobachtete. Seraphims Kiefermuskulatur spannte sich an und es kostete ihn eiserne Selbstbeherrschung, Nora keinen extrem hässlichen Gesichtsausdruck zu verpassen. Dennoch schien sie irgendwie zu merken, dass etwas nicht mit ihm stimmte, denn sie zuckte zusammen, als sie ihn ansah. Ob sie die Mordlust, die aus ihm zu wabern schien, spüren konnte?
Doch schon im nächsten Moment entspannte sich sein Gesicht und er stand von seinem Stuhl auf. "Wenn die Dame es so wünscht~", säuselte er und drehte sich zur Tür um, blieb allerdings kurz davor noch einmal stehen und wandte sich wieder an die Beiden. "Ich sehe mir den Royal Diner an. Mein Partner kann sich ja gut in diesem Stripclub umgucken, immerhin ist er ja scheinbar single." Er schmunzelte und blickte zu Souta herüber, obgleich er immer noch mit Nora redete. Sollte der seinen Blick von ihr lösen können, dann würde er bemerken, dass Seraphims Augen beinahe frostig wirkten. "Es wäre sicherlich unangenehm, wenn er vergeben wäre und diese Person ihn dabei erwischen würde, wie er seinen Speichel über einer anderen verliert. Wer weiß... vielleicht würde man die Nebenbuhlerin dann nicht mal mehr identifizieren können... Ich wünsche viel Spaß." Bei den letzten Worten lächelte er, drehte sich um und ließ die Tür mit einem hörbaren Knall hinter ihm ins Schloss fallen. Unfassbar, wirklich unglaublich.

Ragnarök, Apokalypse, Armageddon, Mayday, SOS, Houston-wir-haben-ein-Problem
Der Blick eines grünen Auges löste sich von der Zimmerdecke, als Seraphim plötzlich aufstand und der Kettenmagier richtete sich halb auf. Sich keiner Schuld bewusst, wurde sein Blick erst fragend, ehe er erkannte, dass es anscheinend irgendein Problem gab. Jeder normale Mensch hätte sicherlich nicht einmal die Spur einer Verstimmung bei dem Dragonslayer erkannt, doch Souta galt auf diesem Gebiet als Experte und konnte an den kleinsten Nuancen des so gemochten Gesichtes alle Gefühle ablesen, die sich darunter abspielten, weswegen es ihm leicht fiel, alles genau zu erkennen. Und der beißende Sarkasmus, der ihm entgegenschlug, half auch. Ein bisschen. Für die ersten Sätze blieb nur ein laues Gefühl von "Was habe ich getan?", aber bevor er fragen konnte, was es nun mit diesem Auftritt auf sich haben sollte, wurde ihm der Missstand in mundgerecht geschnittenen Happen serviert, zusammen mit dem Messer, dass aus den blassen Lippen schoss, durch den Raum sprang und Nora in kleine Filets zerstückelte. Soutas Auge wanderte von ihr zu ihm und wieder zurück, den Mund leicht offen und die Augenbrauen hochgezogen. Was ... Wieso ... Das Knallen der Tür sorgte für eine kurze Unterbrechung seines Denkprozesses, aber nun war immerhin klar, was los war. Anscheinend hatte Seraphim seine Aussage vollkommen fehlinterpretiert. So hatte er das nun wirklich nicht gemeint... Souta hatte keine Freundin, so war es doch. Wurde von ihm verlangt, alles zu jedem sich bietenden Zeitpunkt klarzustellen? Keine Frau würde noch mit ihm ins Bett gehen, wenn er ihnen immer erst erklären musste, dass er einen Freund hatte. Bevor er die Offenheit ihrer Beziehung richtig herübergebracht hatte, wären seine Angebeteten beim Wort "Beziehung" in einem selbst für den schnellsten Mann Fiores zu flinkem Tempo verschwunden. Das war eben nervig. Doch der Rothaarige glaubte nicht, dass er eine solche Darlegung der Dinge hervorbringen sollte, denn ein "Du findest unsere Beziehung also nervig?" folgte auf solche Versuche auch ohne Fantasie. In Ordnung. Also stimmte etwas nicht. Es hatte mit der Lage von eben zu tun und offenbar auch mit Nora, durch die er gerade hindurchschaute, als wäre sie aus Glas. Wenn sie eine offene Beziehung führten, wieso war es dann unangebracht, was er tat und wieso bedrohte Seraphim Nora? Warum durfte Souta sie in seiner Anwesenheit nicht anbaggern? Während die Zeit verging, hockte Souta immernoch auf dem Bett und bewegte die Zehen in den Schuhen von einer Seite zur anderen, auf der Suche nach einer plausiblen Erklärung. Eifersucht? Aber das passte nicht. Nun, es passte erschreckend gut, aber man sprach hier von Seraphim ... Er war nicht eifersüchtig, oder? Das wäre er nie. Wieso auch. Sie hatten sich keine ewige Treue geschworen und klare Regeln für ihr Zweckbündnis aufgestellt, die keinerlei Rechte in diese Richtung beinhalteten. Seraphim durfte sich bei diesen Dingen nicht schlecht fühlen, weil er selbst keinerlei Schritte darin unternahm, seine weiblichen Partner zu reduzieren, nicht wahr? Er hatte nicht das Recht darauf, verletzt zu sein. Frustration bildete sich zwischen den Augenbrauen des Rothaarigen, aber wichtiger war die Aura von Hass und Schuld, die noch immer im Raum hing und ihn leicht fertigmachte. Es kam so selten vor, dass sein Freund seinetwegen sauer war, dass die Gesamtsituation für Souta überfordernd war. Wie bat man ihn um Vergebung, wie tat man das ... Der erste Schritt würde sicherlich sein, sich für sein scheinbares Fehlverhalten zu entschuldigen, auch wenn ihm nichts dergleichen auf der Seele lastete. Aber auf den Knien um Vergebung bitten klang gut, machbar und nur minimal erniedrigend. Souta stand auf, nachdem er die ganze Zeit kein Wort gesagt hatte und schenkte Nora ein entschuldigendes Lächeln. "Verzeihung. Ich bin gleich wieder da." Kaum war er durch de Tür, knallte er diese zu, raste er mit wedelnden Armen den Gang entlang und bremste schlitternd in der Eingangshalle. Er entdeckte einen weißen Schopf, der schon fast zur Tür hinausverschwunden war und durchmaß den Rest des Weges mit einem abenteuerlichem Sprung, durch den er nur etwa zwei Schritte hinter dem Dragonslayer landete. Sein Herz war ihm bis zum Adamsapfel hochgerutscht und er musste kurz nach Luft und Balance suchen, ehe er die Hand ausstreckte und sie dem Himmelsmagier auf die Schulter legte. "Seraphim ... Es tut mir Leid ... Ich wusste nicht, dass es dich stört ... Verzeih mir bitte!" Er neigte den Kopf, bis die Haare in sein Gesicht fielen und seine Schamesröte bedeckten, die er bei den nächsten Worten bekam, weil das Hotelpersonal ihre Szene in höflicher Stille und Sensationsgeilheit beobachtete. "Ich bin doch ... ich bin doch jetzt kein Single, oder? Ich hab keine Freundin, weil ich keine brauche! Ich habe dich! Ich liebe dich doch und ich wollte dich nicht verletzen ...", plapperte er vor sich hin, wie ein Wasserfall, und ignorierte dabei völlig alles andere. Seine Stimme klang leicht panisch durch Belastung solch emotionale Dinge von sich zu geben, und er schien sich einen Moment lang innerlich zusammenzuziehen wie eine verschrumpelte Rosine, doch schließlich riss er den Kopf nach oben, so dass die Haare um sein Gesicht flogen wie ein glühender Heiligenschein, schaute mit einer Mischung aus vor höchster Peinlichkeit hochrotem Gesicht und eiserner Determination in die Augen seines Gegenübers und fuhr in nicht gerade niedriger Lautstärke fort: "Lass uns bitte zusammen in den Stripclub gehen, Seraphim!"

Es war nicht direkt Eifersucht, die den Weißhaarigen rauchen ließ, während er auf den Ausgang des Hotels zuging, denn hätte Soutas einziges Vergehen darin bestanden, Nora anzubaggern, dann hätte er niemals so reagiert. Es war vollkommen verständlich, wenn er das tat, aber es gab eben gewisse Grenzen, in denen man bleiben musste. Vielleicht hätte er sogar toleriert, dass Souta diese besondere Frage mit der passenden Antwort versah, wäre dieser Tag nicht schon im Vorhinein vorbelastet gewesen. Er selbst war nun auch nicht gerade derjenige, der dem monogamen Gedanken einer Beziehung nachkam und er hielt sich auch garantiert nicht von den Frauen fern, nur weil er nun in einer Beziehung war. Allerdings - und das musste man ihm wohl zugute halten - stand er zu eben dieser, wenn dies notwendig war. Man würde ihn niemals dabei ertappen, wie er sie negierte, wenn Souta neben ihm stand. Wenn der nicht da war und er irgendwo in der Pampa eine Frau aufriss, dann war das eine ganz andere Sache, aber darüber hätte sich der Dragonslayer auch nicht bei dem Kettenmagier beschwert! Es war nur diese dumme Verkettung von Ereignissen, die dazu geführt hatte, dass er sich inzwischen extrem veralbert vorkam, beinahe so, als hätte es der Einäugige darauf angelegt, ihn noch vor dem ersten Glockenschlag des Mittags dreimal zu verleugnen. Im Gegensatz zu anderen Menschen mit unordentlichen Haaren war er aber nicht für seine Geduld und seine Vergebung bekannt, sondern dafür, dass er sich durchaus aufregen konnte, wenn man ihm nur genug Grund dazu gab. Erst schämte sich Souta für ihn, dann ignorierte er ihn und dann hatte er die Dreistigkeit, in seiner Gegenwart zu verleugnen (na ja, fast zumindest...), dass er vergeben war; das war genug, um ihn zum Kochen zu bringen. Umso erstaunter war er dennoch, als er auf einmal eine Hand auf der Schulter spürte und Soutas Stimme vernahm, die sich entschuldigte. In seinem Ärger hatte er nämlich erwartet, dass Souta seinen Vorschlag annehmen würde, mit Nora weiter flirten würde und er vielleicht am Abend ein paar entschuldigende Worte bekommen würde... doch diese kamen jetzt und brachten den Dragonslayer schon bei der Hälfte des ersten Satzes dazu, sich umzudrehen.
Souta mochte nämlich dreist gehandelt und ihn sauer gemacht haben, aber er hatte schon immer die Fähigkeit besessen, den Zorn im Himmelsmagier schneller zu besänftigten als alle anderen. Er hatte ihn sicherlich verletzt, aber noch mehr würde es weh tun, würde er ihn verlieren - also war er immer schnell bereit, Augen zuzudrücken, solange er dafür seinen Souta wieder hatte. Und hatte er sein Ziel nicht bereits damit erreicht, dass er Nora hier nirgends sehen konnte, aber der Kettenmagier dennoch hier war? Wie süß er aussah, wie er da stand und sein Gesicht langsam die Farbe seiner Haare annahm... und wie gut es tat, seine Worte zu hören. Es mochte albern klingen und er selbst würde es bei anderen wohl mit einem milden Lächeln abtun, aber es gefiel ihm, wenn Souta diese Worte sagte. Er hatte viel zu lange damit gelebt, sein eigenes kleines Geheimnis mit sich herumzuschleppen, als dass er deren Bedeutung unterschätzen würde und auch wenn ihm natürlich niemand den Wahrheitsgehalt garantieren konnte, tat es einfach nur gut, zu wissen, dass sein Gegenüber ihn mochte. Nein, ihn liebte. Das war schön. Hoffentlich wusste Souta, dass er niemals wegen einer solchen Lappalie auf die Idee kommen würde, ihre Beziehung über den Haufen zu werfen. Der Einäugige musste doch wissen, dass er sich nichts vorstellen könnte, das dazu führen würde! Er hatte doch in der Zeit, in der Souta ihn gemieden hatte festgestellt, dass sein eigenes Glück mit der Nähe zu dem Rothaarigen zusammenhing, dass er ohne ihn trübselig wurde und seine Gedanken nur schlecht von ihm wegziehen konnte. Er bedeutete ihm so viel, dass er maximal einen Tag oder im schlimmsten Fall eine Hand davon auf ihn sauer sein konnte, ohne, dass seine Sehnsucht ihm reinredete. Er konnte gar nicht mit ihm Schluss machen, so ein abwegiger Gedanke... Ein nachsichtiges Lächeln erschien auf den Lippen des Dragonslayers, ehe er sich, die Gaffer vollständig ignorierend, nach vorne lehnte, Souta die Haare aus dem Gesicht strich, die nicht durch das überdramatische Manöver nach hinten geflogen waren und ihn sanft mitten auf den Mund küsste. "Aber du weißt doch, dass du der wichtigste Mensch in Fiore für mich bist.", murmelte er noch, während er vielleicht eine Hand breit von ihm entfernt war und in ein smaragdenes Auge blickte. Auch wenn kein Laut zu hören war, hatte er das Gefühl, das Flüstern zu spüren, aber er sparte sich einen Kommentar, weil er Souta lächelnd den Arm um die Schultern legte. Im Hinausgehen pflanzte er ihm einen weiteren Kuss auf das ihm zugewandte Ohr und blickte sich kurz um. Es war faszinierend, mit anzusehen, wie viele Gesichter sich mit einem Schlag von ihm wegdrehten.
Es dauerte nicht lange, bis sie den Club gefunden hatten, den man ihnen beschrieben hatte. Wirklich einfach zu übersehen war er davon abgesehen auch gar nicht, immerhin wollte man die Leute hineinlocken und ihnen gleich klar machen, dass es sich hierbei nicht um einen Laden für Kinder handelte. Seraphim blieb mit einem Seufzen davor stehen und strich sich durch die Haare, ehe er sich leicht zu Souta lehnte und mit leiser Stimme erklärte: "Weißt du, es ist mir eigentlich ziemlich egal, wenn du mit Frauen vor meiner Nase herumflirtest." Seine Nase zuckte leicht und er blickte leicht verlegen zur Seite. "Es ist nur so... es ist unangenehm, so offensichtlich darauf gestoßen zu werden, dass ich eigentlich gar nicht deinem Geschmack entspreche. Das macht es schwerer, das zu verdrängen." Eine Sekunde später lächelte er den Kettenmagier breit an und wuschelte ihm durch die Haare. "Dann mal los~"