Fairy Tail RPG » Große Städe Fiores » Marokkasu Town » Café Bijou

Aus einem Wald. Aus einem Wald... aus einem verdammten Wald?! Mit vielem hatte sie gerechnet, mit wirklich vielem, aber damit ni... Moment, doch. Genau das war ihr doch zuerst in den Kopf geschossen, als sie darüber nachgedacht hatte. Ja, Seraphim kam wohl aus einem Wald. Ob man ihm das glauben konnte? Man musste wohl, immerhin hatte es bisher ja keinen Anlass gegeben dem weißhaarigen Mann zu misstrauen. Zumindest bisher, aber irgendwann würde das noch kommen, auch wenn es der Blondine noch immer nicht bewusst war. Wahrscheinlich war es ihr so sogar lieber, ihr, der starken, selbstbewussten Yureiko. Aber wieso sollte es das sein? Ganz einfach: Das Gespräch war nett, der Abend war schön und ihre Laune geradezu herausragend gut. Würde der Magier sie nicht täuschen, dann wäre zumindest das Gespräch fort, sie müsste sich über eine ungehobelte Körperöffnung zur Ausscheidung des Stoffwechselendproduktes ärgern und damit wäre dann auch der Abend nicht mehr so angenehm gewesen und sie selbst nicht mal mehr halb so locker wie gerade. Er schaffte es tatsächlich das wandelnde Gruselkabinett zu beruhigen. Wohlgemerkt indem er sie anlog. Würde er ihr die Wahrheit sagen, wäre nichts davon so gekommen und sie hätte beweisen müssen, wieso sie gefährlicher als ein Drache war. Die Antwort darauf war übrigens ganz einfach: Der Drache möchte einem nicht unbedingt immer etwas böses - sie schon.
Wie auch immer, dazu kam es ja glücklicherweise nicht. Viel wichtiger war nun, dass sie auf seine Frage antwortete. Und das möglichst ehrlich: "Genau das war auch mein erster Gedanke", und das war noch nicht mal gelogen, auch wenn sie es nicht ernsthaft in Betracht gezogen hatte, "Meine Familie hat ein großes Anwesen, in einem Wald nahe von Hosenka Town. Nicht viele Menschen kennen es." Auch das war uneingeschränkt wahr. Wieso sollte die Kabane auch lügen? Es war kein Geheimnis, wo sie wohnte, auch wenn sie so gut wie nie jemanden dorthin einlud. Dies wollte sie zwar ändern, aber es war eben noch nicht Realität geworden. Aber vielleicht würde es das ja in nicht allzu ferner Zukunft? "Aber sag... wie kommt man dazu, ganz ohne dies alles aufzuwachsen? Wer hat dich großgezogen? Wie ein Affen- oder Wolfsmensch siehst du bei bestem Willen nicht aus, Seraphim-san", hakte die Forscherin nach. Ihr Interesse war absolut ehrlich, immerhin war es ja nicht alltäglich, dass man jemanden traf, der in der Natur groß geworden war. Vielleicht war es ja sogar so, dass dieser Mensch nicht nur ein wirklich angenehmer Zeitgenosse war, sondern am Ende auch noch auf irgendeine Art ein nützlicher? Ihre Tante hatte schon immer gesagt, dass es früher oder später unerlässlich sein würde Kontakte zu den verschiedensten Menschen zu knüpfen. Da konnte man auch bei jemandem beginnen, mit dem man sich verstand.

War die erste kritische Phase überwunden? Vielleicht, in jedem Falle schien es Cyrus, als wäre die Blondine wieder ein wenig ruhiger geworden. Während sie anfangs so gewirkt hatte, als ob sie jeden Moment explodieren könne, wenn er auch nur ein falsches Wort von sich geben würde und er mit jedem Funken Konzentration daran hatte arbeiten müssen, sie dazu zu bringen, sich mit ihm zu beschäftigen, schien sie nun zumindest irgendeine Art von Interesse an ihm gefasst zu haben. Auch wenn dieses momentan noch aufgrund seiner vagen und sicherlich neugierig machenden Antworten bestand, war es eindeutig etwas, worauf er aufbauen konnte. Wenn er gewusst hätte, dass er sich da gerade mit der erklärten Liebe seines besten Freundes unterhielt, hätte er sicherlich zwiegespalten reagiert: Auf der einen Seite hätte er sich noch einmal überlegt, ob er sein Vorhaben weiterhin durchziehen wollte; auf der anderen Seite hätte er Souta wahrscheinlich dafür ausgelacht, dass er bereits nach einigen Minuten mehr über sie wusste, als er bisher aus ihr herausbekommen hatte, obwohl er Kontakt mit ihr suchte und sogar mit ihr in einer Gilde arbeitete. Frauen reagierten noch immer am besten auf das, was ihren Vorstellungen entsprach, in diesem Falle durfte Cyrus eben auf keinen Fall durchscheinen lassen, dass auch in ihm eine Ader pulsierte, die der Blondine wahrscheinlich zu aufreißerisch war... aber er konnte gut schauspielern und hatte genug Ausdauer darin, um nicht jetzt schon einzuknicken. Aber selbst wenn er hier nicht lügen würde, so wäre er niemand, der sich einem Kindergartenkind gleich auf den Schoß Kabanes setzen würde, um sich an ihr zu reiben... um es mal überspitzt auszudrücken. Selbst ein wenig verstellter Cyrus war noch ruhig, vielleicht ein wenig (viel) anzüglicher und deutlich gemeiner, was seine Kommentare anging; wahrscheinlich würde das aber schon reichen, um die Bombe in Kabane zu zünden. Aber das weißhaarige Chamäleon war ja auch gar nicht darauf angewiesen, nun schon die Tarnung fallen zu lassen, genau genommen würde es sie, wenn alles glatt lief, bis ganz zum Schluss niemals lüften müssen, ohne sich selbst komplett aufzugeben. Er mochte Teile seiner Person verschleiern, aber dadurch war er ja kein absolut anderer Mensch geworden... oder?
Genau das war auch ihr erster Gedanke gewesen? Nun ja, das war wohl verständlich, schließlich gab es wohl kaum zivilisierte Orte, an denen es keien Musikinstrumente gab. Ein Lächeln glitt wie von selbst auf seine Lippen, als sie das sagte, welches dort blieb, als sie von einem Anwesen in der Nähe von Hosenka Town sprach. Ja, die Stadt hatte er in letzter Zeit häufiger Besuch, manchmal schlichter Zufall, manchmal Gildenpflichten, manchmal aus anderen Gründen - aber das Anwesen kannte er wahrscheinlich nicht. Dabei hatte er ein recht gutes Orientierungsvermögen und eine schier unglaubliche Kenntnis über die Stadtpläne größerer Städte... die er sich eigentlich so gesehen erschlafen hatte. Wenn man sich den Plan einer Stadt dadurch zusammen suchte, dass man sich die Wege zu Wohnungen merkte, die man in aller Frühe wieder verließ, dann war diese Aussage wohl oder übel gerechtfertigt. "Mh... daran bin ich wohl tatsächlich noch nicht vorbeigekommen, auch wenn ich schon oft in Hosenka Town zu Besuch war." Dieses Anwesen wäre sicherlich auch eine Erkundungstour wert, auch wenn er nicht annahm, dass er da irgendwie reinkommen würde. Wenn alles nach seiner Planung verlief, dann würde man sicherlich nicht den Zug nach Hosenka nehmen, das war viel zu weit - und wenn irgendetwas dazwischen kam, war es unwahrscheinlich, dass sie ihn jemals dorthin einladen würde, oder? Das würde sich alles zeigen, denn öfter kam es ganz anders, als jeglicher Plan hätte vorhersehen können. Affen- oder Wolfsmensch? Ouh, das war hart. Als hätte man ihm in die Magengrube geschlagen, verzog er leicht das Gesicht und versuchte zur gleichen Zeit das Lächeln aufrecht zu erhalten. Im Grunde genommen war es irgendwie schon witzig, dass sie zuallererst an so etwas dachte... aber wie weit es doch von der Wahrheit entfernt war...! "Grandine-sama.", meinte er schlicht und nahm einen weiteren, winzigen Schluck Wein. Mehr Worte als dieser sollte es schwerlich bedürfen, um ihr klar zu machen, mit welchem Magier sie es hier zu tun hatte und wenn sie es nicht wusste, dann sollte sie es besser klug verstecken, denn er reagierte sicherlich nicht besonders verständnisvoll darauf, wenn man mit diesem Namen nichts anfangen konnte. Zumindest einige der Urdrachen sollte man beim Namen kennen und gerade die Himmelsdrachin Grandine sollte den Menschen ein Begriff sein. Wenn man auch nur sehr bruchstückhaft etwas über die Fähigkeiten der Drachen wusste, so war sie eigentlich schon immer das Wesen gewesen, welches eher bei Menschen auftauchte, als ihre Brüder und Schwestern. Und ja... wahrscheinlich war Cyrus der nützlichste Mensch ganz Fiores, vom Standpunkt einer Frau aus betrachtet, die den Tod und somit auch tödliche Krankheiten und Verletzungen fürchtete: Er konnte heilen. Dummerweise tat er das nicht ohne weiteres und neigte auch nicht dazu, diese Tatsache herumzuposaunen.

Was war wohl das richtige Eindruck um die Gedanken der blonden Magierin zu beschreiben? Schon wieder interessant wäre zu gewöhnlich für diese Situation, denn ihr Gegenüber war alles andere als nur gewöhnlich. Beeindruckend würde zwar irgendwie hinkommen, traf es aber auch nicht richtig, denn einfach so war sie eben nicht beeindruckt. Erstaunt war sie dafür mit Sicherheit, aber das war eben auch nur ein Teilaspekt dessen, was sich gerade in der Kabane abspielte. Nein, das perfekte Wort dafür müsste etwas größeres sein, das ganz eindeutig zeigte, dass er kein ordinärer Mensch, nein, noch nicht mal ein ordinärer Magier war: Kurios. In den Augen Yureikos war er schlicht eine Kuriosität und sie bedachte ihn auch mit dem dazugehörigen Blick. Einerseits eben erstaunt und verwundert, andererseits aber auch voll von sowohl wissenschaftlichem als auch zwischenmenschlichen Interesse. Und zum Schluss war da noch etwas in diesen Augen, es funkelte nur schwach, aber dahinter brannte das Feuer der Gier lichterloh. Sogar gleichzeitig auf zwei Basen: Auf der einen Seite war da tatsächlich der menschliche Aspekt, Neugier, etwas über diese Person zu erfahren, mehr zu wissen, als das er keine Musikinstrumente lernen hatte können oder das er tatsächlich in der Natur groß geworden war, aber eben nicht bei Affen oder Wölfen. Auf der anderen Seite meldete sich der kühle Forscherdrang. Noch nie hatte sie einen wie ihn vor sich liegen gehabt, noch nie war sie einem wie ihm auch nur wirklich nahe gekommen. Selbst einen Magier hatte sie noch nie besessen, geschweige denn so etwas, wie Seraphim war. Einen Dragonslayer, einen Menschen, der die Magie tatsächlich von einem Drachen erlernt war, von einem der mächtigsten Wesen, dass diese Welt überhaupt kannte. In diesem Augenblick wollte sie ihn unbedingt, ihr Verlangen verbrannte die Kabane innerlich, verzehrte sie so sehr, dass ihr ganzes Äußeres für eine ganze Sekunde nichts anderes zeigte, als das sprichwörtlich hässliche Gesicht der Gier: Die Züge vor lauter Besitzsucht angespannt, der Blick vollständig auf ihn fixiert, die Haltung leicht geduckt, als wolle sie ihn anspringen. Ja, sie wollte ihn wirklich, seinen kalten toten Körper, seine steife Leiche - auf ihrem Seziertisch. Eine Sekunde lang blieb ihr das intensive Gefühl, ehe sie es hinunterwürgen konnte und in der Lage war sich von ihrem Wahn zu erholen.
"Du bist wirklich kurios, Seraphim-san", brachte die Magierin gepresst hervor. Ihr war unangenehm, was gerade passiert war. Wie würde er das verstehen? Hoffentlich komplett anders, als sie es gemeint hatte, oder am besten gar nicht, denn das wäre doch unangenehm gewesen. Im Nacken fühlte Yureiko noch immer die kleinen Härchen, die sich sträubten, während eine einzige Schweißperle von den Spannungen zeugte, die sie innerlich niedergekämpft hatte.

Kaum hatte er erklärt, dass es sich bei ihm um einen Dragonslayer handelte - Aufmerksamkeit bitte, davon gab es nicht so viele - zeigte sich eine Veränderung im Verhalten seiner Gesprächspartnerin. Es war allerdings nicht die Reaktion, die er auf diese Enthüllung gewohnt war, Verehrung seiner Gildengenossen oder Neid, Bewunderung... nein, es war etwas, das er so noch dabei erlebt hatte. Zuerst schien es ihm so, als blicke sie ihn an, als habe er sich in einen Hund mit rosafarbenen Tentakeln auf dem Kopf verwandelt, etwas das man anstarrte, weil man es noch nie gesehen hatte und es schlichtweg absonderlich fand. Damit konnte er ja noch leben, aber im nächsten Augenblick verzerrte sich ihr hübsches Gesicht zu etwas, das dem jungen Mann wohl hätte die Haare zu Berge stehen lassen, wenn sie das von Natur aus nicht schon dauernd täten. Es schien, als würde sie etwas übermannen, das sie erst wieder niederkämpfen musste, eine Fratze der... Gier? War es das, was sie lieber versteckt hätte und auch nach kurzer Zeit wieder unter Kontrolle bekam? Cyrus hatte einen ähnlichen Ausdruck schon oft auf den Gesichtern junger Frauen oder Männer gesehen, wenn er es darauf auslegte diesen zu erzeugen, aber Kabane sah anders aus. Sie wirkte nicht so, als wolle sie ihm hier und jetzt die Kleider vom Leib reißen, es schien eher so, als ob... er wusste es nicht. Er vermochte zu sehen, dass es eine andere Form der Gier war, als er sie kannte, aber was sie wollte, das konnte er nicht sagen. Nicht einmal im Traum wäre er jedoch darauf gekommen, dass Kabane Yureiko ihn am liebsten umlegen wollte, um seine Leiche zu sezieren, das war außerhalb seines Vorstellungshorizontes. Man erwartete ja auch nicht von einer attraktiven Blondine, dass sie nekrophil war, oder? Selbst er konnte so etwas nicht riechen, vollkommen unmöglich, es also zu wissen. Wie reagierte Cyrus eigentlich darauf, dass mit Kabane etwas doch beinahe gruseliges passierte? Er war fasziniert. Angst würde er sicherlich keine vor ihr haben und selbst wenn er gewusst hätte, woran sie gedacht hatte, dann hätte es ihn noch mehr interessiert als verängstigt. Cyrus war den Zorn einer Drachin gewohnt, da war der Tötungswunsch einer Frau, wie stark sie auch sein mochte, nur nebensächlich. Mit leicht schräg gelegtem Kopf, die lavendelfarbigen Augen auf ihren verkrampften Zügen ruhend, blickte er sie deutlich fasziniert an, den Mund ganz leicht geöffnet, beinahe andächtig die Luft anhaltend. Cyrus sammelte seine Trophäen nicht nur aufgrund ihres guten Aussehens, nein, ein ebenso wichtiger Faktor war auch ihre Besonderheit. Sicher hatte er schon einiges mit Menschen gehabt, die vollkommen normal waren, wenn auch gut aussehend, aber am liebsten hatte er die, die irgendwie speziell waren. Man konnte ihm ja sogar vom Gesicht ablesen, dass er selbst sich selbst einen Aspekt verpasst hatte, der langweilige Angepasstheit und Glätte verhinderte. Kabane wiederum schien ja offenbar selbst nicht ganz koscher zu sein, das war sicherlich dämonisch gewesen, nicht normal. Wer wusste, was man mit ihr so alles anstellen könnte - zumindest ihm fiel da eine ganze Menge ein. Als sie sich wieder entspannte, atmete er leise aus und grinste leicht in sich hinein, wandte den Blick aber nicht von ihr ab.
Kurios? Das hörte sich ja wirklich nach einem Dackel mit Giraffenbeinen an und das war nicht, was er wollte. Cyrus wollte nicht geliebt oder gemocht werden, aber er lebte beinahe davon, dass die Leute sich für ihn interessierten, ihn hassten oder begehrten... aber nicht als Kuriosum! Ja, Dragonslayer waren sehr selten, aber er war kein Ausstellungsstück...! Egal. Hauptsache er hatte ihre Aufmerksamkeit. "Kurios? Mhh... wenn du das sagst, Kabane-san~", lächelte er und kippte das Weinglas in seiner Hand leicht, sodass die rote Flüssigkeit darin leicht verfloss. "Aber mir scheint, dass auch du ein paar... Leichen im Keller hast, wenn du verstehst was ich meine." Er würde nicht noch mehr auf ihre Überreaktion anspielen, denn die wenigsten Leute sprachen gerne über ihre eigenen Schwächen. Hätte er gewusst, wie sehr diese Formulierung ins Schwarze getroffen hatte, hätte er sicherlich gelacht. "Du weißt ja nun, welchen Beruf ich ausübe... wie steht es mit dir?" *Oder musst du nicht einmal arbeiten, weil deine Familie reich genug ist?*

Wenn die junge Kabane mal wieder in ihren eigenen Gedanken und Gelüsten versank, dann kam es oft vor, dass sie dabei etwas wichtiges verpasste. Manchmal war das etwas wichtiges, dass gesagt wurde, ein anderes Mal etwas das getan wurde. Dieses Mal war es hauptsächlich ein ganz bestimmter Blick, der ihr entgangen war. Ihrem nicht ganz unähnlich was Faszination und Interesse betraf, aber in den Hintergründen doch etwas verschieden. Und von wo kam dieser Blick? Natürlich von ihrem Gesprächspartner, dem wiederum die kurzzeitige Veränderung in der Mimik der Blondine nicht entgangen war. Ja, es war doch wirklich so, dass er auf eine ganz gewisse, wenn auch vielleicht weit hergeholte Art, den Blick der Frau erwiderte. Immerhin verband sie beide das Verlangen nacheinander, obwohl dieses Verlangen natürlich auf unterschiedlichen Fundamenten beruhte. Sie hätte ihn am liebsten aufgeschnitten und sein innerstes durchsucht - er wäre nicht der oder die erste gewesen, die auf ihrem Tisch gelegen hätte, auch wenn sie sich dabei nie eines Verbrechens an den noch Lebenden schuldig gemacht hatte - während Seraphim zwar auch an ihr innerstes wollte, dies allerdings nur an einer Körperstelle. Er war zwar ein echter Aufschneider, aber aufschneiden würde er sie dabei sicher nicht wollen. Wäre ja auch seltsam und langweilig gewesen, wenn alles auf Gegenseitigkeit beruht hätte, nicht wahr?
Physisch beruhigte Yureiko sich langsam aber sicher wieder. Ihre Nackenhaare legten sich wieder, während sie dem jungen Mann bei seinen weiteren Ausführungen und Fragen zuhörte. Auch der Schweißausbruch hatte sich bald wieder gänzlich gelegt. Die Forscherin war wieder gänzlich Herrin über ihre Sinne geworden, hatte so auch zum Glück nicht nur mitbekommen, dass mit ihr geredet wurde, sondern auch worüber. Dass er "kurios" genannt wurde war dem Drachenzögling wohl neu, allgemeines Interesse an seiner Art allerdings nicht. Wie auch? Sie waren ja wirklich selten, die Dragonslayer, denn nur selten entschloss sich einer der mächtigen Geschuppten einen Menschen bei sich aufzunehmen und auch in einer der wohl ureigensten und mächtigsten Formen der Zauberei zu unterweisen. Als der Weißhaarige aber begann von Leichen im Keller zu sprechen musste die Kabane unwillkürlich auflachen. Es war wirklich mehr als komisch, sowas zu hören, während es auch noch wirklich stimmte. Die Zauberin war wirklich amüsiert. Wenn er gewusst hätte, wie recht er damit nur lag, wie hätte er dann reagiert? Die meisten Menschen wären angewidert gewesen oder so sehr erschrocken, dass sie auf nimmer wiedersehen verschwunden wären. Aber er? Nein, wohl eher nicht. Wer von Drachen gelernt hatte, der konnte kein Feigling sein. Das wäre ein Verbrechen wider die Natur. "Leichen im Keller? Aber natürlich. Ich kann sie dir vorstellen", antwortete die junge Frau. "Jede einzelne", fuhr sie mit gedämpfter Stimme und einem Grinsen auf den Lippen fort. Es sollte nicht so klingen, als würde sie es ernst meinen. Nein, es sollte sich schon wie ein Witz anhören, übertrieben mysteriös und sehr gestellt. War ihr ganz gut gelungen, wie sie selbst meinte.
"Den gleichen wie du, Seraphim-san. Ich bin Magierin, für welche Gilde ich arbeite, ist wohl logisch, nicht? Daneben führe ich aber noch die Geschäfte meiner Eltern weiter. Familientradition, verstehst du sicher", sprach Yureiko, dabei leicht seufzend. Sie wollte bewusst so klingen, als würden sie die alten Geschäfte mehr nerven als, so wie es in der Realität war, mehr interessieren als alles andere, das die Welt zu bieten hatte. Dabei ging es allerdings kaum um die Familie, sondern vielmehr um sie selbst. Um ihren Traum, um ihre Ängste und schlussendlich wohl auch um ihre Eitelkeit, die scheitern nicht erlauben würde. Nochmal seufzend griff sie zu ihrem Drink und nahm einen kräftigen Schluck daraus, der das Glas zur Hälfte leeren sollte. Halb voll oder doch lieber halb leer, Seraphim?

Das Grinsen, welches die Mundwinkel des Dragonslayers bereits seit einer ganzen Weile dehnte, wurde nur noch breiter, je länger er die blonde Frau neben ihm betrachtete. Auch wenn er sich innerlich beinahe zu hart am Riemen reißen musste, damit der zunehmend faszinierte Blick auch wirklich brav auf ihrem Gesicht blieb und sich nicht eigenständig einen Weg über ihren Körper bahnen würde. Sie kam ihm nicht wie jemand vor, der anzügliche Blicke jedweder Art schätzte, sondern eher wie eine Frau, die ihn sofort abservieren würde, wenn er es auch nur wagen würde, an falsche Stellen zu gucken. Auch wenn er langsam neugieriger wurde, da sie unbewusst bewies, dass sie eine Studie durchaus wert wäre, weil sie etwas ganz eigenes, besonderes an sich hatte, würde er seinen Erfolg nicht aufs Spiel setzen, indem er sich nun einen Hänger erlaubte. Nein. Kurz zuckte sein linker Mundwinkel, als er sich zusammen riss und nur weiter beobachtete und lauschte. Sie lachte, als er von Leichen im Keller sprach, was hatte das zu bedeuten? Es gab viele Interpretationen, zum Beispiel, dass sie tatsächlich welche im Untergeschoss ihrer Villa hatte, wahrscheinlicher war aber wohl, dass sie einiges zu verheimlichen hatte. Oder ihr gefiel einfach die Formulierung, wer konnte das schon genau sagen? Er konnte Kabane immer noch nicht genau einschätzen, aber bei einer Sache war er sich langsam sicher: Diese Frau war gefährlich. Irgendwas an ihr ließ seinen Nacken wie von selbst kribbeln, der Hauch der Gefahr, mochte man sagen. Es war ein Gefühl, welches er normalerweise auch in deutlich stärkerer Form bei den Drachen empfand, wenn es auch dort von Respekt und Verehrung gespeist wurde; ein Kribbeln, welches zur gleichen Zeit sowohl seinen Kopf vor ihr warnte, als auch seinem Körper genau gegenteilige Signale schickte. Ihre Stimmlage bei den nun folgenden Wörter war dem nicht gerade abträglich, dafür war sie zu raunend. Er selbst nutze ähnliche Variationen in seiner Stimme zu ganz anderen Anlässen, allerdings waren die Menschen da wohl auch verschieden... oder? Was, wenn sie sich doch nicht so sehr darin unterschieden? Würde das dann bedeuten, dass die Blondine... ernsthaft zurückflirtete? Einen Moment lang dachte er tatsächlich mit einer Spur ernst auf dem Gesicht darüber nach, ehe er den Gedanken als überlegenswert einstufte, ihn dann aber wieder verdrängte. Schmunzelnd stützte er den Ellbogen auf die Theke und bette seine Wange in seine Hand, sodass er Yureiko nun wahrhaft schräg anblickte, während der faszinierte Ausdruck zwar geschwächt, aber nicht gänzlich aus seinen Augen verschwunden war. "Das hört sich doch...", begann er, während die Fingerspitzen seiner freien Hand sanft Kreise auf der hölzerne Oberfläche zogen, "mehr als spannend an~" Seine Stimme war mehr ein Hauch, nicht minder gedämpft als Kabanes und doch von einem vollkommen anderen Hintergedanken gespeist. Er hatte nämlich nicht vor, eine Tatsache als Witz zu kaschieren... nein.
Als sie jedoch erklärte, dass sie Magierin sei, stockte er kurz und hob eine Augenbraue. Ach, wirklich? Er saß hier mit einer Magierin aus Lamia Scale zusammen und unterhielt sich über Musik? Welch ein ausgemachtes Glück, dass sie keine Gedanken lesen konnte, denn das erste, was ihm bei dieser Gilde einfiel, war eben der Rothaarige, den sie so aufs Blut nicht ausstehen konnte. Kurz wurde abgewägt, ob er sie wohl auf ihn ansprechen sollte, anmerken sollte, dass er ihn kannte, aber das wurde im Bruchteil von Sekunden wieder verworfen. Er war sich mehr als sicher, dass er damit keinen guten Schachzug machen würde, denn a sollte sie sich mit ihm beschäftigen, b war er sich mehr als sicher, dass sie ihn, wenn sie ihn denn kannte, nicht ausstehen konnte. Wie sehr er damit recht hatte, hätte er dann aber doch nicht erwartet. "Lamia Scale? Interessant~", murmelte er und verfolgte ihre Bewegungen, als sie das Glas mit dem undefinierbaren Etwas an Flüssigkeit zur Hälfte leerte. Es roch nach unterschiedlichen Gemüsesorten, aber er konnte sich kaum vorstellen, dass all das, was seine empfindliche Nase zu unterscheiden glaubte, da auch wirklich drin war - wer würde das Zeug dann noch freiwillig trinken? Was beide Gesprächspartner in diesem Moment nicht wussten, war, wie sehr Cyrus Fähigkeiten dem Ziel der Kabane hätten hilfreich sein können, denn während sie nach dem ewigen Leben suchte (natürlich fruchtlos, denn so etwas existierte nicht), konnte er es immerhin mit magischen Mitteln aufrecht erhalten und verlängern. Ob sie wohl wenigstens wusste, dass es einst eine Magie unter Menschen gegeben hatte, die Zellen hatte regenerieren können, aber nun als ausgestorben galt?
War das Glas eher halb voll oder halb leer für den Weißhaarigen? Diese Frage war schon seit ewigen Zeiten dafür verwendet worden, um festzustellen, wie ein Mensch eingestellt war, typischerweise antwortete ein Optimist mit "halb voll", während man einen Pessimisten an "halb leer" erkannte. Hätte man Cyrus gefragt, hätte er sich aufgrund der Kenntnis dieser Frage eine andere Antwort einfallen lassen, in etwa "Es ist doppelt so groß wie nötig", aber eigentlich war es doch eher halb voll. Er war jemand, der Optionen nutzte, wenn er sie sah und sich ihrer erfreute - denn ansonsten hätte er Kabane Yureiko gar nicht erst angesprochen. "Eine Magierin also... darf man fragen, welche Form der Magie du nutzt?~", fragte er und ließ den Blick über den Arm gleiten, der das Glas Was-auch-immer hielt. Er konnte sich bei ihr nicht vorstellen, dass es etwas auch nur ansatzweise feminines war, aber mehr konnte selbst er nicht erraten. Wahrscheinlich würde das Konzert bald losgehen, denn immer mehr Besucher stürmten das ehemalige Café, wobei Cyrus mit einem Seitenblick bemerkte, dass er sich wohl den besten Fang herausgefischt hatte.

Halb voll, nicht halb leer, auch wenn es eigentlich eine andere Antwort gegeben hätte. "Doppelt so groß wie nötig" wäre allerdings Blödsinn - die Höhe des Trinkgefäßes war schon richtig so, denn sonst hätte man ja für die gleiche Menge an Flüssigkeit zwei Gläser gebraucht. Oder es könnte ein magisches Glas, das je nachdem, wie viel man in es füllte, mitwuchs oder -schrumpfte, sein. An und für sich eine nette Spielerei, praktisch gesehen aber eine unglaubliche Verschwendung von magischem Potential. Das hätte die blonde Magierin geantwortet, wenn sie die Frage wirklich gestellt und auch tatsächlich diese Antwort erhalten hätte. Sowohl als auch waren allerdings nicht der Fall, weswegen sie sich damit nicht beschäftigt hatte, sondern viel mehr mit dem Ton, in dem Seraphim ihr kurzzeitig geantwortet hatte. Ja, es machte sie doch etwas nachdenklich, denn war ihre Tonlage noch als komische Einlage zu verstehen, so machte das gleiche Verhalten bei ihrem Gesprächspartner wenig Sinn. Es war zwar nicht so, dass ihm keine Komik zuzutrauen wäre, ganz und gar nicht, allerdings nicht in dieser Situation. Es war schlicht schräg. Was konnte er nur damit meinen? War der Stimme ein verschwörerischer Unterton angehaftet? Unwahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich. Hatte der weißhaarige junge Mann sie nachäffen wollen? Nein, das hielt sie zwar für möglich, aber es wäre doch sehr untypisch, wenn man ihn an seinem bisherigen Verhalten an diesem Abend maß. Die Forscherin konnte es schlicht nicht herausfinden, auch wenn sie sich das nun zum erklärten Ziel gemacht hatte. Irgendwann während des Gespräches würde er sich schon verraten, ob es zum Guten, oder aber auch zum Schlechten war. Denn etwas gemeint hatte Cyrus - sie hätte sich über seinen Namen vielleicht genauso amüsiert wie er über ihren, wenn sie ihn gekannt hätte - mit absoluter Sicherheit, sonst wäre das Ganze sinnlos gewesen. Er würde noch ertappt werden, ganz gleich, welche Ziele er verfolgt hatte.
Der weitere Gesprächsverlauf war klarer. Die Frage nach ihrer Zauberei war simpel zu verstehen, sowohl von der Fragestellung, als auch in Anbetracht der Intention. Es ging schlicht um Information, Interesse und einander ein wenig kennen lernen und dabei das Gespräch am Laufen halten. "Smalltalk" konnte man das wohl nennen. Dazu hatte Choho-san ihr auch geraten. Menschen kennen lernen war wichtig, ob ihre Nichte das wollte oder nicht. Denn nur wer Menschen kannte und auch von diesen gekannt wurde hatte die Chance sich ein Netzwerk aufzubauen und damit zu großem Erfolg in allen Bereichen zu kommen. In ihrem Fall war damit nicht nur beruflicher Erfolg in ihrer Funktion als Magierin der Gilde Lamia Scale gemeint, sondern auch ihre persönlich erwählten und privaten Aufgaben, wie die Forschung, das Lösen des Rätsels um den Tod ihrer Eltern und anderer Familiengeheimnisse. Wie sagte die verstorbene Tante so oft? "Der erste Schritt um Hilfe anzunehmen ist welche angeboten zu bekommen." Das sagte sie oft. Der jüngeren Kabane war dabei zwar nicht ganz wohl, aber insgeheim hatte sie schon lange eingesehen, dass es schlicht und ergreifend stimmte. Alleine stand man schnell im Regen, egal wie klug, talentiert oder mächtig man war. Im Gegenteil, Macht hing sogar zu einem beträchtlichen Teil davon ab, wie viele und gute Bekannte und "Freunde" man um sich scharte. Wie auch immer, der Dragonslayer war interessant, nett und durch diese beiden Dinge bedingt durchaus würdig ein solcher "Freund" zu sein. Deswegen erhielt er auch eine Antwort auf seine Frage: "Vielleicht hat es ja etwas mit den Leichen in meinem Keller zu tun? Ich würde es dir ja nur zu gerne zeigen... aber ich möchte hier ja keinem Angst machen, jetzt wo das Konzert bald beginnt." Zugegeben, die Antwort war kaum mehr als nichtssagend, allerdings entsprach sie der Wahrheit. Es auszusprechen wäre verdammt langweilig gewesen im Gegensatz dazu, was passierte, wenn sie es einfach vorzeigte. Mitten im Café wäre dafür aber auch wirklich ein schlechter Ort, weswegen das wohl warten musste. Außerdem wollte die Kabane nicht riskieren doch noch die Kontrolle zu verlieren, jetzt, wo sie den wunderbaren Klavierklängen immer näher kam.

Haare waren beim Menschen die Überbleibsel des ehemaligen Fells, vor allem am Kopf häuften sie sich und bedeckten den ansonsten kahlen und unansehnlichen Schädel mit einer Schutzschicht vor schädlichen Einflüssen wie Kälte und Hitze. Dank eines Geschlechtsdimorphismus waren Haare ansonsten unterschiedlich auf dem Körper eines Menschen verteilt, ebenso wie das von Person zu Person stark variierte, in jedem Falle waren das ziemlich vielseitige Konstrukte der Natur. Sie konnten sich unterschiedlich an die Kopfhaut anschmiegen - abstehen oder anliegen - waren tot, also konnte man sie auch ohne Schmerzen schneiden - und was man ganz offenbar auch damit tun konnte, war sie zu spalten. Kabane Yureiko schien eine Meisterin darin zu sein, denn ob das nun stimmte oder nicht, es wäre auch nur eine Metapher gewesen. Worin sie allerdings offenbar überhaupt kein Talent hatte, war seine Intention zu verstehen. Mit einem geseufzten "Hnn...", lehnte er sich wieder zurück und grinste kurz die Decke an, während er sich seine weitere Strategie zurecht legte. Das würde nicht einfach werden... aber wenn er unterfordert war, dann würde er sich wahrscheinlich nur zu schnell wieder langweilen, also musste das ja nichts bedeuten. Wenn er direkter andeuten würde, was er eigentlich meinte, dann hätte er verloren, da war er sich vollkommen sicher. Allein schon ihre Andeutung, dass ihn ein "-chan" die Zunge gekostet hätte, hielt ihn davon ab, ihr mit der Keule ins Gesicht zu hämmern, dass er hier dabei war, sich an sie heranzumachen. Er musste weiterhin subtil bleiben, sie einlullen und dann schleichend voranschreiten, bis sie gar nicht mehr hinterfragte, warum sie ihn auf einmal küsste... Das könnte dauern, aber er war sich sicher, dass es die Mühe Wert war, zumal sie... etwas hatte, ja. Zudem schien sie sich gerade im Prozess des Öffnens zu befinden, nun alles zu zerstören wäre schade drum - also musste er sich in Geduld üben. Während sie also darüber nachdachte, was er mit diesem Ton wohl hatte meinen, grübelte er darüber nach, wie man sie am besten herumkriegen könnte; hätten sie beide Gedanken lesen können, so wäre Cyrus sicherlich lachend durch das Café geprügelt worden, welch ein Glück, dass das niemand beherrschte. Ebenso wäre es interessant gewesen, wenn der Dragonslayer gewusst hätte, dass sie sich nun in den Kopf gesetzt hatte, seine Beweggründe zu erraten, denn es gab so viele, die daran schon gescheitert waren. Natürlich, hinterher war es allen klar, aber zuvor konnte man ebenso gut versuchen, auf den ersten Blick eine Psychoanalyse von ihm zu erstellen und das gelang auf Anhieb niemandem. Auch Kabane hatte einen schlechten Start hingelegt, auch wenn sie immerhin nicht sofort auf ihn angesprungen war, Hoffnungen konnten noch in die Blondine gesetzt werden, eine Traumabfuhr würde es allerdings nicht mehr werden können.
Ihre Magie hatte etwas mit Leichen zu tun? Das war... lustig. Durchaus, wenn es auch nur annähernd stimmte, was sie da sagte, dann würde ihre Magie Cyrus sicherlich ein wenig Kurzweile bereiten. Der junge Mann fürchtete sich nicht vor toten Lebewesen, die konnten ihn nicht mehr fressen, aber er konnte rein theoretisch sie fressen, auch wenn er noch nicht unter die Aasfresser gegangen war. Das einzige, was er nicht mochte, war der dazu gehörige Geruch, weil er ihn auch noch in mehr Details und Nuancen wahrnehmen konnte, als beispielsweise Kabane. Präparierte Leichen waren ihm da lieber, Formaldehyd stank zwar auch wie die Pest, aber wenn man ehrlich sein wollte, so kam er damit besser zurecht. Ein zehnjähriger Cyrus wäre einst fast von einem Wolf gerissen worden und konnte sich noch daran erinnern, dass der einen Mundgeruch gehabt hatte, der dem von Leichen bedrohlich ähnelte, modernden, verfaulenden Leichen. Er hatte es überlebt, denn auch der Wolf hatte Lunte gerochen, als Grandine ihren Schützling retten gekommen war, so ein riesiger Drache fiel eben auf. "Mit den Leichen?" Seine Mundwinkel zuckten nach oben, "Ich hoffe du bist keine Nekromantin, dann müssten wir ja erst jemanden kalt machen, damit du mir eine Kostprobe geben kannst~" Sein Blick schweifte kurz durch das Café, bis er wieder bei Kabane landete. "Das wiederum würde das Konzert dann wohl auf Eis legen." Apropos Konzert, das schien wohl in Kürze zu beginnen, da sich das Licht im Raum langsam dimmte und nur einige Scheinwerfer auf dem Flügel ruhen blieben. Die Gespräche unter den Gästen verstummten und diejenigen, die herumgestanden hatten, wuselten eilig umher und suchten sich eine Sitzgelegenheit. Schließlich betrat der Künstler die provisorische Bühne und setzte sich an den Flügel.

Die größte Schwäche des Menschen ist es, sich zu irren, seine größte Stärke allerdings, sich dieses einzugestehen. Sobald Seraphim einen Fehler machte, würde seine Sitznachbarin ihn wohl oder übel dazu zwingen, diese Stärke zu zeigen. Leichen konnten ihn nicht fressen? Ha! Welch grandiose Fehleinschätzung! Genaugenommen war Yureiko zwar keine Leiche, sondern konnte ihren Körper nur teilweise in eine verwandeln, und fressen würde sie ihn auch nicht direkt. Nein, aber es wäre so ähnlich, denn ihre Eckzähne würden sich in seinen Hals bohren und der (eigentlichen) Vegetarierin sein Blut zu trinken geben. Eine herrliche Vorstellung, durchaus, die der Kabane aber genauso wie die Gedankengänge des Drachenlehrlings leider verwehrt blieb und es auch bleiben würde - dass er so dumm war und ihr auch nur irgendetwas davon mitteilen würde, war nämlich ausgeschlossen. Cyrus hatte eben schon verstanden, dass es absolut nicht klug war seiner Gesprächspartnerin etwas ins Gesicht zu hämmern. Eigentlich war es insgesamt keine gute Idee Kabane Yureiko und das Wort hämmern in ein und demselben Satz zu verwenden, ganz egal in welchem Kontext es auch immer vorkommen konnte.
Das Interesse des Weißschopfs schien immer weiter geweckt zu werden, zumindest hakte er immer weiter nach. Irgendetwas machte die Magierin also schon mal richtig, wenn es um "Smalltalk" ging. Und das Thema war ganz nach ihrem Geschmack. Aus ihrer Magie hatte sie ja nie einen echten Hehl gemacht und die Leichen im Keller hatte sie persönlich ja nicht besonders ernst gemeint, auch wenn es wahr war. Nekromantie? Verlockend. Vielleicht würde sie das ja irgendwann noch erlernen, im Moment war ihr die Belebung von Leichen aber noch nicht möglich. Die Annahme an sich war allerdings sehr amüsant. "Ist ja sehr interessant, dass das Konzert deine größte Sorge wäre. Aber ich kann dich beruhigen, wir werden dafür niemanden töten müssen. Du wirst es schon noch erfahren. Nach dem Konzert", antwortete die Blondine. Schon wieder nicht gelogen, diesmal noch nicht mal etwas ausgelassen. Es sagte nämlich wirklich viel über ihren "Kollegen" aus, dass hin das Leben eines Menschen scheinbar nicht im geringsten tangierte. Einerseits überraschend, denn immerhin hatte sie sich einen Dragonslayer doch etwas "moralischer", wie es viele andere Menschen nannten, vorgestellt. Andererseits aber machte ihn das noch um einiges interessanter, wenn nicht sogar nützlicher. Freunde zu haben, die wenig Skrupel hatten, ihren Mitmenschen unschöne Dinge anzutun oder zumindest dabei zu helfen oder zuzusehen, wie dies geschah, konnte ja zumindest nicht schaden, im besten Fall aber nur nützen.
Inzwischen war der Raum abgedunkelt worden. Der Gastraum war gut gefüllt, die Gespräche zwischen den übrigen Kunstfreunden verstummten langsam. Dann war der Moment da, der Auftritt des Künstlers: Ein Mann, in seinen späten Zwanzigern, mit blonden langen Haaren, vielleicht eine Nuance dunkler als ihre eigenen und gekleidet in einem weißen Anzug, den die Kabane für mehr als übertrieben geschmacklos hielt, betrat die Bühne. Zum Glück war sie nicht zu einer Modenschau gekommen, denn sonst wäre der Abend schon jetzt ein Reinfall gewesen. Während das Publikum applaudierte, darunter auch Yureiko selbst, legte die Lamia-Angehörige ihren Kopf in den Nacken. Dann begann das Spiel mit einer sanften Sonate, wohl in D-Dur geschrieben, die die Zauberin dazu brachte entspannt, aber dennoch leise, aufzuseufzen. Hoffentlich würde es jetzt keiner mehr wagen, sie anzusprechen - er würde es bitter bereuen.

Lange blonde Haare bei einem Mann waren immer ein Risiko. Das konnte fabelhaft aussehen und die Männlichkeit des Individuums nicht ankratzen, in den meisten Fällen jedoch brachten sie einen unnötig weiblichen Touch mit, der den Blondschöpfen meist nicht gefiel. Warum sie sich dann aber auch so eine Frisur stehen ließen, war ihm schleierhaft, zudem der Künstler immerhin noch glatte Haare hatte. Würde Cyrus sich seine Haare lang wachsen lassen, würden sie sich sicherlich wie blöde wellen, weswegen er auch gar nicht erst auf so eine bescheuerte Idee kommen würde. Zudem sein Wuschelkopf doch auch etwas hatte, man konnte seine Finger wunderschön hineingraben, außerdem hatte er nie das Problem, sich einfallen zu lassen, was damit zu machen sei, da es sowieso nicht funktionieren würde. Ein weißer Anzug wiederum stand dem Herrn so gar nicht, wie er ebenfalls fand, zu dieser Haarfarbe machte sich doch schwarz viel besser. Bei weißen Haaren wiederum ging prinzipiell beides, weil sie so absolut farblos waren. Aber es ging ja tatsächlich nicht darum, den Mann da vorne auf seinem Flügel flachzulegen, sondern darum, seiner Kunstfertigkeit im musikalischen Sinne auf diesem Instrument zu lauschen, also konnte egal sein, wie bescheuert er aussah.
Während Kabane die Augen schloss, wanderte sein Blick auf das entspannte Gesicht der jungen Frau und während die erste Sonate den Raum mit harmonischen Tönen füllte, schlich sich ein Grinsen auf seine Lippen, das selbst Yureiko hätte deuten können, wenn sie es denn gesehen hätte. Der leichte Seufzer war ihm ebenfalls nicht entgangen, wenn sie sich schon so verhielt, wenn sie nur Musik lauschte, was konnte man dann erst von anderen Dingen erwarten? Mhh... möglichst leise atmend lauschte auch der Dragonslayer der Musik, auch wenn sein Blick den blonden Pianisten nicht ein einziges Mal streifte. Er war nicht dumm genug, Kabane in diesem sicherlich sehr seltenen Stadium zu verärgern, aber dafür würde er sich den Anblick auch nicht entgehen lassen. Musste sich ja nicht ausschließen, zumal das ein wirklich schönerer Ausblick als die blonde Mähne des Mannes war. Gut spielen konnte er dennoch, mochte er einen so schlechten Geschmack haben, wie er wollte. Cyrus kannte sich nicht mit Musik in dem Sinne aus, dass er die Tonart analysieren konnte, er konnte auch schlecht die Melodie von einem Notenblatt durch lesen allein erraten, stattdessen verließ er sich mehr auf sein reines Gehör und auf die Frage, ob ihm ein Stück gefallen hatte. Er hörte, wenn man sich verspielte, weil dann die Melodien abrupt unterbrochen wurden, unsaubere Töne zerstörten die Athmosphäre, die Musik einfach haben musste, die sie ja erst erzeugte. In freier Natur gab es ebenfalls Musik, auch wenn es nur aus dem Gesang der Vögel bestand, so hatten selbst Tiere offenbar das Bedürfnis nach Klängen. Menschen hatten das aber auf die Spitze getrieben und so eine eigene Welt erschaffen, in die sie der Künstler langsam hinein führte, ihnen das Tor zu wunderbaren Weiten der Imagination öffnete. Dafür, dass er rein physikalisch gesehen einfach nur Luft in Schwingungen versetzte und diese ein paar Knöchelchen in ihrem Schädel in Bewegung versetzten, die wiederum einen mit Flüssigkeit gefüllten und mit Nervenzellen gespickten Hohlraum vibrieren ließ, hatte Musik doch eine zu große Wirkung auf den Menschen. Sie konnte Stimmungen binnen Sekunden umschlagen lassen, beruhigen, aufputschen und ihm direkt in die Hände spielen. Zugegebenerweise war Klavier da nicht das Optimalste, aber auch nicht das allerschlechteste - besser als ein Rockkonzert war es jedenfalls allemal. Das Grinsen war jedoch schon nach wenigen Sekunden wieder von seinen Lippen gewichen, da die Wahrscheinlichkeit, dass sie vielleicht doch noch mal die Augen öffnete, recht hoch war und er sich fast sicher war, dass sie davon nicht besonders angetan wäre.
Der Pianist hatte sein erstes Stück beendet und schloss eine schnellere, furiosere Melodie in Moll an, die die allgemeine Entspannung augenblicklich kippen ließ, so weit Cyrus das beurteilen konnte, handelte es sich um eine Fuge, was er allerdings nur daraus schloss, dass sich die einzelnen Melodien ebenso zusammenführten, wie er es schon einmal bei einer Fuge gehört hatte - erst eine tiefe Stimme, deren Omnipräsenz den weiteren Verlauf des Stückes dominieren würde, genannt Dux, der Führende, und anschließend immer mehr begleitende Stimmen, die in höheren Oktaven gespielt und sanfter, delikater wirkten, ihrem Fachbegriff nach die Comes. Der Pianist beherrschte sein Handwerk wirklich meisterlich, flocht geschickt die einzelnen Stimmen zusammen, bis er mit einigen vollen, arpeggierten Akkorden endete und das Stück ausklingen ließ. Immer wieder überraschte der Künstler mit einer Variation seiner Darbietung, schien sich kaum auf eine bestimmte Richtung festzulegen, aber spielte alles so hervorragend, dass man sich schwerlich daran stoßen konnte. Er endete schließlich mit einem Rondeau, dessen einprägsame Melodie manch einem Zuhörer als Ohrwurm in den Ohren bleiben würde, erhob sich unter tosendem Applaus und verbeugte sich, wobei er Acht geben musste, dass er nicht den Boden zu seinen Füßen wischte. "Fabelhaft~", säuselte Cyrus, dessen Augen beim letzten Stück dann doch zum Flügel und vor allem den flinken Fingern des Mannes gewandert waren, die in atemberaubender Geschwindigkeit über die Tasten gehetzt waren. Mit einem fragenden Lächeln drehte er sich wieder zu Kabane. "Hat es gefallen?"