Jetzt sollte also das Spiel beginnen und ja es war wirklich ein Spiel. Eines in dem ihr Begleiter wahrscheinlich mehr als geübt war und er schien große Freude daran zu haben. Es kam dem jungen Mann wohl sehr gelegen, dass sie sich nicht quer stellte. Nun gut, sie würde wahrscheinlich weiterhin an seiner Brust lehnen und versuchen nicht einzuschlafen. Vielleicht sollte sie ihn dabei beobachten, es würde ihr sicherlich helfen, nicht dieselben Fehler zu machen, wie die Frauen sie jetzt machen würden. Nun sie musste zugeben, bei einer so hübschen äußeren Fassade war es sicher schwer, auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Ja Naomi hatte schon eine ungefähre Ahnung von dem, was gerade in den Köpfen dieser Frauen umhergeisterte, doch wenn jemand danach fragen würde, wäre die Antwort wahrscheinlich, dass ein Mädchen in ihrem Alter nicht darüber reden sollte. Die volle Wahrheit, aber eben nicht das, was als Auskunft gewünscht wurde. Auf ihre Bemerkung hin, wegen seiner Laune sah er zu ihr herunter. Er hatte befürchtet, dass man ihm ein kleines, nerviges Mädchen an die Hand geben würde. Die Befürchtung hatte sie nicht bestätigt und das erleichterte sie doch etwas. Dies war also ein Problem gewesen. Eigentlich hätte sie es ahnen können, dass ein Kerl wie er, nicht mit Kindern umgehen konnte. Was die Sache etwas erleichterte war, dass dies kein Problem für sie darstellte. Die Magierin musste nicht speziell umsorgt werden, aber wenn sie ehrlich war, genoss sie bisher fast jede Sekunde dieses Trips und er würde sicher nicht langweilig werden, zumindest wenn es so weiter ging. Seraphim hatte sich inzwischen wieder der Frau zugewandt, welche für ihn das Fenster geöffnet hatte. Während er so tat, als würde er ihr zuhören streichelte er ihr den Kopf, aber nicht so zart wie zuvor. Irgendwie hatte sie gerade das Bild von Seraphim im Kopf als Bösewicht in einem schlechten Supermanncomic. Der Verführer oder Mr. Wonderful, wie auch immer. Er würde mit übergeschlagenen Beinen auf einem abartigen Sessel sitzen, dieser musste sich natürlich drehen konnten. Wenn er sich herumdrehte, um seinem heldenhaften Widersacher zu erzählen, wie er plante alle Frauen, nun gut, nur die hübschen Frauen für sich zu gewinnen, sah man sie. Ein abstruses Bild aber irgendwie war es doch so, aber doch stellte er sie nicht als Kätzchen vor, nun gut sie war keines, aber in diesem Moment machte er sie zu seiner Cousine, die allzu gern in den Zoo wollte. Sollte die Kleine nun auch noch mitspielen? Nun gut in den Zoo, wieso auch nicht, welches Kind wollte, nicht in den Zoo? "Ja, der Zoo wäre wirklich toll, aber ich bin viel lieber mit dir unterwegs Cousin, das ist nicht so langweilig wie mit Mama und Papa", nun musste sie mit ihrem Gewissen verhandeln, immerhin war das hier ein Spiel, ja genau ein Spiel und sie musste eine Rolle spielen und als Seraphims Cousine hatte sie sicherlich Mutter und Vater, die aber sicher nur halb so interessant waren wie der eigenwillige Luftikus. Um mit der Frau zu reden, hatte sie sich kurz aufrichten müssen, aber das würde sie nicht beibehalten, es war nervig und anstrengend. Sanft ließ sie sich auf den Schoß des Dragonslayers zurücksinken und kuschelte sich wieder an seine Brust. Ja, sie hatte diesen Platz irgendwie für sich annektiert, für diese Zugfahrt zumindest. Noch war sie nicht naiv genug um zu glaube, dass sie in einer anderen Situation diesen Platz wieder erlangen würde, wenn es doch einige andere Damen gab, die der junge Mann lieber dort sitzen haben wollte. Selbst wenn sie es gewollt hätte, konnte sie wahrscheinlich nicht einmal damit angeben, weil es so unglaubwürdig war, dass sie jeder für verrückt halten würde oder noch schlimmer man würde Naomi vorwerfen, dass sie log. Schrecklicher Gedanke, aber noch war es nicht so weit und sie würde wahrscheinlich niemandem davon erzählen. Ein neues kleines Geheimnis, welches das Mädchen hüten würde. Der Geruch von frischem Wind gleich einer kühlen Frühlingsbriese, dazu der ruhige Takt eines stetig schlagenden Herzens. Eingehüllt von einer tieferen Wärme, die wahrscheinlich nicht von ihm ausging, sondern aus ihr heraus strahlte. Das zarte Gefühl streichelnder Hände steigerten das Wohlbefinden des Mädchens und sie schloss kurz die Augen, wohin ging sie zurück? Wehendes Gras und ein sanfter Lufthauch, vor den Augen die langsam aufgehende Sonne, allein und doch hörte sie immer noch den Herzschlag. War das einer dieser wirren Träume, die Menschen manchmal hatten, wenn sie sich nach etwas sehnten, schnappte sie wohlmöglich total über wegen einer Überdosis Seraphim? Ja das war es wahrscheinlich, total bescheuert, sich von so was irritieren zu lassen. Mit einem Schlag riss sie die Augen auf, sich von dieser eigenartigen Welt los und war wieder im Zug. Nun gut die Blondine hatte ihn nie verlassen und trotzdem, war sie gerade weit weg gewesen. Hoffentlich hatte er gerade nichts von ihr gewollt, wenn dann war es an ihr vorbei gegangen, das würde sein Bild von ihr wohl schaden, ein weiterer schrecklicher Gedanke. Unterbewusst hielt Naomi sich mit ihren zarten Händen an seiner Jacke fest, während er sein Spiel trieb.

Nein, eigentlich hatte Cyrus überhaupt nicht das Format eines typischen James Bond-Bösewichts, dafür war er viel zu wenig auf Weltherrschaft aus. Sicherlich hatte er Spaß daran, wenn andere vor ihm kuschen mussten, am besten noch richtig widerwillig, aber sich ihrer niederen Position unter ihm bewusst und daher keine Wahl habend. Auch genoss er jeden Funken Respekt ebenso wie jedes Tröpfchen Neid, welches er von anderen erlangte, sodass jede Art von Emotionen ihn gegenüber eigentlich nur Wohlgefallen auslösen konnten, Liebe genauso wie Hass. Er wäre sicherlich auch genug von sich selbst überzeugt, um eine solche Rolle zu bekleiden, aber um ehrlich zu sein, war er viel zu bequem dafür. Seine Ziele waren eher weniger hochgestochen, sondern viel mehr auf persönlichen Komfort ausgerichtet. Der weißhaarige Dragonslayer war nun einmal sadistisch veranlagt, es machte ihm Spaß, Menschen ein wenig zu quälen, zudem es Balsam für seine Seele war, wenn ihm Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Davon einmal abgesehen, dass auch die meist unmittelbaren Folgen eines seiner Spiele nicht gerade unangenehm waren, natürlich. Den Blofeld samt Perserkatze konnte er dennoch nicht spielen, erstens sah er bedeutend besser auf (Pöh!), zweitens war er mehr so der kleinkriminelle Neutrale im Hintergrund, der Creep, der überall auftauchte und überall ein bisschen mitmischte, aber nur aufgrund seines eigenen Amüsements, nicht wegen einer höheren Berufung.
Sein Lächeln wurde eine Spur breiter, als Naomi offenbar brav mitzog. Immerhin hätte sie nun mit einer unbedachten Handlung alles ruinieren können, beispielsweise nicht verstehen können, dass er ihr mal eben die Rolle seiner Cousine zugeschoben hatte. Schwester ging ja nicht, dazu sahen sie sich zu wenig ähnlich, sie mit ihren blonden Haaren und den braunen Augen und er mit dem weißen Schopf und den amethystfarbenen Seelenspiegeln. Nein, sie sahen sich so gar nicht ähnlich, aber bei Cousins konnte das schon einmal vorkommen. Dass er damit die familiären Probleme Naomis für sie vielleicht schmerzhaft in den Vordergrund locken könnte, war ihm weder bewusst, noch hätte es ihn groß gekümmert, schließlich ging es hier um sein Amüsement, nicht um sie. Für ihn ging es generell nur selten um eine andere Person, zudem er sich mit Familienproblemen nicht wirklich auskannte. Er hatte seine Eltern schon in jungen Jahren gegen eine Drachin ausgetauscht bekommen, was man zwar als Glück im Unglück, aber auch als Ende jeglicher stabiler Familienverhältnisse sehen konnte. Er lebte allein und das würde wohl auch so bleiben, in einer festen Beziehung würde er wahrscheinlich jegliche Unfähigkeiten präsentieren, die er besaß. Echte menschliche Gefühle waren ihm ein wenig fremd, er konnte sie zwar gut schauspielern, aber wenn er sich wirklich verlieben würde, dann wäre er wohl verloren. Was ihn ein wenig verblüffte, war die Tatsache, dass es Naomi recht gut zu gefallen schien, sich an ihn zu schmiegen. Zwar war er gewöhnt, dass Menschen seine Nähe gerne suchten, vor allem jene des anderen Geschlechts, aber dass er einen ähnlichen Effekt auch auf dieses kindliche Wesen haben würde, hatte er nicht gedacht. Es war sicherlich irgendwie ganz putzig, wie sie sich an ihn klammerte, aber auch ein kleines bisschen verwirrend, weswegen er seine Konzentration gleich wieder auf die Frau richtete, deren Name ihm schon wieder entfallen war. War ja auch vollkommen irrelevant, da die beiden Magier demnächst eh aus dem Zug aussteigen mussten und es zu keinerlei Folgen kommen konnte, bei denen er ihren Namen zumindest kurzzeitig noch wissen sollte. Stattdessen starrte er noch ein bisschen weiter in ihre Richtung, wobei ihm nicht entging, dass so mancher neidische Blick ebenfalls auf ihr zu ruhen begann. Warum musste er sich denn auch nur mit dieser Glücklichen beschäftigen, wo doch noch so viele andere hübsche Wesen im Abteil nur darauf lauerten, mit ihm reden zu können. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie eine jugendlich wirkende Brünette fast gegenüber von ihm leicht auf ihrer Unterlippe herumkaute und die Arme verschränkte. Ob sie sich wohl einschalten würde oder traute sie sich einfach nicht? Er wartete, bis sich beinahe trotzig die Beine überschlug, ehe er sich von Misao abwandte, so als hätte sie mit einem Mal allen Reiz verloren und über Naomis Kopf hinweg zu der Neuen blickte. "Entschuldige bitte, wenn ich unhöflich erscheine, aber irgendetwas scheint dich zu bedrücken… ist alles in Ordnung?", fragte er mit aufrichtig besorgtem Blick, während er innerlich grinste. Natürlich wusste er, dass der Virus der Eifersucht höchst erregend war und dass er daran Schuld war, dass sie sich nicht wohl fühlte, aber das musste er ja noch nicht zeigen. "Kann ich dir irgendwie helfen?", wurde weiter hilfsbereit gespielt, während seine rechte Hand wie unwillkürlich die Linke Naomis suchte, sich darauf legte und mit dem Daumen beruhigend über ihren Handrücken streichelte. Richtig, für Cyrus war Körperkontakt über die Jahre zu etwas ziemlich normalem geworden, sodass er nicht unbedingt auf Abstand bestand, selbst von Herren nicht. Die meisten Exemplare dieses Geschlechts fanden das aber meistens nicht so lustig. Apropos… "Naomi-chan? Such mal nach einem Mann, der mich in etwa so anguckt, wie die ganzen Gänse hier~", flüsterte er in ihr Ohr und wandte sich dann wieder zu seinem nächsten Schritt im Plan um. Sollte sie keinen finden, dann würde er sich eben damit begnügen, ein paar weibliche Aggressionen aufeinander loszulassen, das war an sich auch schon ganz lustig. "Ne-Nein, alles in Ordnung.", bekam er übrigens als Antwort, gefolgt von einem halb zurückgehaltenen Lächeln, das zuerst nur ein wenig fröhlich, dann aber schon wieder genugtuend erschien. Immerhin hatte sie nun für die nächsten paar Minuten seine Aufmerksamkeit. "Sicher? Du wirkst so… angespannt.", lächelte er und ließ den Blick seiner violetten Augen deutlich über ihre etwas steif dasitzende Gestalt wandern. Zur Entspannung verhalf ihr das nun gerade nicht, viel eher setzte sie sich noch ein wenig gerader hin, wirkte aber nicht sauer deswegen… es schien ihr eher ein wenig peinlich zu sein. Wie Misao wohl darauf reagierte, dass sie nun auf einmal abgesetzt worden war? Empörte Blicke schossen zu der Anderen, die Cyrus ganz offenbar von ihr selbst abgelenkt hatte.

Ja Naomi hatte einiges verpasst, während sie abgedriftet war in eine Zeit, die lange hinter ihr lag. Aus irgendeinem Grund hatte sich ihr Begleiter einer anderen Frau zugewandt, die eben mit Eifersucht verfolgt hatte, wie er sich Misao gewidmet hatte. Das war es wahrscheinlich, worauf er aus war. Ein einfaches Prinzip. Erst der einen das Gefühl geben, er würde sich ihr alleine widmen und dann plötzlich zu einer anderen Frau wechseln und damit das Spiel von vorne aufrollen. Er wusste, wie er seine Reize so nutzte, dass sich die Menschen in seiner Umgebung sich von selbst zum Affen machten. Niemals würden sie wohl auch nur auf die Idee kommen, dass alles nur eine Show zu seiner Belustigung war. Irgendwie war es wohl gut, dass sie so früh mit ihm auf eine Quest gehen musste. Die Tatsache, dass sie später wahrscheinlich nicht auf solche Dinge hereinfallen musste, denn hier sah sie wahrscheinlich einem Meister zu und wer diesen durchschaute, musste vor Dilettanten keine Angst mehr haben. Sie gab zu, unter normalen Umständen hätte sie ihn nicht so deutlich durchschaut, wahrscheinlich wäre sie eben so versessen auf ihn gewesen wie alle anderen weiblichen Wesen in diesem Abteil. So durfte sie auf seinem Schoß sitzen und beobachten was er tat und wie es sich auf die anderen Reisenden auswirkte. Auch etwas, was sehr interessant sein konnte. Dann fühlte sie seine Hand über ihrer und sah ihn kurz an. Sanft streichelte er über ihren Handrücken, als würde sie die kleine Hand unter sich beschützen, allerdings war dies wohl auch trügerisch. Immerhin wusste man nie, was in dem Kopf dieses Mannes vorging. Dann bat er sie darum nach einem Mann zu suchen, welcher ihn auf diese Weise anschmachtete. Das sollte definitiv eine etwas schwierigere Aufgabe sein, aber sie nickte. Unterbewusst nahm sie seine Hand, während sie sich umsah. Die meisten Männer im Abteil waren eher genervt, weil er ihre Frauen abspenstig machte. Während ihr Blick durch die Sitze streifte, verzweifelte sie leicht, wo waren denn man die homosexuell angehauchten Männer, wenn man einmal welche brauchte. Eigentlich wollte sie gerade aufgeben, als sie einen blonden Mann entdeckte, der immer wieder verlegen zu ihnen hinüber sah. Sollte er genau der Mann sein, den sie gesucht hatte? Noch eine Weile beobachtete sie den Mann und ja doch er schmachtete Seraphim an, fast schon schlimmer als die Weiber. Vorsichtig lehnte sie sich zu ihm hinüber und flüsterte zart in sein Ohr: "Gegenüber ein Platz schräg hinter uns, der am Gang bettelt tierisch um den Segen deiner Aufmerksamkeit." Ob ihm dieser zusagen würde, war wohl egal, denn es diente nur zu seinem Spiel und da war er gerade total in seinem Element. Keine von diesen Damen konnte dem fast engelsgleichen Mann auch nur etwas Widerstand leisten. Fast als hätte man aus ihnen ein Kartenhaus gebaut, das den Wind abhalten sollte. Immer wieder rief sich Naomi ins Gedächtnis, dass sie froh war, nicht in dieser Situation zu sein, wie einer dieser willenlosen Zombies, die sich davon treiben ließen, was ihnen ihr Herz vorspielte. Wenn es zumindest echte Gefühle wären, aber sie waren nur Schall und Rauch, welche von der Oberflächlichkeit der Menschen her rührte. Wieder sah sie auf die Hand, welche sie immer noch in ihrer hielt oder umgekehrt. Genau konnte sie es nicht sagen, aber sie war warm. Sanft strich sie mit den Fingern daran entlang, scheinbar brauchten seine Finger eine Beschäftigung während er sprach. Es sollte sie nicht weiter stören, immerhin war es irgendwie schön festgehalten zu werden, wenn einem die Person, welche das tat nicht unangenehm war und das war er nicht. Während Naomi sanft ihre zarten Finger zwischen die seinen schob, fiel ihr etwas auf, er trug einen Ring an seinem Mittelfinger. Sonst waren es die Kleinigkeiten, die ihr zuerst auffielen, aber der Ring kam ihr jetzt erst vor die Augen. Er war sogar recht hübsch. Wahrscheinlich hütete das Ei alle wirklichen Empfindungen des Dragonslayers und flatterte mit seinen Flügeln davon, wenn er wieder seine Spiele trieb, damit ihn dabei niemand verletzen konnte. Es wäre unpraktisch dabei verletzt zu werden, wenn man dabei ist, andere zu verletzten. Vorsichtig zog sie die Hand auf Gesichtshöhe und strich mit der Rechten darüber. Die Haut war zart und der Ring passte irgendwie sehr gut zu ihm, fand sie.

Wirkliche Empfindungen? Was Naomi damit wohl meinen konnte? Vielleicht dachte sie ja im Geheimen an eine Art gute Seite des jungen Mannes, an eine Seele oder ähnliches. An das Gute im Menschen, das doch auch sicherlich irgendwo in Cyrus schlummern musste. Oder dachte sie vielleicht an seine Schwächen, an die Dinge, die er vor der Welt geheim hielt, weil sie, wenn getroffen, zu vernichtend für ihn wären? Auch für den jungen weißhaarigen Mann gab es Themen, denen er in einer direkten Konfrontation nicht gewachsen war. Um genau zu sein eines, welches ihn recht schnell auf die Bretter schicken würde, aber glücklicherweise würden Menschen nicht darauf kommen. Seine größte und beinahe einzige Schwäche, wenn es um charakterliche Festigkeit ging, war das Wesen, welches ihn einst vor dem Tod gerettet hatte. Grandine, die Drachin des Himmels. Wenn man einfach mal davon ausging, dass Cyrus zu lieben in der Lage war, dann liebte er sie, wie ein Sohn seine Mutter liebt, aber ebenso fürchtete er sie und ihren Groll. Eigentlich war sie eine der menschlicheren Drachen, sie half manchmal sogar, indem sie ihre Heilkräfte den Menschen zukommen ließ. Sie erwartete wahrscheinlich, dass Cyrus ebenso verfuhr - aber das tat er nicht, er behielt seine heilenden Kräfte so gut es ging unter Verschluss, damit er auch ja von keinen Kranken bedrängt wurde. Zudem hatte er einfach keine Lust, die Menschen zu heilen, die für ihn keinerlei Bedeutung hatten. Würde er sich ein bisschen mehr Mühe geben und interessiert daran arbeiten, seine Heilfähigkeiten zu maximieren, dann würde er eines schönen Tages wahrscheinlich sogar Querschnittsgelähmte und klinisch Tote heilen können, aber er tat es ja nicht... Und das gute daran war, dass man sich nicht genug mit seiner Magie auskannte, um wissen zu können, dass der Himmels Dragonslayer über solche Kräfte verfügte, mit Ausnahme der anderen Dragonslayer vielleicht. Erst bei seiner letzten Quest (Er wollte es lieber nicht so nennen, immerhin hatte sie aus graben bestanden (Nein, nicht dieser Art von graben!) und hatte einen nervigen Partner involviert) hatte der Donner Dragonslayer versucht, auf diese Art und Weise an seinem Inneren zu kratzen, war aber dennoch gescheitert. Was Naomi wohl gesagt hätte, wenn sie wüsste, dass es genau einen einzigen Magier in ganz Fiore gab, der irgendwann mal dazu in der Lage sein könnte, ihrem Ziehvater aus dem Rollstuhl zu helfen? Haha, aber sie wusste es ja nicht.
Naomi war froh, dass sie nicht in der Situation der anderen Fahrgäste ihres Geschlechts war? Nunja, wenn man nicht wusste, welches Spiel Cyrus trieb, dann konnte man einem tatsächlich nur Leid tun, aber es gab auch jene, die es wussten und trotzdem mitspielen wollten. Hier in diesem Abteil sicherlich nicht, aber er kannte einige Frauen, denen das relativ egal war. War man ihm gleich gesinnt, was den Sinn und Zweck dieser Spielchen anging, dann konnte das ganze auch einen gewissen Reiz haben, den das kleine Mädchen allerdings wohl noch nicht verstehen konnte. Wo sie aber wohl eindeutig recht hatte: Unwahrscheinlich, dass sie auf einen anderen Casanova hereinfallen würde. Cyrus interessierte sich nicht auf diese Art für sie, aber auch sie würde irgendwann älter werden... ob sie dann immer noch so resistent sein würde? Immerhin kündigte er seine Aktionen normalerweise nicht so an, wie er es gerade für sie tat. Dass sie an seiner Hand herumfuhrwerkte, interessierte ihn nicht, denn in diesem Moment verkündete eine Stimme aus dem Durchsagelautsprecher, dass in Myelis angekommen waren. Das war zwar nicht das Dorf, welches sie zur Erfüllung ihrer Quest aufsuchen mussten, aber Kylia war so ein kleines Kaff, dass es keinen eigenen Bahnhof hatte, sodass sie den restlichen Weg wohl oder übel würden laufen müssen. Mit einem "Aussteigen, Naomi-chan~" schubste er das Mädchen sanft von seinem Schoß und schenkte der schüchternen Person vor ihr ein breites, herzerwärmendes Lächeln, ehe er galant aufstand und sich zum gehen wandte. Der kürzeste Weg wäre nun sicherlich geradeaus und zur Tür heraus, aber Naomi hatte etwas von hinter ihnen gesagt... tatsächlich. Deswegen schlenderte er in die entgegengesetzte Richtung, da auf der anderen Seite ja auch noch ein Ausgang war. Statt aber direkt herauszugehen, blieb er plötzlich vor besagtem Blonden stehen und griff in einer flüssigen Bewegung nach dessen Kragen, um ihn ohne Widerstand zu dulden hochzuziehen. Einen Schreckmoment des Anderen später, dessen Gesichtsfarbe irgendwo zwischen knallrot und aschfahl schwankte, presste er seine Lippen auf die des Anderen. Man konnte förmlich spüren, wie hinter ihnen gleich mehrere Frauen nach Luft schnappten, schließlich verwickelte gerade der verführerische junge Mann, der ihnen wohl allen das Wasser hatte im... Mund zusammen laufen lassen, einen anderen Kerl in einen ziemlich leidenschaftlichen Zungenkuss. Der Blonde war irgendwie überrumpelt, zumindest viel zu verwirrt, um sich groß gegen den deutlich kräftigeren zur Wehr zu setzen, wahrscheinlich wollte er das nicht einmal. Und Cyrus grinste in den Kuss hinein, zog das Finale seiner kleinen Show noch näher an sich heran und streichelte ihm leicht über den Hinterkopf, ehe er sich von ihm löste, nur noch breiter und eindeutig verschlagen grinste. "Machs gut, Kleiner~" Mit einem Streicheln an seiner rechten Wange verabschiedete er sich und sprang schließlich aus dem Zug hinaus. Nyahaha... Menschen waren so leicht zu manipulieren...

Tbc: Kylia

Ob er registriert hatte, was sie gerade gesagt hatte? Kein Anzeichen dafür, kein Hinweis, nicht einmal eine Antwort. Nun gut, wieso auch, es wäre viel zu aufwendig gewesen und hätte ihn wahrscheinlich aus seinem Rhythmus gebracht, welchen er gerade verfolgte. Eine Durchsage kündigte den nächsten Bahnhof an, sie hatte den Namen nicht mitbekommen, aber da sie eh nicht wusste, wohin sie wollten, war es ja nicht so wichtig, wo sie gleich sein würden. Eigentlich wollte sie sich gerade wieder entspannen, als sie Seraphims Stimme vernahm. Er sagte etwas davon, dass sie aussteigen sollten. Das war also doch die Haltestelle gewesen, zu der es die beiden Magier gezogen hatte. Sanft gab er ihr einen Schubs, eigentlich hatte sie erwartet, dass er einfach aufstand und sie zu Boden stürzen ließ. Somit war der Schubs ihr recht herzlich willkommen. So rutschte sie gemütlich von seinem Schoß und streckte sich leicht. Das war doch eine recht gemütliche Fahrt geworden, besser als sie erwartet hatte. Inzwischen hatte sich auch ihr Begleiter wieder erhoben, statt aber zur Seite zu gehen, die näher dran gewesen wäre, nahm er die andere Richtung. War er wirklich noch darauf aus, irgendwas mit dem jungen Mann zu machen, den sie ihm gewiesen hatte? Nun gut, sollte man ihm noch die Spielzeit lassen und er hatte Angst gehabt, sie wäre ein nerviges, kleines, verspieltes Kind? Er spielte doch genau so gerne, zwar war sein Spiel ein anderes, aber das ließ sich sehr leicht verallgemeinern. Während sie die Show beobachtete, die er mit dem Kerl abzog, verfielen die Frauen wohl in irgendwas zwischen Tobsuchtsanfällen und Scheinohnmachten. Gut, es war sicher ein sehr anregendes Bild die Zwei so innig verbunden zu sehen, besonders, weil der Blonde in den Armen des Dragonslayers gerade zu dahinschmolz. Als er ihn wieder aus seinen Armen entließ, sank er auf seinem Sitz gleich eine Etage tiefer. Naomi schüttelte ungläubig den Kopf und folgte dem Weißschopf, der nun endlich Richtung Ausgang wanderte. Sie waren ihrem Ziel wieder ein Stück näher und wieder recht allein auf ihrem Weg, irgendwie wurde ihr deshalb unwohl, aber gut, es konnte sicher nicht wieder zurückschlagen zur Anfangssituation, oder?

Tbc: Kylia

Es war die sechste Nacht in Folge, die er keinen Schlaf fand, als er aus seinem täglichen Schlaf erwachte. Ein Meteoritenschauer war vorbeigezogen, es war wundervoll gewesen, die sogenannten „Sternschnuppen“ durch den Himmel ziehen zu sehen, doch es war auch enorn erschöpfend, und in seiner sechsten Nacht war er direkt auf einer der steinernen Drachenfiguren vor seiner Gilde eingeschlafen. Der Platz, auf dem das große Haupthaus von Blue Pegasus stand, war perfekt, um die Sterne zu beobachten, hier war die Luft so klar und man sah nur selten eine Wolke. Außerdem ließen sich hier kaum Lichter sehen in der Nacht, die Leute um das Gildenhaus schliefen wohl gerne früh oder blieben bis zum Morgen außer Haus. Der Standpunkt des großen Gebäudes war perfekt gewählt, bei dem Blick, den man hier hatte, dürfte man auf dem Vorplatz der Gilde einen anfliegenden Drachen sehen, bevor es irgendein anderer in der Stadt tat. Und in den Nächten war dies der perfekte Platz, um die Sterne zu beobachten, wesentlich besser als die steinernen Blumenkästen und die Bänke, die man nahe seines Hauses aufgestellt hatte. Auch wenn die einzige Sitzgelegenheit eine der Statuen waren auf der er gerade schlief. Freundlicherweise wurde er früh am nächsten Morgen von zwei kaum überraschten Gildenkollegen aufgenommen und auf eine ledern überzogene Bank innerhalb des Gebäudes getragen, wer wusste schon, wie lange er sonst dort gelegen hätte; oder eher gelehnt? Von dem warmen, wolkenfreien Tag, der Aktualisierung des Questboardes und dem Andrang darauf bekam er jedenfalls nicht das geringste mit, ebenso wenig von den plötzlichen Bewegungen des Tragens oder der auf die Bank springenden Natascha. Nein, er war völlig weggetreten, und er hatte oft genug bewiesen, dass ihn solche Kleinigkeiten nicht aufwecken konnten. Das war seine Fähigkeit, darauf war er stolz: Dass er immer und überall schlafen konnte. Natürlich hatte er auch andere Fähigkeiten und andere Dinge, auf die er stolz war… Doch das war etwas, das er gerade zur Schau stellte, daher war nichts anderes in diesem Moment erwähnenswert. Jawohl, immer, überall. Das erinnerte an eine große Party, auf der er gewesen war… mitten im Tanz mit einem wunderschönen Mädchen bei lauter Musik war er eingeschlafen, wobei sich seine Bewegungen genau so fortgesetzt hatten, wie sie es zuvor taten, und niemandem fiel es auf, bis er auch nach dem Enden der Musik als einziger noch auf der Tanzfläche blieb. Ein recht peinlicher Abend, doch zurück in die Gegenwart: Während neben ihm die altbekannte Eismagierin aufsetzte, schlief er unberührt weiter, seine Miene und Haltung vollzogen nicht die geringste Veränderung, und auch als sie sprach, ließ sich eine Reaktion nicht erkennen. Ihre Stimme drang an seine Ohren, aber keinen Schritt weiter, und entsprechend konnte er nicht reagieren. Erst, als man ihn schüttelte, erwachten seine Sinne langsam, doch während seine ehemalige Partnerin bereits sprach, war sein Bewusstsein noch nicht wieder auf Verarbeitung eingestellt. Wie so oft musste sein zweites Gedächtnis, Shi, ihm noch einmal vorkauen, was sie gesagt hatte – soweit hatten sich die beiden schon eingespielt, das klappte. Sie wollte ihn also auf eine Quest mitnehmen… In ein Museum, in dem es spuken sollte. Hatte ihn sein dunkleres Ich angelogen? … Nein. Auch wenn Shi es immer wieder schaffte, ihn auszutricksen, so konnte er ihn doch nicht anlügen. Mit ein und demselbsen Verstand ging das einfach nicht, es ging noch nie und würde auch niemals gehen. Also musste es stimmen, sie hatte tatsächlich von Spuk geredet. “Es gibt keine Geister, Natascha-san“, murrte er leise, und dann: “Lass mich schlafen, es ist spät.“ Dass es tatsächlich nicht spät in der Nacht, sondern später Vormittag war, das war ihm nicht klar, er war noch immer nicht richtig wach. Auf jeden Fall hatte er noch nicht vorgehabt, wieder auf eine Quest zu gehen, vorher wollte er sich lieber einmal richtig ausschlafen. Wenn sie wollte, dass er mitkam, würde sie wohl noch ein wenig Überzeugungsarbeit leisten müssen…

Da hatte sie sich wider etwas aufgeladen, diese Quest klang wirklich interessant und mit Emaru würde es bestimmt wieder super klappen, aber der Finsternismagier schien nicht gewillt zu sein sich von der Bank zu erheben. Überzeugungsarbeit war angesagt, was wusste sie über ihn? Sie dachte kurz darüber nach und ihr kamen sogar zwei Ideen, ob brilliant oder nicht musste sich noch herausstellen. “Weißt du Emaru, die Quest bringt wirklich viele Jewels ein, für uns beide und vielleicht kannst du dir auch etwas zurücklegen um bei deiner Familie auszuziehen.“ Nun ja, dies war nicht unbedingt ein Brüllerargument und Tascha konnte sich auch nicht mehr wirklich dran erinnern, ob er wirklich seine Familie verlassen und alleine Leben wollte. Aber dafür gab es ja noch Argument Nummer zwei. “Aber noch viel interessanter für dich sollte sein, dass man im Norden die Sterne wunderbar sehen kann, kaum Lichtquellen, die das Funkeln verdecken und auch kaum Hindernisse, die den Blick versperren. Und ach ja Emaru, es ist schon fast Mitag durch.“ Das musste ihn doch anlocken, der Finsternismagier wurde doch von Sternen förmlich angezogen und dass er dauernd so müde war lag bestimmt auch an seinen Sternbeobachtungen. Vielleicht wäre eine Karriere als Astronom besser für den Magier geeignet gewesen, aber sie kannte ja auch die Beweggründe des jungen Mannes nicht, die ihn dazu gebracht haben die Magie auszuüben. Und dass es schon lange nicht mehr dunkel war, sollte ihn auch wacher machen, hoffentlich. Musste sie etwa noch mehr Argumente aus dem Nichts erfinden? Wohl oder übel ja, das musste sie wohl, aber sie würde etwas anders vorgehen. “Kannst du mir wenigstens die Abfahrtszeit des Zuges nach Rekishi sagen, dann mache ich das eben ganz alleine, dabei hättest du im Zug schlafen können und die Sitze dort sind viel bequemer.“ jetzt musste sie auf den Finsternismagier warten, würde er sich erweichen lassen oder musste Tascha zu härteren Mitteln greifen? Sie könnte ja ihren neuen Zauber ausprobieren, außerhalb des Trainings hatte sie ihn noch nie eingesetzt, verlockend war es. Sie stellte sich bildlich vor, wie sie Emaru mit ihrem Enterhaken aus Eis zum Bahnhof zerrte und in den Zug schob. Ein leises Kichern drang aus ihrer Kehle, das Bild war zu witzig. Nun wie der Magier zum Zug kommen würde, lag nun ganz in seiner Hand, aber Tascha waren beide Möglichkeiten recht. Um sich die Zeit zu vertreiben und auch ein wenig den Hunger packte sie ein Sandwich aus ihrer Tasche aus, das sie sich zu Hause eingesteckt hatte. Schinken, Eier und Mayonnaise, lecker. Gleich beim ersten Bissen tropfte etwas von der Mayonnaise auf den Boden des Gildenhauses aber genau das brachte sie auf ihre letzte Idee, die es hoffentlich schaffen würde Emaru zu bewegen, sollte sie wirklich so fies sein und ihm drohen Mayo in die Haare zu schmieren? Lieber nicht, sie hatte ihn erlebt (unfreiwillig, aber das hatte gereicht) und was sie da erlebt hat reichte ihr, ihr würde es reichen ihn durch die Stadt zu zerren. Stattdessen verlaibte sie sich lieber den Rest des Sandwichs ein und blickte den Finsternismagier mit dem treuen Blick an, den auch Hunde benutzten, wenn sie um Futter bettelten, vielleicht klappte ja das, denn sonst gingen ihr die Ideen aus und alleine in ein dunkles Museum wollte sie nicht. Sie hätte auch einen der anderen Magier fragen können, doch die waren jetzt fast alle weg und haben sich leicht verspätet auf den weg gemacht. Nun ja, sie mochte Emaru auch wirklich, das kam wohl hinzu, und darum wollte sie wohl mit ihm auf diese Quest gehen. Ein weiteres Sandwich wurde von seiner Verpackung befreit, warum antwortete er nicht, schlief er schon wieder?

Tascha hatte offenbar wirklich Interesse daran, die Quest gerade mit ihm zu erledigen, nur war er derzeit absolut nicht in Stimmung, sich auch nur von dieser Bank zu erheben, geschweige denn in ein Museum irgendwo auf dem Kontinent zu fahren, das wie das Ziel ihrer letzten Quest sicher näher an irgendeiner anderen Gilde lag als an Blue Pegasus. Doch er war ja ein verständnisvoller Mensch, und wenn es ihr wichtig genug war, ihm gute und überzeugende Gründe zu nennen, dann würde er auch mitkommen. Sie begann auch sogleich damit, ihr erster Ansatz war gut, brachte ihn aber nicht einmal dazu, die Augen wieder zu öffnen. Zuerst einmal, hätte er so dringend aus seinem Heim ausziehen wollen, hätte er das längst gemacht, doch dafür würde er vorerst keinen Jewel verschwenden. Er verbrachte eh kaum Zeit dort, war meistens in der Gilde oder beobachtete Nachts Sterne, er schlief nur selten daheim und auch, wenn er an solchen Tagen immer etwas Hausarbeit erledigen musste, war das schon in Ordnung, wie es war. Auch wenn sein nerviger Zwillingsbruder ständig auf der Couch rumsaß und nie im Haushalt half, obwohl er wirklich immer dort lebte, jeden Tag und jede nacht, so wollte der Weißhaarige doch keinesfalls auf sein Niveau herabsinken. Noch weniger wollte er aber sein hart verdientes Geld für eine neue Unterkunft ausgeben, noch nicht. Abgesehen davon fiel es ihm schwer, zu glauben, dass ein Spuk in einem Museum so viel Geld hergeben würde, doch das würde man ja eventuell noch herausbekommen. Mit Sicherheit sogar, denn mit ihrem zweiten Argument hatte die Eismagierin ihn schon am Haken – am metaphorischen Haken, nicht an dem aus Eis. Beim Wort „Sterne“ öffnete der Zauberer sein rechtes Auge, um sich das Mädchen mit den silber glänzenden Haaren nochmal anzusehen. So drückte er aus, dass er ihr zuhörte, und konnte sie sich gleich nochmal ansehen. Wie auch beim letzten Mal trug sie den Schal, der ihr, wie er zugeben musste, ziemlich gut stand; allerdings sahen Schals bei Mädchen und jungen Frauen grundsätzlich ziemlich gut aus. Die Sterne überzeugten ihn schon ziemlich, auch wenn er das noch nicht sagte, da er noch einmal gähnen musste, bis er beide Augen aufriss. Was hatte sie gerade gesagt? Es war Mittag? Ein Blick auf die Uhr der Gilde bestätigte das, er hatte wohl länger geschlafen als gedacht. Als sie ihn nach der Abfahrtszeit des Zuges fragte, wandte er sich ihr wieder zu. “Der Zug nach Rekishi fährt um… in etwa einer Stunde, 13:10 Uhr“, gab er die Information preis und seufzte kurz. “Aber du musst nicht allein gehen… wenn es dir so wichtig ist, dann komme ich gern mit.“ Ja, er würde sie begleiten, ohne weitere Überzeugungsnotwendigkeiten. Und überrascht war er nicht, als er bemerkte, dass sie schon wieder ein Sandwich in sich reinstopfte, so kannte er sie, und diese Art war auch irgendwie niedlich. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab, während er darauf warte, dass sie fertig wurde, auch wenn es ihm missfiel, dass sie sein (!) Gildenhaus mit Mayonnaise beschmierte. Auf ihren Hundeblick erntete sie von ihm übrigens einen überrascht-entnerften sowie die Antwort: “Ich hab doch schon zugesagt! Guck mich nicht so an!“ Wahrscheinlich war sie zu sehr von ihrem Essen eingenommen gewesen, um ihn zu hören, der ständige Hunger war wirklich ein Problem an dem sie vielleicht mal etwas drehen sollte… Aber ihm war das derzeit egal, auch wen sie schon ihr nächstes Brot auspackte. Er lachte kurz auf. “Hehe. Das ist nicht erst dein zweites Brot, oder?“, fragte er belustigt, und dann fügte er noch hinzu: “Hast du vielleicht noch eins? Ich bin auch schon ganz schön hungrig…“ Seine Kleidung an diesem Tag war übrigens, obwohl etwas zerknittert, sehr viel ansprechender als die, die er bei ihrer letzten gemeinsamen Quest getragen hatte, wenn auch nicht ganz so edel wie die Anzüge der Kamagoshi. Auf jeden Fall griff er noch nach einer Serviette auf dem Tisch und wischte damit die Mayonnaise vom Boden; man konnte ja das wundervolle Drachengildenhaus nicht beschmutzt lassen, wie stillos wäre das gewesen. Und naja, stillos war einfach nicht sein Stil.

Hatte sie sich da eben nicht verhört, Emaru wollte mitkommen, schon schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Doch sofort wurde es getrübt, hatte er eben gesagt, dass er eines ihrer Brote wollte, ihre Brote waren ihr Heiligtum. Gut, ein Heiligtum, das sie verschlang wie nichts, aber immer noch ihr Heiligtum. Aber sie wollte mal nicht so sein, eines würde sie wohl verkraften können, dann musste sie sich eben später neue Brote kaufen. Schweren Herzens reichte sie Emaru eines der eingepackten Sandwichs und biss sich auf die Unterlippe, wenn er es nicht schnell aufaß würde sie es nicht mehr aushalten, das war einfach zu grausam, eines ihrer Sandwichs nicht in ihren Händen. Tascha kam es gar nicht in den Sinn, dass sie überreagieren könnte, für sie sah es nun einmal so aus, da änderte die Tatsache, dass es eigentlich nur schlichtes Weißbrot mit Belag war wenig. Um nicht weiter Zeuge dieser Grausamkeit zu werden stand Tascha auf und griff ihren Beutel, der noch an der Bar hing. Geschickt band sie den Beutel mit einem Band an ihrem Gürtel fest und bewegte sich wieder auf Emaru zu, das grausame Bild schien jetzt erträglicher, gerade weil des Sandwich nicht mehr in der Hand das Weißhaars war. Ob er es verputzt oder weggepackt hatte war egal, es war nun viel erträglicher, da es nicht mehr im Blickfeld der Magierin war. Jetzt war sie bereit loszugehen und sie hatten sogar genügend Zeit um noch das ein oder andere zu kaufen, Essen versteht sich. “Emaru, wir könnten dann losgehen, wenn wir früher am Bahnhof sind kann ich noch was essen, ich bin am Verhungern.“ Euphorisch griff Natascha die Hand des Finsternismagiers und zerrte ihn hinaus auf den Platz vor der Gilde. Kurz geblendet grinste Tascha in den Sonnenschein und begann zu kauen. Natürlich, sie aß wieder, ein weiteres Sandwich war schon längst aus ihrer Tasche verschwunden. Das Essen war ihre Leidenschaft und sie würde es immer und überall tun. Aprospos, sie tigerte schon weiter durch die Straßen Oshibanas, Emaru hinter sich her schleifend. Nun, eine direkte Linie war in ihren Bewegungen nicht zu sehen, doch wer genau auf die Stops achtet, die die junge Frau machte, der würde merken, dass es sich ausnahmslos um Lebensmittelstände handelte. Ganz ins Essen versunken schleifte sie den anderen Magier in immer neue Läden und probierte hier, kaufte dort, vermutlich störte es Emaru nicht, er konnte bestimmt schlafen, selbst das Bewegen wurde ihm ja abgenommen. Erst durch das Ertönen einer nahen Glocke brachte Tascha dazu sich zum Bahnhof zu bewegen, sie musste in zehn Minuten dort sein, gut, dass sie sich in ihrem Fressrauch der Station immer weiter genähert hatte und nur einige Straßen entlang gehen musste, Emaru immer an der Hand. Nun aber hurtig, denn die Uhr vor dem Bahnhof zeigte sieben Minuten nach eins an, schnell schleifte sie Emaru auf den Bahnsteig und suchte den richtigen Zug. “Kannst du dich um die Tickets kümmern Emaru? Ich such uns gute Plätze im Zug“ Gute Plätze waren für Tascha Plätze, die nahe am Bordrestaurant lagen, was sie für Emaru darstellten wusste sie zwar nicht, doch könnten es welche sein, auf denen man gut schlafen konnte. Nun, jedenfalls ließ sie den nun hoffentlich wachen Emaru alleine auf dem Bahnsteig und betrat den Zug. Der Duft von Essen aus dem Bordrestaurant drang jetzt schon zu Natascha, doch erst wollte sie sich Plätze sichern. Nahe des Restaurants befand sich ein leeres Viererabteil, das den Magiern genügend Platz bieten würde, dort nahm die junge Magierin Platz und blockierte die anderen Sitze mit ihrer Tasche und ihren Füßen. Im Zug war es recht still, es wollten wohl nicht viele Menschen in den Norden, ihnen war es zu kalt, gut dass Natascha der Eisalchemie-Magie fähig war, sie würde nicht frieren. Da niemand an dem Abteil vorbeigegangen war, vermutete sie, dass die Schritte, die im Gang erklangen dem Finsternismagier mit den Tickets gehörten. Doch falsch gedacht, als die Gestalt, oder besser Gestalten, es waren drei, in Sicht kamen, stellte es sich heraus, dass es recht abgerissen wirkende Männer waren, die etwa Mitte dreißig waren. Sie sahen aus, als sollten junge Frauen ihnen nicht alleine begegnen. Moment, sie war ja allein. Was sollte sie nur tun. „Hallo, schöne junge Dame, dürften wir uns zu dir setzen für diese Fahrt in den Norden? Sonst ist niemand im Zug und es kann recht einsam werden auf dieser langen Fahrt.“ Wieso mussten sie Tascha sogar ansprechen, warum konnte Emaru nicht einfach kommen? “Das ist wirklich nett von Ihnen, aber dies ist ein Viererabteil und ich erwarte noch einen Freund von mir, der nur gerade die Tickets holt." Hoffentlich ließen diese Kerle sie jetzt in Ruhe, sie wollte einfach nur los und diese Quest hinter sich bringen, dabei hatte es so verlockend geklungen, doch diese Kerle machten alles kaputt. Was sollte sie nur machen, sie war Gildenmagierin, schon, aber sie durfte Zivilisten nicht verletzen, egal wie widerlich diese auch waren. „Hör mal Püppchen, wir werden uns jetzt zu dir setzen, egal was du sagst, ich seh hier nämlich keinen Freund.“ Jetzt wäre der Moment, in dem Emaru auftauchen sollte und sagt, „Dann dreht euch um!“, aber das leben war eben kein Film oder Buch, das würde einfach nicht so kommen. Also was sollte Natascha nun tun?