Neon konnte es immer noch nicht fassen. Erin war ja so cool! Während eines coolen Satzes zog sie ihr Schwert und hielt es dem Mönch unter die Nasenspitze. Mit funkendeln großen Augen beobachtete er das Schauspiel und war hin und weg von diesem Mädchen. Sie schaffte es nicht nur seine ohnehin schon brillanten Schlussfolgerungen auch noch schaffte zu ergänzen. Nein, sie war nebenbei auch noch so unbeschreiblich lässig und toll. Wenn er doch auch nur so cool sein würde, dann würden ihn die Leute aus der Gilde vielleicht ernst nehmen? Sie schlug vor, dass die beiden Kameraden sich beide Seiten der Geschichte anhören und dass sie bevor sie ihr Urteil fällen sollten, erst einmal Miyu fragten, wie ihre Sicht der Dinge war. Neon hatte dem nichts auszusetzen und hätte sicherlich gleich dasselbe vorgeschlagen, da er ja der Kopf dieses Detektiv-Duos war.

Auf dem Weg zu dem Haus hatte Neon sich etwas vorgenommen: Er wollte trainieren genauso cool wie Erin zu werden. Und wie konnte man das besser lernen, als wenn man das Vorbild direkt vor sich hatte. Nachdem der kleine Junge sich vom Wegrand, der mit einem saftigen, grünen Wald begrenzt war, einen Ast, der ungefähr die Länge eines kleinen Schwertes hatte, genommen hatte, machte er sich an die Arbeit. Immer wieder blieb er stehen und ließ cool den Satz fallen: „Nerven Sie mich nicht...“, woraufhin er lässig mit seinem „Schwert“ ausholte und einem imaginären Bösewicht unter die Nase hielt. „Nerven Sie mich nicht...“ Wieder und wieder übte er es auf dem Weg, auch wenn er dabei den Tross andauernd anhielt. Mehrfach flog ihm bei seinem Move der Stock aus der Hand, woraufhin er diesen wieder suchen musste. Irgendwann wandte er sich dann schließlich an seine große Mitsreiterin: „Erin? Wie machst du das? Ich will auch so cool reagieren können! Hat das lange gedauert das einzustudieren? Wie teuer war das Schwert? Kann ich es mal halten?“ Und wieder einmal sprudelten die Fragen nur so aus dem kleinen Körper des Jungen heraus. Schon oft waren damit manche Leute überfordert und ignorierten ihn halb oder gar ganz. Eine unschöne Sache, die Neon oft traurig machte, auch wenn er sich kaum was daraus machte, wenn Leute ihn nicht mochten, so war er trotzdem immer wieder bestürzt, dass er so seinen Wissensdurst nicht stillen konnte. Neon wollte jedoch trotzdem das Schwert haben und würde, wenn notwendig, mehrmals danach fragen. Aber war das wirklich eine so gute Idee, wenn man einem Jungen, der kaum einen Stock festhalten konnte, ein scharfes Schwert gab?

Erin musste zugeben, dass Neon sehr einsichtig war, was ihre Vorschläge betraf, und mehr und mehr bekam sie das Gefühl, dass der kleine Junge sie als eigentlichen Boss der momentanen Quest akzeptierte. Das war ja auch gut so, denn vieles musste der Kleine noch lernen - da konnte er sich ruhig ein wenig von der schlanken Schwertkämpferin abschauen. Außerdem... löste Erin fast alles im Alleingang, mal abgesehen davon, dass Neon ein paar zuckersüße Äußerungen von sich gab, die der jungen Frau irgendwie ja doch geholfen hatten. Aber genug zu dem. Viel lieber wünschte sich Erin nach dieser kurzen Zeit schon, dass Neon sich an Erins Verhaltensweisen orientierte - natürlich nicht so abweisend, wie sie, denn er war ja doch sehr extrovertiert - viel mehr wäre es hilfreich, wenn er nicht zu stark abgelenkt würde, sodass sein Fokus nicht auf "obercoolen" Sachen lag, sondern auf logischen Gedankengängen. Mit einem Seufzer drehte sich Erin zu Neon um und beobachtete, wie der Knirps, den sie sofort in ihr Herz geschlossen hatte, mit einem Stock herumfuchtelte und offensichtlich Erin nachahmen wollte und sie dabei sogar zitierte.
Fast konnte man meinen, dass Erin nun doch endlich genervt sein würde, immerhin verwandelte sich der von Neon zitierte Satz "Nerven Sie mich nicht..." in ihrem Kopf in ein "Nerv mich nicht...", sogar den Griff ihres Schwertes umfasste sie fester und gerade, als Neon anfing zu quasseln, wirbelte Erin von zu viel Nähe erdrückt herum und... schmolz dahin. Neon war... Neon war einfach... so süß!
Natürlich ließ Erin sich das nicht anmerken, zumal sie sich zusammenriss, um einen strengen Blick abzuliefern, aber nach ein paar ernsten Worten, würde sie Neon auf jeden Fall ihr Schwert in die Hände drücken - natürlich unter Aufsicht. So, wie er gerade den Stock durch die Gegend geschleudert hatte, war es viel zu gefährlich, ihn mit dem Schwert allein zu lassen. Aber trotzdem mimte Erin erst einmal die Strenge, auch wenn sie innerlich bereits nachgegeben hatte.
"Also, Neon... Das ist kein Spielzeug. Ein Katana ist sehr scharf und wenn man damit umgehen möchte, muss man sehr hart trainieren", erklärte die schlanke Magierin zwar mit einem harten Gesichtsausdruck, aber dennoch wohlwollend. Jedes andere interessierte Kind hätte sie möglicherweise als nervige Göre abgestempelt, aber Neon war ihr einfach zu niedlich. Die Schwarzhaarige konnte dem Jungen seinen Wunsch nicht abschlagen. Erin überlegte einige Augenblicke fieberhaft, ob sie dem Jungen ihr Katana nun n die Hand drücken sollte oder nicht, merkte dabei auch nicht, was genau um sie geschah. Ob Neon bettelte oder beleidigt war, merkte sie somit auch nicht. "Aber nur weil es gefährlich ist, heißt es ja nicht, dass du es nicht halten darfst. Die Katana heißt übrigens 'Schwarze Perle'..." Und damit ging Erin neben Neon etwas in die Kniebeuge, um ihm das Katana samt Scheide in die Hand zudrücken. Allerdings überließ sie Neon das Schwert nicht komplett, da sie ihre Gliedmaßen alle noch behalten wollte. Also hielt sie Neons Hand umschlossen, welche den Griff hielt, bedeutete ihm die Scheide gut festzuhalten und den anderen Arm locker zu lassen, sodass die ausgebildete Schwertkämpferin das Katana schwungvoll herausziehen konnte und Neon vielleicht ein wenig den Eindruck vermitteln konnte, wie sie vorhin bei Mönch Kazuya die Klinge gezogen hatte.
Mit ihrer freien Hand klopfte sie auf Neons Schulter, nachdem das Katana wie im Kloster einige Momente in der Luft verharrt war, nahm dem Jungen die Waffe sanft wieder aus der Hand und blickte ihn vielsagend an. "Und so funktioniert da, alles verstanden? Man muss aber wirklich sehr lange üben, bis man so einen relativ einfachen Hieb einwandfrei beherrscht. Man fängt natürlich auch nicht direkt mit einem echten Schwert an, sondern übt mit Holzschwertern. Die sind viel ausbalancierter als Stöcker und viel ungefährlicher als echte Schwerter, versteht sich. Aber jetzt müssen wir weiter, die Quest wartetet noch auf uns."
Nach diesen letzten Worten wandte sich Erin ab, hielt sich selbst davon ab, Neon wieder an der Hand zu fassen, denn sie konnte ja nicht immer nett zu ihm sein. Ein strenge Erziehung musste her...

Als die beiden Magier zurück bei Tante Miyu waren, öffnete ihnen die alte Dame aufgeregt die Tür, während sie ihre Brille mit den dicken Gläsern zurecht rückte. "Na, habt ihr meine Flöte gefunden?", fragte sie hoffnungsvoll, doch bevor Erin ihre Antwort gab, bedeutete sie Miyu sie hereinzulassen. Wieder im Wohnbereich angekommen rümpfte die Schwertkämpferin plötzlich die Nase, hatte es vorher tatsächlich derart nach Weihrauch gestunken? Warum stank es in der Wohnung einer alten Frau so derbe danach?
Erin blickte Miyu ohne Skepsis an, jene hatte ihre Hände im Schoss gefaltet nud wartete nahezu ungeduldig. "Also... Miyu-san...", begann Erin zweifelhaft, nach Worten ringend. Wie konnte sie es der alten Frau sagen, ohne einen Herzanfall bei ihr auszulösen?
Hilfe suchend blickte sich die junge Frau um, ihr Blick fiel dabei auf einige Schränke hinter dem Sessel, auf dem Miyu saß und plötzlich fühlte sich plötzlich durstig. "Könnte ich bitte ein Glas Wasser haben, wenn es Ihnen nichts ausmacht?", fragte Erin und räusperte sich demonstrativ, bevor Miyu überrascht die Augenbrauen hochziehen und auf Gläsersuche gehen konnte. Misstrauisch beäugte Erin die alte Dame nun, wie sie tatsächlich ein Wasserglas suchte. Sie suchte in ihrem eigenen Haus?
"Entschuldigt bitte, ich habe erst kürzlich umgeräumt..." Erins Miene änderte sich nicht. Vielleicht stimmte es ja doch und Miyu hatte erst kürzlich die Schränke umgeräumt. "Kein Problem, Miyu-san. Im Übrigen haben wir im Kloster erfahren, dass Sie die Flöte zuerst gestohlen haben sollen. Wir halten das natürlich für totalen Humbug.", beschwichtigte die Schwertkämpferin die Auftraggeberin, während sie über den Griff ihres Katana strich. Mit einem Blick zu Neon bedeutete sie diesem, dass er ja nichts Falsches sagen solle, ehe sie sich wieder an Miyu wandte. "Wie können Sie sich diesen Vorwurf erklären?" Mit dieser Frage wurde Miyu allmählich nervös, doch Erin wechselte das Thema, um sich im Haus umschauen zu können. "Darf ich vielleicht Ihre Toilette benutzen, Miyu-san?" Nach einer kurzen Wegbeschreibung, nahm die junge Frau die vorgetäuschte Reise zur Toilette auf sich, nachdem sie Neon zugeflüstert hatte, dass er die Stellung halten sollte, weil er das sicher gut konnte. In Wirklichkeit schnüffelte sich Erin im wahrsten Sinne des Wortes durch das Haus, bis sie - angelockt vom immer stärker werdenden Geruch von Weihrauch - vor der Kellertür stehen blieb und diese vorsichtig öffnete. Kaum war die Tür geöffnet, schon schlug ihr der Gestank des Weihrauches förmlich entgegen, sich die Nase mit den Fingern zuhaltend schlich Erin aufgeregt die Treppe hinunter. Was sie dort unten sah, verschlug ihr nicht nur den Atem, sondern auch die Sprache. Der Keller war die reinste Hexenküche, mit allem drum und dran! Entfernt ähnelte es dem Labor eines Alchimisten, mit vielen Glasgefäßen, aus denen aus nur so dampfte und verschieden farbige Flüssigkeiten enthalten waren. Dutzende Bücher über Magie stapelten sich auf Regalen und Tischen, selbst eingelegte Frösche und Augen, deren Herkunft Erin lieber nicht wissen wollte, waren neben einem Schädelknochen eines Menschen auf den staubigen Regalen verewigt worden. Inständig hoffte die Schwertkämpferin, dass der Schädelknochen unecht war, während sie sich angewidert umsah. Miyu war eine Hexe?!
Alarmiert wirbelte Erin auf enmal herum, als sie irgendwo aus der Ecke ein Stöhnen vernahm. Angespannt schlich Erin in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war und entdeckte eine Person, die auf dem Boden hockte und unartikulierte Geräusche von sich gab. Je näher die schlanke Frau zum dem Häufchen Elend kam, desto mehr konnte sie erkennen, dass es sich um eine gefesselte und geknebelte alte Frau handelte, die Miyu nicht ganz unähnlich war. Schockiert über ihren Fund hockte sie sich neben Miyus Ebenbild und nahm ihr geschickt das Tuch um ihren Mund ab. Erschrocken keuchte die alte Dame, als sie Erin mit großen Augen anstarrte. "Ach du meine Güte... Ich dachte Sie wären dieser Kerl...", stammelte sie erleichtert. "Endlich ist jemand da, um mich zu retten...", freute sich die Alte, doch Erin schnitt ihr das Wort ab, bevor sie sich daran machte auch die Fesseln zu lösen. "Einen Moment, bitte... Sie sind also Miyu? Dann ist das also ein Doppelgänger da oben, ein Mann, ja?", zischte Erin angespannt, während sie der alten Dame beim Aufstehen half und sie stützte. "Aber ja doch mein Kind... Er hat mich seit Tagen hier im Keller gefangen gehalten und hat sich als mich ausgegeben, ich weiß nicht, warum...", erklärte die echte Miyu. nach diesen Worten schrillten bei der Schwertkämpferin noch mehr die Alarmglocken, als sich ihr Kopf plötzlich zur Kellertreppe drehte. Der Typ da oben war ein Fake, ein Transformationsmagier wahrscheinlich. Und Neon war mit ihm allein dort. Wütend biss sich Erin auf die Unterlippe, während sie einen kurzen Augenblick überlegte, was sie tun konnte.

Er durfte! Neon durfte tatsächlich das Superkatana seines großen Vorbilds halten. Als sie es ihm reichte, dennoch ihre Hände dranließ, aber er verstand es, er gab auch nicht gerne irgendwelche Sachen her, starrte er es voller Ehrfurcht an. Ein richtiges Schwert! Sie zog es einen Moment aus der Scheide, wobei sie ihm wieder festhielt und ihm zeigte, wie sie den Move machte, den sie vorhin beim Mönch Kazuya vollführt hatte. Sie war ja so unglaublich cool! Eines machte ihn allerdings stutzig, sie schien sehr gern seine Hand zu halten und das obwohl sie sich noch gar nicht lange kannten. Lag das daran, dass sie ihn schon so sehr mochte, sogar mehr als nur Sympathie verspürte? Etwas Röte zeigte sich auf seinen Wangen, bis er sich innerlich mit seiner Hand gegen die Stirn schlug. Natürlich! Die Handcreme, die er gekauft hatte! Seitdem er diese benutzte war die Haut seiner Hände so unglaublich zart und weich, dass es wahrscheinlich auch für Erin ein siebter Himmel war, diese zu halten. Jedoch steckte sie das Schwert schnell wieder weg und erklärte ihm noch flink, wie man diese Fähigkeiten erlangen konnte, was scheinbar aber eine große Arbeit war. Gespannt folgte er ihren Worten, während das ungleiche Paar weiterhin den Weg zu Miyus Hütte am Stadtrand folgte. Neon bemerkte dabei nicht einmal, dass sie dieses Mal nicht seine Hand ergriff und so blieb seine Theorie weiterhin bombensicher.

Miyus Haus stand komischerweise immer noch am gleichen Ort und so hatten sie fantastischerweise keinerlei Schwierigkeiten dieses zu finden und wurden auch eilig begrüßt. Leider hatte das Duo die Flöte gefunden, hatten diese allerdings nicht wieder mitgenommen. Höflich bat die alte Dame ihnen einen Platz an und Erin fiel sofort mit der Tür ins Haus. Nachdem sie die alte Dame nach einem Glas Wasser gefragt hatte, wobei diese sich scheinbar gar nicht auskannte und dieses nicht fand. Wie ungeschickt Erin doch war, hatte sie denn nichts von Neons grandiosen Detektivfähigkeiten gelernt? Man musste behutsam an diese Sachen herangehen, wie er es vorgemacht hatte und Kazuya in die Enge getrieben hatte. Er schüttelte kurz den Kopf und bekam dadurch auch Erins Zeichen nicht mit, aber da sie sowieso schon alles gesagt hatte, hatte sie ja das ganze Pulver verschossen und somit war es selbst für einen Neon schwer, die Kohlen noch aus dem Feuer zu holen. Doch noch bevor sie etwas sagen konnte, musste Erin auf Klo und verschwand auch nach einer kurzen Zeit und ließ ihn in der Weihrauchhölle alleine. Er mochte diesen Geruch nicht und hasste es, dass sie schon wieder hier sein mussten, da sie den Täter doch schon gefasst hatten. Als dann auch noch sein Mund begann trocken zu werden, schlug es dem Fass ja geradezu den Boden aus! Miyu hatte ein besonders breites Grinsen aufgesetzt, als sie Neon allein dort sitzen sah. Sie war einfach eine nette, alte Dame, wie sie dort mit ihrem dicken Grinsen stand und nach etwas kramte. Natürlich wusste jeder, dass es nun zu einem Kampf kommen würde, doch Neon interpretierte dies natürlich als wohlwollendes Lächeln. Sie war so putzig und würde sich sicherlich freuen, dass sie ihre Flöte gefunden hatten, denn sie konnte es ja schlecht gewesen sein, da sie nur eine alte Frau war. „Ich war so dicht dran... Ich wollte es friedlich lösen...“ Aber was redete sie denn da? Alles war in Butter, ihr war doch nichts geschehen. „Aber, aber, Miyu, es ist doch alles in bester Ordnung. Wir haben ihre Flöte doch gefunden. Aber darf ich einen Bonbon haben?“ Sie drehte sich um und schaute ihn misstrauisch an. Hinter ihrem Rücken hatte sie ein Messer gegriffen und machte sich bereit den Jungen anzugreifen. „Was? Ein Bonbon? Ich habe keine Bonbons.“ Sie wusste natürlich nicht, wo hier welche waren, aber auch Neon wusste nicht, dass Erin gerade die echte Miyu im Kellerverließ fand und die Frau vor ihm eine Schwindlerin war. „Ich möchte bitte einen Bonbon!“ Wieder runzelte die „Miyu“ die Stirn und sah ihn an, als wäre er ein Verrückter. „Nein, mein Junge, aber ich habe etwas viel besseres hier für dich.“ Wieder kein Bonbon. Sie wusste sicherlich, dass diese Zuckerbomben ungesund waren und wollte deswegen keinen herausrücken. Aber Neon machte genug körperliche Aktivitäten, damit er keinerlei Gedanken an so etwas verschwenden musste. „Aber ich will einen Bonbon!“ Mittlerweile war Neon ein wenig eingeschnappt. Sie hatte sicherlich welche und verheimlichte diese nur vor ihm. „Kind, ich sagte doch nei...“ Weiter hörte sie Neon nicht, da er schon wieder einen seiner Tagträume hatte. Manchmal waren sie zwar lästig, aber er mochte es, auf diesem Zuckerberg zu stehen - Neon nannte ihn Mark. Um ihn herum waren kleine Bäume aus Fruchtgummi und Säulen aus Schokolade in einer Spirale von weißer und Vollmilchschokolade. Der Fluss direkt vor seiner Nase floss in flüssigem Karamell und Neon wollte direkt hineinspringen, doch entschloss sich dazu dieses Land der Träume noch zu erkunden.

Im Wohnzimmer von Miyu hingegen war jedoch kein so tolles Paradies, als Neons Körper die Kontrolle verlor und sich Neons Augen und Mund veränderte. Die Schwärze, die diese beiden Körperteile nun an den Tag legten, war sicherlich auch Miyu aufgefallen, da diese auf einmal Angst in ihrem Gesicht trug. Dieses leere Grinsen schien ihr wirklich nicht zu gefallen, da sie ihr Messer vor den Körper richtete, als Neon sich langsam erhob. „Anchu will... Bonbon!“ Die Frau verstand offensichtlich nicht, dass es nur einen Ausweg gab: Entweder sie rückte sofort einen Bonbon heraus, oder steckte in enormen Schwierigkeiten. Nachdem sich Mana in ihrer Hand gesammelt hatte, wuchsen ihr in beiden zarten Händchen Krallen der Finsternis, als Anchu ihre Magie in eine feste Form brachte. „Was bist du?!“, brüllte der Schwindler, als sie auf ihn zugesprungen kam. „Anchu ist Anchu!“ Mit Kraft des Dragonslayer zog sie die Krallen einmal quer über den Torso des Miyuschwindlers, die daraufhin mit zerfetzter Bluse zurückwich. Doch anstatt einer alten Frauenbrust, erschien nur eine flache Männerbrust, die wohl zu dem Unhold gehörte, der sich hier als Miyu ausgab. Doch scheinbar hatte er sonst nicht sonderlich viel drauf, da er darauf angewiesen war, mit dem Messer zu kämpfen. Nachdem er wieder die Finsternismagie in seiner Hand sammelte machte er sich bereit zu einer Darkness Dragon's Fist! Diese wurde kurz unterbrochen, als der Mann ausholte und mit dem Messer angriff. Wie lächerlich er doch in seinen Frauenkleidern aussah und diese nicht einmal komplett ausfüllte. Der Angriff verfehlte nur knapp, da sie sich duckte und so dem Angriff entkam und nur ein paar Haarspitzen ihr jähes Ende fanden. Nun war es jedoch an Anchu, diesem Taugenichts zu zeigen, wo der Frosch die locken hatte und so gab sie ihm aus dem Konter einen herrlichen Schlag direkt an den Kopf, woraufhin dieser zusammensackte und regungslos vor ihr liegen blieb. In der ganzen Aufregung hatte sie nicht einmal bemerkt, dass sie die ganze Zeit beobachtet wurde und Erin ebenfalls im Raum stand. Das leere, schwarze Grinsen neigte sich nun Erin zu und mit langsamen Schritten, wobei sie bei jedem Schritt nach links oder rechts wippte und so einer absurden Puppe glich, lief sie in Zeitlupe auf Erin zu. „Erin ist gut zu Neon, Anchu mag Erin.“ Dann legte sie noch einmal den Kopf besonders schief und verstummte dann. Ihre Zeit war dank der Regeln abgelaufen, denn sie hatte den Unhold überwältigt, der Neon die Wünsche abgeschlagen hatte. Blitzartig war Neon wieder normal und stand nun Erin gegenüber. Wieso er allerdings so außer Puste war, konnte er sich nicht erklären, ebenso wenig wie den Fakt, dass ein Mann bewusstlos auf dem Boden lag. Aber halt, dort waren Schnittwunden auf der Brust zu sehen, also war das sicherlich Erins Verdienst. „Oooh, du hast ihn umgehauen? Und ich konnte nicht einmal sehen, wie du ihn besiegt hast. Wer ist das überhaupt? Ist das der Bösewicht? Und wo ist überhaupt Miyu hin?“ Neon sah sie fragend an, doch warum schaute sie so komisch?

Kaum waren die Gedanken wie Blitze durch Erins Gehirn gesaust, schon setzte sie die alte Dame, welche sie noch immer stützte, mit den Worten, dass sie gleich wieder da wäre, ab, schnappte sich ihr Katana und rannte geschwind zur Treppe, wo sie immer zwei Stufen auf einmal nahm, damit sie schneller im Erdgeschoss ankommen würde. Ihr Blut rauschte der Schwertkämpferin bereits in den Ohren, wenn sie daran dachte, dass sie ihrem Kollegen in der offensichtlichen Notsituation nicht helfen konnte - an den Schreien des Mannes konnte sie sich denken, dass irgendetwas nicht stimmte. Da Rumoren war ein weiteres Indiz dafür.
Schlitternd kam Erin im Flur vor der offenen Wohnzimmertür zum Stehen, wo sie sich am Türrahmen abstützte - ihr Katana in ihrer anderen Hand festumschlossen. Was sie dort sah, verschlug Erin - genauso wie der Weihrauch - den Atem. Neon hatte den Schummler tatsächlich überführt!
Mit aufgerissenen Augen sah Erin mit an, wie Neon gegen den offensichtlichen Transformationsmagier kämpfte, welcher gerade dabei war ein Messer zu zücken und den kleinen Burschen damit aufzuschlitzen versuchte. Instinktiv griff Erin zu ihrem Katana, verharrte jedoch, als ihr Blick auf Neon fiel. Sein Gesicht war zu einer grinsenden Fratze verzerrt, wobei es - genauso wie seine Faust, mit der er dem echten Dieb eins überbriet - mit schwarzem wabernden Nebel verziert war. Schockiert japste Erin nach Luft und machte einen wackeligen Schritt nach hinten - Neon ließ sie dabei nicht aus den Augen. Was war nur mit dem kleinen, liebenswerten Bengel geschehen?
Mit aufgerissenen Augen sah Erin abwechselnd zu dem vor Schmerz stöhnenden Mann auf dem Boden und Neon, der mittlerweile die Schwertkämpferin entdeckt hatte und wie ein Kleinkind auf sie zuging, das gerade eben das Laufen gelernt hatte. Sein abscheulich-finsteres Grinsen kam immer näher, Erin versuchte diesem zu entgehen, indem sie immer weiter nach hinten taumelte, doch irgendwann spürte Erin die Wand hinter sich, wo sie nur noch starr vor Schreck stehen blieb. „Erin ist gut zu Neon, Anchu mag Erin.“, sagte Neon, aber die Worte ergaben momentan keinen Sinn für die junge Frau, da ihr Verstand immer noch damit beschäftigt war, abzuwägen, ob sie den kleinen Jungen vor sich angriff, oder sie einfach die Flucht ergriff. Was zur Hölle sollte Anchu sein?!
Plötzlich verschwand der dunkle Schatten von Neons Gesicht und ziemlich außer Atem stand er nun wieder wie ein unschuldiges Lämmchen vor ihr. Eine Weile des Hin- und Herschauens, sagte er endlich etwas. „Oooh, du hast ihn umgehauen? Und ich konnte nicht einmal sehen, wie du ihn besiegt hast. Wer ist das überhaupt? Ist das der Bösewicht? Und wo ist überhaupt Miyu hin?“
Mit großen Augen starrte Erin ihn immer noch an, dann haspelte sie ein paar mal herum, bevor sie eine Antwort von sich gab. "Du.. Du hast ihn soeben fertig gemacht, Neon, weißt du das denn nicht mehr?!" Froh darüber ihren jungen Kollegen wieder da zu haben, zwengte sie sich an ihm vorbei, um die Vitalfunktionen des Transformationsmagiers zu überprüfen. Angespannt kniete sich die Schwertkämpferin neben den mittlerweile bewusstlosen Mann - er lebte noch. Glücklicherweise.
Ein prüfender Blick zu Neon, dass er ja auch nicht wieder rückfällig wurde, und einer zu der Tante Miyu, die hinter ihm in der Wohnzimmertür stand. Diese rückte ihre Brille zurecht, während sie das Wohnzimmer begutachtete. Nichts war kaputt gegangen, lediglich waren der Tisch und die Couch zur Seite gerückt worden, ohne Schaden davonzutragen.
"Ach du meine Güte", meinte Miyu ungläubig. "Ich hätte nicht gedacht, dass du den Mistkerl so schnell dingfest machst, Liebes. Dankesehr. Wie heißt du eigentlich?" Damit beugte sich die Alte zu Neon herunter, tätschelte ihm den Kopf und richtete das Wort an ihn, ohne sich Erins Antwort ("Ich hab den Kerl nicht dingfest gemacht! Das war Neon!") anzuhören. "Und wer bist du, Kleines? Möchtest du vielleicht ein Bonbon? Komm, wir gehen in die Küche, während deine große Schwester sich um den verflixten Kerl kümmert. Ich bin übrigens die echte Tante Miyu."
Kaum hatte Miyu zu Ende gesprochen, schon hatte sie Neon an der Hand gefasst und ihn weggeführt. Während die beiden sich entfernten, hörte Erin ihre Stimmen, während diese immer leiser wurden, bis sie nicht mehr zu hören waren. "Also, ich habe leider nur Malzbonbons da, dafür sind sie aber mit viel Liebe gemacht. Nun, erzähl mir doch mal, was ein kleines Mädchen, wie du, hier sucht... Das hier war doch gefährlich!" Der letzte Satz hatte einen vorwurfsvollen Unterton und Erin wusste, dass er ihr galt.
Seufzend beugte sich Erin wieder zu dem ausgeknockten Dieb, den sie mittlerweile soweit verarztet hatte, dass er außer Lebensgefahr war. Ja, erste Hilfe für einen Straftäter...
"Neon?", rief Erin nach dem Jungen, der scheinbar immer noch bei Miyu in der Küche stand und laut des Gelächters Spaß hatte, als keine Antwort von ihm kam, stand sie auf und sah in der Küche nach den beiden. "Miyu-san, unsere Arbeit hier ist erledigt. Ich bin übrigens Erin, als Neon mich Ihnen noch nicht vorgestellt haben sollte. Die Bürgerwehr wird ihn abholen und auf die Krankenstation des örtlichen Gefängnisses bringen. Wir sagen Ihrem Nachbarn Bescheid, dass er sich vielleicht um die folgenden Angelegenheiten kümmert"
Miyus Gesicht leuchtete. "Vielen, vielen Dank, Erin. Nimm doch wenigstens ein Stück Kuchen, ihr geht doch noch nicht sofort, oder?" Erin seufzte. "Doch, wir müssen leider gehen und den Bericht abliefern, Miyu-san. Auf Wiedersehen. Die Möbel in Ihrem Wohnzimmer habe ich ebenfalls wieder zurecht gerückt."
Es dauerte nicht lange, da war Masato bereits herbestellt, um der örtlichen Bürgerwehr Bescheid zu geben, wobei seine Frau bei Miyu blieb und mit ihr auf den Dieb aufpasste. Erin und Neon hatten von der dankbaren Miyu noch ein Paket mit allerlei Süßigkeiten bekommen, sodass sie gemütlich zurück zum Bahnhof gehen und die Heimreise antreten konnten. Während der Zugreise beäugte Erin ihren Mitstreiter immer wieder, was war bloß mit ihm los gewesen? Was genau war Anchu? Oder wer? Aber das wichtigste Rätsel war wohl die Magie, die der Kleine ausübte. War es vielleicht Transformationsmagie? Sein Gesicht hatte sich verändert... Immer wieder ertappte sich die Schwertkämpferin dabei, dass sie Neon unbewusst anstarrte und schalt sich selbst, um es sein zu lassen, Trotz der Aktion in Miyus Haus mochte sie den Jungen, aber der Gedanke an das Geschehene erfüllte sie mit Zweifel.
Zurück in Hosenka Town erstatte Erin Bericht und es sollte auch nicht lange dauern, bis die beiden Magier getrennte Wege gehen konnten.

Erin machte sich gerade einen Spaß mit ihm, da sie ernsthaft der Meinung war, dass Neon für diese Sachen zuständig war. Neon konnte zwar ein wenig Magie, die er von seinem Papa gelernt hatte, aber er hatte doch gar keine eingesetzt, weil er ja kurz eingeschlafen war und danach schlafgewandelt war. Ihr geschockter Blick erklärte sich ihm immer noch nicht, aber dies war sicherlich als gespieltes Element für ihren Versuch gedacht, Neon an der Nase herumzuführen. Doch Neon war nicht umsonst der Löser dieses Falls gewesen, auch wenn er zugeben musste, dass Erin einen gewissen Anteil daran hatte, um so einfach darauf hereinzufallen. Er wusste, dass sie den Kampf allein gewonnen hatte, sie hatte ihm ja auch demonstriert, dass sie dazu durchaus in der Lage war. Liebevoll tätschelte Neon ihr Händchen. „Keine Sorge, Erin, ich weiß, dass du es warst, du warst auch sehr gut auf dieser Quest. Ich habe doch geschlafen!“ Doch etwas lenkte ihn sofort ab, als Miyu hereintrat und die beiden direkt dafür lobte, dass sie den Mann so schnell dingfest machten. Natürlich erntete Erin dafür das Lob, denn sie war es nun einmal, die die Stärke besaß einen solchen Halunken sofort zur Strecke zu bringen. Doch als die echte Miyu ihm Bonbons in greifbare Nähre rückte, vergaß er blitzschnell alles andere um ihn herum und folgte ihr fröhlich in die Küche, wo sie seiner Euphorie allerdings einen Dämpfer gab. Malzbonbons? Wirklich?! Neon freute sich ja wirklich über viele Sachen, aber Malzbonbons waren Dinge, die seine Lieblingssüßigkeiten absolut in den Schmutz zogen. „Was macht ihr eigentlich hier bei mir? Ich meine, ich bin euch sehr dankbar, dass ihr mich gerettet habt, aber wie kamt ihr überhaupt darauf?“ Neon verstand nicht wirklich, wovon sie sprach, denn sie hatte die beiden doch engagiert um ihr die Flöte zurückzubringen. Neon wusste natürlich nichts davon, dass sie bis eben noch im Keller gefangen war und durch die offene Tür nun nur noch mehr ekelhaften Weihrauchs in die Wohnung strömte. Er hasste es wie die Pest, diesen harzigen Geruch, wie er sich in der Nase festbiss. „Aber, Miyu, du hast uns doch erst gerufen, um dir deine Flöte wiederzubringen! Du bist aber vergesslich.“, sprach der kleine Junge, ohne sonderlich nachzudenken und lächelte sie herzlich an, während er mit ihr sprach. Den absolut verwirrten Ausdruck auf ihrem Gesicht überging er gekonnt, denn sie hatte keinen Grund dazu und Neon wusste deswegen auch nicht, wieso er etwas interpretieren konnte, wobei er nicht einmal wusste, was dieses Wort überhaupt bedeutete. Als Miyu gerade ansetzte, um zu fragen, was für eine Flöte Neon meinte, rief Erin ihn aus dem Wohnzimmer und bedeutete ihm, dass sie nun gehen würden, da sie noch einiges zu tun hatten, wenn sie zurück nach Hosenka Town kommen würden. Die örtliche Bürgerwehr würde sich um den Unhold kümmern und dann den Rest erledigen. Bis diese da war, hatte sich schon der Nachbar von vorhin bereit erklärt hier zu bleiben und auf Miyu aufzupassen, falls er wieder zu sich kommen würde. Doch Erin hatte dem Mann ordentlich eins übergebraten, dass er wohl kaum in naher Zukunft wieder Lust auf solch eine Schlägerei hatte. Sie war einfach zu cool! Miyu gab ihnen noch ein Lunchpaket mit allerlei Süßigkeiten mit und als er dies öffnete, konnte er mit einem freudigen Jauchzen erkennen, dass es randvoll mit leckerem Süßkram war und keines dieser Leckereien von Malzbonbons verunstaltet wurde. „ERIN!!! Schau dir nur all die Süßigkeiten an!“ Vor Freude kamen dem kleinen Jungen regelrecht Tränen in die Augen, als er den Sack vorerst wieder schloss, damit sie ihres Weges gehen konnten. Zum Abschied fiel er noch einmal dankbar über Miyu her und umarmte sie freudig, woraufhin diese ihm milde den Kopf tätschelte. „Auf Wiedersehen, Miyu!“ Dass dort noch ein Mann anwesend war, hatte er vor lauter Aufregung schon vergessen. Der Rückweg verlief nicht sonderlich ereignisreich. Die Mission war zu Ende und nun konnten die beiden Magier aus Lamia Scale endlich entspannen. „Wenn ich das alles Papa erzähle, werden ihm seine beiden Mäuler vor Erstaunen auffallen!“ Mit diesen Worten, und lautem Schmatzen und Nuckeln beim Verzehr der Süßigkeiten, endete auch diese Mission, die er so gut wie alleine gelöst hatte.