Lautes Gelächter drang an Magnus’ Ohr. Entnervt blickte der Magier auf seine große, aus braunem Leder bestehende Armbanduhr, ein wirklich wichtiges Accessoire! Wenn man in seinem Leben etwas erreichen will oder einfach nur ein geordneter Mensch sein möchte, dann sollte man, nach Magnus, immer die Uhrzeit kennen. Hat man die Zeit nicht ständig im Blick kann man leicht mal zu viel davon vertrödeln und jeder weiß doch, Zeit ist Geld! Und Magnus’ wertvolle Minuten wurden an diesem Tag schon regelrecht verschlungen von diesen ungehobelten Nachbarn. „20 Minuten…“, murmelte Magnus leicht säuerlich nach dem nun schon achten Blick auf das Ziffernblatt. Er klappte sein Buch geräuschvoll zu, knallte es auf den Tisch und sprang hörbar von seinem Schreibtischstuhl auf. Schon seit einer halben Ewigkeit, also knapp mehr als einer viertel Stunde, lachten und brüllten diese Menschen nebenan herum. Gut, sie hatten Besuch bekommen, aber konnten diese Leute nicht an einen öffentlichen Ort wandern und dort ihre Späße treiben? Nein, sie mussten in der Wohnung neben Magnus laut sein und ihn somit beim Lesen stören. Bei diesen lärmartigen Hintergrundgeräuschen konnte er kein Wort des Buches wirklich aufnehmen und es war schon wirklich mehr als lästig ständig alles dreimal lesen zu müssen. „Reg dich ab.“, beschwörte er sich selbst, als er nun so aufgebracht dastand. Es war nicht gut für den Blutkreislauf, wenn man so aufbrauste und außerdem war es helllichter Nachmittag und kaum jemand würde es verstehen, auf ihn Rücksicht nehmen zu müssen. Kaum hatte sich der Magier beruhigt, kam ihm auch schon der rettende Einfall. Ja klar, dann ging er eben an einen öffentlichen Ort. Schließlich war das Wetter heute mehr als schön und frische Luft braucht der Mensch. Nun wieder mit einem Lächeln auf dem Gesicht schnappte sich der junge Mann sein Buch und marschierte raus aus der Wohnung und hin zum Park, in dem er gleich eine freie Parkbank in netter Umgebung fand. „Magnus, da hattest du wieder einen guten Einfall…“, lobte er sich gedanklich selbst und hatte schon wieder völlig verdrängt, dass er dies eigentlich seinen Nachbarn zu verdanken hatte. „Endlich Ruhe…“, er setzte sich noch ein bisschen bequemer auf die Holzbank und schlug dann sein Buch auf, um hoffentlich damit weiter zu kommen.

Nachdem diese Quest abgeschlossen war, bei der es sich kaum um etwas Spannendes handelte, da es ein Transport eines recht wichtigen Gegenstandes von Hosenka nach Magnolia Town war, blieb Neon noch eine Runde in der Stadt, da er sich diese mal ein wenig näher anschauen wollte. Als er sich die wunderschönsten Läden angeschaut hatte und dabei feststellen musste, dass diese sich kaum großartig von denen in Hosenka Town unterschieden, auch wenn man sagen muss, dass er sich in einem der Spielwarenläden einen wunderhübschen neuen Stoffpuma für seine Sammlung gekauft hatte, hatte er genug die Häuserfassaden von dieser Stadt begutachtet und lief ein wenig weiter herum, bis er einen grünen, mit Bäumen übersäten Park fand. Vielleicht konnte er sich in den Schatten ein wenig amüsieren, da er diese dunklen Flecke mehr mochte, als die helle Sonne, die am Himmel stand.

Hier und dort liefen ein paar Leute, aber sonderlich voll war es nicht. Die Bänke waren komplett leer, wenn man mal von der einen absah, wo ein blonder Mann sein Buch las. Doch dieser interessierte den Jungen erst einmal nicht, da er sich vorerst in die Schatten verkriechen wollte, um dort ein wenig zu tollen. So kam es, dass der Junge, der mit seinen vierzehn Jahren eigentlich ein wenig reifer sein musste, von Schatten zu Schatten hüpfte und dabei laut kicherte, weil es ihn irgendwie freute. Normale Menschen würden nun die geistige Verfassung dieses Jungen anzweifeln, doch dies störte ihn nicht, da er sich mittlerweile an diese Leute gewohnt hatte. Er genoss es, dass er sich in diesen dunklen orten immer wein wenig wohler fühlte und er sich immer erfrischt fühlte, wenn er diese wieder verließ. Nachdem er nun eine Weile kichernd herumgehüpft war und dabei immer versucht hatte, die Grenzen des Schattens nicht zu überschreiten, wie es sich für ein Kind nun einmal gehörte, hatte er aber auch genug davon. Mittlerweile war, bis auf den blonden Mann, der Park menschenleer, da diese scheinbar auch noch arbeiten mussten, oder ähnlichen Dingen nachgingen. Da er hier eh nicht sonderlich viel zu verlieren hatte, beschloss er den blonden Mann ein wenig anzusprechen, auch wenn dieser so in sein Buch vertieft war, dass es ihn vermutlich stören würde. Nachdem er zu diesem herüberspprungen war, ja, Neon bewegte sich gerade im Hopserlauf, sprach er ihn auch sofort an. „Duuhuuu, Mister? Was liest du da? Ist es spannend? Eine tolle Geschichte? Liest du mir vielleicht etwas vor?“ Fragen über Fragen, doch für Neon waren diese keineswegs zu viele, da er meistens so sprach und die meisten Leute, die ihn noch nicht kannten, für ein kleines putziges Mädchen hielten und diesen dann auch nachkamen. Zwar war seine Stimme für ein Mädchen einen Tick zu tief, aber es gab ja schließlich auch solche Exemplare unter dem anderen Geschlecht und seine Kleidung und Aufmachung ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass hier ein süßes Mädel vor dem blonden Mann stand. „Ich bin Neon, und du?“, sagte der Junge und begrüßte den Mann dabei, indem er seine Hand in die Luft streckte, auch wenn er dabei unwissentlich sein Gildenzeichen offenbarte.

Es war geradezu faszinierend! Ein solch spannendes und gleichzeitig informierendes Sachbuch hatte Magnus selten gelesen. ‚Pferde&Ponys’ hatte er erst vor kurzem von seiner Mutter geschickt bekommen, in der hiesigen Buchhandlung konnte er ja noch immer nicht einkaufen, da der Händler den letzten Vorfall wohl noch nicht vergessen hatte. Er wollte von dem Mann nicht blöd angequatscht oder gar nochmals rausgeschmissen werden und so vermied er es erst einmal wieder in das Geschäft zurückzukehren. Als Magnus seine Mutter damit beauftragt hatte ihm ein Buch zu kaufen und zuzusenden hatte er nicht geahnt, dass es sich um ein solches, naja, wie sollte man sagen… Mädchenbuch handeln würde. Da er allerdings kein ungelesenes Werk zu Hause hatte und man Bücher eigentlich nie verschmähen sollte, beschloss er es dennoch zu lesen. Eine echt gute Entscheidung, wie er nun fand! Noch nie hatte er sich mit diesen Tieren beschäftigt und er war erstaunt, wie intelligent diese doch waren! Immer noch vertieft in sein Werk bemerkte Magnus erst gar nicht, dass ein kleines Mädchen immer näher angehüpft kam. „…liest du mir vielleicht etwas vor?“, erst jetzt bemerkte Magnus, dass das Kind mit ihm sprach. Oder war es doch mit jemand anderem? Jedenfalls hatte das Geräusch ihn soweit abgelenkt, dass er von seinem Buch aufschauen musste, um der Quelle der Störung auf den Grund zu kommen. „Was…!“, stieß er überrascht aus und klappte dabei aus Versehen das Buch zu. Das Mädchen stand so unglaublich nah vor ihm, dass es wohl nur Magnus mit seiner Fragerei gemeint haben könnte. Aber wo kam es denn so plötzlich her und wer war es überhaupt? „Neon?“, fragend murmelte Magnus den Namen des Kindes nach. Langsam erholte er sich nun wieder von dem anfänglichen Schock und fing an das Kind genauer zu betrachten. Es war eher zierlich gebaut, hatte wirklich lange Haare und schien wohl sehr fröhlich zu sein. Außerdem konnte Magnus das Gildezeichen auf der Hand des Mädchens entdecken, Lamia Scale. Deswegen kam ihm das Geschöpf also so fremd vor! Aber wieso trieb es sich hier in Magnolia Town herum? Gerade wollte Magnus das Kind befragen, als ihm auffiel, dass sein Buch zugeklappt war und das, ohne die Seite vorher eingemerkt zu haben! Daran war nur dieser Überfall des Mädchens schuld! „Sag mal haben dir deine Eltern keine Manieren beigebracht?!“, schnaubte er nun etwas aufgebracht. Jetzt konnte er die letzte Seite wieder mühevoll hersuchen, was wieder kostbare Zeit in Anspruch nehmen würde. Außerdem wollte Magnus doch einfach nur seine Ruhe haben, deswegen ist er doch überhaupt hergekommen. Er wurde heute schon genug beim Lesen gestört und er dachte wenigstens hier sei er sicher. „Wegen dir hab ich jetzt mein Buch zugeklappt. Weißt du wie ärgerlich es ist immer und immer wieder beim Lesen gestört zu werden? Und jetzt darf ich auch noch die richtige Seite wiederfinden. Glaubt denn jeder ich hätte alle Zeit der Welt?“, der letzte Satz klang eher verzweifelt als wütend. Hatte sich denn heute jeder gegen ihn verschworen?

Der blonde Mann brauchte eine Zeit, ehe er sich von seinem Buch aufraffen konnte und den kleinen jungen beachtete. Dieser reagierte anfangs sehr überrascht, da er sich scheinbar nicht angesprochen fühlte und nun aus seiner Welt gerissen wurde. Neon mochte Bücher kaum, da er es nie sonderlich mochte darin zu lesen, doch er liebte es, wenn jemand ihm eine spannende Geschichte vorlas, wie es Nocturna immer getan hatte, auch wenn dieser dabei eher weniger glücklich aussah. Er hätte das Buch gar nicht interessant gefunden, wären dort nicht süße Ponys auf dem Einband abgebildet gewesen. Zwar mochte er Pferde an sich nicht so sehr, aber die kleinen Ponys fand er dafür umso niedlicher. Diese kleinen Miniausgaben der großen Wesen eroberten sein Herz einfach im Sturm und deshalb wollte er auch wissen, was in dem Buch für eine spannende Geschichte über ebendiese geschrieben stand. Jedoch kam es nicht so weit, dass der blonde Mann ihm etwas daraus vorlas, da dieser nicht einmal auf die Fragen einging, sondern, nachdem er noch einmal fragend seinen Namen wiederholt hatte, legte er richtig los und fragte ihn erst barsch nach seiner Erziehung und auch wenn die letzten Sätze wohl kaum wütend gesprochen waren, ja, selbst wenn der blonde Mann ihn nicht einmal Böses wollte, so hatte in Neons Hirn schon ein Uhrwerk zu rattern begonnen. Das Wort Eltern erinnerte ihn an seine eigenen, diese hatten ihn schon früh verstoßen, was ihn schlagartig traurig machte. Auch die anderen Aussagen hörten sich in Neons Ohren viel bedrohlicher und gemeiner an, als sie möglicherweise eigentlich gemeint waren. Tiefe Traurigkeit überkam den jungen Knaben plötzlich, als er zu Boden schaute, seine Lippen sich kräuselten und anfingen zu beben. Wenn sein Gegenüber schon von seiner Anwesenheit so genervt war, was sollte er dann von einem heulenden Mädchen halten? Langsam füllten sich seine Augen mit dicken, runden Tränen und als er wieder nach oben schaute liefen schon Ströme seine Wangen hinunter, welche von lautem Schniefen und Schnappatmung begleitet wurden. „Ich-ich-ich- wollte doch nur...“ Eine kurze Pause unterbrach seinen Satz, als er wieder Luft holte und einen verletzten Ton von sich gab. „Ich-ich.. Die Ponys! Ich!“ Nun streckte Neon dem blonden Mann, dessen Namen er immer noch nicht erfahren hatte, Mr Grummel entgegen, den er kurz zuvor von seinem Gewand abgenommen hatte, da er immer an seiner Schleife befestigt war, und senkte seinen Blick. „Du bist ein böser, böser Mensch!“ Man brauchte kein Profi sein um zu erkennen, dass Neon selbst die Stimme war, die er nur ein wenig verstellt hatte, da diese immer noch klang, als hätte er einen Schnupfen. Neon ließ seinen Kopf weiterhin gesenkt, als er darauf wartete, wie sein Gegenüber auf die schweren Vorwürfe des Stoffbären reagierte.

Gerade wollte Magnus dem Mädchen noch einen Vortrag über den Respekt vor älteren Menschen und das Höflichsein halten, denn seiner Meinungen nach waren das wirklich grundlegende Dinge, die man als Heranwachsender schon beherrschen sollte, um ein gesellschaftsfähiger Mensch werden zu können, doch schon nach dem ersten Luftholen hielt er inne. Was war denn jetzt los? Dicke Tränen kullerten das Gesicht des Kindes hinab. „Wieso heult sie…?“, dachte Magnus nur verdutzt und schon hörte er wie die andere Person das Schluchzen und Stottern von irgendwelchen Wortfetzen anfing. Was will sie denn jetzt mit Ponys? Er hatte natürlich keine Ahnung, dass Neon gefragt hatte, ob er ihm etwas vorlesen möchte, genauso wenig wie davon, dass Neon eigentlich ein Junge und kein Mädchen war. Aber Magnus ist eben kein Menschenkenner und nachdem er die eindeutigen Eigenschaften „schmächtig“ und „langes Haar“ erkannt hatte, stand für ihn ja schon fest, dass es sich hier um ein Mädchen handeln musste. Sein Ärger von vorhin war nun völlig verflogen, jetzt stand vor ihm ein Kind, das ihm eine komische Stoffpuppe vor das Gesicht hielt und heulte wie ein Schlosshund. Verzweiflung machte sich breit, was sollte er denn nun mit dem Mädchen anstellen? Wenn jetzt Leute vorbei kamen… was dachten sich die dann bloß? Er wollte dem Kind doch nur ein paar Manieren beibringen, weiter nichts! Er legte sein Buch beiseite und richtete sich noch ein bisschen mehr auf. „Du…was redest du denn da?“, warf er dem Kind schon wieder vor. Aber er wollte einfach nur wissen, wieso Neon jetzt weinte und nicht auf irgendeine Weise genervt klingen. Magnus hatte eben wirklich wenige soziale Kompetenzen und bei dieser zwischenmenschlichen Begegnung haperte es bei ihm gewaltig. „Ok Magnus. Denk nach.“, spornte er sich selbst an. Hatte er in einem Psychologiebuch nicht einmal gelesen, dass unverfängliche Fragen den Gegenüber wieder ablenken und ihn so zu Ruhe bringen können. Also lehnte sich Magnus ein bisschen nach vorne und stellte die erste Frage, die ihm in den Sinn kam. „Du magst also… Ponys?“, versuchte er hilflos wieder ein Gespräch aufzubauen. Es waren doch Ponys, die sie erwähnt hatte, oder? Magnus war sich plötzlich nicht mehr ganz so sicher, da er in diesem Moment von so vielen anderen Dingen abgelenkt worden war, aber Frauen und Ponys, das passte einfach. „Und steck mal das Ding da weg.“, fügte er noch hinzu, da er das Gefuchtel von dem Plüschtier vor seinem Gesicht mehr als störend empfand. Was sollen nur die Leute denken?

Während er immer noch mit gesenktem Kopf dastand und dem Mann Mr Grummel ins Gesicht hielt, hörte er , wie ein paar Spaziergänger, die das Schauspiel beobachteten, anfingen zu tuscheln. „Schau mal, er bringt das arme Mädchen einfach zum Weinen.“ „Was für ein Mistkerl...“ Vor lauter Schluchzen und Schniefen bekam Neon selbst dies zwar nicht mit, aber selbst wenn würde er es gutheißen, weil dieser böse Mann ihm einfach nichts aus dem Ponybuch vorlesen wollte. Er hatte sich schon so darauf gefreut, etwas über diese mystischen Wesen zu erfahren, denn es interessierte ihn schon länger, wie es diese Pferde schafften einfach irgendwann aufzuhören zu wachsen, obwohl ihre Artgenossen dies nicht taten. Doch der große Mann, der ihm noch immer nicht seinen Namen genannt hatte, fing wieder an zu sprechen und fragte ihn, scheinbar unsicher, ob er Ponys mochte. Die Tränen versiegten noch im gleichen Augenblick und strahlend schaute er ihm direkt ins Gesicht. Wie konnte man nur so wechselhaft sein? Indem man Neon hieß! Der kleine Junge setzte sich mit einem Hüpfer auf den Platz neben ihm auf der Parkbank und legte seine Hände in den Schoß, wobei Mr Grummel natürlich direkt darauf sitzen durfte. „Kennst du denn spannende Geschichten über Ponys?! Wieso bleiben die so klein? Wieso werden die anderen dann so groß? Können die auch so schnell reiten? Hast du ein eigenes Pony? Liest du mir etwas vor?“ Danach holte der Junge erst einmal tief Luft, da er seinen gesamten Vorrat gerade in seinen Fragen verbraten hatte und schon anfing blau anzulaufen. Den Kommentar, dass er das „Ding“ wegstecken sollte, quittierte er damit, dass er ihm genau dieses „Ding“ vor die Nase hielt und wieder mit einer verstellten Stimme sprach. „Ich bin kein Ding, ich bin Mr Grummel, Fremder! Also behandle mich mit Respekt!“ Danach setzte er den Bären wieder auf seinen Schoß, um den Worten des blonden Mannes zu lauschen, der hier neben ihm saß und mit der ganzen Situation scheinbar mehr als überfordert war. Doch er sah plötzlich, dass das Buch ja nun direkt neben ihm lag, hatte er vor laute Heulerei gar nicht gesehen, dass sein Gegenüber dieses aus der Hand gelegt hatte. Ohne zu fragen griff er sich dieses und betrachtete es ausgiebig. Vorn auf dem Einband war ein Bild von einem Pferd und einem kleinen Pony, welche auf einer grünen Wiese herumliefen. Leider bewegten sich die Bilder nicht, da es nun einmal nur ein Bild war, aber er würde gern welche sehen. „Wollen wir Ponys gucken gehen? Weißt du wo man hier welche findet?“, sagte er und sprang im gleichen Atemzug auf, wobei er ihn an seinem Handgelenk packte und mit von der Bank zog. Mit einem breiten Grinsen stand er nun da und wartete, ob dieser überhaupt irgendwelche Lokalitäten kannte, da dies sonst eine sehr kurze Reise wurde. Er kannte diesen Mann zwar nicht, aber er war sich recht sicher, dass er sich im Falle der Fälle recht gut verteidigen konnte.

Magnus stieß ein inneres Stoßgebet aus, dass das Kind sich nur endlich beruhigen sollte. Anscheinend wurde er auch erhört, denn kaum hatte er die Ponys erwähnt, fingen die Augen des wohl sehr launischen Mädchens wieder an zu strahlen. „Und wieder hast du es dank deines frischen Geistes geschafft!“, Magnus konnte sich ein kleines stolzes Lächeln nicht verkneifen, als das Kind sich völlig beruhigt hatte und sich neben ihn auf die Bank schwang. Und wissensdurstig war es auch noch! Andere Menschen würde es vielleicht auf die Nerven gehen, wenn sie mit tausenden von Fragen gelöchert werden würden, aber Magnus fand das eigentlich ganz gut. Wenn man etwas nicht wusste, dann kann man seine Unwissenheit ja nur beseitigen, wenn man auch mal nachfragt und der Sache auf den Grund geht. Zwar schien dieses Wesen hier neben ihm noch keinen allzu großen Wissensstand zu besitzen, aber es war ja doch schon einmal sehr interessiert. Nur mit der Stofftiersache konnte er sich nicht wirklich anfreunden. So klein war Neon nun auch nicht mehr, als dass er wirklich an die Existenz dieses Dinges glauben könnte. „Respekt gegenüber einem Stoffballen… bei aller Liebe…“, murmelte Magnus kaum hörbar vor sich hin, doch Neon schien das gar nicht zu bemerken, da sich seine Aufmerksamkeit schon wieder einem neuen Objekt zugewandt hatte. Gerade wollte Magnus schon eine lehrreiche Rede über die zu klein geratenen Pferde halten, als Neon sich schon sein Buch packte und wie gebannt auf den Einband starrte. Schwer atmete Magnus aus. Das hätte er sich ja denken können, dass dieses ungezogene Kind sich gleich am Eigentum anderer, sogar fremder Personen vergreifen würde. Hoffentlich machte es keine Fett- oder sonstige Flecken auf das Buch, bei jungen Menschen dieses Schlags wusste man ja nie so genau. Und das Buch war ja schließlich noch neu! Magnus hatte es gerade zur Hälfte gelesen und wollte es wenigstens noch bis zum Schluss durchlesen, bevor das Buch in den Händen dieser hyperaktiven Person sein Ende fand. Plötzlich sprang Neon auf und zog Magnus mit sich runter von der Bank. Ponys anschauen? „Wollte sie nicht gerade etwas über diese Tiere lernen und lesen?“, verwirrt kratzte sich Magnus mit der freien Hand am Kopf, während er ein paar Meter mitgezerrt wurde. „Ich glaube… sie leidet wohl an ADHS.“, schlussfolgerte er dann. Ja, das musste es sein. Das arme Kind, es wird von Reizen geradezu überflutet! Was sollte er denn jetzt machen? Er wusste nicht, wo sich hier eine Weide mit Ponys befand. Sollte er das dem Mädchen einfach sagen, sein Buch schnappen und sich dann entfernen? Aber dieses Kind war unberechenbar! Vielleicht fing es dann wieder an zu weinen oder schlimmeres. Und hier waren immer noch zu viele Leute, die das dann mitbekommen und ihn für einen schlechten Menschen halten würden. Nein, dieses Risiko konnte er auch nicht eingehen! Vielleicht sollte er einfach mal so tun als wüsste er, wo sich hier Ponys befinden und mit Neon einfach mal ein bisschen durch die Stadt wandern. „Ja, vielleicht wird sie ja auf dem Weg wieder von etwas anderem abgelenkt!“, dachte Magnus nun etwas zuversichtlicher. Irgendwas wird sich schon ergeben. „Na gut, dann schauen wir mal.“, gab er Neon zur Antwort und befreite seine Hand langsam aus dessen Griff. „Ach ja, also ich bin übrigens Magnus. Oh, und das gehört mir.“, fügte er dann noch hinzu und schnappte sich das Buch von der kleinen Person neben ihm.

Hatte Neon das gerade richtig gehört? Hatte er Mr Grummel gerade einen Stoffballen genannt? Leider konnte er sich nicht sicher sein, da sein Gegenüber diesen Spruch sehr leise murmelte und noch dazu eine kleine Gruppe von Menschen an ihnen vorbeilief und somit die Akustik sehr stark beeinflusste. Wozu also wütend werden, wenn er sich nicht einmal sicher sein konnte, was der blonde Mann überhaupt gesagt hatte? Da sie dann auch losgingen, um sich eine Weide voll Ponys anzuschauen, hatte Neon auch gar keine Zeit sich über die unhöfliche Art des großen Mannes, der sich kurze Zeit später als Magnus vorstellte, aufzuregen. Was ihm nicht so gefiel, war, dass Magnus ihm danach sofort das Buch wieder wegnahm, obwohl er noch gar nicht richtig darin lesen konnte. Da Neon mittlerweile zweimal gefragt hatte, ob dieser ihm etwas vorlesen würde und dieser diese Frage jedes Mal dezent ignorierte, musste er sich ja scheinbar selbst etwas daraus vorlesen. Doch, was war das?
Plötzlich, als sie gerade einen begrünten Weg entlang liefen, kam ein Schwarm von wunderschönen Schmetterlingen aus einem Gebüsch. Neons Augen wurden immer größer, als er diese bunten, tanzenden Geschöpfe sah und rannte wie ein aufgescheuchtes Wild hinter diesen hinterher und freute sich dabei wie ein kleines Kind. Nachdem er diesem Schwarm ein paar Minuten lachend Gesellschaft geleistet hatte, fand er, dass es wieder Zeit wäre, sich mit Magnus auf den Weg zu machen, die Ponyherde zu suchen. „Wo ist denn nun diese Ponyherde? Wir laufen hier ja schon ewig herum!“ Zwar waren es keine Ewigkeiten, die sie unterwegs waren, aber so wirklich gezielt kam Neon der Weg gerade nicht vor. Vielleicht hatte Magnus ihn ja angelogen und hier gab es gar keine Herde? Natürlich übersah Neon gekonnt den Fakt, dass der blonde Schönling ihm nie bestätigt hatte, dass es in Magnolia Town eine Herde gab oder er wusste, wo sich diese befand. Wieso er dies jedoch machte, erschloss sich dem Jungen allerdings nicht. Vielleicht dachte er ja, dass er Neon so etwas müde machen konnte? Vielleicht wusste er auch wirklich nichts, mochte ihn aber so sehr, dass er ihm nicht sagen wollte, dass er nichts wusste, weil er dachte, dass Neon dann einfach gehen würde? Aber Magnus war doch jetzt sein Freund, wieso sollte er also einfach gehen? „Du, Magnus? Weißt du überhaupt, wo eine Weide mit Ponys drauf ist? Wir laufen nun schon eine ganze Weile hier herum.“ Vielleicht würde es den Mann auch überraschen, dass Neon scheinbar doch logische Schlüsse ziehen konnte, aber schließlich war er nur ein wenig kindisch und nicht komplett dumm.

Minato hatte es sich mal wieder unter einem Baum bequem gemacht, denn der sonnige Tag lud einfach dazu ein, ein Nickerchen im Freien zu halten. So lag er dort eine Weile und döste vor sich hin, bis ihm sein Magen daran erinnerte, dass er dringend etwas essen sollte. Schläfrig streckte er sich und traf dabei, mit dem Fuß einen der Büsche, die ihm umgaben. Dadurch schrak er einen Schwarm von Schmetterlingen auf, die es sich darauf bequem gemacht hatten und die nun davon flogen. Gähnend stand er auf und sah, wie ein kleines Mädchen den Schmetterlingen lachend und tänzelnd hinterherrannte. Des Weiteren sah er ein paar Meter neben sich auf dem Weg einen großen, blonden Jungen stehen, der dem kleinen Mädchen, ebenfalls zusah, doch dieser schien etwas genervt zu sein. Nach einem kurzen Augenblick trottete die Kleine auch schon wieder zu dem Jungen zurück.

Minatos Magen knurrte schon wieder, also machte er sich mal auf dem Weg, der ihn an den beiden vorbei führte. Dabei vernahm er die Frage des Mädchens, nach einer Weide mit Ponys und er konnte nicht anders, blieb stehen und drehte sich zu den beiden um. "Ich will ja nicht stören, aber wenn ihr Ponys sucht, dann müsst ihr weiter aufs Land raus, hier in der Nähe gibt es keine." Minato war schon so oft in dieser Gegend herumgestreunt, dass er dies mit Sicherheit sagen konnte. "Ach und ich heiße übrigens Minato", fügte er hinzu, da er ja nicht ganz so unhöflich sein wollte.

Magnus fühlte sich wirklich sehr unwohl in seiner Haut. Noch nie hatte er einfach mal auf Gut Glück versucht etwas herauszufinden, was er noch nicht wusste. Improvisation gehörte bisher noch nicht wirklich zu seinen Stärken, er sicherte sich meistens vor neuen, unbekannten Aufgaben ab, indem er sich davor gründlich informierte. Ob nun in Büchern oder indem er andere nach Rat fragte, aber einfach so drauf los zu marschieren war eigentlich nicht seine Art. Aber das alles half jetzt nichts. Sie wanderten ein bisschen durch die Stadt, ehe Magnus einen kleinen Feldweg entdeckte. „Sehr gut, das sieht mir doch schon mehr nach Weidegebiet aus!“, freute er sich bei dessen Anblick und führte Neon direkt zu diesem. Jetzt konnte er sich ein bisschen mehr entspannen, endlich mal ein Lichtblick an diesem traurigen Tag. Was ist nur aus seinem Plan geworden, einfach nur ein Buch zu lesen? Um keine unangenehme Stille aufkommen zu lassen erzählte Magnus immer mal wieder etwas über die Pflanzen, an denen sie gerade vorbeigingen. Gerade war er bei den Lampenputzgräsern angekommen „…oder auch unter dem Namen Pennisetum villosum bekannt…“, als er durch das wilde Rumgehüpfe Neons unterbrochen wurde. Was war denn nun schon wieder los? „Oh Gott, Schmetterlinge. Was auch sonst.“, stellte Magnus nach einem prüfenden Blick fest. Hatte das Mädchen etwa noch nie Schmetterlinge gesehen oder warum war sie so aus dem Häuschen? Er kam sich fast ein wenig peinlich berührt vor, als er so dastand und Neon mit Sicherheitsabstand dabei zusah, wie er bzw. sie den geflügelten Geschöpfen nach sprang. „Hoffentlich sieht uns keiner. Bitte.“, dachte Magnus angestrengt und versuchte dennoch ein Lächeln auf dem Gesicht zu behalten. Zu Magnus Glück dauerte es nicht lang, ehe Neon sich wieder zurück an seine Seite begab und die Schmetterlinge weiterziehen ließ. Und da kam sie, die Frage, der Magnus eigentlich aus dem Weg gehen wollte. Ob er wusste wo eine Ponyherde war? Natürlich nicht! Aber das konnte er ja wohl kaum so in den Raum werfen, jetzt, da er schon begonnen hatte Neon zu der vermeintlichen Weide zu führen. Das würde nur wieder unnötige Fragen aufwerfen. „Ich weiß schon, was ich mache!“, gab er nur zurück und wollte Neon gerade weiterführen, als er eine Stimme hinter sich vernahm. „…hier in der Nähe gibt es keine.“, hatte er etwa gelauscht? Genervt drehte sich Magnus um und betrachtete den Kerl, der gerade seine ganze Show hatte auffliegen lassen. Minato hieß also der Störenfried. „Schön Minato, dass du dich so gut auskennst hier. Aber eigentlich wollte ich Neon zu einem viel spannenderen und lehrreicheren Ort führen.“, begann Magnus nun zu sprechen, auch, um bohrende Fragen aus Neons Richtung aus dem Weg zu gehen. Ja, plötzlich hatte er einen Plan! Nein, sogar zwei Pläne. Also fuhr er freudig und nun schon warm geredet fort:„Ich wollte Neon ja eigentlich nicht ganz so weit aus der Stadt führen. Aber wenn Neon will, kannst du uns ja bis zur Weide begleiten.“, machte ihm Magnus das großzügige Angebot. Dann wandte er sich wieder Neon zu: „Also, wie viel Zeit hast du denn, Neon? Willst du echte Ponys sehen, oder willst du hier bleiben und … etwas mehr über diese niedlichen Tiere lernen?“, diesen Satz hatte er sich extra für Neon ausgedacht. Niemals sonst hätte er „niedlich“ im Anschluss mit „Tiere“ verwendet.