cf Hanibis Café

Überraschenderweise fielen körperliche Dinge dem Rothaarigen deutlich leichter als emotionale Gespräche, weswegen er sich auch gleich dazu breitschlagen ließ, als erstes Ziel den Park anzuvisieren, der zu dieser noch recht frühen Stunde grün und friedlich wie immer vor ihnen lag, voller Bäume, Wiesen und anderen Dingen, die nun einmal einen Park ausmachten. An ein paar Ecken spielten sogar ein paar Kinder an einem Klettergerüst, dann gab es klischeehafte Pärchen, die auf Bänken saßen und knutschten und natürlich standen den einfachen Bürgern Oshibanas auch Grünflächen zur Verfügung, auf denen man sich einfach nur entspannen konnte. Souta vergaß recht schnell, dass er ja noch shoppen gehen wollte, weil er als naturverbundener Mensch gerne einmal Blümchen, Insekten und schöne Aussichten hinter materiellen Gewinn stellen konnte und so auch kein Problem damit hatte, sich bäuchlings in die Wiese zu werfen und alle Viere von sich zu strecken, ehe er sich umwälzte und zu den Schäfchenwolken hinaufschaute, die ihn gleichermaßen an Schlagsahne und Wuschelhaare erinnerten. Die Sonne schien warm und war daher perfekt, um sich die verdauenede Vorderseite aufheizen zu lassen. Normalerweise hätte Souta jetzt einfach sein Hemd ausgezogen, doch er erinnerte sich gerade rechtzeitig daran, dass er ja eine Verabredung mit einem Mädchen hatte und dieses nicht unnötig schocken wollte, also blieb er wie er war, legte eine Hand auf seinen Bauch und die andere hinter seinen Kopf als provisorisches Kissen. „Hachja~“, seufzte er, was Naomi hoffentlich als Aufforderung verstand, ihm Gesellschaft zu leisten – er würde auf jeden Fall so schnell nicht mehr aufstehen.

Nachdem sie beide gegessen hatten, waren die Zwei aufgebrochen zum Park in dem sie ein wenig die Sonne genießen wollten, nachdem sie wohl bis oben hin voll mit Apfelstrudel waren. Wieder war Naomi mit einem älteren Jungen unterwegs und wieder war der Junge äußerst gut aussehend und erneut hätte es ihr damit nicht schlechter gehen können. Der Freund ihres besten Freundes, aber nicht irgendein Freund. Der Freund, der dafür sorgte, dass Seraphim zwar ihr ein und alles war, aber sie für ihn immer nur ein kleines Engelchen bleiben würde, was irgendwann einmal probiert und dann weggeworfen wurde. Wenn man den ganzen Umstand mit Seraphim ausblendete, konnte man meinen, dass sie Glück hatte, so viele liebevolle Jungen in ihrer Gilde zu haben, doch auch das war falsch. Keiner der Herren aus der Gilde, denen sie eigentlich so nah zu sein schien, war ihr wirklich nah, oder gewillt diese Beziehung zu ihr noch etwas zu verengen. Wie ein kleines Stofftier ließ sie sich von jedem in den Arm nehmen und lieb haben, herumreichen, bis man alles aus ihr heraus geknuddelt hatte und dann würde sie gehen, zum Friedhof der Kuscheltiere, die keiner mehr brauchte oder wollte. Leicht seufzte sie, als Souta sich plötzlich ins Gras stürzte und es sich dort scheinbar bequem machte.
Die subtile Aufforderung hatte das Mädchen verstanden und sich an seine Seite gesetzt. Ankuscheln, er hatte ihr keine Antwort gegeben, auf die Frage, die sie ihm gestellt hatte. Das Gras war recht sommerfrisch, würde sicher schone Flecken hinterlassen, nun Naomi war das recht egal, aber das weiße Hemd, was der Junge trug. "Wie bekommst du die Grasflecken wieder aus dem Hemd Souta-kun?", fragte sie und ließ sich langsam neben ihm ins Gras gleiten. Die Sonne war schön war und Naomi genoss es, wie sie auf sie hinunter schien. Tief atmete sie ein und die Mischung aus Sonne, frischem Grün und Souta war wirklich schmeichelnd für so ein kleines Näschen. Ohne darüber nachzudenken, schob sie ihren Kopf näher zu ihm, legte ihn irgendwo zwischen Kopf und Schulter des Jungen und lächelte vor sich hin.

Oh verdammte … Grasflecken! Wieso hatte er nicht … Das war nicht gut. In einer einzigen Bewegung, die trotz Panik für seine Verhältnisse recht langsam ablief, weil er Naomi nicht aus Versehen die Nase einschlagen wollte, während er wie ein aufgeregtes Hühnchen mit den Armen wedelte, richtete sich der Rothaarige auf und setzte sich auf die Fußballen. Angestrengt verdrehte er den Oberkörper, um zu sehen, ob irgendwo ein Fleck auf dem Hemd war – was natürlich nicht zu vermeiden war, nachdem er sich mitten in die Wiese gehechtet hatte. Tatsächlich war da ein recht hässlicher, zerquetschter Ex-Brocken Erde an seinem Kreuz, der ein Miststück sein würde, wenn man ihn loswerden wollte, was Souta tatsächlich für einen Moment dazu brachte, sich auf die Unterlippe zu beißen und nachzudenken. Es war heiß. Theoretisch konnte man ihm keinen Strick daraus drehen, dass er sich obenrum entkleiden wollte, nachdem er doch wirklich sehr hübsch war. Praktischerweise lag er mit einer jungen Frau auf dieser Wiese und sah vermutlich ziemlich eindeutig aus, wenn er das durchzog. Aber hatte er eine andere Wahl? Er durfte dieses Hemd nicht zerstören, weil er sich keinen Ersatz leisten konnte und das Letzte, was er wollte, war ein „Ich hab's dir doch gesagt“ … Also griff er zu seinem Kragen und begann die Knöpfe zu lösen, warf einen Seitenblick auf Naomi und lächelte entschuldigend. „Tut mir Leid. Er bringt mich um, wenn ich das Hemd verschmutze … Ich meine. Ich bringe mich um. Das ist mein Hemd. Und ich hasse Dreck.“ Mit gequältem Gesicht knüllte er das Kleidungsstück zusammen und stopfte es sich in die Hosentasche, nachdem es sowieso gewaschen werden musste, ehe er sich wieder auf den Boden sinken ließ und einen Handrücken über sein Auge legte. Er wollte jetzt einfach in einem Erdloch verschwinden, weil das hier peinlichste Ausmaße angenommen hatte. Er lag sonnengebräunt und wunderschön neben einem Mädchen, von dem er eigentlich vor allem ein aufschlussreiches Gespräch erwartete, da war es doch wirklich eine Bürde, wenn man so unglaublich attraktiv war, dass sich Naomi unmöglich auf Smalltalk konzentrieren wollte? Souta würde, wenn er auf Männer stünde, ja auch auf sich abfahren, immerhin roch er toll und hatte ein schickes Pferdchentattoo unterhalb seines Bauchnabels, davon abgesehen hingen ihm Grashalme in den strahlend roten Haaren, die gerade sehr gut zu seiner etwas rosaroten Gesichtsfarbe passten. „Sagmal Naomi … Wie gut kennst du Seraphim?“ Er hob die Hand, damit er ihr ins Gesicht schauen konnte und zog ein Bein an, wackelte lustig mit seinem Knie herum. Ja … bisher schien es ja eher, als wäre sie eine flüchtige Bekannte des Weißhaarigen, doch das warf die Frage auf, wieso sie mit ihm mitgegangen war und sich sogar an ihn lehnte – mit ihm kuscheln wollte. Alles nur, weil er in ihrer Gilde war? Souta war sicherlich der Erste, der für eine Politik ohne körperliche Grenzen war, was so eine Gilde anging, aber es war doch seltsam. Da musste doch mehr dahinter stecken.

Scheinbar hatte sie ihn so auf einen Gedanken gebracht, an den er eigentlich hatte denken wollen. Er schreckte auf und redete irgendwas davon, dass er ihn umbringen würde. Auch die Verbesserung, die der Rotschopf viel zu spät nachschob, wischte den Gedanken nicht mehr aus ihrem Kopf, dies war Seraphims Hemd. Klar, dass der reinliche Drache ungern seine Kleidung verdrecken ließ. Leise seufzte sie, wenn sie sich so nah standen, dass sie ihre Kleidung tauschten, klauen konnten, dann war es wirklich ernst. Nun gut, dann wurde es wirklich allerhöchste Zeit, dass sie die Flügel bekam und flügge wurde. "Also Seraphims Hemd ja?", sie lachte leicht und richtete sich ebenfalls etwas auf und sah ihm beim Ausziehen zu. Klar war ihr die Vorliebe des Weißschopfs für Männer bekannt, bei ihrem ersten Treffen hatte er in einem Zug einen anderen Kerl geküsst, einfach nur so aus Spaß an den dummen Blicken. Naomi hatte den Blonden damals ausgesucht und ihn damit wohl für drei Sekunden in den Himmel geschickt, oder so ähnlich. Nun hatte sie hier einen Rotschopf, den hatte der Engel sich selbst ausgesucht und nicht sie. Als er sich wieder zu ihr legte, nur den hübschen Oberkörper zur Schau stellend stellte er eine sehr bösartige Frage. Wie gut sie Seraphim kannte, eine sehr gute Frage.
Während sie liebevoll ein paar Grashalme aus seinem Haar pflückte, meinte sie: "Wir haben ein paar Dinge zusammen durchgestanden, manchmal denke ich, dass ich ihn kenne und im anderen Moment ist er wieder total fremd, er hat eine sehr flatterhafte Natur, findest du nicht auch?" Dann legte sie ihren Kopf an seine Brust und schloss die Augen, ja, sein Herz schlug, ruhig und entspannend. So schlug auch sein Herz, wenn sie auf seinem Schoß saß und flüchtig über die Zeilen des Buches huschte, welches er gerade las. Doch noch etwas anderes, nun da sie darauf lag und nicht lehnte, schien eine Brust ein doch recht unbequemer Ort. Wie eine Wand, wenn man sich nur anlehnen wollte, war alles gut, versuchte man aber auf dem harten Boden zu schlafen, dann war es irgendwie nicht mehr ganz so toll. Also hob sie den Blick und ließ diesen an ihm herunter wandern. Wie herrlich falsch dies aussehen musste, ein junges Mädchen, was einen prüfenden Blick in Richtung der Hose eines Jungen warf. Nun dieses Mädchen entschied sich nun den kleinen Kopf einfach ganz langsam auf den Bauch zu legten. Dieser war schön weich und wie der bisherige Rest des Körpers auch schön warm.
Dankbar schloss sie die Augen und murmelte gegen seine Haut: "Du bist schön warm Souta-san." Außerdem roch er gut. Eine wirklich tolle Kombination an Vorzügen, die ein Mann haben konnte oder musste, um jemandem zu gefallen. Naomi gefiel Souta auch, natürlich wie konnte er nicht, aber da war diese eine kleine Sache, die dafür sorgte, dass sie es nicht einmal versuchen würde. Es war schrecklich sich eingestehen zu müssen, dass man den perfekten Menschen für den liebsten Menschen in seinem eigenen Leben gefunden hatte. Sicher derjenige um den es gib war ein Biest, aber Naomi liebte ihn, die liebe für oder zu ihm war einer der Faktoren, weswegen sie morgens noch aus dem Bett kroch. Eines der Dinge, weshalb sie noch nicht von irgendeiner Decke baumelte. Aber er würde in ihr immer ein kleines Mädchen sehen und deshalb waren sie in der Öffentlichkeit eigentlich recht distanziert. Hier auf diese Weise zu liegen, höchstwahrscheinlich niemals, doch mit Souta hätte er sich wahrscheinlich sofort hingeworfen, damit dieser sich zu ihm legte.

In Anbetracht der Tatsache, dass Seraphim der Himmels Dragonslayer war, also mit Winden und Luftströmen hantierte und zu allem Überfluss auch noch wie ein Vogel fliegen konnte, mochte es allzu passend erscheinen, ihn 'flatterhaft' zu nennen, aber Souta hätte wahrscheinlich widersprochen, wenn er nicht zu beschäftigt damit gewesen wäre, seine Unfähigkeit zu verfluchen, die dazu geführt hatte, dass Naomi erfuhr, wessen Hemd er da vor Schmutz bewahren wollte, indem er die Hüllen fallen ließ. Was sie wohl nun von ihm dachte? Jedenfalls – er fand, dass der Weißhaarige eher störrisch und solide war. Seraphim besaß ein paar Grundzüge, auf denen er pochte, und wenn man sich einfallen ließ, diese in Frage zu stellen, hatte man die längste Zeit Kontakt zu ihm gehabt. Da gab es keine Ausnahmen. Wenn man die Wahl seiner Sexualpartner ansah, konnte man ihn durchaus flatterhaft nennen, da diese ja wohl ständig zu wechseln schienen, aber selbst darin fand sich eine Konstante. Unmöglich, dass er sich jemals veränderte und der Monogamie die Treue schwor. Von daher war er nicht wirklich entscheidungsfreudig und eher unbeweglich – ganz im Gegensatz zu seinem Element. Allerdings mochte das eben auch Soutas persönlicher Eindruck sein, weil er selbst ziellos und zügellos durchs Leben schritt und an ihm gemessen vermutlich jeder starr und unbeweglich wirkte – und natürlich auch, weil er bisher noch nie erlebt hatte, dass der Weißhaarige ihm einfach so davongeflattert war, wie er das allzu gerne tat … „Ich weiß nicht. Ich denke schon.“ Da Souta fand, dass er heute schon genug geplaudert hatte, das ihn noch tausend Jahre lang in Alpträumen verfolgen würde, hielt er sich kurz und rätselhaft. Man wollte ja nicht, dass Naomi am Ende noch dachte, er wäre etwas Besonderes im Leben des Anderen, mit dem sie offenbar etwas durchgemacht hatte. Was konnte das sein? Der Kettenmagier hatte nicht vor, nachzufragen, weil ihn das nichts anging, aber er konnte auch nicht umhin, neugierig zu werden – gab es wirklich Menschen, die dem Weißhaarigen so nahe standen wie er? Natürlich, eigentlich hätte er sich das denken müssen … Egal. Souta hob einen Arm und wollte ihn eher instinktiv um die Schultern des Mädchens legen, weil er diese Position aus vergangenen Bettgeschichten nur allzu gut kannte, doch da verschob sich Naomi und landete schließlich mit dem Kopf auf seinen Bauch, auf seinem Tattoo. Der Rotschopf blickte ein wenig irritiert an sich hinab und beobachtete wie sich die blonden Haare unter seinen Atemzügen leicht hoben und senkten. So weich war sein Bauch ja eigentlich nicht – aber im Vergleich zum Rest seines Körpers konnte man es wohl noch am ehesten als bequem beschreiben, ein weiteres Beispiel wäre da auch sein Hintern, aber sich dort draufzulegen, war eher seltsam. Nicht, dass das hier allzu normal gewesen wäre … Wahrscheinlich hörte Naomi grade live mit, wie sein Apfelstrudel verdaut wurde. Sexy. „Schlag zurück, wenn dich 'was tritt, ja?~“, witzelte er daher, um die ganze Situation ein wenig zu entspannen. Es war irgendwie viel zu ernst geworden, das passte so gar nicht zum Faulenzen auf einer Wiese. Oder zu ihm selbst. Er war lustig und warm, eine Art Komödienheizung. Und er verdaute durchaus aggressiv.

Scheinbar hatte sie ihn ein wenig durcheinandergebracht. Nun er kannte Seraphim auch ein wenig anders, als sie es tat und wahrscheinlich versuchte er nun zu ergründen, wie sie zu ihm stand, immerhin hatte er danach gefragt. Von der sexy Verdauung des Apfelstrudels, hörte Naomi vorerst nichts. Entweder weil Soutas Magen doch leiser arbeitete oder sie es einfach super ausblenden konnte. Wahrscheinlich achtete sie gar nicht darauf, weil sie von warmem Sonnenschein, dem Geruch von frischem Gras, gemischt mit dem des Rotschopfes perfekt in ein kleines Wärmezentrum eingewickelt war, was sie ein wenig von der eigentlichen Welt abschnitt. Dann allerdings sprach er sie wieder an, weshalb sie wieder zurückkehrte. Zurück schlagen, wenn sie was trat? Wenn sie es nicht besser wüsste, würde das glatt eine Schwangerschaft implizieren, aber das Einzige, mit dem er schwanger war, war Apfelstrudel und Kaffee, oder? "Mach dir keine Sorgen", ihre kleine Hand rieb zart über den arbeitenden Bauch des jungen Mannes, "Dein Bauch ist wahrscheinlich das Letzte an dir, was mir je wehtun würde, da bin ich mir wirklich sehr sicher. Bist du immer so warm? Es ist wunderbar, Masaru ist auch immer so warm. Er sagt, das ist so, weil ein paar Menschen geboren wurden, um andere zu beschützen." Was allerdings hatte Wärme mit Schutz zu tun?
Gut, wärme schützt vor Kälte, ein gewisser grad an Wärme sorgt dafür, dass man sich wohlfühlt und geborgen. "Wenn er nachts an meinem Bett sitzt und meine Hand hält, dann kann ich gut schlafen, wenn nicht, dann rüttelt es mich immer wieder wach. Hat er so was damit gemeint?", gut, es war wahrscheinlich nicht immer klug seine Gedanken auszusprechen, besonders weil Souta scheinbar nicht reden wollte, denn er war schon eine ganze Weile sehr still: "Entschuldige, vergiss das einfach wieder." Langsam schloss sie die Augen, ob sie ausgerechnet hier schlafen konnte?

Souta wusste nicht, wer dieser Masaru war und er konnte zum Glück auch keinen der Gedanken lesen, die durch Naomis hübschen Kopf schossen, sonst hätte er seinen Witz wahrscheinlich postwendend zurückgezogen. Obwohl es wahrscheinlich für etwa fünf Sekunden unterhaltsam wäre, sich Seraphims Reaktion auf eine derartige anatomische Unmöglichkeit wie eine spontane Schwangerschaft vorzustellen, vielleicht auch weniger, je nachdem, wie schnell Menschen eigentlich an einer Herzattacke sterben konnten, hatte der Rotschopf keinerlei Intentionen, das Gespräch in solche Richtungen zu lenken. Eines der Gründe, wieso er sehr froh darüber war, als Mann geboren worden zu sein, war nämlich gerade die Vermeidung solch ärgerlicher Dinge, mit der man sich bei einem Hobby wie dem Seinen sicherlich auch einmal herumschlagen musste. Außerdem wäre ihm besagte Freizeitbeschäftigung wahrscheinlich nicht einmal in diesem Ausmaß möglich, weil die Gesellschaft weiblichen Schürzenjägern wenig Akzeptanz entgegenbrachte und er sich zudem sicher war, dass er auch voller Hormone und mit Brüsten nicht auf Männer stehen würde. Brüste waren so eine Sache, die er durchaus gerne einmal einen Tag lang hätte, aber noch hatte er keinen allzu großen Bedarf, dieses Defizit auszugleichen. Wenn er eine Frau wollte, holte er sich eben eine, selbst wenn er momentan recht monogam war, bedeutete das ja nicht, dass er nie wieder auf die Suche nach Kurrzeitpartnern gehen würde. Naomi fiel nicht in seine Zielgruppe, weil sie erstaunliche Ähnlichkeit mit einer Person aus seiner Vergangenheit besaß und ihn somit sexuell blockierte, aber das musste nicht heißen, dass er sich nicht mit ihr anfreunden könnte. Sie war offenbar ziemlich verkuschelt, nachdem sie seinen Bauch streichelte – was Souta zum Lächeln brachte – und ihm dann einen Vortrag darüber hielt, wie warm er war. Klar, er war so warm, dass man ihn in kalten Nächten gerne als Heizung gebrauchte. Besonders direkter Hautkontakt legte frei, dass der Kettenmagier richtiggehend Hitze ausstrahlte, woran das lag, wusste wohl niemand. Manche Menschen waren eben mit natürlich hohen Körpertemperaturen gesegnet, andere hatten generell eisige Hände und Füße. Genauso gab es eben auch verschiedene Schlaftypen, wie diejenigen, die sich verzweifelt an alles klammerten, was sie in die Finger bekamen, diejenigen, die ihre Mitschläfer verprügelten und sabberten und eben jene, die es seltsamerweise immer wieder schafften, sich komplett von allen Decken zu befreien, egal wie fest sie zugedeckt waren. Wenn Naomi nun einschlief, welcher Kategorie würde sie dann wohl angehören? Souta fürchtete ja, dass er dann stundenlang bewegungslos auf dieser Wiese liegen müsste, was persönlicher Folter gleichkommen würde. Warme Menschen sollten also Beschützer sein? Na, da machte er seinen Job aber ziemlich lausig, wenn man sich seinen Highscore so ansah, war er ja eher die Person, die ihre Umwelt ins Verderben stürzte, aber er wollte Naomi nicht widersprechen, also schwieg er einfach, bis sie andeutete, dass ihr das Ganze unangenehm war. Nur weil es in dem Rotschopf unerfreuliche Erinnerungen weckte, wenn er daran dachte, wie er kleine Mädchens ins Bett gebracht hatte – etwas, was er heute erstaunlich selten tat – musste sich Naomi allerdings nicht schlecht fühlen. Daher streckte er die Hand aus und fuhr durch eine ihrer langen blonden Strähnen, ein Reflex aus vergangener Zeit. „Ist schon okay. Ich kann auch nicht richtig durchschlafen, wenn ich allein bin.“

Was Naomi für ein Schläfer war, das war etwas, was er in der Tat Seraphim fragen konnte. Hatte er nicht eine Nacht neben ihr verbracht, hatte er sie nicht sogar im Arm gehalten? Wahrscheinlich war sie ein besonders ruhiger Schläfer, wahrscheinlich fügte sie sich einfach ihrem Mitschläfer an, zumindest würde sie dies vermuten, weil es auch sonst ihrer Art war, sich an die anderen anzupassen, um ihnen nicht unangenehm zu werden. Das war eben ihre Weise zu leben, ihre Weise andere für sich zu gewinnen, sie passte sich ihnen an, sorgte dafür, dass es keine andere Möglichkeit gab, als sie lieb zu haben, wie gerade jetzt. Dann allerdings sagte der Rotschopf etwas, was sie selbst überraschte. Er schlief auch schlecht, wenn er allein war? Sanft streichelte er dabei über ihren Kopf, ein wunderbares Gefühl, wenn einem jemand ganz sanft über den Kopf strich, es erinnerte sie an ihren Vater. Wenn sie über den nackten Oberkörper nach oben sah, dann konnte sie rote Haare sehen, so wie damals, als sie noch klein war. "Du erinnerst mich an jemanden Souta, die Wärme und die roten Haare, mein Papa ist genau so, doch er kann mir den Kopf nicht mehr streicheln, inzwischen streichel ich ihm den Kopf, wenn ich ihn besuche", das Kind hob den Kopf und sah in die Augen des anderen.
Das war nicht ihr Vater, es war Souta, der da vor ihr lag und dem sie nun gedankenverloren durchs Haar strich, während sie eine Melodie summte, die ihr bekannt vorkam, aber dennoch war sie nicht sicher, was für einen Ursprung sie hatte. Dann erinnerte sie sich an einen jungen Mann mit dunklen Haaren, der für sie sang, damit sie in warmen Federdecken ihre Ruhe fand. Eine warme, liebevolle Stimme, die sie sanft ins Reich der Träume schickte. Seit dem hatte es sich in ihre Erinnerung eingebrannt und ließ sie nicht los, weil auch dieser Mensch sich in ihre Erinnerung eingebrannt hatte. Leicht seufzte sie und blickte in den klaren blauen Himmel. Tief atmete sie ein, die Luft war erfüllt von diesem Sommergeruch und sie war so herrlich warm und angenehm, dass es sie fast vergessen ließ, wieso sie eigentlich mit Souta hier hergekommen war. Doch bei dem Anblick der weißen Wolken, die so aussahen wie das Haar ihres Freundes. Langsam ließ sie sich neben dem Rotschopf nieder: "Hast du schon mal das Gefühl gehabt, dass du etwas aufgeben musst, was du sehr magst, weil es sonst irgendwann nicht mehr das ist, was du so sehr geliebt hast?"

Souta stützte sich auf die Ellenbogen und erwiderte den Blick des blonden Mädchens mit einer Mischung aus Irritation und einstudierter Fröhlichkeit, die ihn lächeln ließ, bevor er darüber nachgedacht hatte, ob ihm wirklich nach Lächeln zumute war. Das war einer seiner antrainierten Reflexe, beinahe noch wichtiger als die einstudierten Bewegungsmuster, das Wissen darum, wie man die Hände positionieren musste, um jemandem die Luft abzudrücken, oder wie man jemanden so in den Bauch schlug, dass er Blut spuckte. Der Kettenmagier lächelte allen Dingen entgegen, auch diesem hier, selbst wenn er nicht genau wusste, wieso. Seine Brust zog sich schmerzhaft zusammen und für einen Moment zersprang sein Grinsen in eine erstarrte Miene, die sich ähnlich der braunen Augen Naomis gen Himmel richtete, aber hindurchblickte, ohne wirklich etwas zu sehen. Mit einem Vater verglichen zu werden war eine Sache, die ihm nicht sonderlich gefiel. Nicht nur, dass es eine Art latente Angst von ihm war, dass es vielleicht irgendwann in irgendeiner Ecke Fiores einen kleinen Souta geben könnte, von dem er nichts wusste und der möglicherweise ähnliche Vater-Komplexe wie er selbst entwickeln würde. Er selbst hatte keinen richtigen Bezug zu diesem Thema. Väter waren für den jungen Mann eine Notwendigkeit, etwas, was jedes Kind haben sollte, aber das schloss ihn selbst nicht wirklich ein. Er hatte nicht nur einen nie versiegenden Groll gegenüber seinem Erzeuger und ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, wenn er darüber nachdachte, denn damit kam er erwiesenermaßen klar, sondern eben auch die Gewissheit, dass er ein schlechter Vater sein würde, denn dafür war er zu egoistisch, zu kaputt und zu verantwortungslos. Wie kam Naomi darauf, ihn nach dieser kurzen Zeit bereits mit einer geliebten Person zu vergleichen? Souta wusste von seinem Effekt auf seine Mitmenschen, der zugegebenerweise nicht immer positiv, aber meistens intensiv war – doch dieses Mädchen schien ihm zu vertrauen. Es streichelte seine Haare und der Rotschopf reagierte darauf mit nichts als einem müdem Lächeln. Natürlich würde er ihr nichts davon erzählen, dass diese Worte geschmerzt hatten, weil er ungerne über dieses Thema nachdachte, besonders im Zusammenhang mit Blonden, es gab genau eine Person in Fiore, welche die Ehre erfahren hatte, dies zu erfahren, und die gab er nicht leichtfertig. Er mochte vertrauensselig und offenherzig sein, aber jeder hatte seine eigene Form der Scharade, oder nicht? Naomi implizierte, dass ihr Vater entweder chronisch krank oder nicht mehr da war, doch Souta würde auch diese Information nicht gegen sie verwenden. Er war nicht in der Position, eine Fremde nach persönlichen Schicksalsschlägen zu befragen und hielt sich normalerweise auch gegenüber Freunden davon fern, weil er selbst ungern darüber sprach und sich nicht vorstellen konnte, dass es jemanden gab, der damit liebend gerne hausieren ging. Er legte sich wieder ins Gras, dachte darüber nach, dass seine Haare von allen Leuten, die er traf, betatscht wurden, und verfolgte mit dem Blick eine große, flauschige Schäfchenwolke, die sich träge über den Himmel schob. Das Gras kitzelte auf der nackten Haut und die Sonne schien ihm auf dem Bauch, eigentlich war es ja ein wunderbarer Tag, und dennoch wurde Naomi ihm fast schon etwas zu philosophisch. Sie fragte ihn – ihn, von allen Personen, die sie fragen könnte – ob er schon einmal etwas aufgegeben hatte, was er geliebt hatte? Natürlich, hatte das nicht jeder? Was sollte er ihr darauf antworten? Er musste ihr antworten, da sie das wahrscheinlich irgendwie von ihm erwartete, also riss er sich zusammen, runzelte leicht die Stirn und schaute zu ihr hinab, wie sie neben ihm lag, irgendwie intim, aber nicht so aufdringlich, wie andere Menschen das vielleicht gedacht hätten. Souta hatte noch nie Probleme mit Körperkontakt gehabt. „Ich bin wahrscheinlich nicht der Richtige für diese Art von Fragen, Naomi“, meinte er ernst und kratzte sich verlegen an der Nase. „Weißt du, ich schätze meine Freiheit. Etwas zu lieben bedeutet immer, sich an etwas zu binden und sich verletzlich zu machen. Die meisten würden dir wohl sagen, dass es der ultimative Liebesbeweis ist, etwas gehen zu lassen, weil du es liebst, aber ich denke nicht, dass es so läuft. Liebe sollte bedingungslos sein, findest du nicht?“ Er schaute wieder zu den Wolken hinauf und verzog das Gesicht nachdenklich. „Viele Menschen haben Angst, sich jemanden zu öffnen und sich verletzlich zu machen, Angst vor dem Leben, und ich bezweifle, dass es die eine große Liebe gibt, du weißt schon, wie in Büchern, eine schicksalshafte Begegnung und ein Happy-End. Ich denke, Liebe ist nicht das Glitzern von rosa Sternchen oder sowas Kitschiges … Ich weiß nicht, ob ich eine derartige Art von Liebe haben will, weißt du. Das ist alles so kompliziert und so nervtötend. Ich sehe das als eine Person, die mir die Angst nimmt, die mir zuhört, und die mir das Gefühl gibt, dass ich etwas wert bin, auch wenn ich selbst vielleicht nicht so denke, und … na ja … Wenn du sojemanden gefunden hast, der dich annimmt, wie du bist, mit all deinen Schwächen, wieso sollte er jemals etwas werden können, dass du nicht mehr lieben kannst? Wenn ich jemanden lieben würde, dann könnte er – also, der jemand – sich wahrscheinlich verändern, wie er wollte, weil man in meinen Augen entweder ganz drin oder ganz draußen ist, verstehst du?“ Wahrscheinlich nicht, er wusste selbst nicht, was er da palaverte, aber vielleicht würde es ja helfen, die Frage des Mädchen zu beantworten. Oder sein Monolog hatte sie mit etwas Glück eingeschläfert, dann mussten sie nicht mehr über solchen Gefühlskram reden. Das überforderte ihn nämlich ein bisschen …

Scheinbar hatte er sich dazu entschieden ihr zu antworten und diese Antwort fiel sogar sehr umfangreich aus. Mehr als sie erwartet hatte, aber das machte die Sache nicht besser. Als seine Stimme verstummt war, kicherte sie leise: "Es hört sich so einfach an, wie du das gesagt hast Souta-kun." Das Mädchen setzte sich auf: "Ich liebe diesen Menschen, bedingungslos. Mit all seinem Sadismus und der Qual, die für mich darin vorhanden ist. Doch er liebt mich nicht. Bin ich doch körperlich nur ein kleines Mädchen. Wenn ich irgendwann man den Körper eines Erwachsenen habe, dann kann ich auf eine Liebesnacht hoffen, aber es ist irgendwie vermessen, es Liebesnacht zu nennen, denn danach bin ich nicht mehr wert, ein gekauter Kaugummi. Die Frage jedoch ist, ob ich jemals mehr war als ein Spielzeug, aber ich will diese Frage gar nicht beantwortet sehen, weil die Wahrheit mir Angst macht." Seufzten ringelte sie sich eine Haarsträhne um den Finger und zuckte dann mit den Schultern, "Ich kann schon sagen, ich wäre ihm nicht egal, aber zwischen nicht egal und besonders wichtig liegt eine riesige Kluft, die ich nicht überwinden kann, ich nicht", nun sah sie Souta an, "Aber du schon und dafür beneide ich dich, aber es hilft mir nicht." Das Kind erhob sich auf die Beine.
Es war Zeit diesen Ort zu verlassen und Masaru zu suchen. Die Person zu verlassen, welche ihr ohne zu wissen den Menschen genommen hatte, den sie eigentlich so sehr für sich behalten wollte. Aber was war schon der Wunsch eines kleinen Mädchens, gefüttert mit dem Egoismus, dass man Liebe für sich selbst beanspruchen konnte. "Ich höre zwar nicht auf ihn zu lieben, aber ich muss versuchen es zu vergessen. Einfach, da ich ihn in der letzten Zeit gar nicht mehr zu Gesicht bekomme. Doch das ist wohl auch gut so. Die Prinzessin wird sich jetzt in ihr Schloss begeben, die Drachen warten schon. Sag meinem Engel schöne Grüße von mir, ich kann bald fliegen." Dass das Letzte für Souta wahrscheinlich keinen Sinn machte war in diesem Kontext egal. Allerdings hatte er sie auf etwas hingewiesen, was ihr bisher entgangen war. Es gab jemanden der ihr in der Tat die Angst nahm, ihr zumindest relativ gut zuhörte und nun gut, das Gefühl von Wert kam dadurch. Auch wenn sie jetzt noch nichts davon ahnte, dieses Gefühl sollte sich bald erheblich verstärken, nur Umständen, die sie sich jetzt noch nicht vorstellen konnte. "Leb wohl Souta-kun, du wirst sicher bald der einzige Rotschopf in Oshibana sein, vor dem ich keine Panik habe. Ich danke dir für den wundervollen Vormittag, pass gut auf Seraphim auf, ja?"
Das Kind machte sich auf seinen Weg.