Dieser Fettwanst war einfach unmöglich! Dieses Mädchen - Freya glaubte, dass sie Miu oder so hieß - entschuldigte sich sogar bei ihm für Freyas Verhalten, obwohl das nicht einmal nötig war, da sie überhaupt nichts getan hatte. Dieser jedoch besaß auch noch die Frechheit nicht nur Freya zu beleidigen, sondern auch Mius Pelikan zu verhöhnen und ihn als scheiße zu bezeichnen. Jedoch ließ er laut verlauten, wie sein Name war. Hodor... Im Hintergrund von Mius und seinem Streitgespräch konnte man ein leises Glucksen vernehmen, denn dieser Name war unglaublich bescheuert. „Was ist Hodor denn für ein dummer Name? Soll ich mal mit deiner Mutter reden, denn sie scheint eindeutig Schuld an deinem Schicksal zu sein.“ Es war jedoch egal, was Freya momentan sagte, denn die beiden schienen sie eh nicht zu hören, so sehr waren sie in ihr Gespräch vertieft. Wie war das? Weil Freya sie beschützt hatte, versuchte sie nun dasselbe? Irgendwie ja schon rührend, allerdings konnte Freya im Gegensatz zu der komischen kleinen Göre von vorhin auf sich selbst aufpassen und brauchte keine Bodyguards. Doch auch das nun einzuwerfen würde wohl nichts bringen, da der Fettkloß sich schon über Freyas neue Freundin - konnte man sie denn so nennen? Nun, Freya tat es einfach - hermachte, diese hatte allerdings wieder einmal ihr Schwert gezückt und zeigte beachtliche Kunststücken damit, für die Freya gar keine Zeit hätte, wenn sie selbst kämpfen würde. Durch irgendein Manöver schaffte sie es dann tatsächlich, dass der Fetti seine Waffe fallen ließ und kurz zurückzuckte. Was die weißhaarige Magierin dann sagte, machte für Freya jedoch gar keinen Sinn: Ace-Magierin? Was war ein Ace-Magier? War sie Kartenspielerin? Aber sie schien stark zu sein! Ob sie auch einmal gegen Freya antreten würde? Sollte sie einfach mal fragen? Irgendwie war für Gespräche in dieser Situation keine Zeit, denn wann immer sie etwas sagte, konnte gerade niemand zuhören oder sie ließ es gleich gänzlich bleiben. So auch diesmal, denn anstatt weiterzukämpfen, packte Miu Freyas Pranke und zog sie hinter sich her, den ganzen Weg durch die Stadt bis zu einer gammeligen Hütte, die etwas abseits der Stadt lag. Nun ließ Miu auch endlich los und Freya konnte ihre Fragen stellen, die ihr schon seit dem Kampf mit Hodor auf der Seele brannten.

„Was ist ein Ace? Sind das spezielle Magier? Sind die stark?“ Mit ein wenig Mana beschwor sie die Fäuste aus ihrer Taschendimension. Freya wollte doch gern mal sehen, was so ein Ace alles fertig brachte, denn auch sie war auf den Bluff hereingefallen, jedoch war sie so blöd, dass sie freiwillig gegen eine solche Macht antreten wollte. „Lass mich mal testen, was die so aushalten!“ Sie war einfach eine typische Fairy Tail Magierin. Immer mit dem Kopf durch die Wand, andernfalls könnte man etwas friedlich lösen und wer wollte das schon? Aber Miu hatte sie sicherlich nicht umsonst so weit hinausgelockt, wenn sie nicht auch gegen Freya kämpfen wollte.

Nach einigen Minuten hatten die beiden Magierinnen den Weg durch die wie leer gefegte Stadt und den dahinter liegenden Wald hinter sich gebracht. Mius Herzschlag beruhigte sich wieder, denn sie bezweifelte stark, dass Hodor die beiden Mädchen bis zu ihrer Hütte verfolgen würde. Und da niemand wusste, wo Miu lebte, würde er auch von niemandem an ihre Adresse kommen. Stumm trat die junge Kamui mit Freya an ihrer Seite durch das letzte Stück dichten Dickichts, ehe sie kurz darauf die kleine Hütte vor dem hell leuchtenden Mond aufragen sah, welche sie erst vor kurzem renoviert und wieder hochgezogen hatte. Dafür, dass sie eigentlich keinerlei Erfahrung mit derlei handwerklichen Dingen hatte, war sie auf ihre Arbeit doch mächtig stolz und sie war sich sicher, ihre Begleiterin würde das genauso sehen. Noch ehe Freya etwas sagen konnte, deutete Miu den weiteren Weg an, indem sie voran ging und rasch die hölzerne Brücke überquerte, die einen trockenes Geleit über den kleinen Bach ermöglichte. Endlich ein wenig Ruhe..., dachte sich die Schwertkämpferin und sah sich vor ihrem geistigen Auge bereits mit einer Tasse Tee vor dem warmen Kamin sitzen, doch wurde sie umgehend aus ihren gemütlichen Gedanken gerissen, als sie die Stimme ihrer neuen Bekannten hinter sich ertönen hörte. Miu war gerade sicher auf der anderen Seite des Ufers angekommen, als sie sich mit zusammengezogenen Augenbrauen umwandte und ihren Blick über die neugierige Miene von Freya schweifen lies. War das ein Scherz? Eigentlich sollte es doch weithin bekannt sein, dass die stärksten Magier der Gilde Lamia Scale den Titel 'Ace' trugen, um ihre wichtige und besondere Stellung innerhalb der Gilde zu untermauern. Nicht, dass Miu irgendwann auch nur einen davon zu Gesicht bekommen hatte, aber das spielte ja auch keine Rolle. Der Name selbst sollte trotzdem jedem geläufig sein, zumindest jedem der sich, warum auch immer, in Hosenka Town aufhielt. Aber wie so oft an diesem Abend überraschte Freya sie, auch wenn bisher nur die wenigsten Überraschungen positiver Natur gewesen waren. War Freya wirklich eine Gildenmagierin? So weit die Kamui wusste, hatten alle Gilden irgendein Ränge-System und auch wenn dem fremden Mädchen der Name 'Ace' nichts sagte, so müsste es doch klug genug sein, um auf den Sinn hinter dieser Bezeichnung zu kommen. Miu öffnete ihren Mund, um dieses Missverständnis aufzuklären und Freya die Bedeutung hinter dem Titel näher zu bringen, doch blieb der Kiefer der Schwertkünstlerin einfach nur in purem Erstaunen weit offen stehen, als sie mit ansah, wie ihre Gesprächspartnerin zum zweiten Mal an diesem Abend ihre enormen magischen Metallfäuste wie aus dem Nichts heraufbeschwor.

Ist sie eigentlich wahnsinnig?, hallte es entsetzt im Kopf des jungen Mädchens wieder und Miu fragte sich tatsächlich, ob es ein Fehler gewesen war, sich auf Freya einzulassen. Wieso hatte sie nicht die Chance ergriffen abzuhauen, als Hodor sich ein weiteres Mal auf die Magierin stürzen wollte? Dann wäre sie aus dem Schneider gewesen... aber dafür war es jetzt zu spät. Die Kamui erinnerte sich lebhaft daran, was diese Fäuste mit der letzten Hauswand angestellt hatten, die ihnen zu nahe gekommen war, weswegen Miu es nicht riskieren wollte das energische Mädchen in dieser Form auch nur einen Schritt näher an ihr Zuhause heran zu lassen. Mit leicht erhobenen Armen machte Miu langsam einen Schritt nach vorne auf Freya zu und versuchte sie damit ein wenig zu beschwichtigen. Aus der Nähe betrachtet sahen die gigantischen metallenen Fäuste noch eindrucksvoller aus und die Lamia Scale-Magierin fragte sich, wie um Himmels Willen ein so kleines Wesen etwas derart schweres tragen und hoch heben konnte. "Hör' mal...", fing Miu an und schaute Freya dabei direkt in ihre Augen. "Ich bin gar keine Ace-Magierin. So bezeichnen wir bei uns in Lamia Scale die stärksten Magier der Gilde. Ich wollte den Typen von vorhin nur ein wenig einschüchtern, verstehst du?". Das war eine ernst gemeinte Frage, denn inzwischen wusste Miu nicht, wie sie die Auffassungsgabe ihrer Gegenüber einschätzen sollte. Nichtsdestotrotz wartete das Mädchen keine Antwort ab, sondern setzte ihre Beschwichtigungsrede gleich weiter fort. "Ich glaube, wir beide haben heute schon genug gekämpft, findest du nicht auch? Komm' doch lieber mit zu mir in meine Hütte, dann können wir uns ein wenig... unterhalten", erklärte Miu und begutachtete bei ihrem letzten Wort noch einmal zweifelnd die Kampfwerkzeuge von Freya aus nächster Nähe. Diese überlangen und massiv wirkenden Finger machten nicht den Eindruck, als ob sie eine Tasse oder irgendetwas anderes, das kleiner war als ein Baum, gefahrlos berühren und umfassen konnten. "Und ich glaube, diese Dinger brauchst du dort drinnen nicht...", fügte Miu an, konnte jedoch nicht mehr gegen ihre Neugier ankämpfen und legte sanft ihre Hände auf die riesigen Metallfäuste. Wie zu erwarten gewesen, waren sie sehr kalt, auch wenn sich Miu kurzzeitig gefragt hatte, ob die Magie, die höchstwahrscheinlich durch sie hindurch strömte, sie vielleicht von innen heraus erwärmte. Wenig überraschend machte die magische Waffe auch einen äußerst massiven Eindruck und die Härte der metallenen Finger lud nicht gerade dazu ein, Freya in dieser Form die Hand zu schütteln. Wie es wohl war, damit zu kämpfen? Allerdings ersparte sich Miu diese Frage, immerhin wollte sie in Freya keine falschen Ideen aufkommen lassen. Stumm blickte sie nun wieder von den Metallfäusten der Magierin auf und schaute ihr in die Augen und hoffte auf eine friedliche Antwort. Andernfalls wusste Miu nicht, was diesen Abend noch passieren würden.

Sie war gar keine Ace Magierin? Wieso log sie denn unschuldige Leute an? Also bei dem dicken Kloß konnte sie es ja verstehen, aber sie hatte auch Freya angelogen, wenn auch nur für kurze Zeit, wie sollte sie denn so Vertrauen zu ihrer neuen Freundin aufbauen? Kleinlaut murmelte sie in ihre Kapuze: „Das baut aber nicht gerade Vertrauen für unsere Freundschaft auf, wenn du mich jetzt schon anlügst.“ Aber Freya sah ein, dass sich ein Kampf nicht lohnen würde, wenn sie kein Ace war und damit vielleicht sogar noch schwächer war als Freya. Sie verprügelte schwächere Menschen nur dann, wenn sie es verdient hatten, wie diese Gruppe von Rotzlöffeln, die sie nicht nur bespuckt, sondern auch noch als Kerl bezeichnet hatten. Resigniert ließ sie die Fäuste sinken und kurze Zeit später wieder in der Taschendimension verschwinden. „Nun, dann gehen wir einfach rein und du zeigst mir die komische Hütte da. Gehört die irgendwem? Sieht ja aus, als wenn es bei Regen reintropfen würde.“ Freya war... so gefühlvoll, so nett, so... unglaublich asozial. Diese unglaubliche Art zeigte sie auch im nächsten Akt ihrer Vorführung „Wie vergraule ich Menschen in unter einer Stunde?“ und trat mit dem Fuß die Tür auf, woraufhin sie rief: „Ojama shimasu!“. Wie es sich für einen höflichen Hausgast eben gehörte. Jedoch antwortete ihr niemand und nun wandte sie sich an Miu. „Du... Dort ist niemand zuhause.“ Und nun, nachdem sie so Anlauf genommen hatte, um dann mit einem glanzvollen Hechtsprung direkt ins Fettnäpfchen zu springen, rieselte es ihr wie Schuppen von den Augen. „Das... ist deine Hütte, nicht wahr?“ Nun, sie hatte sie als komisch bezeichnet, die Tür eingetreten, noch was? Dann war das für Freyas Verhältnisse ja sogar recht human und man sollte ihr eher danken! „Nun, ich denke wir sollten hinein gehen, es sieht nach Regen aus.“ Eine geschickte Ablenkungstechnik, denn Miu würde sicherlich nicht mitbekommen, dass man es kaum erkennen konnte, so dunkel wie es mittlerweile geworden war. Als auch Miu eingetreten war, versuchte sie die Tür auch schon wieder einzuhängen und konnte erleichtert feststellen, dass sie nur aus den Angeln gesprungen war und sich leicht wieder einhängen ließ. „Wie neu. Nichts zu danken.“ Da Freya annahm, dass sie sich fühlen sollte wie zuhause, flätzte sie sich auch schon in die nächstbeste Sitzgelegenheit. „Du hast die Wohnung hier echt schön eingerichtet. Meine Wohnung ist eher karg, aber ich bin auch so gut wie nie dort. Wo hast du die Gardinen her?“ Ob Miu sie nun hassen würde? Man konnte gespannt bleiben.

...Freundschaft?

Zwar fühlte sich Miu geschmeichelt, dass Freya davon ausging, dass dieser Abend so etwas wie der Beginn einer wunderbaren Freundschaft war, allerdings spielte die Schwertkämpferin augenblicklich noch nicht einmal mit dem Gedanken, die fremde Gildenmagierin irgendwie in ihr Leben zu lassen. Die Höflichkeit gebot es ihr, Freya für ihre Unterstützung vorhin zu danken, allerdings hatte Miu keinen Zweifel daran, dass sie das Mädchen nach diesem Abend nie wieder sehen würde. Vor allem, da Freya offenbar nicht aus Hosenka Town zu stammen schien. Allerdings ersparte sich Miu einen Kommentar und war froh, dass Freya tatsächlich ihre überdimensionalen Metallfäuste wieder verschwinden ließ. Innerhalb weniger Sekunden schwenkte die Stimmung jedoch komplett um, als Mius Gast sich plötzlich daran machte, sich der kleinen Hütte zu nähern - wenn auch nicht ohne vorher eine abfällige Bemerkung zu ihr zu machen. Zwar würde Miu das nicht zugeben, aber es kam tatsächlich ab und an vor, dass es rein regnete, zumindest wenn der Wind so stark war, dass er die Dachziegel mit sich fort riss. Allerdings bezweifelte die junge Kamui, dass ihre Gesprächspartnerin das im Dunkel der Nacht tatsächlich so genau erkannt hatte... vermutlich war das einfach Freyas Art zu sagen, dass die Behausung in ihren Augen nichts besonderes war. Kein Wunder..., ging es Miu durch den Kopf, während sie Freya folgte, die zielstrebig auf ihre Haustür zusteuerte, ...keine Konstruktion aus Holz ist für eine Rabaukin wie dich stabil genug!. Allerdings konnte die Lamia Scale-Magierin diesen Gedanken nicht mehr weiterspinnen, da sie mit ansehen musste, wie Freya plötzlich ganz unverhohlen und ohne Zögern ihre Tür auftrat! Was sollte das? Mit halb offenem Mund stand das Mädchen nur da und fragte sich, was hier los war. Erst, als Freya ihr erklärte, dass da drinnen wohl niemand lebte, fiel es Miu wie Schuppen von den Augen. Und auch ihre Gesprächspartnerin verstand wenig später. Wie blöd ist dieses Mädchen eigentlich?, hallte es wutentbrannt im Kopf von Miu wieder und sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Warum hätte sie Freya denn sonst hierher zerren sollen, wenn es sich dabei nicht um ihr Zuhause handelte? Dem Mädchen fehlte eindeutig jedweder gesunde Menschenverstand! Doch noch bevor Miu ihren Unmut zur Sprache bringen konnte, wurde sie von ihrer Begleiterin aufgefordert, sich in das Innere der Hütte zu begeben. Ohne auf Miu zu warten, ging Freya schon einmal voraus, während die Kamui kurz nach oben schaute und die Luft einsog. "Es wird nicht regnen...", murmelte sie kaum hörbar und fragte sich, wie ihr Gast auf diese abstruse Idee gekommen war. Die Luftfeuchtigkeit war niedrig, es fehlte der typische Geruch, der vor jedem Regen hier im Wald aufkam und auch die Form der Wolken entsprach nicht der von üblichen Regenwolken. Miu wusste das alles, weil sie Tag ein Tag aus in der freien Wildbahn hatte leben müssen. Aber das war ja auch egal, sie sollte lieber nachsehen, dass Freya nicht noch mehr kaputt machen würde... auch wenn sie immerhin so freundlich war, ihre Tür wieder einzuhängen.

Ungefragt pflanzte sich Freya auf die nächstbeste Sitzgelegenheit, in diesem Fall das Gästebett im großen Wohnzimmer in der unteren Etage. Da Miu nicht den Drang verspürte, sich neben das Mädchen zu setzen, würde sie auf einem der hölzernen Stühle, nicht weit vom steinernen Kamin Platz nehmen. Doch davor wollte sie noch ein paar Vorbereitungen treffen. Während Freya anfing Small-Talk zu betreiben, machte sich die Schwertkünstlerin daran, eine Kanne Tee, die noch vom Vormittag auf dem Sims über dem Kamin stand, wieder aufzuwärmen. Da Miu immer eine leichte Glut glimmen ließ, brauchte sie nur ein paar Holzscheite nachzulegen, um innerhalb weniger Minuten ein neues Feuer zu entfachen. Als die Flamme einigermaßen akzeptabel vor sich hin brannte, hing Miu die Kanne Tee in eine Halterung ein, die einige Zentimeter über dem höchsten Punkt der aufpeitschenden Flammen lag. Somit würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis der Tee wieder warm genug war, um ihn ihrem Gast anzubieten. "Die Gardinen habe ich selbst gemacht...", antwortete Miu gelassen, als sie mit ihrer Prozedur zu Ende war. Zwar würde die Freyas Meinung zu ihnen interessieren, aber irgendetwas sagte ihr, dass das Fazit des Mädchens wohl nicht positiv ausfallen würde. "Aber sie helfen nicht viel. Im Sommer strahlt die Sonne schon früh am Morgen durch das Fenster und der Stoff ist zu dünn, um es hier drinnen dunkel zu halten. Deswegen habe ich mein Schlafzimmer inzwischen nach oben verlegt...", erklärte Miu weiter, während sie für Freya und sich selbst schon einmal zwei Tassen zurecht stellte. Wieso erzählte sie das eigentlich? Miu sollte aufhören, so viel von sich zu erzählen und lieber anfangen, ein bisschen über Freya herauszufinden! "Aber genug von mir...", setzte Miu an und nahm die inzwischen aufgewärmte Kanne Tee wieder von der metallenen Halterung. "Was hast du heute in Hosenka Town gemacht? Du kommst nicht von hier, nicht wahr? Aus welcher Gilde stammst du? Wieso bist du so gut wie nie Zuhause? Wo wirst du heute übernachten?", überschüttete Miu ihren Gast regelrecht mit einem Sturm aus Fragen. Sie hoffte, dass sie nicht unhöflich war, allerdings war ihr das bei einem Menschen wie Freya schon fast egal. Sie bezweifelte stark, dass sie bei dem Mädchen ihre besten Manieren an den Tag legen musste. Trotzdem schenkte sie etwas heißen Tee in beide Tassen ein, ehe sie eine davon ihrer Gesprächspartnerin anbot. "Hier, für dich. Pass nur auf, dass du nichts verschüttest. Und Vorsicht, er ist heiß...", fügte Miu an, weil eine Stimme in ihrem Inneren ihr sagte, dass sie Freya vielleicht doch auch auf etwas so offensichtliches hinweisen musste. Stumm setzte sich die Kamui wieder an den Holztisch, der ein wenig von Freya entfernt stand, während sie auf die Antworten des Mädchens wartete und dabei ihren Raben Zero beobachtete, der es sich auf dem Rand des Gästebetts gemütlich gemacht hatte und wiederum Freya beobachtete.

Die Gardinen waren also selbstgemacht? Nun, ein Mädchen in diesem Alter, was lieber Gardinen nähte, als mit Freunden halbe Städte zu zerstören konnte man wohl nur als eines bezeichnen - PFLEGEFAAAAALL! Sollte Freya ihr das vielleicht gleich so ins Gesicht sagen? Nein, lieber nicht, irgendwie hatte sie sowieso die leise Vorahnung, dass sie hier nicht sonderlich beliebt und willkommen war, auch wenn sie diese Ahnung gekonnt ins hinterste Eckchen ihres Verstandes schob und sich selbst unbewusst einredete, dass sie schon engste Freunde waren. Ihr Schlafzimmer war also oben? Gleich mal nachschauen, doch.. Nun fragte sie unangenehme Fragen über Freyas Herkunft und Blablabla! Interessierte sie es denn wirklich so sehr? Jeder wusste doch, dass Freya ungern etwas von sich preisgab, aber gut, solch triviale (ja, Freya lernte noch immer fleißig aus ihrer „Abendlektüre“) Dinge konnte man ja gut und gern erzählen und dadurch Miu gleich warnen, was für grausame Schurken in Hosenka Town herumliefen. „Ich wollte baden. Doch die komische Schabracke am Empfang wollte mich nicht hereinlassen, weil ich zu jung aussah.“ Allein bei dem Gedanken ballten sich vor Wut ihre Fäuste und zerknüllten das Laken von Mius Gästebett auf welchem sie sich niedergelassen hatte. „Dann traf ich zwei unglaublich unhöfliche Miststücke aus Lamia Scale, die wohl dachten, dass sie was besseres sind.“ Valenta? Sinikka? Irgendwie so... „Vielleicht kennst du die beiden ja. Valenta und Sinikka, schließlich seid ihr ja in der selben Gilde.“ Noch mehr Fragen? War sie hier bei einem Verhör? „Weil ich als erfolgreiche Magierin viel unterwegs bin und zu tun habe.“ Die Frage der Gilde übersprang sie gekonnt, da sie diese Info nicht jedem Fremden auf die Nase band, auch wenn das kleine Mädchen mittlerweile einer kleinen Schwester glich, die noch so viel von Freya lernen konnte. Die letzte Frage jedoch beantwortete sie mit einem schlichten: „Hier.“, und deutete dabei auf das samtweiche Bett.

Etwa zeitglich mit dem Ende des Kreuzverhörs wurde ihr auch endlich etwas zu Trinken gereicht, nachdem sie hier schon seit geschlagenen unzähligen Minuten auf dem Trockenen saß. „Danke.“ Und noch vor Mius Warnung nahm sie einen gewaltigen Schluck und bereute sofort, dass sie nicht die Dampfschwaden beachtet hatten, die aus dem Becher aufgestiegen waren. Kleine Bläschen bildeten sich am Gaumen und Tränen schossen in ihre Augen. „Wow, der ist echt... supergut.“, sagte sie mit kratziger Stimme, da ihr für einen kurzen Moment das Reden schwer viel. Nun, wenigstens war der Part nicht gelogen, da er trotz der enormen Hitze vorzüglich mundete. Nun bemerkte Freya auch noch, dass sie mit wachsamen Argusaugen von Mius Papagei beobachtet wurde. „Ooooh, dein Papagei schaut mich an, Miu. Kann er ‚Polly will einen Keks.‘ sagen? Kannst du das?“, nun wandte sie sich direkt an den merkwürdigerweise gar nicht bunten Papagei. „Polly will einen Keks? Kannst du ‚Wallstreet‘ sagen? ‚Waaaalstreeet‘?“ Ob es Freya peinlich sein würde, wenn sie jemals herausfinden würde, dass sie sich komplett zum Idioten machte? Bestimmt nicht, aber das würde wohl bis zur nächsten Folge von „Freyas fulminanten Fabeln“ warten müssen.

Stumm nippte Miu an ihrer Tasse Tee und beäugte ihre Gesprächspartnerin, während sie eine Frage nach der anderen beantwortete, die ihr gestellt worden waren. Allerdings kam die junge Kamui nicht umhin zu bemerken, dass Freya eine ganz bestimmte - und in ihren Augen ziemlich wichtige - Frage ausgelassen hatte. Wieso sagt sie mir nicht, aus welcher Gilde sie kommt?, überlegte Miu und verengte ihre Augenbrauen ein klein bisschen, da ihr das doch ein wenig seltsam vorkam. Sollte ein Magier nicht stolz auf die Gilde sein, der er angehörte? Und deren Namen voller Inbrunst zum besten geben? Aber Freya schien kein Interesse daran zu haben zu offenbaren, woher sie stammte. Seltsam, aber Miu war nicht die Sorte Mensch, die auf Teufel komm raus nach haken, bis sie alle Informationen bekommen haben, die sie wollten. Sie selbst hatte mehr als genug Dinge in ihrem Leben, die sie zu verbergen versuchte und diese Recht räumte sie auch Fremden ein. Nichtsdestotrotz war die Schwertkämpferin nicht allzu begeistert davon, dass Freys dermaßen über ihre Kollegen aus Lamia Scale herzog. Zugegeben, sie kannte bisher nur ein einziges Mitglied aus der Gilde, aber sie bezweifelte stark, dass das Mädchen tatsächlich einen echten Grund dazu hatte, so über diese Valenta und Sinikka herzuziehen. Aber das tat jetzt nichts zur Sache. Tatsächlich gab es andere Dinge, die Freya zu Wort gebracht hatte, die in Mius Augen viel wichtiger waren und nun ihrer Aufmerksamkeit bedurften. Verdutzt hatte sie beispielsweise feststellen müssen, dass Freya tatsächlich vor hatte hier zu übernachten. Auf ihrem Gästebett! Miu wusste nicht wieso, doch irgendwie behagte ihr dieser Gedanke nicht wirklich und ihr wurde etwas mulmig zumute. War es, weil sie das fremde Gildenmitglied nach wie vor kaum kannte? Oder lag es daran, dass sie wusste wie einfach das Mädchen Häuserwände zum Einsturz bringen konnte? Oder... oder lag es daran, dass Miu nach wie vor keinem Menschen auf der Welt vertraute? Vermutlich eine gesunde Mischung aus alle drei Faktoren. Sollte sie Freya darauf hinweisen, dass sie mit der Idee nicht einverstanden war? Oder war es vielleicht besser, sie einfach zu vergraulen? Immerhin schien die Kleine ja ziemlich schnell beleidigt zu sein und nahm viele Dinge sehr persönlich. Es wäre sicherlich nicht schwer, Freya wütend zu machen. Aber irgendetwas sagte der Kamui, dass Freya daraufhin nicht einfach gehen würde, sondern ihre Wut vielmehr an ihrem Zuhause auslassen würde und darauf hatte Miu wahrlich keine Lust. Ein leises Seufzen kam ihr über die Lippen, als sie mit ansah, wie ihr Gast sich plötzlich Zero zuwandte und sich anfing mit ihm 'zu unterhalten'. Da Miu wusste, dass ihr Freund das nicht allzu lange mitmachen würde, entschied sie sich dazu Freyas Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen.

"Nein, er kann nicht reden, auch wenn ich keine Sekunde daran zweifle, dass er ganz genau versteht was wir sagen...", fing sie an und stellte ihre inzwischen halb geleerte Tasse auf den hölzernen Tisch neben ihr. "Außerdem ist er kein Papagei, Schwan oder sonst was, er ist ein Rabe. Oder eine Krähe, falls dir der Begriff geläufiger ist...", fügte Miu hinzu, die nicht abschätzen konnte in wie fern Freya mit diesen Bezeichnungen nur Spaß machte oder tatsächlich ein wenig... unwissend war. "Sein Name ist übrigens Zero. Und er mag keine Fremden...", fuhr die Schwertkünstlerin fort und wie zur Untermalung ihrer Worte, erhob sich der Vogel nun in die Lüfte und war Sekunden später auf dem hohen Kleiderschrank angekommen, in sicherer Entfernung zu Freya und hoch genug, um alles im Blick behalten zu können. "...und ich auch nicht". Die Worte waren über Mius Lippen gekommen, ehe sie sich wirklich sicher war, ob sie so ehrlich sein sollte. Ihr Blick war starr auf Freya gerichtet und sie überlegte, ob die das Mädchen mit dieser Aussage vielleicht gekränkt hatte. Aber so, wie sie Freya bisher einschätze, hatte sie diese Anspielung vermutlich nicht einmal verstanden. Sollte sie deutlicher werden? "Wieso willst du hier übernachten? Als 'erfolgreiche Magierin' kannst du dir doch sicher eine bessere Unterkunft leisten als diese hier. Außerdem gehöre ich einer anderen Gilde an... und bisher scheinst du unseren Mitgliedern ja nicht allzu freundlich gegenüber zu stehen. Also, warum möchtest du hier bleiben?". Es war merkwürdig. Anfangs hatte Miu noch vorgehabt Freya durch ihre Wortwahl zu verscheuchen, doch als sie am Ende ihrer Frage angekommen war, war sie tatsächlich neugierig auf die Antwort ihrer Gesprächspartnerin. Zwar bezweifelte sie, dass es eine Antwort gab, die sie umstimmen konnte, aber trotzdem wollte sie wissen, weswegen Freya überhaupt mit dem Gedanken spielte hier zu bleiben. Miu selbst würde niemals bei irgendeinem Fremden übernachten, zumindest nicht freiwillig. Gespannt wartete sie auf die Antwort ihres Gastes ab und leerte nebenbei den letzten Rest ihres Tees, ehe dieser anfing zu sehr abzukühlen.

Eine... was? Krähe? Rabe? Bullshit, was sollte das sein? Nur weil sie im Wald lebte, brauchte sie keine Tiernamen erfinden. Der Papagei flog zickig von dannen, während er sich auf dem Schrank niederließ und sie weiterhin anstarrte. Das Gespräch, welches sie bis eben sogar noch als normal bezeichnet hätte, nahm jedoch genau jetzt einen hässlichen Wendepunkt. Freya war für gewöhnlich ja recht einfältig und las die Stimmung eines Gesprächs wie ein Buch in nordkantonesisch, aber hier erkannte selbst sie, dass sie höchst unerwünscht war. Sie mochte also keine Fremden, na und? Wie wollte sie jemals Freunde finden, wenn sie das tat? Auch ihre Gildenkollegen, die sie scheinbar minimal mehr mochte, waren allesamt Fremde, oder kannte sie jeden einzelnen davon? Auch Freunde, wenn sie denn welche hatte, waren dies mal gewesen. Aber gut, wenn sie es denn so wollte, würde sich Freya hier nicht einnisten, wenn sie als ein derartig bösartiges Geschwür im Haushalt angesehen wurde. Freya stellte also ihren Becher auf einen Nachttisch, hüpfte vom Bett und schritt zur Tür, die sie noch vorhin aus den Angeln getreten hatte. „Nun, auch ich merke, wenn ich unerwünscht bin, also brauchst du dir keine Mühe mehr geben. Ich dachte, dass wir Freunde wären, nachdem wir den Dicken vertrieben hatten, aber ok. Du wirst nie Freunde finden, denn auch diese sind irgendwieund irgendwann mal Fremde. Machs gut.“ Als sie die Tür aufsperrte platschte ihr auch schon der Regen ins Gesicht.

„Es wird nicht regnen...“, wiederholte sie leise die Worte, die die weißhaarige Baumfrau noch vorhin gesagt hatte. Dann tat sie den ersten Schritt nach draußen und knallte die Tür hinter sich zu. Ein greller Blitz erhellte unweit von ihr den Wald und offenbarte somit quasi gar nichts, weil Freya nicht mehr wusste, von wo sie überhaupt gekommen war. Bei James wäre das nun einfach gewesen, sie hätte kurz hier gewartet, dann wäre er herausgestürmt, weil er dachte, er hätte sie verletzt, allerdings war die komische Olle in der Bruchbude wohl kaum so mitfühlend, wenn sie ja keine Fremden mochte. Die Kapuze fest über den Kopf gedrückt, machte sich die tapfere Freya auf in die weite Wildnis, natürlich in die völlig falsche Richtung, irgendwann würde sie jedoch auch dort auf irgendeine Zivilisation treffen. „Scheiß Lamia Scale...“, murmelte sie fluchend. Scheinbar war die Freundschaft wirklich nichts anderes als ein lustiges Gefühl, welches von irgendwelchen Rezeptionen (Frya konnte sich nie sonderlich gut schwere Begriffe merken) ausgeströmt waren, so jedenfalls hatte sie es in einem Wissenschaftsbuch gelesen, welches sie aus Versehen gegriffen hatte. Alle ließen sie nach und nach im Stich, erst ihr Lehrmeister, dann verschwand Berry wieder ohne ein Wort und nun muckte auch noch die Assitante im Wald herum. Schöne Bescherung. Nun, wer nicht wollte, der hatte wohl schon.

Wie zu erwarten reagierte Freya trotzig, anstatt die Frage der jungen Kamui zu beantworten. Regungslos beobachtete Miu, wie das kleine Mädchen sich daran machte, ihr kurz die Leviten zu lesen, ehe sie sich dazu entschloss die hölzerne Hütte zu verlassen und die Lamia Scale Magierin zurück zu lassen. Als die Tür laut hinter Freya ins Schloss fiel, stieß die Weißhaarige einen resignierten Seufzer aus und schloss kurz ihre Augen. Eigentlich sollte sie ja froh sein, dass die fremde Magierin verschwunden war. Alles, was Miu bisher von Freya wusste, waren mehr oder weniger negative Aspekte. Scheinbar machte das Mädchen gerne Radau und brachte sich und andere in unangenehme Situationen. Sie schien außerdem nicht besonders belesen zu sein, um es einmal vornehm auszudrücken. Und Freya hatte auch dieses ungemein unnütze Talent, allen Menschen innerhalb weniger Sekunden vor den Kopf zu stoßen. Wieso also sollte Miu sie hier übernachten lassen, in ihrer Hütte? Sie wusste nichts über das Mädchen rein gar nichts! Aber du weißt, dass sie dir geholfen hat..., hallte es sehr leise in ihrem Hinterkopf wider. Dass sich ihre Gedankenstimmer hierbei außerordentlich nach ihrer Mutter anhörte, verbesserte die Sache nicht gerade. Vielmehr hatte Miu das Gefühl, dass sie wie in ihren Kindertagen gescholten wurde, weil sie irgendeinen simplen Sachverhalt nicht verstanden hatte. Das war eher eines der Talente ihrer Mutter gewesen, jede noch so komplizierte Situation auf eine einfache Wahrheit runterzubrechen. Was war in diesem Fall die Wahrheit? Sie hat mir geholfen..., sagte sich Miu innerlich, schüttelte kurz darauf aber vehement den Kopf. Na und? Sie hatte Freya auch geholfen! Sie hatte sei beim zweiten Mal beschützt, sie waren quitt. Sie schuldete der Fremden rein gar nichts! Wie um ihren Entschluss zu untermauern, stand Miu kurz darauf auf und begann damit das Geschirr wieder weg zu räumen. Doch noch bevor sie den restlichen Tee, der eine feine feuchte Schicht an der Innenseite der Tassen gebildet hatte, im Spülbecken in der Küche wegwischen konnte, wurde sie von einem lauten Donnergrollen aus ihrem trotzigen Zustand heraus gerissen. Verwundert starrte die Schwertkämpferin aus dem Fenster und sah erstaunt, dass es tatsächlich zu regnen begonnen hatte. Das war... merkwürdig. Miu erinnerte sich lebhaft, dass vorhin jedwedes Anzeichen eindeutig gegen Regen gesprochen hatte. "Oh nein...", brach es aus der Magiern heraus und sie stellte die schmutzigen Tassen eilig in der Küche ab, ehe sie einen Augenblick lang ihre Gedanken sammelte. Sie wusste, was hier los war. Zumindest teilweise. Ein Unwetter, das sich nicht ankündigte... oder zumindest nicht die gewöhnlichen Anzeichen mit sich brachte. Das geschah nur äußerst selten und auch wenn ihre Mutter ihr schon öfter versucht hatte beizubringen, wie man derartige Regenfälle und Stürme trotzdem voraus ahnen konnte, hatte Miu das Prinzip dahinter nie verstanden. Aber Freya hatte es gewusst. Woher? Oder hatte sie vielleicht nur geraten? Das war eher unwahrscheinlich. War das vielleicht der Grund, weswegen sie unbedingt bei Miu Unterschlupf suchen wollte? Denn auch wenn Miu diese plötzlich auftretenden Stürme nicht vorhersehen konnte, so wusste sie doch genau wie sie sich entwickelten. Nicht selten war es schon dazu gekommen, dass die Blitze, die zu dieser Zeit erheblich öfter einschlugen als sonst, den einen oder anderen Baum in Brand setzten. Meistens war das kein Problem, da der Regen schon etwas früher einsetzte und das Holz des umliegenden Waldes bereits zu durchnässt war, um ebenfalls Feuer zu fangen. Aber heute trat beides fast gleichzeitig auf und bei dem Glück, das Freya auf Schritt und Tritt mit sich herum trug, würde sie noch glatt in einen Waldbrand hinein laufen. "Ich komme gleich wieder, Zero!", rief die Kamui ihrem gefiederten Freund entgegen, der es sich nun wieder auf dem Gästebett gemütlich gemacht hatte und von dem sie wusste, dass er sie bei diesem Unwetter nicht nach draußen begleiten würde. Und nur Sekunden später, war das Mädchen auch schon hinaus in den strömenden Regen gestürmt.

Wo ist sie denn bloß?
Miu hatte bereits den halben Weg nach Hosenka Town hinter sich gebracht, war bisher aber keinem aufgebrachten Mädchen über den Weg gelaufen. Immer wieder konnte das Mädchen helle Blitze vom Himmel herunter zücken sehen, doch glücklicherweise war bisher keiner in dem kleinen Waldstück eingeschlagen, das sie gerade ablief. Aber an der Lautstärke des Donners, der mit den Minuten immer stärker wurde, konnte die Magierin erkennen, dass die Blitze immer näher kamen. Und auch wenn der Regen inzwischen immer stärker wurde, hielt das dichte Blattwerk bisher den Großteil des Wassers davon ab, das Holz der Bäume wirklich zu benetzen. Es bestand immer noch eine Brandgefahr, auch wenn sich Miu inzwischen sicher war, dass sie die Gefahr ein wenig überschätzt hatte. Nichtsdestotrotz sollte sie Freya so schnell wie möglich finden. Aber von dem Kampfzwerg war weit und breit kein Lebenszeichen! Hatte sie sich etwa verlaufen? Das würde ihr ähnlich sehen. Leider war Miu nicht sonderlich begabt, was das Spurenlesen bei Menschen anbelangte. Konnte Freya denn nicht einfach ein Reh sein? Das hätte sie problemlos gefunden. Miu schüttelte sich kurz, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, aber es gab einfach nichts, was sie unternehmen konnte, um ihre 'Beute' ausfindig zu machen. Und gerade in dem Augenblick, in dem sie langsam ans Aufgeben dachte und sich einredete, dass Freya schon irgendwie unbeschadet den Weg zurück in die Stadt finden würde, erschien er. "Zero!", schrie Miu dem heftig peitschenden Wind entgegen und war überrascht, als der Vogel plötzlich durch das Dickicht der Blätter herab stürzte und kurz darauf wieder nach oben stieß. "Was...?", setzte die Kamui verwirrt an, wurde aber plötzlich von einem Geistesblitz erfasst, als Zero das Schauspiel wiederholte, ein wenig weiter links von ihr. "Du weist mir den weg?", stieß das Mädchen fragend aus, erhielt jedoch keine Antwort. Aber sie brauchte auch keine. Zumindest einmal in seinem Leben war das Federvieh tatsächlich zu etwas nütze! Ohne weiter nachzudenken setzte die Schwertkünstlerin dem Raben nach und bahnte sich dabei einen Weg durch den dichteren Teil des Waldes, in dem sie sich sonst eigentlich nur selten herum trieb. Wie um Gottes Willen hatte sich Freya nur SO verlaufen können? Um schneller voran zu kommen, zerschnitt Miu mit ihrem Katana etwaige Sträucher und Büsche, die ihrem direkten Pfad im Weg standen, auch wenn sie nicht besonders erfreut darüber war, dass ihr Musume hier zu eine Heckenschere umfunktioniert wurde. Aber es half nichts. Immerhin konnte sie ja nicht zulassen, dass Zero mehr für das Auffinden von Freya unternahm als sie selbst, oder? Sie würde gewiss nicht gegen einen Vogel verlieren. Es vergingen einige Minuten, in denen Miu das Gewitter immer näher kommen hörte, sodass der Donner ihr inzwischen durch Mark und Bein glitt, wann immer ein Blitz am Himmel aufleuchtete. Und endlich, nach knapp zehn Minuten, fand sie das Mädchen endlich! In der Dunkelheit war Freya nur schwer zu entdecken gewesen, vor allem wenn man ihre dunkle Haut, ihre eher dezente Statur und die Tatsache bedachte, dass sie ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte. "Freya!", rief Miu der Magierin hinterher und war froh, als diese sich umdrehte. Und in genau dem Augenblick in dem sich ihre Augen trafen, geschah es. Ein Licht, heller als alles, was Miu jemals gesehen hatte, stieß aus dem Himmel herab und fuhr in einen Baum, der nur wenige Meter entfernt von den beiden Mädchen stand. Es geschah viel zu schnell, um das Geschehen wirklich wahrzunehmen und die Kamui war viel zu perplex, um irgendetwas zu unternehmen. Es dauerte tatsächlich einige Sekundenbruchteile, ehe ihre Augen zu schmerzen anfingen und sie diese heftig rieb, ohne dass dies irgendetwas besserte. Der Donner, der kurz darauf sie und den Waldboden um sie herum durchdrang, war ohrenbetäubend und trug nicht dazu bei, sie wieder zu beruhigen, im Gegenteil. Sie waren nun mitten im Zentrum des Unwetters und sie hatten es nur dem Glück zu verdanken, dass der Waldboden noch nicht durchnässt genug war, um die Elektrizität des Blitzes bis zu ihren Beinen zu leiten. Nach einigen Sekunden, in denen Miu wieder eine klare Sicht bekam und auch das Dröhnen in ihren Ohren nachließ, wurde sie sich der Lage vollends bewusst. Der Baum neben ihnen hatte Feuer gefangen. "Wir müssen hier weg!", schrie das Mädchen gegen den pfeifenden Wind und ergriff, wie schon öfter an diesem Abend, Freya an ihrer Hand und zog sie hinter sich her. Sie mussten hier weg, bevor noch ein Blitz einschlug! Und nur der Himmel wusste, ob sich das lodernde Feuer, das nur unweit von ihnen entfernt am fackeln war, auf die anderen Bäume ausweiten und zu einem Waldbrand werden würde. Im Moment stand der Wind günstig, sodass die Flammen nur nach oben züngelten und nicht wild um sich schlugen. Aber das konnte sich jede Sekunde ändern.

Was für ein beschissener Wald war das denn hier? Nicht nur, dass er scheinbar seine Form änderte und der Weg, der sie noch vorhin gelaufen war, nun völlig anders aussah, ließ er auch noch extrem viel Regen durch, durchnässte ihre Kleidung und brachte sie somit nur noch mehr zum Fluchen. Wieso hatte sie dieser arroganten Schnepfe überhaupt geholfen? Sie war undankbar, verbrühte mit ihrem scheußlichen Tee auch noch ihren Gaumen und schmiss sie dann auch noch raus! Freya hasste sie. Selbst wenn man die Magierin aus Fairy Tail für unhöflich hielt, so schaffte es Miu sie noch locker zu überbieten.

Ein Krachen riss sie aus ihrer Hasstirade, als ein gewaltiger Blitz unweit ihrer Position einschlug und ihre Ohren schmerzvoll stilllegte. Wie beschissen konnte der Tag denn noch werden? Was für Bestrafung würde der Himmel als nächstes zu ihr schicken? Als sie ihren Namen hörte, verstand selbst sie die Ironie ihrer Gedanken und drehte sich um, nur um Miu und ihren Kolibri zu erspähen, wie sie ihr hinterhergerannt waren. „Was willst du noch? Soll ich dir noch Schäden bezahlen? Na guuuuut.“ Sie kramte in ihrer Tasche ein paar Jewel heraus und warf sie Miu vor die Füße in den aufgeweichten Waldboden, als auch schon der nächste Blitz einschlug. „Es blitzt und donnert, vielleicht solltest du mit deinem Kolibri zurück in deine Hütte gehen.“ Doch irgendwie schien die Alte nicht so wirklich zu verstehen, dass sie hier unerwünscht war und griff sie bei der Hand, um sie einen Augenblick später auch schon durch den Wald zu schleppen. „Da brennt ein Baum, ist dir das bewusst?“ Ruhig, als wäre es das normalste der Welt kommentierte sie das Jahrhundertunwetter, während sie von ihrer neuen besten Feindin quer durch den Wald geschleppt wurde. Irgendwie wurde es ihr zu bunt, weshalb sie ihre Hand endlich losriss. „Ich frage nochmal.. Was willst du noch?!“ Freya war es scheißegal, dass sie hier in einem brausenden Unwetter stand, ohne deftigen Grund würde sie keinen Schritt mit dieser Zicke laufen. „Also?“