Gedankenversunken schlenderte Lia durch den Wald, zwar nicht gerade ihr liebster Ort, aber immerhin der kürzeste Weg zurück nach Magnolia Town. Wieder und wieder wunderte sie sich, warum dieser Yuuki so gefasst blieb, als würde er genau wissen, wovon sie da redete. Erst jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich, es waren einige Tage vergangen, sicherlich wurde in den Gilden geredet! Er musste etwas davon mitbekommen haben, zumal ja Zero in nächster Nähe war. Ein Glück, denn ansonsten hätte er sie bestimmt für dumm verkauft. Etwas ließ Lia aus ihren Gedanken wieder zurück in die Realität kommen. Bereits von weitem erkannte sie zwei Männer, welche ihr entgegen kamen. Sie sahen nicht aus, als wären es zwei Durchschnittsmenschen, einfache Bürger. Nein, sie waren bewaffnet und machten sogar einen etwas gefährlichen Eindruck. Trotzdem sahen sie nicht aus wie Räuber oder Banditen. Vielleicht Magier? Eigentlich konnte es Lia auch egal sein, schließlich brauchte sie sich auch nicht für die beiden zu interessieren, andersrum war es sicherlich genauso. Zumindest dachte der Pinkschopf so. Denn als die beiden Männer sie erblickt hatten, marschierten sie sofort mit schnellen Schritten auf das Mädchen zu. Sofort durchzog ein ungutes Gefühl durch Lia’s Magen, was wollten diese schrägen Vögel von ihr? Nicht, dass sie Angst hätte, aber für die nächste Zeit hatte sie einfach genug von unbekannten, vielleicht auch übermächtigen Gegnern. „He du. Ist dir ein gewisser Maenor bekannt?“, fragte einer der beiden barsch, als sie vor dem Mädchen standen. „Maenor? Woher kenne ich diesen Namen? Kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich kenne niemanden der so heißt..“ Dass Seraphim dass damals in Hargeon Town kurz erwähnt hatte, wollte Lia nicht einfallen. „Nie gehört.“, antwortete sie daher ebenso patzig und wollte bereits weitergehen, da hielt der andere sie fest. Er fasste in seine Tasche und kramte eine Papierrolle heraus, welche sich auseinander rollte. Was Lia dann sah, verschlug ihr die Sprache. „Bist du dir sicher, dass du den nicht kennst?“, fragte er eindringlich. Warum war auf diesem Plakat Chibi abgebildet? Und warum Maenor? Plötzlich fielen ihr die Zusammenhänge mit Seraphim wieder ein, doch hatte der damals nicht von einer völlig anderen Person gesprochen? „Ich sagte doch bereits, dass ich diesen Typ nicht kenne. Schönen Tag noch.“, log Lia die beiden mit finsteren Blick an, riss sich daraufhin unsanft los und stolzierte mit hocherhobenem Haupt davon. Die ganze Sache zu durchdenken, was es nun mit Chibi und Maenor auf sich hatte, würde wohl warten müssen, bis sie endlich zuhause war. Denn diese beiden Kerle waren wirklich komisch gewesen, hoffentlich würden die ihr nicht folgen. Allein der Gedanke reichte schon aus, dass Lia ihre Schritte beschleunigte und sich immer und immer wieder umwandte. Die eigene Fantasie konnte einem schon fiese Streiche spielen, so war jedes Rascheln und jedes Knacksen sofort „Die Bedrohung“. Mittlerweile war Lia so schnell unterwegs, dass sie eher joggte, als normal zu gehen. Hastig wandte sie sich um, bemerkte nicht, dass da jemand aus welchen Gründen auch immer, von einem Baum hervortrat und knallte hart gegen diesen jemand. Da sie drohte umzufallen, hielt sie sich reflexartig an diesem Mensch fest, da dieser jedoch auch das Gleichgewicht verloren hatte, zog sie ihn unsanft mit zu Boden. Das alles geschah innerhalb von wenigen Sekunden und als Lia die hellgrünen Augen wieder öffnete, blickte sie direkt in das Gesicht von Chibi, welches direkt über ihrem lag. Es verging eine kurze Zeit, wo keiner etwas sagte, wahrscheinlich konnte keiner so recht glauben, dass das hier mit rechten Dingen vorging, aber damit mussten sich die beiden Jugendlichen wohl abfinden. Schließlich änderte sich ihr Gesichtsausdruck von überrascht zu genervt und murmelte dennoch etwas amüsiert: „Ich wusste es, du bist ein Lustmolch.“

Lia stellte eine durchaus berechtigte Frage, nämlich, was war da los? Warum befanden sich diese ganzen seltsamen Leute im Wald, die zudem noch nach Maenor aka Chibi fahndeten? Um dieses Ereignis verstehen zu können, musste man die Zeit etwas zurückdrehen, zu dem Zeitpunkt, als Maenor in Marokkasu Town von Aeros überwältigt und verschleppt worden war. Anschließend war er fortgebracht worden und niemand hatte irgendetwas gesagt oder dagegen unternommen. Doch wenn er bereits geschnappt worden war, durfte man sich doch fragen, warum diese ganzen Leute nach wie vor nach ihm suchten. Natürlich konnte man davon ausgehen, dass noch nicht jeder Bescheid wusste, dass er geschnappt worden war und man die Suche nach ihm einstellen konnte. Tatsächlich aber war der junge Schwertkämpfer entkommen und rannte in eben jenem Moment durch diesen Wald. Und zwar um nichts weniger als sein eigenes Leben, an welchem er eigentlich sehr hängte. Jetzt, wo ihm auch eine zweite Chance gewährt worden war. Jedes Mal wenn Maenor an die vergangenen Tage dachte, senkte sich ein Schleier der Dunkelheit über seine Augen und sein Herz begann wie wild zu rasen und schmerzen. Sobald er erfolgreich entkommen war, würde er sich mit den ganzen vergangenen Ereignissen genauer auseinandersetzen müssen, so schmerzlich und traumatisch diese auch waren. Was ihm alles angetan worden war ... Innerlich schüttelte er den Kopf und machte seinen Kopf frei von diesen belastenden Gedanken, er musste sich einzig und allein auf seine Flucht konzentrieren, sonst war diese schneller zum Scheitern verurteilt, als dass er seinen vollen Namen aufsagen konnte. Ständig ging es hin und her, manchmal wartete der Fice einige Sekunden und spitzte die Ohren, um zu prüfen, ob er seinen Haschern entkommen oder diese nach wie vor an seinen Fersen hängten. Bisher war lediglich ständig zweiteres der Fall, weshalb er immer weiter rennen musste. Schlitternd kam er zum stehen und brach durch dichtes Gebüsch, ehe er schließlich einen Baum passierte, dabei aber leider den Fehler machte, nach hinten zu schauen. Auf diese Weise entging dem Schwertkämpfer leider, dass sich eine bekannte Person und er auf Kollisionskurs befanden, sonst wäre er ja ausgewichen. Stattdessen knallte er mit etwas zusammen und erschrak fürchterlich, da er glaubte, dass ihm seine Verfolger aufgelauert hatten. Schon griff seine Hand zum Katana, doch ehe er es ziehen, geschweige denn sein Gleichgewicht wiederherstellen konnte, wurde er zu Boden gezogen. Im Gegensatz zu Lia, fiel Maenor weniger hart, da er ja praktisch auf ihr landete. Trotzdem schloss er bei dem Fall instinktiv die Augen, um sein Sehlicht im Falle eines Falles zu schützen. Als er seine Augen wieder öffnete, blickte er in ein Paar hellgrüne Augen. Ungemein bekannt vorkommende Augen, jetzt wo er nachdachte. Besitzerin war übrigens niemand Geringeres als Lia Valencia, jene junge Frau, mit welcher er in die Zukunft geschleudert worden war. Irgendwie kam ihm diese ganze Szene völlig surreal vor, wie er hier, auf der Flucht vor seinen Verfolgern mit ihr zusammenprallte und jetzt seltsamerweise auf ihr lag. Was machte sie hier? Als sie ihn aber erneut als einen „Lustmolch“ bezeichnete, der er ja eigentlich nicht war, wurde er rot und war peinlich berührt. Was zum Teufel machte er hier? Und warum sagte sie das ständig, es war doch nicht seine Schuld! Beim ersten Mal war es die Zeitreise an sich gewesen und jetzt hatte sie ihn schließlich zu Boden gezogen. „Tut mir leid, das war keine Absicht. Ich hab dich gar nicht nicht gesehen.“, gab er von sich, während er versuchte, sich hektisch aufzurappeln. Was Lia in diesem Augenblick wohl geantwortet hätte, wusste keiner von ihnen, da man plötzlich laute Stimmen aus jener Richtung vernehmen konnte, aus welcher er gekommen war. „Dort hinten habe ich ganz sicher was gehört!“ „Schnell, lass uns nachschauen, vielleicht schnappen wir ihn endlich!“ Innerlich fluchte der junge Schwertkämpfer mal wieder über sein gewaltiges Pech, doch nach außen hin gab er keinen Ton von sich. Das hätte nur seinen Aufenthaltsort verraten. Dass er aber von der ganzen Situation nicht wirklich begeistert war, konnte man durchaus an seinem verärgerten Gesichtsausdruck erkennen. Selbst auf die Gefahr hin, erneut als Lustmolch bezeichnet zu werden, beugte er sich so weit herunter, dass er die junge Frau auf den Armen tragen konnte, sodass nichts mehr einem schnellen Abgang im Wege stand. Warum er das tat, ließ sich ganz einfach erklären, er wollte weder, dass sie verriet, wohin er geflüchtet war, noch, dass ihr selbst Schaden zugefügt wurde. Dass hier war seine Angelegenheit und er würde alles dafür tun, da niemanden mit rein zu ziehen. Keine Sekunde zu früh waren die beiden vom Weg verschwunden, als schon mehrere Leute auftauchten und die Gegend absuchten. Inzwischen befanden sich Maenor und Lia lediglich einige Dutzend Meter weiter weg entfernt, jedoch gut getarnt durch eine große Felsengruppe. Dort ließ er die Magierin auch mehr oder minder sanft zu Boden, ehe er sich selbst nach hinten fallen ließ und an einen der großen Steine lehnte. „Es ist ziemlich gefährlich, alleine herum zu laufen. Was machst du hier überhaupt?“ Nun ja, gefährlich für ihn auf jeden Fall, Lia als Magierin UND Dragonslayerin hatte da gewiss nicht viel vor Banditen oder sonstigem Abschaum zu befürchten. Aber der Fice wusste ja immer noch nicht, dass er es mit einem Drachenkind zu tun hatte. Bisher kannte er nur einen von ihnen richtig, doch das war einer zu viel. Womöglich handelte es sich auch um die Ausnahme, doch das konnte er nicht wirklich sagen. Auf jeden Fall war eines klar, Maenor selbst befand sich nicht wirklich in der besten Verfassung. Betrachtete ihn man nur ein wenig eingehender, so konnte man sehen, dass sich auf seinem linken Oberarm ein Schnitt befand. Tief war er nicht, dennoch war der Stoff drum herum tiefrot vom Blut getränkt. Ganz praktisch wäre jetzt ganz klar ein Erste Hilfe Kasten, aber ob die Valencia auch so etwas mit sich herum trug?

Es war Lia nicht entgangen, dass ihm die Situation unangenehm war. Nicht, dass es sie kalt ließ, aber er war eben in der schlechteren Position. Wenigstens war er beschämt, denn würde er nun selbstgefällig grinsen, dann wurde das den Lustmolch bestätigen. Außerdem sollte Lia ja eigentlich stinksauer sein und ihn unsanft von sich stoßen, schließlich war er neben dem sozialen Aspekt auch noch schwer. Aber ihr war eigentlich hatte sie ja am Ende des Zukunftsabenteuers festgestellt, dass er gar nicht so mies war, wie sie erst dachte. Als der Braunhaarige sich schließlich aufgerappelt hatte, atmete Lia erst mal durch, da sein Gewicht nun von ihrer Brust verschwunden war, danach setzte sie sich auf und wollte auf seine Entschuldigung etwas erwidern wie „Das würde ich an deiner Stelle auch behaupten“, aber sie kam nicht mehr dazu, denn hinter den beiden ertönten bereits bekannte Stimmen. Der Pinkschopf konnte nichts Gutes mit diesen Stimmen in Verbindung setzen, weswegen sie sich misstrauisch umsah. „Ihn schnappen..?“, hallte es in ihrem Kopf wieder, als das kurze Gespräch geendet hatte. Dann waren sie also wirklich hinter ihm her? Schlimmer noch, eigentlich waren sie auf einer ziemlich heißen Spur. Verwirrt blickte Lia zu dem Jungen hoch, in der Hoffnung, er könne die Situation vielleicht aufklären. Doch als sie in sein verärgertes Gesicht sah, packte sie sofort ein schlechtes Gewissen. War es nicht indirekt ihre Schuld gewesen, dass man auf die beiden aufmerksam wurde? Doch dieser Gedanke war schnell verschwunden und wich der puren Entsetzt- und Verständnislosigkeit. Noch eben hockte Lia auf dem Boden und schon im nächsten Moment lag sie in den Armen des Lustmolchs?! Dachte er etwa, sie könne nicht selbst nicht schnell genug laufen? Würde die Situation keine Stille erwarten, dann hätte sie bestimmt lautstark protestiert, aber andererseits.. sie war ja diejenige, die ihn in Gefahr gebracht hatte, denn von Lia wollten die beiden Männer bestimmt nichts. Vielleicht wollte er es nicht noch einmal riskieren, dass sie ihn ins Unglück stürzte. Oder aber, er meinte es nur gut. Aber man darf natürlich nicht vergessen, dass er sie auch nicht für ganz voll nehmen könnte! Die arme Lia wusste gar nicht, was sie denken sollte, weswegen sie das erst mal stillschweigend über sie ergehen ließ. Als sie bei ein paar Felsen angekommen waren, die ein tolles Versteck darstellten, ließ der Braunhaarige sie wieder runter, wobei er nicht sehr auf Zärtlichkeit achtete. „Na vielen Dank auch.“, murrte Lia leise für sich selbst und rieb sich die Stelle an ihrem Rücken, an der sie sich dank ihm gestoßen hatte. Dennoch hockte sie sich auf einen kleinen Felsen direkt gegenüber von ihm und hörte sich amüsiert lächelnd seine Belehrung an. Aber sie wollte sich nicht als wehrloses Kleinkind abstempeln lassen, weswegen sie erwiderte mit scharfem, dennoch belustigtem Unterton: „Ich war auf dem Heimweg und könnte notfalls sogar selbst weglaufen.“ Kurz blickte sie zu Boden, ehe sie weitersprach: „Und du? Du scheinst ja am eigenem Leib erfahren zu haben, dass gefährlich ist, allein rumzulaufen.“ Dabei deutete sie auf seinen verwundeten Arm. Ihre ihre Frage, ob er denn Verbandszeug bei sich hatte, verneinte er, weswegen sie seufzend die nötigen Sachen aus ihrer Tasche fischte. Wortlos erhob sie sich, ging neben ihm wieder in die Hocke und begann, vorsichtig seinen Ärmel nach oben zu krempeln. Die Stille, welche kurz herrschte, durchbrach Lia mit leiser Stimme, damit man die beiden nicht so leicht finden würde: „Ich war bei diesem Yuuki. Ich habe ihm den Ring gegeben, die sein zukünftiges Ich verloren hatte.“ Ohne weiter darauf einzugehen, konzentrierte sich der Pinkschopf nun darauf, die Wunde zu säubern. Hoffentlich würde er nicht zu viel erwarten, schließlich war Lia kein Wunderheiler. Kurz darauf kam auch schon der Verband ins Spiel, welchen sie zwar behutsam, aber dennoch mit dem nötigen Druck um die Wunde wickelte. „Aber weißt du, was ich mich frage?“, fing sie an, wobei man deutlich hören konnte, dass sie sich nicht wirklich „etwas fragte“, sondern eher eine Bestätigung wollte. „Warum haben mich die beiden Männer nach einem Maenor gefragt, mir aber ein Bild von Chibi gezeigt?“ Und wieder konnte man deutlich vernehmen, dass sie die Antwort eigentlich wusste, aber eine Versicherung für ihre Theorie wollte. Aber trotz allem, eine ausführliche Erklärung wäre ganz nett. Als sein Arm fertig verbunden war, setzte sich Lia wieder auf den Felsen gegenüber von ihm und fragte zum Schluss: „Was wollen die von dir?“

Als Lia sprach, hätte sich Maenor am Liebsten die Hand auf die Stirn geschlagen. Wie dumm er doch gewesen war, nicht zu bedenken, dass es sich bei ihr ja um keine gewöhnliche Person handelte. Sie war eine waschechte Magierin und wusste wohl ganz gut auf sich alleine aufzupassen, sodass sie nichts vor Banditen oder sonst wem zu befürchten hatte. Schließlich hatte sie genauso wie er die apokalyptischen Verhältnisse der Zukunft überlebt. Peinlich, peinlich, und was nun? Bestimmt dachte sie, dass er nur nach einer lausigen Entschuldigung oder Gelegenheit Ausschau gehalten hatte, um sie anzufassen. Er schien wirklich unglaubliches Glück zu haben, was den Umgang mit anderen Menschen – und was er definitiv nicht wusste, besonders Dragonslayer – anging. Am besten sollte er seine Motive kurz erklären, vielleicht konnte Lia ihn ja verstehen und würde ihm seine Aktion nachsehen können. "Ich weiß, aber du lagst auf dem Boden und es galt keine Zeit zu verlieren. Ich hoffe doch, dass du das verstehst, ich wollte nicht, dass sie dich schnappen und über mich ausfragen können." Tja, und dann war man schon bei dem allseits beliebten Thema angekommen, über welches er gelernt hatte zu schweigen. Nun, zumindest seitdem er Seraphim über den Weg gelaufen war und dieser ihn von diesem Moment an damit erpresste. Bei ihren Worten, während sie auf seine Wunde zeigte, musste er als Reaktion lediglich laut aufschnauben. "Diese Wunde hatte ich schon vorher, aber weil ich die ganze Zeit unterwegs bin, kam es wohl noch nicht wirklich dazu, vollends zu heilen." Was seine Wundheilung anging, war sie wirklich nicht die Beste, das stand fest. Hoffentlich kam kein Dreck in die Wunde, sodass sich diese entzündete. Das würde seiner neu gewonnen Freiheit ein schnelleres Ende machen, als er sich zunächst vorgestellt hatte. Zu seinem Glück schien sie ihm nicht wirklich übel zu nehmen, was passiert war. Wenn sie nämlich sauer auf ihn gewesen wäre, hätte sie sich doch nicht um seine Wunde gekümmert, oder? Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, setzte sie sich neben ihn und begann, seinen Ärmel hochzukrempeln. Noch tat ihm nichts weh, aber als sie schließlich an der Wunde angekommen war und diese versehentlich berührte, atmete er scharf ein. Ein brennender Schmerz durchfuhr den Arm des Schwertkämpfers und es kostete ihn all seine Mühe, diesen still zu halten und nicht wegzuziehen. Die Zähne hielt der Fice auch schön zusammengebissen, damit ihm ja auch kein verräterischer Laut entkam, der darauf hindeuten konnte, dass er Schmerzen hatte. Zum Glück sprach die Valencia weiter, sodass er sich ein wenig auf andere Sachen konzentrieren konnte. Leider sprach sie das Thema Yuuki an, der sich in der Zukunft für sie geopfert hatte, damit sie überleben konnten. Und alles, was Maenor ihm hatte sagen können, war ein „Danke“ gewesen. Am Besten sollte er auch mal den Yuuki aus dieser Zeit aufsuchen, doch was sollte er ihm sagen? Sich nochmals dafür bedanken, dass man ihm in der Zukunft das Leben gerettet hatte? Und dann noch die tolle Nachricht, dass er leider den Löffel abgab. Aber vielleicht sollte er Hosenka Town wirklich ein Mal einen Besuch abstatten, sobald er seine Verfolger abgehängt hatte und ein wenig Gras über die ganze Angelgenheit gewachsen war. Es gab ja noch die Nahkämpferin des Retterduos, Aurora. Und ihre Magie interessierte ihn ungemein, solche Rüstungen zu beschwören konnte sich als ziemlich vorteilhaft für den Kampf erweisen. "Hmm, und was hat er gesagt? Was hast du ihm denn überhaupt alles erzählt? Auch, dass er ... stirbt?" Maenor hielt sie für keinesfalls dermaßen empathielos, dass sie ihm direkt ins Gesicht sagte, dass er in fünf Jahren ins Grass biss. Vorausgesetzt dass sich die Geschichte auch wiederholte, was er aber wiederum bezweifelte. Als sie mit dem Behandeln und Verbinden seiner Wunde fertig war, schenkte er ihr ein kleines Lächeln und bedankte sich. Wenn er seinen Arm jetzt ruhen ließ, dann war er vielleicht in einigen Tagen wieder voll einsatzfähig. Zu seinem Glück handelte es sich dabei aber nicht um seinen primären Waffenarm, sonst wäre er wirklich ziemlich aufgeschmissen gewesen. Was denn?, antwortete er auf ihre Frage. Irgendwie war er sich nicht sicher, über was sie nun reden wollte, da es mehrere offene Fronten dafür gab. Einerseits konnte es sich um die Zukunft handeln, andererseits über ihren geliebten Seraphim oder aber auch um seine Verfolger. Einige Sekunden später war er schlauer, doch glücklicher keinesfalls. Jetzt war es also raus, auch sie wusste nun, dass er keinesfalls Chibi hieß und auch noch gesucht wurde. Das war nicht unbedingt das Lieblingsthema, über das er sprechen wollte, doch da er sie nun versehentlich mit rein gezogen hatte, war es das Mindeste, was er ihr schuldig war. Zudem hatte sie sich auch um seine Wunde gekümmert, also hatte sie einen Gefallen gut bei ihm, den er auf diese Weise sogar schnell zurückzahlen konnte. "Chibi ist nur mein Deckname, in Wirklichkeit heiße ich Maenor Fice. Ich habe in Blue Pegasus leider den Fehler gemacht, gerade Seraphim meinen richtigen Namen und meine Geschichte zu erzählen, der das fortan ausnutzt, um mich damit zu erpressen, wo es nur geht. Genau wie in deinem Fall vor einigen Tagen, wo er mir damit gedroht hat, dir eben nichts über ihn und seine wirklichen Machenschaften zu erzählen. Seitdem bin ich ziemlich vorsichtig geworden und gebe niemandem mehr meinen richtigen Namen preis, nicht, dass man mich auf diese Weise noch findet. Aber dafür ist es zu spät, die du bestimmt bemerkt hast." Oh ja, mit einem Haufen fanatischer Schwertkämpfer im Rücken, die seinen Kopf wollten, waren das ganz und gar nicht rosige Aussichten. "Und was sie von mir wollen, ist ganz einfach, meinen Kopf." Nun schaute er die junge Frau nicht mehr direkt an, sondern blickte in die Tiefen des Waldes, die fälschlicherweise Sicherheit versprachen. "Es ist eine ziemlich lange Geschichte und ich weiß nicht, ob du sie dir anhören willst. Ich will dich auch nicht mit meinen Problemen belasten, ist schon schlimm genug, dass du bis hierhin da mit rein gezogen wurdest." Der Gute hatte ja keine Ahnung, wie schlimm es noch werden sollte.

Der Junge bedankte sich für diese kleine Behandlung seines Armes, wobei Lia nur wohlwollend abwinkte, irgendwo war das ja selbstverständlich. Zwar waren sich die beiden Jugendlichen auf eine gewisse Art noch Fremd, aber dennoch verband sie ein gemeinsam bestandenes, vor allem aber auch gefährliches Abenteuer. Endlich begann der Junge, auf ihre vielen Fragen zu antworten. „Ich wusste es!“, dachte Lia triumphierend, als Chi- äh, Maenor das Rätsel um seine Identität auflöste. Er hatte ihr und Zero den falschen Namen genannt, aus Angst, sie könnten seinen wahren Namen herumposaunen. Doch als sie seinen Worten weiter lauschte, wurden ihre Augen unbewusst größer. Seraphim nutzte dieses Wissen schamlos aus? Konnte das wirklich sein oder war Maenor vielleicht ein wenig paranoid, wenn es um seinen weißhaarigen Feind ging? Natürlich mochte er Recht haben, aber zu hundert Prozent konnte Lia das auch nicht belegen. Als sie über das Vorhaben seiner Widersacher aufgeklärt wurde, schluckte die junge Frau unweigerlich. Man wollte ihn umbringen? Das hieße ja, dass er in ständiger Angst leben musste.. grauenvolle Vorstellung. Einen Moment herrschte Stille und Lia ließ sich das gehörte noch einmal genau durch den Kopf gehen. Und sie wusste, dass es völlig unangebracht aber, aber dennoch konnte sie sich ein stilles losprusten nicht verkneifen. „Chibi.. wie kommt man bloß auf diesen dämlichen Namen? Sei froh, dass du Maenor heißt.“, meinte sie noch immer grinsend. „Aber ehrlich, ich verstehe dich. Du musst wissen, dass ich auch so ziemlich jedem, den ich nicht kenne, erzähle, ich sei eine Feuermagierin. Zwar werde ich nicht verfolgt, aber trotzdem, die anderen müssen ja nicht alles über einen wissen.“, gab sie ihm zu verstehen. Dabei vergaß sie völlig, dass der Junge ja noch gar nicht wusste, dass sie der Feuerdragonslayer war. Lia hatte gedacht, dass jeder ihre entflammte Hand gesehen hatte, daher sprach sie das auch so selbstverständlich aus. Schließlich machte der Braunhaarige ihr das indirekte Angebot, seine Geschichte zu erzählen. Angst davor, was ihr blühen würde, in sein Geheimnis eingewiesen zu werden, hatte Lia natürlich nicht. Lia Valencia hat vor niemandem Angst, bis sie merkt, unterlegen zu sein. „Es macht mir nichts aus, im Gegenteil, ich möchte es gerne wissen.“ Kurz blickte sie zur Seite, ehe sie kleinlaut und etwas beschämt noch anfügte: „Du kannst darauf vertrauen, dass ich kein Wort darüber verlieren werde. Du.. du hast mein Wort.“ Es fiel ihr nicht unbedingt leicht, so eine „vertrauenswürdige“ Seite von sich zu zeigen, zwar existierte diese Seite ganz klar, aber das wusste Lia ja oft selbst nicht. Als Maenor begann zu erzählen, hörte sie gebannt zu, doch bereits in den ersten seiner Sätze weiteten sich die hellgrünen Augen und ihr Blick wurde traurig und verständnislos zugleich. Sie konnte nicht anders, als ihn mit einem Flüstern zu unterbrechen, obwohl er noch gar nicht viel gesagt hatte. „Deine eigene Familie..?“ Allein bei dem Gedanken, auf den Rückhalt, die Sicherheit und Liebe ihrer Eltern verzichten zu müssen, verursachte bei dem Pinkschopf die pure Übelkeit. Keinen Menschen traute das Mädchen so sehr, wie ihren beiden Eltern. Natürlich war da noch ihr jüngerer Bruder Natanael, den sie auch irgendwie sehr mochte, aber eine wirkliche Geschwisterliebe konnte sich nach der jahrelangen Trennung einfach nicht entwickeln. Und dieses Glück durfte Maenor nie erfahren? Es war ja eine Sache, wenn die Eltern verstarben, aber von ihnen so sehr gehasst zu werden, dass man dein eigenen Sohn töten lassen wollte? „Maenor.. das tut mir wirklich leid.“, murmelte Lia betroffen, ehe sie ihm endlich wieder zuhören konnte.

Maenor konnte gar nicht anders, als über Lias etwas bissigen Kommentar über den Spitznamen „Chibi“ zu lachen. In der Tat, das war ein ziemlich dummer Spitzname, doch zum Glück verschwieg er, dass dieser ihm sogar von Seraphim verliehen worden war. Der Fice war einfach zu faul gewesen, sich selbst einen anderen Decknamen auszudenken und hatte diesen dann einfach übernommen. Dass der Andere angefangen hatte, ihn so zu nennen, lag keinesfalls an der ausgesprochenen Bitte des Schwertkämpfers, ihn in der Öffentlichkeit Maenor nennen. Nein, vielmehr hatte der Dragonslayer diese Gelegenheit wohl ausgenutzt, um seinen kleineren Partner noch ein wenig nebenbei aufzuziehen. Was für ein Fehler, er hätte seinen richtigen Namen nie verraten dürfen! Doch dafür war es längst zu spät, nur allzu oft hatte er sein eigenes Schicksal und sich selbst für diesen dummen Fehler verflucht. Nichts als Ärger hatte es ihm eingebracht, weshalb er eben ein wenig vorsichtig geworden war, wem er was anvertraute. Nun, die Valencia hatte dennoch recht, zum Glück hieß er Maenor und nicht Chibi. Und auch wenn es so wenig wussten, soeben war es offiziell einer mehr geworden. Ihre nächste Aussage verwirrte ihn jedoch zutiefst, was meinte sie nur damit, dass sie behauptete, eine normale Feuermagierin zu sein? War sie das etwa nicht? Und wenn das der Fall war, was war sie denn sonst? Der Schwertkämpfer schaffte es einfach nicht in diesem Augenblick, zwei und zwei zusammenzuzählen und womöglich sogar darauf zu kommen, dass er hier den Feuer Dragonslayer vor sich hatte. Man konnte sich sicher sein, dass seine Reaktion nicht ohne sein würde. "Was für eine Magie beherrschst du denn sonst? Ist sie etwa so besonders oder gefährlich, dass du nicht willst, dass alle darüber Bescheid wissen?" Oh ja, das würde wirklich eine bombastische Überraschung werden, im wahrsten Sinne des Wortes. Nun, vielleicht gelang es der jungen Frau ja auf diese Weise, Maenors Denkweise über Dragonslayer im Allgemeinen etwas ins Positive zu ziehen. Die ganze Situation hatte hier einen amüsanten Aspekt, zwar hatte die Bekanntschaft der Beiden mehr als nur holprig angefangen, doch wusste sie nun mehr als viele Andere über Maenor, die ihn viel länger kannten. Sie behauptete zudem, dass er ihr Vertrauen besaß und sie nichts verraten wollte, doch wie stand es um ihn? War er überhaupt bereit, so viel über sich preiszugeben? Er hatte bereits zuvor ein Mal einer Person vertraut und war enttäuscht geworden. Vielleicht sollte er es noch ein zweites Mal wagen, wer konnte schon sagen, wie es sich dieses Mal entwickeln würde. Womöglich war er ja beim ersten Mal nur an die falsche Person geraten und nicht jeder nutzte wichtiges Wissen über den- oder diejenige aus. Noch ein Mal tief ein und ausatmen und schon stand seine Entscheidung fest. Er würde ihr seine Geschichte erzählen, doch sollte er abermals angelogen und verraten werden, so hätte er seine Lektion fürs Leben wirklich gelernt. "Kurz gesagt könnte man sagen, dass ich von meiner eigenen Familie verfolgt werde und sie mir den Garaus machen will." Eigentlich wollte er noch weiter ausholen, doch wurde er jetzt schon von der geschockten Lia unterbrochen, die seine Aussage wohl gar nicht fassen konnte. Nun ja, zugegeben, nicht jeder hatte das Glück, so eine liebe Familie wie sie zu haben. Andere Familien – so wie seine – legten vielmehr wert auf gesellschaftlichen Stand als auf die Wünsche ihres Sohnes. Und wie man an der jetzigen Situation ziemlich gut erkennen konnte, schätzten sie das Leben ihres Erstgebornen sogar weniger als ihren Stand im Clan ein. Auf ihre Reaktion hin nickte er nur ein einziges Mal, ehe er fortfuhr und noch weiter ausholte. "Genauer gesagt gehört meine Familie einem großen und mächtigen Clan Fiores an, welcher seinen Hauptsitz in der Nähe der Hauptstadt hat. Aufgrund meines Talents wurde mir die Ehre zu Teil, eine der persönlichen Leibwachen des kommenden Oberhauptes zu werden. Damit war meiner Familie gesellschaftlicher Aufstieg gewiss und mir ein Leben mit fast allem, was ich wollte. Doch meine wahre Leidenschaft wurde mir verwehrt und sogar direkt verboten, weshalb ich schließlich geflohen bin und alles hinter mich gelassen habe." Hätte man ihn nur weiter seine Kunst machen lassen, dann wäre es wahrscheinlich überhaupt nicht so weit gekommen. "Das hat man dort jedoch gar nicht gerne gesehen, weshalb sie nun hinter mir her sind, um mich gefangen zu nehmen. Was mich erwartet, wird eine öffentliche Exekution sein, als Warnung an alle anderen, die aufstrebende oder gar rebellische Gedanken haben." Nach einer kurzen Pause, in welcher er nachdachte, was er der jungen Frau noch erzählen konnte, sollte und wollte, fuhr er fort. "Und wie ich erst vor einigen Tagen erfahren habe, hat mein jüngerer Bruder meinen Platz angenommen und wird sich auch fortan an der Jagd nach mir beteiligen. Insofern hast du recht, dass meine Familie mir direkt an den Hals will." Tja, was für ein bittereres Schicksal. Irgendwann würde es also zu einem Treffen der Gebrüder kommen und vielleicht zu einem finalen Duell. Wie dieses jedoch ausgehen würde, stand noch in den Sternen ... "Kurz daraufhin wurde ich schließlich gefangen genommen, doch ich konnte mich befreien und nun bin ich hier, auf der Flucht." Das war erst mal die grobe Geschichte zu seinem Leben, wie Lia darauf reagieren würde?

Wort für Wort ließ sich Lia die Worte Maenors noch einmal durch den Kopf gehen. Es war ehrlich gesagt schwer zu glauben, was es doch für verrückte Menschen gab, dass sie die Ehre des Klans über das Wohlergehen eines Familienmitgliedes stellten. So etwas war für sie sehr schwer vorzustellen, denn Lia hatte das Glück, in einer Familie aufgewachsen zu sein, die sie sehr liebt. Die Jahre, die sie von ihren Eltern getrennt war, waren nicht gerade schön für das damals noch kleine Mädchen gewesen, denn im Gegensatz zu vielen anderen, schätzte die Dragonslayerin ihre Familie. Als Maenor geendet hatte, ließ Lia die Stille zwischen den beiden kurz verharren, ehe sie antwortete: „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Kannst du gar nichts dagegen tun, außer vor ihnen zu flüchten? Ich weiß, das hört sich vielleicht absurd an, aber kann man nicht mit ihnen.. reden?“ Lia hatte bereits eine Ahnung, dass das mit Sicherheit keine Option sein würde, aber ihr fiel im Moment kein besserer Vorschlag ein. Nach einer Weile trat erneut Stille zwischen die beiden jungen Magier, doch es war noch eine Frage offen. „Um auf das andere Thema zurückzukommen, welche Magie ich beherrsche, hast du das nicht mitbekommen, als wir in der Zukunft waren?“ Da er nur ein Fragezeichen im Gesicht hatte, musste sie es wohl oder übel erklären. „Ich bin der Feuer-Dragonslayer.“ Einen Moment lang genoss Lia den Gesichtsausdruck Maenors, es war direkt amüsant. Was hatte er denn? „Das ist natürlich keine gefährliche Magie, aber du musst verstehen, dass ich es hasse, wenn mir die Magier in meiner Gilde in den Hintern kriechen wollen oder meinen, ich würde die Welt verbessern, weil ich bei einem Drachen aufgewachsen bin.“ Allein bei dem Gedanken musste Lia unweigerlich die schönen, grünen Augen verdrehen, ehe sie genervt ins Leere blickte. Aber sie war nicht das eigentliche Thema, viel wichtiger war ja der Grund, warum sie beide nun hier zwischen diesen Felsen rumhockten. „Ich bin an meinem sechsten Geburtstag zu dem Drachen gekommen und konnte erst sieben Jahre später wieder zurück zu meinen Eltern. Ich habe großes Glück mit meiner Familie, musst du wissen, sie sind das Wichtigste, was ich habe. Es tut mir Leid, dass du dieses Glück nicht erfahren konntest.“ Während ihrer letzten Worte erhob sie unbewusst ihre Hand und strich sanft über den verwundeten Arm des Jungen, ohne dabei mit seiner Schnittwunde in Kontakt zu kommen. Erst nach wenigen Sekunden zog sie perplex ihre Hand zurück und legte sie auf ihren Schoß. Einen Moment lang saß sie noch da, ehe sich Lia erhob und ihm eine ernste Frage stellte: „Was sollen wir jetzt machen? Ich muss zurück nach Magnolia Town. Ich weiß nicht, ob wo du hin musst, aber wenn du dich auskurieren willst, kannst du mitkommen. Das Problem ist nur, dass sie nun wissen, dass wir beide unter einer Decke stecken und ich mich daher, genauso wenig wie du, bei deinen Freunden blicken lassen sollte.“ Hoffentlich würden die beiden Männer in komplett anderen Richtungen suchen, nicht, dass sie Lia und Maenor bereits auf den Fersen waren. Ein verwunderter Schwerkämpfer war sicherlich nicht die beste Voraussetzung, für einen Kampf.

Tja, so drehte sich die Welt nun mal. Nicht jeder wurde wie Lia von der eigenen Familie geliebt, geschätzt und gut gehütet. Leider besaß Maenor bei Weitem nicht so viel Glück, da seine Familie ihm eben an den Hals wollte. Und sie würde wohl nicht Ruhe geben, ehe sie seinen Kopf hatten und ihn am Besten noch vor einer breiten Masse präsentierten, um auch jedem zu zeigen, dass es sinnlos war, sich der Allmacht des Clanoberhauptes entziehen zu wollen. Irgendwie schien die Valencia aber doch ein wenig gutgläubig zu sein. Meinte sie im Ernst, dass er einfach aus Spaß überwältigt und gegen seinen Willen verschleppt worden war? Deshalb schaute sie der Fice zunächst ein wenig ungläubig an, ehe er einmal verächtlich aufschnaubte und sich erhob. Das pinkhaarfarbene Mädchen sah wie jemand aus, der durch eigene Erfahrung lernte. Das bedeute in diesem Falle wiederum, dass sie seine Geschichten zwar hörte und aufnahm, doch es mussten tatkräftige Beweise her, um sie vom Ernst der Lage zu überzeugen. Zu seinem Glück – oder Pech, wie man es auch immer sehen wollte – hatte er davon genügend dabei, die er ihr sogleich präsentieren konnte. Wortlos erhob er sich und machte sich oben herum frei. Das mochte jetzt zwar ein wenig seltsam wirken, aber sobald er sich umdrehte, würde es auch Sinn ergeben. Denn nun konnte Lia einen guten Blick auf seinen Rücken werfen, der ganz und gar nicht unversehrt war. Blutige Peitschenstriemen und Brandverletzungen waren ganz klar erkennbar, die meisten davon sogar noch blutig und einige hatten sich entzündet. "Glaub mir, die wollen ganz und gar nicht mit mir reden.", sprach Maenor, während er über die Schulter zur jungen Frau blickte. "Und sie werden erst dann Ruhe geben, wenn sie haben, was sie wollen. Und zwar nichts Geringeres als mich und tot." Danach ließ er noch einige Sekunden verstreichen, in denen die Magierin weiter seinen geschändeten Rücken betrachten konnte, ehe er sich wieder anzog.
Anschließend ging es weiter mit ihrer Magie und jetzt klappte ihm wirklich der Mund vor Überraschung auf. Was? Das konnte doch nicht wirklich sein? Sie war der Feuer Dragonslayer?! Irgendwie konnte er diese Information nicht wirklich verarbeiten, man konnte gut sagen, dass sein Gedankenstrom einem Zug glich. Und dieser fuhr im Moment nur auf einem Gleis, welches zudem noch nicht Mal besonders breit war. Oh man, wer hätte das gedacht? Leider wusste Maenor nun nicht wirklich, wie er die Andere behandeln und einschätzen sollte. War das der Grund, dass Seraphim derart an ihr interessiert gewesen war? Aber nein, das konnte nicht sein, schließlich baggerte er jede an, die ihm nur über den Weg lief. Also war das vermutlich nur Zufall, und somit kannte er nun schon zwei Dragonslayer. Zum Glück hatte sich erwiesen, dass nicht jeder so wie der Weißhaarige drauf war, das wäre wirklich sehr behindert gewesen. "Nein, das habe ich nicht gewusst und das überrascht mich.", war das Einzige, was über seine Lippen kam. Ob er durch diese neue Information ein verändertes Verhalten an den Tag legen würde, blieb noch abzuwarten, denn die Abneigung gegenüber Dragonslayer saß tief in ihm.
An sich hätte er sich gefühlt, als ob man ihm weiter Salz in die Wunde gerieben hätte. Schließlich wäre das der erste Gedanke gewesen, den er bei den Worten der Valencia gehabt hätte. Aber dass sie ihm kurz die Hand auf den Arm legte und diesen mitfühlend streichelte, hatte etwas Beruhigendes und Tröstendes an sich. Manchmal wollte er einfach nicht mehr, war es denn zu viel verlangt, in aller Ruhe sein Leben leben zu können? Wie es aber nun voran gehen sollte, stand noch nicht fest. Der Fice konnte unmöglich ihre Gastfreundlichkeit annehmen und sie und ihre Familie damit in Gefahr bringen, auch wenn er ein wenig Ruhe durchaus gebraucht hätte. Andererseits war sie doch die Tochter des übermächtigen Feuerdrachen Igneel. Würde dieser nicht zu ihrer Rettung eilen, sollte er Wind bekommen, dass seiner Ziehtochter etwas zugestoßen war? Aber nein, darauf würde er sich nicht verlasen. Das konnte und würde er nicht hinnehmen. "Wenn du willst, kann ich dich noch bis nach Magnolia Town begleiten, nicht, dass dich jemand von diesen Typen noch überfällt. Aber deine Gastfreundschaft kann ich einfach nicht annehmen, ich will weder dich noch diene Familie in Gefahr bringen. Also danke, aber nein, vielleicht ein anderes Mal, wenn sich das alles geklärt hat." Damit stand der junge Mann auf und das gerade noch rechtzeitig. In genau jenem Augenblick flog ein magisches Messer heran und prallte genau gegen den Stein, an den sich der junge Mann nur Momente zuvor gelehnt hatte. So ein Mist aber auch, sie waren entdeckt worden! Da hinten sind sie, ertönte es plötzlich aus der Nähe und schon kam ein Quartett an Clanagenten angerauscht, beseelt in dem Wunsch, Maenor zu fassen. "Bleib in Deckung!", raunte er der jungen Frau zu, ehe er sich in Bewegung setzt. Schon sprang er hoch und befand sich in der Luft, das Katana in der einen Hand. Dieses stieß er in den Boden, genau zwischen zweien Angreifern, die er anschließend mit zwei saftigen Tritten ausknockte. Ganz schön akrobatisch, nicht wahr? Das wahre Problem waren nur der Dritte, der auf Lia zurannte sowie der Vierte, der in einen Lachrymakristall sprach. Und was nun?

Über ihr abgelehntes Angebot konnte Lia nicht anders, als kurz einen resignierten Blick zur Seite zu werfen, einfach aus reiner Gewohnheit. Wie oft jemand sie auf freiwilliger Basis besucht hatte, konnte Lia an einer Hand abzählen. Allerdings hatte Maenor wenigstens einen triftigen Grund, er wollte ihre geliebte Familie nicht unnötig in Gefahr bringen. Zwar war sich der Pinkschopf sicher, dass das kein Hindernis war, aber aufzwängen wollte sie sich ihm auch nicht. „Wie du meinst. Aber dann lass dich dort wenigstens untersuchen und ordentlich behandeln, klar?!“, orderte sie mit dem typischen, scharfen Unterton in ihrer Stimme. Gerade, als Maenor aufstand, Lia blickte ihm fragend hinterher, da kam etwas auf ihn zu geschossen. Besser gesagt auf die Stelle, wo er vor einer halben Sekunde noch gesessen hatte. In der Sekunde darauf wusste die junge Frau noch gar nicht, wie ihr geschah, erst als durch fremde Stimmen klar wurde, dass ihr Versteckt aufgeflogen war, konnte Lia wieder einen klaren Gedanken fassen. Auf seine Anweisung hin, sie solle in Deckung bleiben, konnte Lia trotz der ernsten Situation nur genervt die Augen verdrehen. Was glaubte er denn, wer sie war? Die Prinzessin auf der Erbse? Sie wusste auch selbst, wie man in solchen Situationen zu handeln hatte. Männer! Zwar blieb die Dame mehr oder weniger in Deckung, rührte sich aber doch vom Fleck, schließlich musste sie sich ja wenigstens halbwegs einen Überblick über die Situation verschaffen. Eher zufällig bemerkte sie dabei, wie Maenor zwei der Angreifer ziemlich geschickt wegkickte. Da bekam man ja richtig Lust, selbst zu beweisen, was man so drauf hatte! Vor allem war es interessant, was man mit den Fähigkeiten, die man sich mittlerweile angelacht hatte, schon alles anrichten konnte! Als wären ihre Gebete erhört worden, kamen auch schon zwei andere angerannt. Aber Moment, waren das nicht vorhin nur zwei gewesen? Warum waren sie nun zu viert? Toll, da verging einem die Lust doch gleich wieder, denn nun wurde der Spaß zu Ernst. Einer der beiden Neuen hatte die Magierin entdeckt und kam zielgerichtet auf sie zu. Der andere unterhielt sich noch mit dem Kristall, doch der interessierte jetzt eher wenig. Mutig richtete sich Lia auf und stellte sich dem Mann entgegen. Während dieser mit steinernem Gesichtsausdruck auf sie zu kam, konnte sie sich ein unheilvolles, mit Erwartungen besticktes Lächeln einfach nicht vermeiden. Gerade, als er ausholen wollte – er dachte wohl, es würde genügen das kleine Mädchen niederzuschlagen – da bekam er schon die Rechnung: Fire Dragon's Tenacious Flame. Der herbeigeführte Feuerstrahl schnellte auf ihn zu und oft genügte schon der psychische Effekt, die Angst des Menschen vor Feuer, dass man sich einen Aufschrei nicht verdrücken konnte. Wie war es wohl erst, wenn das Feuer an seine Kleidung kam? Natürlich war es eine heiße, gefährliche Flamme, die ihn entzündete, doch noch fehlte es Lia an Übung. Der Mann wälzte sich panisch auf dem Boden herum und irgendwann gelang es ihm, die Flammen dadurch zu ersticken. Zwar waren seine Kleider verkohlt und teilweise war auch seine Haut davon betroffen, aber jemanden total außer Gefecht zu setzen, war noch schwierig. Lia nutzte diese längere Zeit, um sich wieder zu Maenor zu begeben, vielleicht brauchte er Hilfe oder er hatte eine Idee, wie es weiter gehen sollte. „Was machen wir?“, fragte sie ihn daher gefasst, schon fast monoton. Üblicherweise mochte sie es ja gar nicht, Befehle anzunehmen oder anderen gehorchen zu müssen, aber es war eben seine Familie und daher auch sein Spiel, dem sie sich zu fügen hatte.