Cf: Gildenhaus Erdgeschoss

Ein wenig demotiviert stützte der große Magier sein Kinn auf seinen Handballen, welchen er mit dem Ellenbogen auf den Tisch stützte. Dabei fiel sein Blick ein wenig skeptisch in Richtung Naomi als sie wieder von ihren mehr oder minder unmöglich hilflos lösbaren Aufgaben erzählte. Dabei vergaß sie aber einen ganz wichtigen Punkt und Ren überlegte, ob er sich damit bei ihr unbeliebt machte, wenn er sie erneut auf eine Tatsache hinwies, die ihr nicht gefallen würde. Ganz sicher mochte sie ihn so schon nicht mehr, aber normalerweise interessierte ihn das herzlich wenig. Immerhin war seine Argumentation gerade nicht einmal böswillig gemeint gewesen. Nein, tatsächlich diskutierte er erstaunlich gern. Wenn er wirklich böse sein wollte, hätte er ihr die Meinung vieler Menschen unter die Nase gerieben, dass Frauen sowieso keine Magierinnen, sondern Hexen waren und eher in die Küche, als in den Kampf gehörten. Dies war aber reichlich überholt, immerhin gab es wirklich viele berühmte Magierinnen, die Ren ohne Weiteres den Arsch aufreißen konnten. So hätte er also gelogen und das hielt er nicht für nötig, nur um einem kleinen blonden Mädchen auf dem Sack rumzutanzen und ihr bildlich gesehen den Lutscher wegnahm…
„Ich nehme an, dass du in der Situation, in der du entführt wurdest allein warst?“, begann er ziemlich ruhig und schielte ein wenig teilnahmslos zu ihr rüber. Mitleid war ohnehin nicht so sein Ding. „Wohlmöglich hast du noch nicht die Ausstattung um dich selbst zu verkaufen…“ Ja, ein wenig einsichtig konnte er sich auch zeigen. „Aber meinst du wirklich, du wärst in eine solche Situation gekommen, wenn jemand bei dir gewesen wäre, vor dem du hättest große Augen machen können? Wahrscheinlich hätte sich ein Schönling für die kleine süße Prinzessin geopfert! Ne, Spaß bei Seite. Ich bin der Meinung Frau hat es leichter das Leben so einfach wie möglich zu gestalten, da es einfach genug Männer gibt, die von dem Wort Emanzipation noch nicht mal etwas gehört haben… Stell dir vor ich zwänge mich in knappe Damenkleidung. Das würde im Höchstfall in unaufhörlichem Gelächter enden…“ Es war Ren ziemlich egal ob er irgendwelche dramatischen Situationen wieder aufweckte. Die Leiden anderer Menschen hatten ihn schon immer relativ wenig gejuckt. Wenn überhaupt war er total neugierig, aber so lang es nicht sein Schmerz war, war dieser bestandlos…
Ren war ein ziemlicher Arsch, aber das bedeutete ja noch lang nicht, dass man mit ihm nicht arbeiten konnte. Der Gedanke daran, dass ihn jemand Männliches mit nach Hause nahm, kam ihm erstmalig und eine gewisse Verstörung ließ sich in seinem Gesicht schon ablesen. Da war es deutlich plausibler und angenehmer, dass es auch noch andere Menschen beziehungsweise Damen auf der Welt gab, die damit umgehen konnten. „Siehst du? Genau darum vermeide ich es generell Körperkontakt zu pflegen. Gegenüber Damen ist es unnötig und gefährlich und einen Mann anfassen, ist doch…“ Ihm fiel kein diplomatisches Wort dafür ein. „…irgendwie wider der Natur. Ich meine… Nicht dass ich mich bei jemand anderem darüber aufregen würde. Ich toleriere das, aber Toleranz hat immer etwas mit Ablehnung zu tun und wenn ein Typ meinen würde mich mit nach Hause zu nehmen, würde ich nicht zögern zu versuchen ihm den Hals umzudrehen.“ Was er mit „wider der Natur“ meinte, konnte das Mädchen sich sicher denken. Immerhin war das Bild Frau+Mann doch das non plus Ultra der biologischen Fortpflanzung. Wie zwei Puzzleteile quasi… Alles andere passte, so musste man deutlich sagen, nicht zusammen. So sah Ren es zumindest. Und er konnte damit nicht umgehen… Denn warum sollte man so etwas tun? Ein körperliches Verlangen hatte der Typ sowieso noch nicht gespürt, also konnte man es auch damit nicht erklären. Was der Bauer nicht kennt, versteht er nicht!
Der Zug rüttelte ein wenig, schwankte und die Geschwindigkeit nahm ab. Ein deutliches Zeichen dafür, dass sie an ihrem Ziel angekommen waren. Alles was der Akuma mit sich führte, und das war in der Regel nie viel, weil er gern seine Fäuste im Kampf nutzte, war schnell zusammengerafft und er ging gemeinsam mit Naomi zur Tür, welche er zeitgleich mit ihr verließ. Ein letzter Blick fiel auf Lynx. Er war enttäuscht… Nochmal würde er ihre Entschuldigungen nicht annehmen…
Der erste Schritt auf neuem Boden war ungewohnt. Sie befanden sich unmittelbar nahe dem großen benannten Dorf, in dem sie ihren Job verrichten sollte. Am Ende einer Landstraße konnte man es schon quasi wenige Meter weit entfernt erkennen. Es war ein wenig altmodisch und naturbelassen, aber Ren juckte das Äußerliche herzlich wenig. Wenn man ihn nicht gerade in eine Wüste verjagte, ging er überall hin. Für die meisten Menschen war dieser Ort sicher ansehnlich, aber Ren ging ohne sich groß an der Situation aufzuhalten los, während er eine Karte aus der Tasche kramte. Es dauerte weitere Sekunden, in denen er die Karte mehrfach falschrum oder auf dem Kopf hielt… Dann reichte er sie der kleinen Blondine. „Ich hab’s nicht so mit Karten…“ Zwar war Ren schon immer sehr gebildet gewesen, auch als er zu Hause eingesperrt war, doch die Welt hatte er kaum kennengelernt, wenn dann nur auf Bildern. Unter Karten konnte er sich schon immer wenig vorstellen. Zwar konnte er sich gut orientieren und immer sagen wo Norden liegt, doch die Zeichnungen auf Karten verwirrten ihn häufig. Also verließ er sich mal auf die Kenntnisse der kleinen Blondine… Und nun ging es hoffentlich endlich ohne weitere Umschweife nach Rusuki!

Naomi ließ den Zug und alles, was darin gesagt worden war hinter sich. Sie konnte sich nicht mit Dingen aufhalten, die sie quälten, wenn sie ihren Gildenkollegen mögen wollte. Das war der Plan und nicht mal sein Mundwerk würde ihr da im Weg stehen. So weit kam es noch, dass sie sich von jemandem abschrecken lassen würde, da müsste er schon einiges mehr anstellen. Aber es war doch merkwürdig. Wie auf ihrer ersten Quest waren sie mit dem Zug gefahren und nun standen sie irgendwo im nirgendwo. Wahrscheinlich würden sie ein wenig laufen müssen, wie damals. Spielte hier gerade das Schicksal einen Streich, um ihr zu zeigen, wie es mit Seraphim hätte laufen können, wenn er sie nicht auf so merkwürdige Weise für sich beansprucht hätte? Nein, das war Ren und er war deutlich anders als Seraphim, sehr viel anders. Auch wenn beide mit der Aussage glänzten, dass ihnen ihr Körper keines Falls peinlich war und sie ihn sicher mit der ganzen Welt teilen würde. Dennoch hatten beide gewisse Vorbehalte. Bei Seraphim war es einfach, dass er doch wählerisch war, nicht sehr, aber doch ein wenig und Ren ... Sie betrachtete ihn, während er die Karte herauskramte, er hatte Angst jemanden zu nah an sich heranzulassen und damit etwas zu schaffen, was ihn verletzen könnte?
Das Mädchen nahm die Karte entgegen, wortlos überflogen die Augen die Landschaft, welche darauf abgebildet war. Zuerst musste sie richtig ausgerichtet, werden, dann suchten die Bernsteinaugen nach dem Bahnsteig, auf welchem sie sich gerade befanden und nun nach dem Dorf, in welches sie mussten. Es gab einige Wege, die über kurz oder lang ins Dorf führten. Doch Naomi war nicht nach einem zu langen Weg zumute. "Dieser", sagte sie und deutete auf einen Feldweg, der sich fast schnurgerade durch die Landschaft schlängelte. Das Kind setzte sich in Bewegung, während es die Karte wieder zusammenfaltete. Eigentlich mussten sie ja nur dem Weg folgen und das würden sie sicher auch ohne Karte fertigbekommen. Also reichte sie diese an Ren zurück. Gerne hätte sie nun mit ihm gesprochen, allerdings fiel ihr kein Thema ein, was nicht irgendwie doch auf das andere zurückführen würde und einigermaßen Sinn hatte, also schwieg sie. Die Arme hinter dem Rücken verschränkt bewegte sie sich vorwärts, den Blick auf die eigenen Füße gerichtet. Eigentlich wartete sie nun Akira der ihr mit eiskalten Fingern an den Nacken fasste und sagte man solle nicht so krumm gehen, doch der war zu Hause und unterrichtete wahrscheinlich gerade Jonathan, der schmollte, dass er nicht auf Quests durfte.

Hatte Ren Angst vor Körperkontakt, weil er sich vor Verletzungen fürchtete? Das klang irgendwie nicht richtig. Ren war ein riesiger und auch sehr starker Typ in dem Dämonen schlummerten, die einem so manche Nacht als schlaflos in Erinnerung bleiben ließen. Generell war er allerdings keine Bedrohung, denn völlig grundlos ging er keine Leute an, auch wenn an manchen Tagen nur ein falsch gedeuteter Blick ausreichen konnte, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Doch das war nicht einmal wirklich der Grund dafür, dass er einen solchen Abstand suchte. Ren mochte Menschen einfach generell nicht. Menschen waren unberechenbar, egozentrisch und egal ob gut oder böse, das lag immer im Auge des Betrachters. Es gab keine Maßstäbe, weil jeder einen anderen an den Tag legte. So waren Menschen die wahren Dämonen, denn die Monster von denen er seine Kräfte bezog, waren immerhin ehrlich und immer direkt das was man als böse betitelte. Ne, aber mal ganz im Ernst: Würde ihm wirklich jemand seelisch so wehtun, dass es ihn tatsächlich berührt, würde er vermutlich alles vergessen. Egal ob Freund oder Feind, stärker oder schwächer… Wenn Ren die Beherrschung verliert, dann kann das schon mal böse ins Auge gehen. Das wäre nicht das erst Mal…
Die kleine Blondine war plötzlich sehr ruhig geworden. Nicht dass Ren etwas dagegen hatte, aber das bewies ihm einmal mehr, dass es wahrscheinlich auch besser war, wenn er niemandem nahe kam. Er war nicht der umgängliche Typ und viele konnten oder wollten damit auch gar nicht umgehen. Das war für ihn nie ein Problem gewesen. Was man nicht kannte oder als gut empfand, vermisste man nicht. So fehlte es ihm auch nicht jemanden zu haben, mit dem man seine Gefühle oder sonstigen weichen Menschenkram teilen konnte. Er würde die Menschen ohnehin nur verletzen oder könnte ihnen nicht die Aufmerksamkeit geben, nach der sie verlangten. Nicht ohne Grund war er ein einsamer Wolf, mehr oder weniger. Allerdings schien Naomi trotz einer Abneigung, so deutete er zumindest ihren plötzlichen Umschwung im Verhalten, dennoch recht gut weiterarbeiten zu können. Immerhin nahm sie seine Schwäche hin und half ihm sogar. Naja, sie hatten einen gemeinsamen Job. Nun rumzubocken, würde niemandem von den beiden irgendetwas bringen. Ren nickte, nachdem sie den Weg aufgezeigt hatte und ging voran. Da es ein Feldweg war, beschloss er aufgrund ihrer Kooperation den Weg ordentlich für sie platt zu walzen, indem er voraus ging. Manchmal konnte er sogar fast nett sein! Irgendwas wollte er sagen. Er mochte Stille, aber gerade war es ihm unangenehm. Wollte er sie aufziehen, auf ihr herumhacken? Nein, eigentlich nicht mal. Sein Verlangen danach andere Menschen zu quälen, war deutlich zurückgegangen, seitdem er in dieser Gilde war. So fielen ihm doch ein paar Worte ein, die er ihr an den Kopf werfen konnte, während sie durch die Felder liefen. „Hat es dir nun die Sprache verschlagen kleines Fräulein?“, sagte er trocken. Zynisch wie immer… Mal sehen ob ihr das so passte…

Naomi blickte Ren von unten her an. Was wollte er ihr damit nun sagen. War ihm etwa langweilig und sie sollte jetzt für Unterhaltung sorgen? Es war wirklich nicht leicht, ein Magier zu sein, oder kam es nur ihr so vor? So stupste sie ihm zart mit dem kleinen dünnen Finger in die Seite und nickte: "Ich bin mir nicht sicher, was ich dir sagen soll, weil ich dich mag und will, dass du mich auch magst, aber ich bleibe dennoch nur ein kleines Mädchen." Sie würde einfach den spitzen, scharfen Unterton ignorieren, den er an den Tag legte, wahrscheinlich war es seine allgemeine Tonlage und er konnte einfach nichts dafür. Es musste so sein, nicht einmal Seraphim war in einer Tour giftig, Ren musste sich diesen Ton einfach angewöhnt haben und konnte schon gar nicht mehr hören, wie gemein es manchmal klang, was er sagte. Ob dieser Weg auch so weit war? Würde sie mit Ren auch in einem Zimmer schlafen, um ihn dann morgens zu wecken? Kurz schüttelte es sie, der Gedanke, dass er sie ebenfalls unter sich ins Bett buxieren würde, um sie dann mit zornig glühenden Augen zu fragen, warum sie ihn denn weckte. Wobei, vielleicht war er auch total schmusig, wenn er verpennt aufwachte.
Ein Seitenblick zu dem Hünen und Naomi schüttelte den Kopf, nein es schien für sie unmöglich, dass dieser Riese sich auch nur im entferntesten entspannen würde, so lang sie in seiner Nähe war. Jetzt bräuchte man Transformationsmagie, die es einem ermöglichte ein anderes Aussehen anzunehmen, das eines Jungen wäre in dem Fall deutlich hilfreich. Ein bisschen erinnerte er sie an Akira, er schien fast genauso verklemmt in einiger Hinsicht, die Frage nur war, für wen von beiden war es die größere Beleidigung, mit dem anderen verglichen zu werden. Für den steifen, zugeschlossenen Hauslehrer oder für den eigentlich exhibitionistischen Frauenmeider? "Es wird kälter", meinte sie mit einem Blick an den Himmel, wo große Wolkenschwaden begannen, den Himmel zu verdecken und die Sonne zu verdunkeln. Der Wind, welcher schon eben geweht hatte, kühlte aus und ließ Naomi frösteln. Im Sonnenschein war es viel angenehmer gewesen. "Mir ist kalt", eine Feststellung, kein Jammern, kein Klagen, eine einfache Feststellung. Mit den Handflächen rieb sie an ihren Oberarmen entlang und schloss die Augen. "Ihr Männer habt es da einfach, ihr wärmt von Natur aus eure Körper von außen, manchmal wirkt ihr wie eine gute Heizung, du auch?", sie drückte sich vorsichtig an seine Seite, doch er war nicht warm wie erwartet.
Das kleine blonde Mädchen sah auf: "Du bist so kühl wie ich selbst." Kurz nahm sie sich die Zeit, sich einfach ein wenig an ihn zu schmiegen. Auch wenn er ein grummelnder Forstklotz war, konnte sie seine Nähe genießen, sicher gab es Angenehmeres, aber Nähe war Nähe und sie mochte diese. Dann entließ sie ihn wieder und nahm Abstand ein.

Nach seinen spitzen Kommentaren rechnete Ren in der Regel mit vielen Dingen. Er bekam oft die Zickigkeit der Weiber zu spüren, manchmal wurde er vermöbelt, angeschrien oder man brach in Panik aus… Die Reaktion von Naomi war allerdings irgendwie ganz was Neues. Ein wenig skeptisch zog er die Augenbrauen hoch, nachdem er gehört hatte, was sie so von sich gab. Mögen? Hatte er sich bei ihr vielleicht mit dem falschen Namen vorgestellt? Naomi behandelte ihn wie einen Schmetterling und nicht wie einen Dämon… Was war nur los mit diesem Mädchen? War sie so naiv, dass sie ernsthaft so krampfhaft nach einem guten Kern in ihrem wühlte. Es tat ihm fast ein wenig Leid, dass sie sich so sehr bemühte ihn zu mögen. Er war kein Mensch mit dem man gut auskam, wenn er eines wusste, dann das. Prinzipiell hatte Ren kein Problem mit Menschen, die ihm nichts Böses wollten oder ihn nicht nervten. Naomi tat ihr Bestes um nett zu ihm zu sein und scheinbar war sie tatsächlich ein so krasses Sonnenscheinchen, dass sie sich von ihm erhoffte, dass er diese Bemühungen auch ernst nahm. Ren seufzte leise… Ein wenig Mitgefühl hatte er ja schon. Sie meinte es ja nicht böse mit ihm, aber er war sich ziemlich sicher, dass er nicht der Mensch war, den ein Mädchen wie sie überhaupt mögen sollte. Vielleicht sollte er ihr das klar machen. So sprach er direkt aus dem Bauch heraus: „Mach dir keine Umstände. Es gab bisher nur eine Person, die ich wirklich mochte…“ Und das war vorbei. Halt. Stopp. Hatte er das gesagt? Warum? Als ihm klar wurde was er da von sich gegeben hatte, schnappte er kurz nach Luft und verbesserte sich eilig: „Also! Mögen im Sinne von… Miteinander auskommen. Ich habe keine Freunde oder sowas. Und Menschen sollen mir nicht nahe stehen. Das wollte ich eigentlich sagen.“ Kurve gekriegt. Mehr oder weniger…
Wie war er nur darauf gekommen das zu sagen? Es ließ ihm keine Ruhe. Zwar war ihm bewusst geworden, dass sein Leben sich verändern würde, wenn er aus der Wüste flüchtete, doch hatte er nicht damit gerechnet, dass er sich noch verändern würde. Er war achtzehn Jahre alt und fast zwei Meter groß… So eine Persönlichkeit veränderte sich doch nicht einfach wegen irgendwelchen nichtigen Menschen. Vor allem diejenigen, die sich nicht mehr um ihn scherten… Das machte ihm zu schaffen. Und da er nicht der Typ war, der sowas verdrängte, einfach weil er dazu zu raffiniert war, ging es ihm ordentlich auf den Sack. Nein. Er hatte Recht behalten: Es war besser niemanden nahe kommen zu lassen. Das machte ihn nur schwach. Wahrscheinlich war es gut, dass Lynx wieder weg war. Gerade mit einer Person wie ihr hätte er denselben Fehler noch einmal machen können. Fatal.
Ein wenig abwesend und in seinen Gedanken versunken, bemerkte der Hüne wie die Blondine sich darüber beschwerte, dass es kälter wurde. Ein Blick gen Himmel verriet, dass die Wolken verhangen waren, nun wo sie das Dorf betraten. Als würden sie Unheil bringen… Fast schon richtig passend, wenn sich ein Dämon näherte. Ihre darauf folgende Feststellung im Bezug auf Männer war… Naja keine Ahnung wie sie auf sowas kam. Er beschwerte sich nicht. Zwar spürte er in der Gegend seines Magens, dass es ihm nicht passte, dass sie ihm auf die Pelle rückte, doch machte er sich bei ihr am wenigsten Sorgen, dass sie plötzlich umschwang und ihn sinnlos vermöbelt, obwohl er nichts tat. Nein, sie hatte selbst immer wieder erklärt, dass sie sich bemühte ihn zu mögen. Sie würde ihm nichts unterstellen… Oder war er nun naiv? Er ignorierte es scheinbar völlig wie sie sich an ihn schmiegte. Als wäre er aus Eis, wahrscheinlich war er auch so kalt. Er genoss die Kälte allerdings auch… Hitze hatte er in seinem Leben mehr als genug ertragen müssen. „Menschen sind gleich unterschiedlich. Egal ob Mann oder Frau.“ Das sagte gerade er. „Es gibt auch Männer mit kalten Füßen, so wie es Frauen mit warmen Händen gibt.“ Ren hatte gerade aus seinen unangenehmeren Situationen lernen können, dass Klischees und Vorurteile nicht besonders wahrheitsgemäß waren. Immerhin war er kein Grapscher, nur weil er ein Mann war. Doch wer glaubte ihm das? Vielleicht diese kleine naive Blondine. Und wer noch? Als sie ihn losließ und auf Abstand ging, zog der Hüne seine Jacke seufzend aus und reichte der Kleinen seine viel zu lange Oberbekleidung. So winzig war sie nicht mal, nur ziemlich zierlich und kindlich, was sie wiederum, ohnehin im Vergleich zu Ren, sehr klein wirken ließ. Man merkte dem Hünen ziemlich genau an, dass seine Stimmung wegen seinem Ausrutscher sich ziemlich verändert hatte, doch er ignorierte dies selbst. „Du solltest übrigens ein wenig vorsichtiger sein mit dem was du tust. Es gibt Menschen die noch viel unfreundlicher sind als ich, sich vielleicht ganz anders geben und dich dann bei Aktionen wie der eben ins Messer laufen lassen.“ Warum auch immer er sowas sagte…

Rens Warnungen? Gingen bei Naomi zu einen Ohr rein, und zum anderen Ohr raus. Was hängen blieb, war, dass er schon dazu in der Lage war, Menschen zu mögen, immerhin hatte es auch den Eindruck gemacht, als würde er Lynx recht gern haben. Auf seine Weise eben. Vor Naomi öffnete sich das Loch aus dem Stimmen ihr böse Dinge zuflüsterten, die wie Echos ihrer eigenen Stimme an ihr Ohr hallten. Wahrscheinlich war sie es gar nicht wert lieb gehabt zu werden, auch Seraphim hatte immer wieder versucht sie davon zu überzeugen, dass sie ohne ihn besser dran war. Tasha hatte sie sogar gefesselt und an der Schulter verletzt, in die Hände von Räubern gegeben, denen sie nur entkommen war, weil der Himmelsdrache glücklicherweise aus seinem Mund Windbälle spucken konnte und weiß das Tuch glücklicherweise zwischen ihren Zähnen nachgegeben hatte. Ein paar zu viele glückliche Zufälle, die ihr Überleben garantiert hatten. Der einzige Mensch, dessen Liebe sie sich wirklich sicher war, der lag im Krankenhaus irgendwo zwischen Leben und Tod und würde wahrscheinlich nie wieder in diese Welt zurückkehren. "Ich weiß, dass ich es nicht wert bin, aber ich werde dennoch versuchen dich davon zu überzeugen, dass es nicht schlecht ist, jemanden gern zu haben, auch wenn ich es wahrscheinlich nicht bin."
Dann kam die Sache mit der Kälte über sie, klar gab es auch Frostbeulen unter den Männern, aber er hatte auf sie eigentlich warm gewirkt, aber gut, man konnte sich auch täuschen, sie konnte sich auch täuschen. Allerdings war es keine vertreibende Kälte gewesen. Es gab wohl auch bei Kälte einen Unterschied. Onkel Gideon fühlte sich immer an, als hätte er sich in einen Eisschrank gestellt, damit er schön erschreckend eisig war. Ren war zwar auch kühl, aber eben anders, wenn Naomi nur noch definieren könnte wie anders, wäre sie um einiges glücklicher. Möglich, dass es an ihren Absichten lag, noch schien Ren ihr nichts Böses zu wollen, bei ihrem Onkel allerdings schien es durchaus klar, dass er ihr keinesfalls etwas Gutes wollte. Immerhin reichte er ihr gerade seine Jacke, in welche sie sich gerne einwickelte. Fremder Geruch hüllte sie ein, aber das störte sie nicht, ein sie genoss es zumindest die Einbildung zu haben, dass jemand da war, auch wenn es eigentlich nur die Jacke war. Da war ihr der Unterschied recht gering, und als er sprach, musste sie kurz lächeln. Wieder eine dieser traue-keinem-Belehrungen. Wenn es danach ging, dürfte es keine Gilden geben, weil kein Magier dem anderen weit genug über den Weg traute.
"Keine Angst, ich gehe nicht mit Fremden in Gebüsche und lasse mich nicht mit Süßkram locken und über ein Messer in meiner Brust oder meinem Rücken wäre ich manchmal durchaus dankbar, nur tut es immer niemand, wenn ich gerade in der Stimmung dazu bin. Meist kommen so Leute, wenn ich gerade entschieden habe, dass ich noch etwas leben sollte und dann bring ich sie um, bevor sie's versuchen. Allerdings nimm dich in acht, man könnte fast sagen ich bin anhänglich und ich bin klein. Ich bin schon einem Gildenkollegen aufs Bett gestiegen, um ihn zu wecken. Ich hoffe du hast keine Angst vor kleinen Kinderhänden. Nicht, dass ich nachher noch wegen Belästigung angezeigt werde", diese Mission würde wahrscheinlich sehr interessant werden, wenn man bedachte, dass Naomi an jemanden gewöhnt war, der zwar ebenfalls vor Körperkontakt keine Scheu besaß, aber diesen selbst auch zuließ und suchte. Ren hatte zwar angeblich keine Scheu, aber scheinbar einen Ekel oder eine Abneigung. Was auch immer es war, es machte die Sache kompliziert, während sich das Mädchen in seine Jacke kuschelte.

Wie konnte Naomi alles was er gesagt hatte dennoch irgendwie auf sich beziehen? So oft hatte er erklärt, dass er Menschen nicht nahe kommen wollte, dass er niemanden mochte... Und dennoch schien dieses Mädchen irgendwie daraus zu schließen, dass Ren explizit etwas gegen sie hatte. Nein, es waren keine einzelnen Menschen. Es war die Menschheit, die Ren hasste. Sie musste ein ziemlich angekratztes Selbstbewusstsein haben, um Rens Groll auf sich zu beziehen. Eigentlich war ihm das lieb, doch so wie sie sagte, dass sie es nicht wert war, empfand er dafür etwas, was sich nicht oft ihn ihm gemeldet hatte in seinem Leben. Nein, eigentlich war er kein Mensch der Mitleid empfand. Er hatte winselnden Menschen die Kehle quasi mit bloßen Händen aufgerissen und doch hatte er Mitgefühl mit diesem unschuldigen kleinen Blondchen. Scheinbar hatte er Recht mit seiner Vermutung gehabt... Diese Arbeit als Magier machte ihn weich. Nur konnte er noch nicht wirklich sagen, ob das gut oder schlecht war. Was machte er nun mit diesem ungewohnten Gefühl? Ein Seufzen drang aus der Kehle des großen Magiers. „Hör mal: Ich bin einfach kein netter Mensch. Niemand von dem man wollen sollte, dass er einen mag, klar? Und dass ich sage, dass ich dich lieber nicht mag, hat nichts mit dir persönlich zu tun, also schließe daraus nicht, dass du es nicht wert bist.“ Erneut unterbrach ihn ein Seufzen und er legte den Kopf in den Nacken, um in den Himmel zu blicken. „Objektiv betrachtet, bist ganz sicher du die Person von uns beiden, die von anderen Menschen gemocht wird. Du bist freundlich, siehst relativ gut aus, hast offenbar einen optimistischen und loyalen Charakter... Wenn von uns beiden jemand es wert ist, gemocht zu werden, dann bin das sicher nicht ich.“ Diesmal stockte er ohne eine Geräusch von sich zu geben, lachte dann sogar leise und murmelte: „Ich kann nicht glauben, dass eines der nettesten Dinge, die ich seit Jahren von mir gegeben habe, an eine Fremde gehen... Bild dir da ja nichts drauf ein.“
Ohne weitere Umschweife kam er zu dem Punkt, an den er von Anfang an mit dieser Thematik eigentlich hatte kommen wollen. Nur sein schlechtes Gewissen war beruhigt, verdammtes Mitgefühl. „Das ist nicht etwas, wovon du mich leicht überzeugen werden kannst, klar? Wenn die Zukunft, und damit meine ich Veränderung, das Problem wäre, dann müsste mir sicher kein Kind dabei helfen. Ich mag Leute nicht, wegen dem was ich erlebt habe. Der Vergangenheit, die nichts in der Welt mehr ändern kann. Darum hasse ich Menschen und darum will ich auch keiner von ihnen sein. Ich heiße nicht Akuma, weil es cool ist, sondern weil ich daran arbeite ein richtiger Dämon zu werden.“
Wieder machte der Hüne eine kleine Pause und warf einen Blick zu Naomi, der seinem Namen eine Ehre machte. Kalt, gefährlich und ohne auch nur den Hauch einer positiven Emotion drang der Blick der silbernen Augen in die der kleinen Dame. „Ich sage dir nicht, dass du auf andere acht geben sollst, weil ich glaube, dass du mit Leuten mitgehst, die dir Süßigkeiten anbieten. Viel mehr glaube ich, dass ich im Gegensatz zu dir genug Leute in meinem Leben selbst getötet habe, um dir zu sagen, dass die Geschichte eines Menschen schneller in andere Bahnen geraten kann, als man denkt.“ Was sollte er noch tun, damit dieses Mädchen verstand, dass Ren nicht der Typ war, um ihr bestester Freund überhaupt zu werden? Viel lieber sollte sie sich vor Typen wie ihm in Acht nehmen. Irgendwie besorgte ihn der Gedanke, dass sie mit allen Menschen die so waren wie er so umging. Wenn sie da mal an den falschen geriet... Was dachte er da? Genau genommen war sie das schon. Hätte ihn diese Gilde nicht so verweichlicht hätte er sie schon längst irgendwo stehen gelassen oder niedergeschlagen und bestohlen. „Tu was auch immer du willst.“, begann er und winkte verächtlich ab. „Aber komm dann auch mit der darauf folgenden Reaktion klar. Ich hab dich mehrfach gewarnt.“ War nur noch die Frage in wieweit er seinen eigenen Drohungen noch Folge leisten konnte... Was hatte dieses Leben nur aus ihm gemacht? Und vor allem fragte er sich, ob das gut oder schlecht war... Ehrlich gesagt, verspürte er seit langem mal wieder diese spezielle Trockenheit in seiner Kehle, diese Todesangst und den Drang danach sein Überleben direkter zu sichern. So weich wie er war, was außer dem Dämon in, konnte ihn da noch retten?

Naomi blickt zu ihm auf, die goldenen Zöpfchen leicht im Wind wehend, der vom Feld herüber kam und ihr leicht ins Gesicht pustete. Dabei zeigte sich ein liebevolles Lächeln in ihrem Gesicht. Ein böser Kerl also und dennoch ließ er es nicht zu, dass sie sich schlecht machte. Was für eine Art Bösewicht war er dann. Sich leicht aus der Sache retten zu wollen, in dem er meinte, dass er schon lange nichts so Nettes mehr gesagt hatte. Dennoch glaubte Naomi, dass ihn ihm eigentlich mehr Nettes zu finden war, als er jetzt zugeben wollte. Nun stellte sie sich vor ihm hin und tippte ihm sanft mit einem Finger auf die Brust: "Weiß du, du bist ganz okay, ganz egal, wie sehr du mich vom Gegenteil überzeugen möchtest. Ich finde dich a, recht cool und b, bist du scheinbar doch netter als du selbst zugeben magst." Nun lief sie rückwärts vor ihm her und hörte, zu was er weiterhin zu sagen hatte. So er wollte sich also seinem Namen annähern? Naomi hatte das Bedürfnis ihm sanft durch das Haar zu wuschen und ihm zu sagen, dass er es sicher eines Tages schaffen würde. Doch so gemein wollte sie am Ende doch nicht zu ihrem Kollegen sein, oder? Immerhin war er doch der gemeine Kerl nicht wahr?
Er sah auf sie herab, eisig und Naomis warme braune Augen hielten diesem Blick stand. So er hatte also schon getötet, etwas was die kleine Magierin gar nicht beeindruckte, denn das war etwas, was sie ebenfalls bereits hinter sich gebracht hatte. Sicher würde er ihr noch erzählen, dass er aus einer anderen Motivation heraus gehandelt hatte, aber das wollte sie erst gar nicht hören, deshalb schnitt sie dieses Thema gar nicht erst an. Eine gute Entscheidung, denn kurz danach kam etwas, was ihr ein leichtes Grinsen ins Gesicht zauberte. Alles machen zu dürfen, was man wollte, so lang man das Echo vertragen konnte. Oh ja das klang doch mal nach einer Einladung, auf die sie gewartet hatte. Wenn er jemand anderes gewesen wäre, dieser jemand müsste Seraphim sein, dann würde sie nun weiterhin brav neben ihm hergehen. Denn der Dragonslayer wusste genau, was er tun musste, um sie von sich abzuhalten, wenn er das denn wollte. Vielleicht würde Ren irgendwann eine ähnliche Macht über sie haben, aber das stand noch in den Sternen. Jetzt allerdings ließ sie sich etwas hinter ihn zurückfallen, um zum nächsten Schlag auszuholen. Dieser würde vernichtend und gleichzeitig lustig sein, zumindest lustig für Naomi.
Sie nahm Anlauf und sprang ihm auf den Rücken, sanft mit Armen und Beinen sich an seinem Körper haltend. Vorsichtig den Kopf an seiner Schulter ablegend blickte sie nach vorne. "Es ist nicht mehr weit und ja ich könnte eigentlich selbst gehen, aber es ist schön, hier oben zu sitzen." Sollte er nur versuchen sie abzuschütteln, wieder aufzuspringen war wahrscheinlich die einfachste Übung von allein und Naomi hatte sich vorgenommen jeden Funken Nähe zu genießen, denn auch wenn er muffelig war wie kein Zweiter, war er angenehmer, als alles was sie zu Hause erwartete. Vorsichtig fuhr eine Ihrer Hände über seinen Kopf, weiches Haar, sehr gut. Durch die Länge sogar recht glatt, ohne lange nachzudenken, schmiegte sie ihre Wange daran. Klasse, dass sie nur noch zu zweit waren, es war immer so schrecklich, wenn es drei waren, da war immer einer zu viel und fühlte sich am Ende ausgeschlossen.

Dieses Mädchen war einfach nicht aus der Ruhe zu bringen... Egal was er tat und sagte, Naomi ließ sich nicht von ihm verschrecken und auf Abstand halten. Ren hatte schon lang niemanden angegriffen, der nicht wirklich sein Feind war. Es war nicht mehr nötig jeden zu vernichten, der einem etwas Böses tun könnte, das hatte er gelernt in den letzten Jahren in dieser Stadt bei dieser Gilde. Selbst wenn sie ihn anfasste, reagierte er nicht mehr sofort mit einer gewalttätigen Reaktion. Es war komisch... Fast schien es, als hätte Aurora ihn ziemlich gut auf den Umgang mit anderen Menschen vorbereitet bevor sie verschwand. Die Frage war nach wie vor, ob er das wollte oder nicht. Ein normales Leben führen wie alle anderen Menschen schien ein wenig verlockend. Nur ob er einfach alles ablegen konnte, war eine andere Frage. Wahrscheinlich wollte er seine Vergangenheit auch gar nicht hinter sich lassen. Er mochte seine Dämonen, so merkwürdig das auch klang. Wie schaffte es ein kleines Mädchen ihn auf solche Gedankengänge zu führen? Ren hatte viele schreckliche Dinge in seinem Leben getan. Dinge die diese Menschen mit Sicherheit nicht verdient hatten... Als er den Zug hinaus aus der Wüste nahm, hatte er es immer noch nicht hinter sich gelassen. Eine ganze Weile war er kriminell bis er das Leben in diesen Ländern begriff. Und mehr und mehr machte es den Eindruck als hätte es ihn dennoch dorthin geführt, wo er hingehörte. In Oshibana lagen seine Wurzeln und dahin führte es ihn zurück und scheinbar auf einen ganz anderen Weg in seinem Leben, mit dem er selbst nicht gerechnet hatte... The Knight war das Zauberwort, so schwer es ihm auch fiel, das für voll zu nehmen...
Während dieses kleine blonde Engelchen vor ihm mit einem freundlichen Lächeln rückwärts lief, starrte Ren sie zwar an, war aber in seinen Gedanken nach wie vor ganz woanders. Bei seinem Lebensweg und seiner eigenen Geschichte... Zum ersten Mal seit langem hatte dieses Kind eine Angst in ihm geweckt. Die Angst davor was einmal werden würde... Eine ungewisse Zukunft, das war für ihn fast so schlimm wie der Tod. Hätte er sich mal weiter in seiner Bude versteckt und dort studiert, was ihn interessierte... Dann wäre er sicher nicht in eine solche Situation gekommen. Er war sogar zu abwesend um wahrzunehmen, dass Naomi sich hinter ihn geschlichen hatte. Erst als sie ihn ansprang, bemerkte er es wirklich. Schlagartig blieb der Hüne stehen, sein Herz setzte einen Moment aus und sein ganzer Körper spannte sich an. Sofort machte sein Hirn ihm unwiderruflich klar, dass er dieses Ding von sich herunter bekommen sollte und am Besten mit Gewalt. Und dennoch rührte er sich nicht, sondern stand einfach so da. Es dauert einige Sekunden, sein Herz wieder richtig schlug, allerdings hämmerte es nun in seiner Brust. Ob es daran lag, dass es ihm nicht gefiel oder einfach die Aufregung aufgrund der Ungewohnheit war, wusste er nicht, aber das Gefühl verunsicherte ihn. Da Naomi ihn anstarrte, entging ihr sicher nicht, dass sein Gesichtsausdruck Bände zu seinem Gefühl sprach. Das war ungewöhnlich und dementsprechend weit aufgerissen blickten die geschockten Augen geradeaus. Es war so knapp gewesen... Fast hätte der Dämonenarm Naomi gepackt und ihren Kopf mit voller Kraft in den Boden gerammt. Aber er beherrschte sich. „Mach das nicht nochmal.“, brachte er nach einer ganzen Weile mit ruhiger Stimme hervor. „Und schon gar nicht, wo uns irgendjemand kennen könnte, klar?“ Kaum ausgesprochen legte er seine Arme unter ihre Beine, sodass sie nicht rutschte. „Aber das soll nicht zur Gewohnheit werden.“ Kurz lächelte er, aber so schnell wie es gekommen war, war es auch schon wieder weg. Er fühlte sich gerade locker und dachte nicht mehr an all die Dinge, die ihn zuvor bedrückt hatten. Nur dafür nahm er sie so mit, ließ sich das gefallen... Quasi als Dank dafür, dass sie ihn ganz unbewusst ein wenig weiter auf den richtigen Pfad geführt hatte. Man musste nicht jedem Menschen gleich mit Argwohn gegenüberstehen, wenn er es nicht darauf anlegte ihn zu quälen... Naja, sicher würden sie bald da sein und Ren musste sich wieder auf seinen Job konzentrieren. Vielleicht war das auch langsam ganz gut so, sonst kam er noch völlig durcheinander!

Naomi konnte fühlen, wie Ren sich anspannte, und machte sich schon bereit, in letzter Sekunde von ihm abzuspringen, oder sich so krampfhaft an ihn zu klammern, dass er sie nicht abwerfen würde. Sie konnte einen Teil seines Gesichtes sehen, er schien wie versteinert. War es so einfach ihn zu erschrecken oder war es die Tatsache, dass er nicht damit gerechnet hatte, dass sie einfach alles in den Wind schoss, was er ihr sagte und weiterhin seine Nähe suchte. Wohl eher das Zweite, denn so gruselig war Naomi nun auch wieder nicht. Dennoch raste sein Herz wie verrückt. Vorsichtig neigte das Mädchen sich vor, legte seine warme Wange gegen den Hals des starren Jungen und wartete auf eine Reaktion. Ein bisschen erschreck war sie schon, aber es war etwas, was sie wohl mit ihm durchmachen musste. Immerhin war es ebenso hinderlich nicht zu wissen, ob sie ihm nicht wirklich vertrauen konnte oder ob er ihr vertraute. Bisher hatten sie keinen Superstart hingelegt und das war schade, denn immerhin war dies Naomis erste richtige Aufgabe, nach ihrer Entlassung aus dem Knast, der sich nun ihr zu Hause nannte. Wenn dies hier schieflaufen würde, durfte sie wahrscheinlich nie wieder hinaus und irgendwas machen, was nicht mit lernen und brav sein zu tun hatte. Eine schreckliche Vorstellung.
Doch zu ihrem Glück schien Ren wieder etwas aufzutauen. Er sprach wieder, ermahnte das blonde Mädchen, dies nicht noch einmal zu tun. Naomi legte ihren Kopf an seiner Schulter ab und lächelte, als er noch erwähnte, dass er es besonders nicht an Orten wünschte, wo jemand sie kennen könnte. Also musste sie ihn öfter an Orte bringen, wo man sie nicht kannte, gar kein Problem. Dann fühlte sie seine Arme, die unter ihre Beine griffen und ihr damit den Halt gaben, den sie brauchte, um das Ganze etwas genießen zu können. War das ein Lächeln gerade eben? Naomi war sich sicher, dass er kurz gelächelt hatte. Ein kleiner Tagessieg also, eine gute Sache. "Danke Ren", flüsterte sie in sein Ohr. Natürlich hätte sie auch normal reden können, aber da sie eh so nah an seinem Ohr war, fand sie das flüstern eine Trommelfellschonende Alternative war. Außerdem war es manchmal gut, Dinge etwas sanfter zu sagen, um ihnen den richtigen Charakter zu verleihen. Das Mädchen war in der Tat dankbar, für das was er über sich ergehen ließ. Jetzt konnte der Wind so ekelhaft kalt werden wie er wollte, Naomi war warm und wohlig zumute. Nachdem der erste Schreck vorbei war, war es auf dem Rücken des Magiers wirklich sehr schön.
Ihr Blick glitt in die Ferne, wo sich die Spitzen kleiner Häuser abmalten, scheinbar waren sie fast da, nun gut, auch wenn der Weg nicht gerade geradlinig darauf zu führte, konnte man zumindest das Ziel sehen, das war doch schon ein großes Stück mehr, als bisher oder? Nun bevor sie das Dorf erreichten würde sie wohl wieder von ihrem momentanen Platz verschwinden müssen, es sei denn, Ren wollte den lieben großen Beschützer mimen, der seine kleine Kollegin vom Zug hier hergetragen hatte, weil sie noch so müde gewesen war, als die Aufgabe begonnen hatte. Sicher eine niedliche Idee, würde aber Rens favorisiertes Image in einem Schlag vernichten. Doch noch genoss die kleine Schattenmagierin es, von ihrem Gildenkollegen getragen zu werden.