cf: Gildenhaus

"Tempest City - Die Stadt wo die Sonne von Morgen schon heute scheint."
Das hatte auf einem Plakat gestanden, welches die Leute in der Stadt begrüßte. Der Bahnhof war eine gut organisierte und mit sehr viel Technik ausgestattet, architektonische Meisterleistung. Wer immer sich mit diesem Design beschäftigen durfte, hatte wahrscheinlich den Kopf in den Wolken und viel Jewles auf seiner Bank. Doch Naomi blieb gar nicht genug Zeit wirklich herauszufinden, was es neben den leuchtenden Anzeigetafeln und bunten Lichtern noch alles zu sehen gab, denn kaum hatte sie mit ihrem Kollegen den Zug verlassen, kam auch schon jemand ganz gezielt auf die zwei zu. Nach ihren letzten Abenteuer war sie in einer Stadt mit Kriminellen lieber etwas vorsichtig. Als sie das letzte Mal auf einem Bahnhof gewesen war, hatte man sie doch glatt auf die Schienen geschubst, in der Hoffnung sie loszuwerden, bevor sie ihrer Arbeit nachgehen konnte, das würde hier nicht passieren. Immerhin hatte sie diesmal nicht Ren dabei, der den Fall verhindern konnte. Doch mehr als bald sollte klar werden, dass es der fein gekleideten Person gar nicht darum ging ihnen etwas anzutun. Ganz im Gegenteil, er würde ihnen ein ganzes Stück weiterhelfen. Er machte eine formvollendete Verbeugung vor der jungen Dame und neigte dann den Kopf zu Maenor.
"Lady de Avillion, es ist uns eine Ehre, dass Sie sich dieser Aufgabe angenommen haben", dann wandte er sich an Maenor, "Ebenso erfreut sind wir über Ihr Mitwirken Herr Fice." Am liebsten hätte Naomi mit der Tasche, die sie bei sich trug ausgeholt und diese dem Mann einfach direkt ins Gesicht geschlagen. Dieser Name in Verbindung mit ihr durfte niemals verwendet werden. Klar lebte sie unter der Obhut dieser Familie seit sie denken konnte, aber sie hatte ihren eignen Namen, von dem sie nicht genau wusste, woher er kam, aber es war ihrer gewesen, das letzte Stück aus einem Leben, welches sie einmal geführt hatte. Frei von all den Verpflichtungen, all dem Terror, den sie erlebte. Doch so war es eben. Seit sie unter der Fittiche von Gideon gesteckt hatte, vergaßen die Menschen, dass sie nicht zu diesem Hause gehörte, niemals gehören wollte. Doch manchmal hatte es auch positive Effekte, aber dieser hielten sich eher selten. "Master Fenix erwartet sie beide auf seinem Anwesen", meinte er und hielt der Dame seinen Arm hin. Ein wenig unwillig hakte Naomi sich unter, wieso verlangte eigentlich die Etikette, dass eine Frau immer einen Mann am Arm haben musste? Wieso war der Kerl eigentlich so gut erzogen und informiert?
Nun gut die Antwort war irgendwie auch klar, der arbeitet für Fenix von Talos, ein Ratsmitglied, der ließ nicht irgendwen für sich schuften, auch wenn das sicher einfacher wäre. Mit zügigen Schritten führte man sie aus der großen Halle, welche als Wandelgang für die vielen Menschen diente, die von hier aus eine Reise beginnen oder beenden wollten. Auf einem Stellplatz für Fahrzeuge stand dann auch eine schon fast historisch wirkende, aber dennoch gut Instand gehaltene Kutsche vor die vier Pferde gespannt waren. Zwei Schwarze und zwei Weiße und Naomi fragte sich, ob es vielleicht noch ein wenig auffälliger gegangen wäre, doch ein Blick herum zeigte ihr, dass in dieser Stadt, alles etwas merkwürdig war. Etwas was ganz normal aussah, schien hier fast auffällig. Also stieg das Mädchen als erste in Die Kutsche hinein, welche sich prompt in Bewegung setzte, als alle Insassen platzgenommen hatten.

*Ist das wirklich ihr Ernst?* Dies war der erste Gedanke, welcher dem jungen Mann durch den Kopf ging, als seine Partnerin ihm offenbarte, wofür sie denn genau ein Alias benötigte. Sie erklärte ihm einfach plötzlich kichernd, dass ihr Onkel nicht etwa um ihr Wohlergehen besorgt war, sondern sie vielmehr wie den letzten Dreck behandelte und sie deshalb abhauen wollte. Und ihn gleich aus dem Verkehr räumen, wenn sich die Gelegenheit ergab. Das Ganze kam ihm derart surreal vor, dass er kein einziges Wort rausbrachte und Naomi einfach nur anstarrte. Mittlerweile wusste Maenor gar nicht mehr so recht, was für ein Bild er von der jungen Frau haben sollte, er konnte sie nämlich schlicht und einfach nicht mehr einschätzen. Ehe er jedoch die Möglichkeit bekam, irgendetwas auf ihre Geschichte zu antworten, setzte die Kagekami schon nach und teilte ihm mit, dass es sich bei dem Ganzen lediglich um einen Witz gehandelt hatte. Die zweite Erklärung klang schon viel logischer, immerhin war es keine Unmöglichkeit, dass sich etwaige Familienmitglieder von Verbrechern, die hinter Gitter saßen oder unter der Erde lagen sich an den Magiern, die dafür verantwortlich waren, rächen wollten. „Klingt logisch.“, sagte der Fice knapp, skeptisch war er nämlich immer noch bezüglich ihres ziemlich makaberen Humor. Er wusste nicht, welche von beiden Erklärungen er nun glauben sollte, denn wie hieß es noch mal so schön? In jeder Lüge steckte bekanntlich ein Fünkchen Wahrheit.

Nach stundenlanger Fahrt verkündete die Lautsprechanlage in ihrem Abteil endlich die lang ersehnte Aussage. „Nächster Halt: Tempest City. Endhaltestelle, bitte alles aussteigen.“ Die restliche Fahrt über hatten sie nicht wirklich viel miteinander gesprochen, denn er hatte andere Sachen, über die er grübeln musste. Zum Beispiel, was für eine Geschichte er zur Tarnung benutzen würde. Am besten benötigten sie eine Geschichte, die zu ihnen beiden passte, weshalb er sich für die eines Söldners entschied. Jahrelang hatte er legale und illegale Arbeit erledigt, doch bei einer Aufgabe war alles schief gegangen und er wäre beinahe gestorben. Daraufhin hatte ihm Naomi das Leben gerettet, weshalb er ihr ewig zu Dank verpflichtet war und sie überall hinbegleitete, wo sie hin wollte. Das klang doch gar nicht mal so schlecht und aufgrund seiner Fähigkeiten und Erfahrungen im Überleben und in der Wildnis, konnte er die Geschichte ohne Mühen auftischen.
Als die beiden Magier von den Gleisen zu dem eigentlichen Hauptbahnhof kamen, blieb Maenor vor Staunen der Mund offen. Er hatte ja schon einige Mal Marrokasu Town besucht, die für ihren technologischen Fortschritt bekannt war, doch Tempest City stellte all das sogar noch in den Schatten. Unglaublich hohe Gebäude, wo das Auge reichte und technologische Spielereien, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Alsbald gesellte sich auch eine enorm fein gekleidete Person zu ihnen, die sich höflich vor ihnen verbeugte und sich vorstellte. Dass er Naomi mit einem adeligen Titel ansprach, überraschte den Fice doch ziemlich, weshalb sie einen kuriosen Blick seinerseits erntete. Ob sie den auch sah, war eine ganz andere Sache. Als er selbst angesprochen wurde, nickte er lediglich und ließ sich von dem jungen Mann in eine extrem pompöse Kutsche begleiten, deren Aussehen jedoch trog und sich als sehr luxuriös und schnell erwies. Fenix von Talos wusste anscheinend, wie er Eindruck zu schinden hatte.
Das erwies sich übrigens erneut, als sie sein Anwesen betraten, was man gut und gerne als Schloss hätte bezeichnen können, derart gigantisch war es. Vor dem Anwesen erstreckten sich Unmengen an Ländereien und freier Fläche, vermutlich war das gigantische Grundstück an sich viel mehr wert, als das Schloss. Maenor kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus, selbst als sie vor einem großen Marmorportal ausstiegen und warten mussten, bis es sich gemächlich öffnete. „Folgen Sie mir bitte, ich führe sie zu den Besprechungsgemächern., sprach der fein gekleidete Diener des Ratherrn zu Ihnen und ging voran. Als der Schwertkämpfer langsam die Treppen erklomm, drehte er sich kurz zu Naomi um. „Ich wusste gar nicht, dass du adelig bist. Habt ihr auch so etwas bei euch daheim?“, witzelte er ein wenig herum, ohne zu wissen, wie ihre heimlichen Verhältnisse tatsächlich aussahen.

Nachdem man sie durch ellenlange Gänge geführt hatte, die mit feinsten Teppichen ausgelegt worden und deren Wände mit vielen Ornamenten und verschiedenen Gemälden verseht worden waren, gelangten sie schließlich in einen großen und runden Raum. „Nehmen Sie bitte Platz!“, sprach eine weibliche Stimme vom Ende des Raumes, ehe das Licht ausging und ein magischer Projektor etwas an die Wand projizierte. „Mein Name ist Delia von Talos und ich bin die Nichte des Ratherrn sowie für die Präsentation zuständig.“ Aufgrund der Dunkelheit konnte der Schwertkämpfer die Frau nicht erkennen, egal wie sehr er die Augen zu Schlitzen zusammenkniff und sich konzentrierte. Naja, dann konnte er ja genauso gut der Präsentation zuhören, die schon in vollem Gang war. „Vor etwa einer Woche sind praktisch alle unsere Quellen, die wir in die Unterwelt eingeschleust hatten, verstummt. Mit ziemlicher Sicherheit wurden sie aus dem Verkehr gezogen, doch wir fragen uns, wie sie alle zur selben Zeit auffliegen konnten. Wir vermuten, einen Verräter in unseren Reihen zu haben, weshalb wir uns entschlossen haben, die Hilfe einer der großen Drei in Anspruch zu nehmen.“ Aha, daher wehte also der Wind. Gespannt beugte sich Maenor vor, um dem Rest der Präsentation zu lauschen.

Das Anwesen war wirklich gigantisch und Naomi sah sich um. Ob so auch das Schloss aussah, auf dem dieser mysteriöse Großvater lebte von dem sie so selten hörte? Zügig folgte die junge Frau dem Diener, der sie durch den Garten zum Haus brachte und dann zielstrebig zu diesen Besprechungszimmer leitet. Während sie durch die Gänge gingen machte Maenor eine Bemerkt, die ihm von Naomi einen merkwürdigen Seitenblick einfing. "Ich bin nicht adlig, meine Familie ist es. Sie haben mich allerdings nie wirklich adoptiert, das bedeutet, eigentlich trage ich diesen gar nicht, aber werde dennoch in der feinen Gesellschaft immer mit diesem Namen vorgestellt, einfach weil sie es können. Nein unser Haus ist nicht im Ansatz so riesig, aber es ist auch nur eine Nebenniederlassung, ich habe den Hauptsitz wo Großvater residiert noch nie gesehen, bin aber auch nicht scharf drauf", ihre Brauen schlugen dabei leichte Wellen, was für ein lächerliches Thema. Es war deutlich, dass sie dieses Thema nicht so sehr leiden konnte. Umso dankbarer war sie, dass sie endlich den Raum erreichten in dem bereits jemand bereit stand, um sie zu empfangen. Eine junge Dame, die sich als die Nichte ihres Arbeitgebers vorstellte. Natürlich würde jemand wie Fenix von Talos sich nicht persönlich um zwei Magier wie sie kümmern. Also nahm Naomi Platz und lauschte.
Scheinbar stand es gerade nicht so rosig um diese Stadt. Vor einer Woche hatten sie alle Kontakte verloren, Naomi grübelte ein wenig, das hieß wirklich nichts Gutes. Ein Verräter in den eigenen Reihen, das war natürlich ebenfalls etwas mies. Das bedeutete, dass sie sich auch nicht wirklich auf diejenigen verlassen konnten, denn einer von ihnen könnte der Spitzel sein. Der Vortrag der jungen Dame ging weiter: "Wir haben einen enormen Anstieg von kriminellen Aktivitäten erlebt, die Beute die gemacht wird, landet sehr schnell auf unserem Schwarzmarkt, er boomt quasi. Auch hat jemand vor kurzem angeblich die Kartelle dieser Stadt zerschlagen, die wir eigentlich so gut wie in der Tasche hatten. Er haben wir uns natürlich gefreut, doch dann kam diese neue Superdroge", kurz machte sie eine Pause und deutete auf das Bild einer sternförmigen Tablette, welches sie an die Wand projiziert hatte, "Das ist sie, Stardust. Angeblich versetzt sie einen so stark in Trance, dass man einen Tagtraum erlebt, der sich anfühlt als wäre er Real. Da natürlich dieser Traum in den meisten Fällen positiv ist, ist der Suchtfaktor sehr hoch. Die Leute wollen immer mehr wieder Wunderträume." Wieder das Klicken des Projektors und ein neues Bild wurde an die Wand geworfen.
Eine Grafik die darstellte, wie sehr die Kriminalität angestiegen war und man erläuterte, dass dies ein Resultat der Droge war, denn sehr viele Süchtige mussten Beschaffungskriminalität betreiben, um sich diese Designerdroge leisten zu können, welche nicht besonders billig war. Doch das wichtigste war, diese Droge wurde eben nur von dieser eine Gruppe hergestellt, konkurrenzlos und das machte diese Organisation noch gefährlicher als die anderen zuvor. Naomi nickte ab und zu und überlegte schon, wie sie am besten mit diesen Menschen umgehen musste, wahrscheinlich musste sie ein wenig wie Gideon sein. Streng, mit einer scharfen Zunge und möglichst unantastbar. Dann kam es zum Ende ihres nächsten Parts: "Deshalb haben wir beschlossen euch gemeinsam mit einer weiteren Person in den Untergrund einzuschleusen und wir hoffen, dass ihr herausfindet, was dort vorgeht und dies möglichst unterbindet." Was für eine nette Aussicht, doch wer wurde mit ihnen dort untergebracht? War er sicher nicht der Maulwurf? Die junge Frau war etwas unruhig. Maenor konnte sie vertrauen, das wusste sie. Vielleicht nicht in jeder Lebenslage, aber was diese anging war sie sicher, dass er ihr nicht in den Rücken fallen würde.

Gebannt verfolgte der junge Schwertkämpfer die Präsentation und musste zugeben, dass er sich allmählich Sorgen um diese Stadt machte. Diese neue Wunderdroge schien alle in ihren Bann gezogen zu haben, was nicht wirklich weiter verwunderlich war, wenn man bedachte, wie sie wirkte. Realistische Tagträume, scheinbar keine negativen Auswirkungen bis auf Vernachlässigen der Realität und dem immensen Suchtpotenzial. Da hatten sich die Schurken aber dieses Mal ordentlich was einfallen lassen, um die Leute durch den Dreck zu ziehen. Als die Adelige ihnen schließlich verriet, dass sie samt einer weiteren Person in dieses dunkle Geschäft eingeschleust werden würden, fragte sich der Fice willkürlich, wer sie denn noch begleiten würde. Ehe er diese Frage jedoch laut stellen konnte, ging die Tür auf und hüllte den Raum in grelles Licht ein. „Argh!“ Von dem Licht schmerzhaft geblendet, schlug Maenor die Hand vor die Augen und wartete, bis er endlich das Zugehen der Tür hörte, bevor er sie wieder öffnete. Die Person, die eingetreten war, verfolgte jedoch anscheinend nicht das Ziel, die Präsentation weiter gehen zu lassen, da sie schlicht und einfach das Licht in dem großen Raum anmachte. „Junge, Junge, is‘ ja viel zu dunkel hier.“ Ein arroganter und schneidiger Ton. Wie wohl die Person dazu aussah? Durch Schlitze beobachtete Maenor den Neuankömmling und musste sagen, dass er sogar noch schlimmer aussah, als befürchtet. Groß, das blonde Haar war modisch geschnitten und zusammen mit seinen eisblauen Augen sah er verdammt gut aus, keine Frage, doch er strahlte eine Kälte und Überheblichkeit aus, wie sie der Fice selten zuvor gesehen hatte. „Was soll das Felix?“, fragte Delia den Neuen sichtlich erbost, während sie den magischen Projektor abschaltete. Statt ihr auf die Frage zu antworten, richtete dieser Felix den Blick auf Naomi und Maenor und schaute sie abschätzend ab. Schließlich ließ er ein künstliches Lachen ertönen und schüttelte den Kopf. „Das darf doch nicht wahr sein, wer hat denn die beiden Gören eingeladen? Ich dachte es sollten richtige Magier kommen?“ Der Typ war ganz schön unverschämt, am liebsten hätte der Schwertkämpfer ihm gesagt, dass er sein Mundwerk doch bitte dezent schließen sollte, ehe noch mehr Müll produziert wurde, doch er hielt sich im letzten Moment zurück. Immerhin wusste er nicht, mit wem er es hier zu tun hatte und Fenix von Talos war ein einflussreicher Mann. Jemanden, der ihm nahestand, sollte man niemals leichtfertig vor den Kopf stoßen und beleidigen. Und wie es sich kurz darauf erwies, hatte Maenor die richtige Entscheidung getroffen. Die Nichte des Ratsherrn seufzte indes auf und schüttelte über die Aussage dieses Felix ungläubig den Kopf. „Verzeiht seinen Ton, er weiß es nicht besser. Darf ich vorstellen: Mein geliebter Cousin, dritter Sohn von Fenix von Talos: Felix.“ *Oh nein, er wird doch nicht etwa …?* Leider doch. „Bei ihm handelt es sich um das dritte Mitglied eurer Unternehmung.“ Na toll, ganz großes Kino. Was hatte er eigentlich verbrochen, damit er ständig an solche Affen geriet? Kurz haschte sein Blick zu Naomi, und als Blickkontakt hergestellt worden war, verdrehte er die Augen. Mit diesem arroganten Bengel an Bord würde es gaaaanz sicher viel einfach werden. „Warum nimmt denn nich‘ der alte Sack am Treffen bei? Bin ich ihm etwa zu unwichtig oder was?“ Einen kurzen Moment dachte Maenor, dass er über seinen Vater gesprochen hatte, ehe er diesen Gedanken verscheuchte. Niemals würde jemand so über Fenix von Talos sprechen, oder etwa doch? Die Reaktion von Delia zeigte ihm, dass tatsächlich das Ratsmitglied gemeint war. „Wie kannst du es wagen, so über ihn zu sprechen? Nimm es sofort zurück!“ Felix hingegen hatte nur ein spöttisches Grinsen übrig und drehte sich den beiden Magiern zu, um sie besser betrachten zu können. Hier schien mehr vor sich zu gehen, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Und was ihre Mission anging, würde sich das keinesfalls positiv drauf auswirken.

Nachdem Naomis Augen sich an das Licht gewöhnt hatten stand da ein ebenfalls recht altmodisch wirkender junger Mann im Raum. Der Gesichtsausdruck und die Tonlage die er zur Schau stellte kannte sie zu gut. Das war ein Seraphim Ton, wenn er mit Leuten sprach die er für unwürdig und unwichtig hielt. Das bedeutete, sie würde diesem frechen Bürschchen schon zeigen wo in der Rangfolge er sich befand. Immerhin waren sie die Magier der Gilde und er nur der adlige Spross, der sie begleitet. Wahrscheinlich war er auch in etwas ausgebildet worden, immerhin war er Sohn eines Ratsmitgliedes, aber dennoch musste er Respekt vor den Menschen lernen. Der Blick von Maenor sagte ihr, dass er sich wahrscheinlich ähnliches wünschte und somit war es dann beschlossene Sache, Naomi würde die Stimme gegen diesen kleinen hochnäsigen Bastard erheben. Als er sich ihnen zuwandte erhob sich das Mädchen aus seinem Stuhl. Sie selbst musste nun beweisen, dass sie sich auf diesem Glatteis bewegen konnte, wenn sie ihn zu Fall bringen wollte und dazu gehörte eine angemessene Begrüßung. "Naomi, Müdel des Hauses de Avillon, es ist mir ein äußerst seltenes Vergnügen sie kennen zu lernen Lord Felix von Talos. Legen sie immer so ein fragwürdiges Betragen an den Tag?", in den Augen des Mädchens tanzte der Schelm, der aus ihren Worten sprach.
An der Weise wie seine Nase zuckte und sich der Mundwinkel verformte konnte die Magierin schon ausmachen, dass ihm nicht gefiel was gerade gesagt worden war. "Noch nie von dieser Familie gehört, scheinbar total unwichtige Leute, wenn sie ihren Weibern nicht einmal beibringen können, dass man in der Gegenwart eines feinen Herren die lästigen Schnatterklappen halten sollte", seine Augen starrten sie an, es war definitiv eine Herausforderung. Ein kleines Duell, wer von ihnen es als erstes schaffte den anderen aus der Fassung zu bringen. Nur zu gut, dass Naomi das Ansehen ihrer Familie so herzlich egal war, er hätte alles sagen können und sie hätte ihm bei dem Meisten sicher noch zugestimmt. "Oh entschuldigen Sie Lord, ich bin leider nicht so sehr mit in meinem Geist eingeschränkt worden, dass andere für mich das Sprechen übernehmen mussten. Ihnen hätte man wohl noch etwas mehr Respekt vor Ihrem Vater angedeihen lassen sollen", nun wandte sie sich an Delia, "Ich kann sehr gut nachempfinden, wie Sie sich fühlen müssen, zu Hause habe ich selbst einen solchen Cousin, doch der ist im Gegensatz zu Ihrem wirklich ein geschorenes Lämmchen." Diese konnte sich ein Kichern nicht verkneifen und bekam dafür gleich wieder den bösen Blick Felix' zu spüren.
"Wer ist eigentlich der Agent der noch übrig ist?", lenkte die Blonde ein, Zeit das Thema zu wechseln, immerhin sollte der junge Blonde nicht denken, dass sich alle Aufmerksamkeit nur auf ihn richtete. Seine Cousine schüttelte jedoch nur den Kopf: "Den Namen kann ich euch leider nicht verraten, er muss dringend geheim bleiben, das gefährdet sonst sein Leben." Damit konnte sich Naomi zwar nicht ganz so anfreunden, aber es war eh besser zu denken, dass alle Feinde wahren, immer noch in dem Glauben, dass der übriggebliebene Agent sicherlich der Verräter sein könnte. Junior von Talos schien da allerdings anderer Überzeugung: "Wie kann es sein, dass du schon wieder in alles eingeweiht bist und ich wieder gar nichts weiß!" Sein Ton war nun nicht mehr stechend sondern schlichtweg aufgebracht. Während die Cousine nun nach beruhigenden Worten suchte, regte er sich nur noch mehr auf, schlug mit den Händen auf den Tisch und schimpfte auf seinen Vater, der ihm scheinbar zu wenig Beachtung und Vertrauen entgegen brachte. Ein wenig bemitleidete Naomi ihn, er war wie ein kleines Kind, dem man gerade gesagt hatte, dass der Weihnachtsmann nur eine Lüge war, doch da musste jeder durch, ob er wollte oder nicht.
"Nie lässt mich dieser alte Sack bei den tollen Sachen mitmachen, immer muss ich diese Scheißsachen mit den kleinen Lichtern tun. Dem Volk verbunden sein und so einen Unsinn, während du und meine Brüder hier und dort hin reisen und die großartigsten Dinge erleben. Nicht mal wirklich in die Mission bin ich eingeweiht, ihr wollt doch nur, dass ich dabei drauf gehen", dann sah er wieder zu Maenor und Naomi: "Nicht mal den Sephirot der Gilde habt ihr angeheuert, nur so zwei No-Name-Magier, die wahrscheinlich gerade frisch eingetreten sind und noch gar nicht wirklich wissen, wie man mit Magie umgeht!" Sie horchte auf, er wollte also den Sephirot, konnte er kriegen. Das Mädchen ging zu dem Jungen hinüber und packte den etwas größeren am Kragen: "Du willst den Sephirot hier antanzen lassen? Dann sag ich dir mal, was er dir sagen würde", ihr Gesicht verzog sich zu seinem arroganten Lächeln und so gut es ging, versuchte sie den herablassenden Ton des Dragonslayers zu imitieren: "Ich habe nicht gewusst, dass ich ein Kind mitnehmen soll, das könnte für mich zu einer Last werden, ich mache diese Aufgabe lieber alleine, dann habe ich eine Chance unversehrt dort herauszukommen und die Stadt zu retten." Langsam begannen ihre Haare zu leben. Während sie ihn in phimischer Manier zurecht gestutzt hatte, war ihr die Idee gekommen, das Schlangenhaare diese Aussage sicher wunderbar untermalen würden. Das zischende und schnappende Gewirr auf ihrem Kopf fixierte sich auf ihn, "Also, du kannst auch gerne hier bleiben, denn das was du bisher zur Schau gestellt hast, gefährdet uns mehr als es nutzt."

Eines musste man Naomi auf jeden Fall lassen: Sie las diesem aufgeblasenen und überheblichen Adeligen ordentlich die Leviten. Die Situation war derart komisch, dass sich Maenor beinahe ein Erfrischungsgetränk sowie Popcorn herbeiwünschte, um es auch angemessen genießen zu können. So musste er es aber auf die herkömmliche Art und Weise tun und schaute diesem verbalen Schlagabtausch grinsend zu. Die Kagekami – oder Lady de Avillion, wie sie von dem Diener begrüßt worden war, der sie abgeholt hatte – wies Talos Junior ordentlich in die Schranken und wandte sich dann schlicht und einfach von ihm ab, um ihre Unterhaltung mit seiner Cousine fortzusetzen. Diese schien auch nicht gerade glücklich über dieses arrogante Benehmen ihres Vetters zu sein und stellte deshalb einen sauren Gesichtsausdruck zur Schau. Ihre Situation würde sich auch nicht mehr so schnell verbessern, denn auf ihre Antwort bezüglich der Geheimhaltungsstufe dieser Information, reagierte Felix mit Unglauben und Zorn. *Ah, das ist es also.*, schoss es dem Fice durch den Kopf. Das erinnerte ihn an seinen eigenen Bruder, der sich von ihm abgewandt hatte, weil es sich bei ihm um die Person gehandelt hatte, die von ihren Eltern bevorzugt worden war. Aus diesem Grund hasste ihn Tyson Fice auch und hatte seinen Platz in der Wache des Clanführers eingenommen. Natürlich hatte Maenor nie gewusst, wie sehr sein kleiner Bruder von seinen Eltern, vor allem von seinem Vater, missachtet worden war und was sie für einen Schaden dadurch angerichtet hatten. Dennoch benahm sich dieser Felix ziemlich kindisch und murrte herum, dass er ständig außen vor gelassen wurde und ihm niemand jemals in etwas einweihte. Und genau das würde ihm der Fice jetzt mitteilen. „Kein Wunder, wenn du dich so kindisch benimmst, wird dir keiner etwas Wichtiges anvertrauen.“ Das war das letzte Tröpfchen, welches das Fass zum Überlaufen brachte. Mit vor Zorn verzerrtem Gesicht schaute er die Anwesenden im Raum an und wandte sich schließlich ab. „Tz, das ist mir doch alles viel zu blöd, ihr könnt mich ma‘!“ Wütend stampfte er davon und knallte die Tür derart fest zu, dass der Schwertkämpfer einen kurzen Augenblick lang befürchtete, dass er sie aus den Angeln reißen oder das Türgeländer beschädigen würde. Aber selbst wenn, der Junge war reich und ihm gehörte das alles, und wenn man sein bisheriges Verhalten bedachte, hatte es wohl niemals jemanden gegeben, der ihn dafür zur Rechenschaft gezogen hatte. Das kam also bei raus, wenn es sich bei einem Elternteil um eine schwer beschäftigte Person handelte. Was wohl mit der Mutter war? Und ob die Brüder ein ähnliches Verhalten wie "Sir Ungezogen" hier an den Tag legten? Delias nächste Worte ließen diese Frage ins Nichts verpuffen. „Verzeiht sein Verhalten, er war schon immer ein problematisches Kind gewesen, anders als seine Brüder. Wenn es nicht um seine besonderen Fähigkeiten gewesen wäre, hätten wir ihn niemals an dieser Mission teilnehmen lassen …“ Frustriert schüttelte sie den Kopf. „Das war’s auch schon fürs Erste. Luke!“ Kaum hatte die Frau die Worte ausgesprochen, schon ging die Tür auf und besagter Diener, der sie vom Bahnhof abgeholt hatte, trat in den Raum. „Milady Talos?“ „Begleite unsere Gäste doch bitte auf ihre Zimmer.“ Anschließend wandte sie sich noch ein letztes Mal Maenor und Naomi zu, ehe sie sich von ihnen abwandte und damit begann, einige Dokumente zu ordnen. „Richtet euch doch bitte für eine Nacht ein, morgen früh Punkt 6 Uhr geht es los. Dort werdet ihr noch ein kurzes Briefing erhalten und dann liegt alles bei euch. Viel Glück!“

Etwa 10 Minuten später hatte sie der Bedienstete zu ihren Zimmern geführt, die direkt nebeneinander lagen. Und man musste sagen, was für Zimmer das waren! So große Gästezimmer hatte der Schwertkämpfer noch nie zuvor zu Gesicht bekommen, sie waren ja fast größer als sein ganzes Appartement! „Bis gleich!“, teilte er Naomi mit und richtete sich sofort ein. Nachdem er alles erkundigt und schon einige kleine Annehmlichkeiten genossen hatte, traf er sich wieder mit seiner Teampartnerin, um alles zu besprechen. „Sag mal, was hältst du von all dem, was wir erfahren haben? Ich befürchte, dass wir ganz schöne Probleme mit unserem Adeligen bekommen werden, wenn er sich weiterhin so aufführt.“ Und was waren das überhaupt für besondere Fähigkeiten, über die er verfügte? Es blieb die Wahl zwischen Magie und allgemeinen Fertigkeiten, das würde noch interessant werden.

Von der Unterbringung war Naomi weniger beeindruckt, wenn sie ehrlich war hatte sie sich etwas in der Art vorgestellt als sie dieses riesige Haus gesehen hatte. Dieses Zimmer war fast wie zu Hause und deshalb hasste sie es. Doch damit konnte sie nicht beschäftigen, denn es galt sich auf etwas anderes vorzubereiten. Im Zimmer setzte sie sich an einen Schreibtisch und nahm sich ein Blatt Papier. Auf dieses Papier begann sie die verschiedenen Namen zu schreiben, die sie bisher gehört hatte. Da war Maenor, ihr Gildenkollege. Dann Delia von Talos, scheinbar die von ihrem Onkel eingesetzte Leiterin der ganzen Mission. Felix von Talos, der nicht ganz so glückliche dritte Sohn. Nicht rechtlicher Erbe des Imperiums, scheinbar Gesellschaftlich auch nicht besonders auf Achse und zu allem Überfluss noch sehr frustriert. Er würde sie begleiten und wenn sie Pech hatten ein doch immenses Problem darstellen, wenn er wirklich nicht wusste sich zu benehmen. Von ihr aus war Maenor der Leiter der Mission, doch der war scheinbar etwas nervös und vielleicht durch seine Konflikte mit Seraphim ein wenig gehemmt diesem kleinen Sesselpupser in den Allerwertesten zu treten. Das musste sie also übernehmen, aber ob sie es auch schaffte genug Autorität auszustrahlen? Nun gut, wenn sie in ihrer Rolle war sicher, doch auch das könnte vielleicht durch unmögliches Verhalten sabotiert werden.
Hoffentlich hatte sie ihn genug eingeschüchtert, dass sie von ihm zumindest ein wenig Respekt bekam, doch auch diese Hoffnung war gering. Blieb noch Fenix von Talos, der sie zwar herbeordert hatte, sich aber noch nicht gezeigt hatte und wohl auch nicht mehr zeigen würde. Wieso sollte er auch, wenn er die Leitung der Operation schon aus der Hand gegeben hatte. Scheinbar nicht ganz so bedeutend für ihn. Hatte sie jemanden vergessen? Oh den unbekannten Agenten, der möglicherweise auch einfach nur ein Maulwurf war, dem man besser kein Vertrauen entgegenbrachte. Leise seufzte sie und schieb in eine Ecke noch das Wort Syndikat. Wer sie waren wusste sie nicht genau. Ein Zusammenschluss aus allen Verbrechern dieser Stadt, um einen wahrscheinlich nicht ganz so dummen Kopf. Dieser hatte nicht nur alle Konkurrenten vernichtet, sondern auch all ihre Leute unter sich vereint, was wahrscheinlich nur eine Sache des Geldes war und diese neue Droge sorgte für den nötigen Gewinn. Sie zog Kreise um die einzelnen Worte, zog hier und da Striche zwischen ihnen und schrieb ihre Gedanken nieder als plötzlich Maenor zu ihr stieß. Was sie von allem hielt? "Nun ich denke der übriggebliebene Agent könnte der Verräter sein, der Händeringend gesucht wird."
Das war ihr erster Gedanken den sie aussprach, dann der nächste: "Wenn das Bürschchen weiterhin Mucken macht wird es so laufen. Wir enttarnen ihn als Spitzel und einer von uns geht mit einem von denen den Jungen K.O. hauen und im Wasser versenken. Dort muss der andere warten und ihn heimlich wieder herausziehen, oder wir müssen ihn in die Kloake werfen und vorher ein Netz spannen in dem er hängen bleibt. Ich kann auf dieser Mission niemanden brauchen, der uns am Ende nur gefährdet. Ihn zu enttarnen könnte uns im Zweifelsfall vielleicht auch den Arsch retten. Auch wenn er nicht so bekannt ist wie seine Brüder könnte es sein, dass man ihn dennoch erkennt, je nachdem wie geschickt er im Verkleiden ist", führte Naomi aus, ihre Stimme recht unterkühlt. In der Tat sie hatte schon darüber nachgedacht, wie man den Nervenzwerg besonders effizient loswerden konnte.

Die gute Naomi schaffte es erneut, den Schwertkämpfer mit ihrer Art zu überraschen, denn sie hatte so einige Ideen, was sie im Falle des Falles mit dem Quälgeist in ihrem Team anstellen konnten. Das lag natürlich nicht nur daran, dass er ihnen völlig zuwider war, oh nein. Wäre es nur das gewesen, dann hätte Maenor sich wohl oder übel mit ihm herumschlagen müssen, aber es wäre nicht weiter schlimm gewesen. In diesem Falle hing jedoch ihre ganze Mission davon ab, und wenn der junge Adelige sie behinderte und womöglich noch auffliegen ließ, dann war auch der Fice dafür, ihn sich vorher vom Leib zu schaffen. "Wenn er wirklich Faxen macht und sich als Gefahr erweist, dann bleibt uns nichts anderes übrig.", stimmte er der Kagekami zu. Dass es ihm auch noch diebisches Vergnügen bereiten würde, den aufgeblasenen Wicht in seine Schranken zu verweisen, war ein kleiner Bonus. Aber dass sie das alles dem Schwertkämpfer so kühl mitteilte, hätte er jetzt auch nicht gedacht. Bereits vorhin, als sie ihn verbal in die Schranken gewiesen hatte, war er überrascht von ihr gewesen. Auf den ersten Blick schien sie vielmehr ein Mauerblümchen zu sein, doch wie so oft, traf auf sie auch das altbekannte Sprichwort zu: Stille Wasser sind tief.
Die Aussage, der verbliebene Agent wäre der Verräter, wollte Maenor jedoch nicht ganz glauben. In seinen Augen war es viel logischer, wenn sich der Verräter in ihren engsten Reihen befand und wusste, bei welchem Mitglied es sich um einen eingeschleusten Mitarbeiter handelte. Das ließ wiederum nur eine mögliche Schlussfolgerung zu: Der Verräter war auch noch ein hohes Tier, da er Zugriff zu solchen Informationen hatte. "Ich weiß nicht, ob so ein Agent wirklich weiß, wer alles in so einer großen Organisation eingeschleust wurde, vor allem, wenn er diese Rolle schon eine lange Zeit eingenommen hat.", gab er zu Bedenken. "Möglicherweise befindet sich der Verräter im engsten Kreis des Ratsherrn." Das wiederum warf die Fragen auf, wer und wieso dahinter stecken konnte. Aber da dies nicht ihre Aufgabe war und sie sowieso viel zu wenig Informationen über jeden Mitarbeiter besaßen, hatte es keinen Sinn, sich länger den Kopf darüber zu zerbrechen.
Anschließend verabschiedete er sich von Naomi und ging zurück in sein Zimmer. Wenn sie morgen so früh raus mussten, dann wollte er auf jeden Fall ausgeschlafen sein.
Es dauerte nicht lange, bis schließlich die Nacht hereinbracht und sich Stille über das gesamte Anwesen legte. Lediglich an einigen wenigen Orten herrschte noch lebhaftes Treiben. Dabei handelte es sich einerseits um die große Küche, in denen die Köche die Hausdiener dirigierten und Vorbereitungen für den morgigen Tag trafen, da eine kleine Feier zu Ehren des Ratsherrn stattfinden sollte. Dafür musste bereits einige Tage vorher alles vorbereitet werden und jetzt platzierte man die ganzen Zutaten und die Tafel schon so, dass man am Morgen problemlos starten konnte. Am völlig anderen Ende des Anwesens brannte noch ein Licht in dem Büro von Delia von Talos, in welchem sie noch mit ihrem Assistenten wie so oft bis mitten in die Nacht arbeitete. Es galt Unmengen an Dokumenten zu bearbeiten, die sich im Verlauf des ganzen Tages angestaut hatten, da die Frau tagsüber meistens unterwegs war. Auch der Ratsherr persönlich, Fenix von Talos, war noch wach und las in seiner persönlichen Bibliothek noch ein Buch, während er sich einen erlesenen und ungeheuer wertvollen Tropfen gönnte. Ganz anders waren da die Magier, zumindest der Schwertkämpfer. Er hatte es sich schon längst in dem großen und weichen Bett gemütlich gemacht und war sofort eingeschlafen. Glückselig träumte er vor sich hin, dass er selbst reich war und solch ein Anwesen sein Eigen nennen konnte. Was er natürlich nicht bedachte und was in seinem Traum keinerlei Rolle spielte, war, dass mit Reichtum meistens auch Aufgaben und Verpflichtungen verbunden waren.
Alles in allem konnte man also getrost sagen, dass alles friedlich war ... oder doch nicht? Einige hundert Meter weiter, in dem großen Garten, lagen mehrere der patrouillierenden Wachen des Ratsherrn leblos am Boden herum, während sich ein ganzer Trupp schwarz gekleideter und somit bestens getarnter Menschen Einlass in das Anwesen verschafften. Auf dem Weg dahin schalteten sie zwei weitere Wachen geräuschlos aus. Daran und an der Art, wie sie mittels Gesten schnell und problemlos miteinander kommunizieren konnten, erkannte man, dass es sich um echte Profis handelte. Doch was wollten sie hier? Handelte es sich um die Magier, auf die sie es abgesehen hatten oder waren sie doch Teil eines größeren Komplotts? Auf jeden Fall befanden sie sich kaum eine Minute später im Inneren und liefen zielstrebig in eine Richtung. Vor den Türen von Maenor und Naomi verharrte die Gruppe und der Anführer des Teams gab zweien seiner Leute mittels einiger Handzeichen Befehle. Zwei des Trupps machten sich daraufhin daran, die Schlösser ihrer Türen zu knacken, um sich Einlass zu verschaffen, während sich der Rest in Richtung des Korridors weiterbewegte. Unweit des Ganzen und relativ verdeckt, betrachtete Felix von Talos das Schauspiel. Doch anstatt die beiden Magier zu warnen oder sich selbst um die Eindringlinge zu kümmern, huschte ein flüchtiges Grinsen über sein Gesicht, ehe er sich selbst auch abwandte und rasch in Richtung eines anderen Korridors verschwand.

Naomi schlief nicht, noch nicht. Es war für sie immer noch schwer einzuschlafen, ohne die tröstende Sicherheit eines vertrauten Menschen. Doch diesmal hatte sie nicht das Glück jemanden bei sich zu haben, dem sie so viel Bedeutung zumessen würde. Klar war Chibi ein sehr fähiger Kollege, aber sie würde kein Bett mit ihm teilen, noch ihn besonders nahe an sich heran lassen. Sie hatte schon genug Menschen die Bürde aufgelegt sich von ihr teils in ihren eigenen Abgrund stürzen zu lassen, dass sie davon absah auch ihn ins Vertrauen zu ziehen. Also hatte sie noch ein wenig über ihren Niedergeschriebenen Notizen gesessen und sich dann angezogen aufs Bett gelegt. Dieses Zimmer war die Hölle, wieso sahen diese protzigen Stuben eigentlich alle gleich aus? Naomi wusste es nicht, aber es hatte sicher etwas mit einem gewissen Einrichtungsstil zu tun, welcher ihr deutlich missfiel. So war es wohl das Pech des Einbrechers, dass die junge Magierin ihn bereits bemerkte bevor er überhaupt in ihr Zimmer gekommen war. Langsam schloss sie die Augen und wartete. Horchte auf die Schritte welche sich langsam ihrem Bett näherten, immer näher. So etwas kannte sie nur zu Genüge, meist waren es Jonathan oder Hauro gewesen, die sich ihrem Bett genähert hatten, mit verschiedenen Absichten. Hauro meist um zu wecken, sie mochte es nicht, wenn er das erste war, was sie am Morgen sah.
Als die Schritte Stoppten öffnete sie die Augen, sicher, dass er sich nun am Bett befinden würde. In der Tat hatte er es inzwischen an ihr Bett geschafft und sie blickte zu ihm hinauf. Ein recht langer Dolch glänzte in seiner Hand und ein kleines Lächeln umspielte Naomis Lippen. Es wäre so einfach jetzt liegen zu bleiben und einfach zu sterben. Sich von diesem Menschen einfach das ungeliebte Leben nehmen lassen und dann frei von allem einfach befreit zu sein. Doch nein, dieser Wicht war ihres Lebens nicht wert. In der Nacht hatte er sich eingeschlichen und versuchte nun sie beim Schlafen ihres Lebens zu rauben. Das Einzige was sie wirklich noch besaß, würde sie doch nicht einfach irgendjemandem geben. ~Shadow Snakes~ Drei Schlangenköpfe lösten sich aus ihrem Schatten. Der eine bekam sofort das Handgelenk der bewaffneten Hand zu fassen und biss sich fest. Der zweite nagte sich in eine seiner Waden. Der Letzte fand seinen Platz etwas höher und zentraler, was den verblüfften Mann beinahe jämmerlich aufheulen ließ, was allerdings das Mädchen mit einer Hand auf seinem Mund unterband. Danach griff sie nach dem Dolch, den er noch krampfhaft umklammerte und entwand ihn der verletzten Hand.
Ihre Augen hätten Funken gesprüht, wenn es ihr Möglich gewesen wäre, so sauer war sie darüber, dass ihre sowieso schon schlaflose Nacht gestört worden war mit so einem erbärmlichen Versuch ihr ans Leder zu wollen. "Erbärmlich!", fauchte sie fast und ließ einige ihrer Schattenfäuste auf ihn niederprasseln, welche sie inzwischen kaum mehr kraft kosteten. Drückte ihn damit gen Boden und setzte sich auf ihn, die Knie auf seine Arme drücken den Dolch auf ihn gerichtet. "Wer bist du, wie viele seid ihr, was wollt ihr hier! Sprich!", knurrten sie den armen Teufel an. Der spielte vorerst den starken Mann, immerhin wollte er nicht sofort verraten, was seine Absichten war, doch das regte die junge Magierin nur noch mehr auf. Mit seiner eigenen Waffe begann sie ihm Wunden zu zufügen, die ihn Langsam seines Lebenselixiers berauben würden, aber nur langsam und wohl recht schmerzvoll. Je mehr Schnitte dazu kamen, desto mehr löste sich seine Zunge letztendlich doch. So viel zu seiner Professur als Killer. Scheinbar waren er und ein Paar Komplizen ins Haus eingedrungen und wollten nun alle Leute hier töten. Sehr anstrengend, aber scheinbar eine Notwendigkeit für jemanden, der sie hier nicht haben wollte. Als Naomi alles für sie wissenswerte aus dem Menschen herausgeholt hatte beendete sie seinen Jammer mit dem Dolch. Danach rannte sie aus dem Zimmer nur um zu sehen wie jemand aus Chibis Zimmer geflogen kam. Der war also auch nicht Problemen ausgesetzt: "Ich sehe nach unserer Gastgeberin", wieder machte sie kehrt, während der Wende begannen bereits die Flügel aus ihrem Rücken heraus zu sprießen, während sie ihr Fenster auf riss und sprang hinaus und flog auf das Fenster von besagter Dame zu.

Im Gegensatz zu Naomi hatte Maenor sich längst in das Land der Träume begeben und trug sogar einen wohl von dem Gastgeber zur Verfügung gestellten Schlafanzug samt Schlafmütze. Die Sachen waren derart bequem und saßen perfekt, dass er drauf und dran war, diese am nächsten Morgen stillschweigend einfach mitzunehmen. Ihr Auftraggeber war ziemlich reich, weshalb es vermutlich nicht ein Mal auffallen würde, wenn ein Schlafanzug für Gäste verschwand. Wahrscheinlich machte man sich nicht ein Mal die Mühen diesen zu waschen, sondern entsorgte ihn gleich und stellten einen Neuen zur Verfügung. Also war es doch nur recht, dass er ihn einfach mitnahm. Woher sie jedoch seine genaue Kleidergröße erraten hatten, war ihm verdammt schleierhaft. Ehe er jedoch auch nur einen einzigen Gedanken an diesen kuriosen Fakt verschwendet hatte, war der Schlaf über ihn gekommen und hatte all' seine Gedanken im Nichts verschwinden lassen.
Doch nur, weil der junge Mann so seelenruhig schlief, bedeutete das noch lange nicht, dass es sich bei ihm um ein wehrloses Opfer handelte. Jahre der Verfolgung hatten dazu geführt, dass der Fice einen ziemlich leichten Schlaf hatte und er bei den kleinsten Geräuschen wach wurde. Da reichte auch schon ein leises Klicken des Schlosses aus, an dem sich einer der Eindringlinge gleich seinem Partner an Naomis Tür mit einem Dietrich zu schaffen gemacht hatte. Als sich die maskierte Person schließlich Zugang zum Zimmer des Magiers verschafft hatte, war diese also längst aufgrund des klickenden Geräusches an der Tür wach geworden. In solchen Momenten, in denen Maenor die Fähigkeiten seines Gegners nicht zu einschätzen wusste, reagierte er mit größter Kraft. Es vergingen einige Sekunden, in denen sich der Mörder ans Bett schlich und sich der junge Mann gleichzeitig für seinen Konter sammelte und vorbereitete. Immerhin war er gerade erst wach geworden, also galt es seinen Körper schnellstmöglichst unter Kontrolle zu bringen und zwar, ohne dass der Angreifer etwas bemerkte. Dann war es so weit, der Atem des Eindringlings ging vor Aufregung schneller und er hob den Dolch in die Luft, bereit, jede Sekunde zu zuschlagen. Aus den Augenwinkeln lunzte Maenor und betrachtete sein Gegenüber im Bruchteil einer Sekunde, während sein Blick schließlich auf dessen Waffe fiel, die in einem ungesunden schwarzen Farbton pulsierte. *Ich muss bloß aufpassen, dass mich diese Waffe unter keinen Umständen trifft.* Wer wusste schon, was ein einzelner Kratzer für einen Schaden verursachen konnte? Der Dolch sauste herab und das maskierte Gesicht strahlte vor Triumph, welches sich jedoch schnell in einen alarmierten und erschrockenen Zustand verwandelte, als die Waffe lediglich die Decke samt Matratze durchstochen hatte. Doch wo war Maenor abgeblieben? Dieser hatte sich in die Luft katapultiert und war so dem Angriff entwichen. In dem Wissen, das sein Überfall schief gegangen war, sprang er zurück und hielt nach dem Aufenthaltsort des Magiers Ausschau. Dafür war es aber viel zu spät, denn der Unterschied zwischen den körperlichen Fähigkeiten der Beiden war einfach viel zu groß, als dass er die Bewegungen mit dem bloßen Auge hätte verfolgen können. Natürlich handelte es sich bei dem Eindringling um einen professionellen Mörder, dessen Augen ziemlich geschult waren. Dennoch war das eine subjektive Einschätzung. Im Vergleich zu einem normalen Bürger, war er ihm sicherlich bei Weitem überlegen, doch verblassten die Fähigkeiten des Mannes im Vergleich zu denen des Magiers. Kaum einen halben Meter vor ihm landete Maenor und hatte ein kampfbereite Haltung angenommen, doch bevor sein Gegner einen weiteren Angriff mit seiner unheilvollen Waffe starten konnte, drehte der Fice seinen Körper halb und trat dem Gegner mit voller Kraft in den Bauch. Das führte schließlich dazu, dass er derart kraftvoll gegen die Tür geschleudert wurde, dass er diese aus den Angeln riss und beinahe Naomi mitgenommen hätte.
Nach wie vor mit dem Schlafanzug gekleidet, trat der Fice auf den Gang hinaus und sah sich mit der Kagekami konfrontiert, die ihm sofort mitteilte, dass sie sich nach Delia von Talos sehen würde. „Alles klar, ich werde sie verfolgen und schauen, was ich in Erfahrung bringen kann." Immerhin hatte Maenor im Gegensatz zu Naomi keine Zeit gehabt, seinen Angreifer zu verhören - und ihn auch in keinem Zustand gelassen, in dem dies nun ohne Weiteres möglich gewesen wäre. In diesem Augenblick bekam er zum ersten Mal während ihrer Mission eine Kostprobe ihrer neuen Magie zu sehen, da sie sich Flügel wachsen ließ und davonflog.
*Ziemlich nützlich.*, dachte er sich beeindruckt, während er sich umdrehte und den Gang entlang rannte. Wenn man vermutete, dass man nicht lange gebraucht hatte, um sich Zugang zu den Zimmern der Magier zu verschaffen, dann konnte man sich sicher sein, dass der Rest der Truppe nicht weit war. Und tatsächlich, nach der nächsten Abbiegung sah Maenor zwei identisch gekleidete Eindringlinge wieder aus einem Zimmer herauskommen. Und an der Klinge des einen ... haftete Blut. Kalter Zorn durchflutete ihn, als er die erste Person erreichte und sie einfach mit einem kraftvollen Schlag in die Decke schlug. Völlig überrascht von diesem Angriff, flog der Eindringling gen Decke und fiel anschließend wieder zu Boden, nur um auf halbem Wege einen weiteren Schlag des Fice zu erhalten, der ihn mit voller Wucht in seinen Partner traf und diesen mitriss. Beide blieben reglos liegen und obgleich es dem Schwertkämpfer zuwider war, Leben zu nehmen, hatte er keinerlei Rücksicht für jene, die ihrerseits ohne Skrupel töteten.