Es war zwar nicht schwer zu erraten, worüber Ciel gerade nachdachte, aber dennoch konnte Seraphim nicht wissen, in welche Richtung genau es ging. Zum Glück, denn obwohl er sicherlich nichts gegen Fesselspielchen einzuwenden hatte, war er im Allgemeinen nicht derjenige, der sich in ihnen wand. Seraphim war sicherlich ein sehr toleranter Mensch gegenüber allen menschlichen Seltsamkeiten, solange die Person denn zu seiner Unterhaltung beitragen konnte, aber es gab eine Sache, die bei ihm wie in Stein eingemeißelt war: Der weißhaarige Himmelsmagier weigerte sich generell, einen zu großen Teil seiner Kontrolle abzugeben. Sich von jemandem in seiner Bewegungsfreiheit einschränken zu lassen, gehörte wohl ebenso dazu, wie jemandem gewisse andere Dinge zuzugestehen, die nun einmal einfach nicht drin waren. Lustigerweise waren sich diejenigen, die ihn etwas besser kannten, nicht einig, ob sie ihn nun eher als sprunghaft oder als geradlinig beschreiben sollten, ob sein sicherlich windiges Wesen die Tatsache überwog, dass er irgendwo doch recht bodenstämmig sein konnte. Da es ihm also nicht in den Sinn kam, Ciels Gedankengut Wirklichkeit werden zu lassen, kam er auch nicht auf die Idee, dass es das war, worüber er nachdachte. Stattdessen bezog er es mehr auf das generelle Thema im Allgemeinen und dachte darüber nach, wie der Blauhaarige wohl in einem ähnlichen Szenario aussehen oder sich fühlen würde. Hätten beide Herren an dieser Stelle Gedanken lesen gekonnt, hätte die resultierende Peinlichkeit Ciels Kopf sicherlich platzen lassen, während Seraphim... irgendwo zwischen Entrüstung und Erheiterung geschwebt hätte. So jedenfalls suchte er den Blick des Blauhaarigen und machte es sich auffallend in seinem Sitz gemütlich, bevor er mit unangemessen neutralem Ton erklärte: "Ich habe nichts gegen Fesselspielchen, Ciel, und zum Glück benutzt man dafür eher seltener Metall. Was aber deine Magie angeht, kann ich dir nur einen persönlichen Ratschlag geben: Es ist nützlich, sich damit auseinander zu setzen. Du hast das Glück, eine Magie zu beherrschen, die nicht nur in Fiore einzigartig ist, sondern zudem auch noch ein großes Potenzial birgt, also wäre es schade, wenn du dieses verschwenden würdest." Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte aus dem Fenster, wartete einen kurzen Moment, ehe er fortfuhr: "Auf meiner letzten Quest mussten wir gegen einen Dschinn antreten, Ciel. Da reicht sich verteidigen zu können nicht mehr ganz aus." Er zwinkerte dem Metall Dragonslayer zu und verschränkte die Arme schließlich vor der Brust. "Auf dieser Quest wird es wohl aber reichen."
Wenn er Ciels Einschätzung seiner Fähigkeiten so hörte, machte es den Anschein, als habe er es hier mit einem absoluten Anfänger zu tun, was er von einem Achtzehnjährigen dann doch eher nicht erwartet hatte. Er war eigentlich der Meinung, dass ein Dragonslayer seine Magie pflegen sollte, einfach aufgrund der Dankbarkeit dem jeweiligen Drachen gegenüber, aber er wusste auch, dass es Gründe gab, dies nicht zu tun. Grandine war zum Beispiel immer noch regelmäßig sauer auf ihn, weil er die Heilkomponente seiner Magie so sträflich vernachlässigte, aber er sah es einfach nicht ein, warum er anderen Menschen etwas gutes tun sollte, wo sie es doch einfach nicht verdient hatten. Vielleicht hatte Ciel ja einen ähnlichen Grund, auch wenn er nicht von ähnlichen, verdeckten Fähigkeiten des Metall Dragonslayers wusste.

Auf eine gewisse Art und Weise machten Seraphims Worte sogar Sinn. Nicht, dass Ciel das großartig überraschte, hatte der Weißhaarige doch ohnehin schon bewiesen ein durchaus cleveres Köpfchen zu sein. Und dennoch hatte er den Valentine zum nachdenken gebracht, was seine Magie und deren Benutzung anging. Eigentlich hatte er bisher nie einen wirklichen Grund gesehen seine Magie großartig zu trainieren. Warum auch? Es hatte schlichtweg keinerlei Anlass dazu gegeben, hatte er doch immer unter dem Schutz von Metallicana gestanden und war damit für andere unantastbar gewesen. Das hatte sich jedoch nun geändert, weshalb sein Gegenüber wohl nicht ganz unrecht hatte. Außerdem kam hinzu, dass er nun das vollwertige Mitglied einer Magiergilde war und sollte es da nicht sein Ziel sein, möglichst stark zu werden und den Ruf der Gilde zu verbessern? Denn auch wenn es nicht so war, dass Ciel bisher eine emotionale Bindung zu Blue Pegasus hatte, so war er sich dennoch der Verantwortung bewusst, die mit dem Beitritt nun auf seinen Schultern ruhte. Er hatte sich diesen Schritt gründlich überlegt und alle möglichen Konsequenzen zur genüge analysiert und aufgeschachtelt und wusste daher ziemlich genau, mit welchen Pflichten der Beitritt verbunden war. Er war nun Teil einer Gemeinschaft, was bedeutete, dass er neben der Verantwortung für sich selbst auch noch die gegenüber seiner Gilde zu tragen hatte. Und um dieser gerecht zu werden, war es wohl möglich seine Pflicht, sich genauer mit seinen Fähigkeiten auseinander zu setzen. Außerdem stimmte es, was Seraphim sagte. Die Dragonslayermagie hatte ein ungeheimes Potential und war zudem auch noch einzigartig. Wäre es da nicht eine Verschwendung, wenn er sie nicht voll ausschöpfen würde? Nun, für diese Quest würde er sich noch nicht allzu sehr damit beschäftigen müssen, weshalb er weitere Gedankengänge in die Richtung erst einmal auf einen späteren Zeitpunkt verschieben würde. Stattdessen war die Aufmerksamkeit des Blauhaarigen schlagartig auf etwas anderes gezogen, als es mit einem Mal an der Abteiltür klopfte, welche sich kurz darauf ohne jede Aufforderung aufschob und den Blick auf ein kleines Mädchen freigab. Ciel schätzte das kleine Ding auf ungefähr fünf Jahre, wie sie da stand in ihrem Kleidchen und den honigblonden etwa kinnlangen Löckchen. Mit ihren großen grünen Augen starrte sie kurz in das Abteil und schien die zwei jungen Männer beinahe abschätzig zu mustern, ehe sie in das Abteil gelaufen kam, ohne einen von beiden auch nur die Chance eines Wortes zu geben, und von ihren kleinen Füßchen zu Seraphim getrugen wurde. Dort angekommen krallten sich ihre Hände an seinem Bein fest, ehe sie die nächsten Worte mit ihrer schrillen Stimme in das Abteil kreischte. "Ihr müsst mir helfen, ich habe mich verlaufen und finde meine Mama nicht mehr." Ciel fand es beachtlich, wie das kleine Mädchen ohne jede Scheu auf den Weißhaarigen zugelaufen war und nicht einmal die Spur von Angst zu verspüren schien. Stattdessen wirkte sie sogar recht angetan, wie sie so aus großen Augen zu ihm hochblinzelte und die Unterlippe schürzte. Die Situation wäre beinahe amüsant, wenn ihm die Stimme des Mädchens nicht so furchtbar auf das Trommelfell schlagen würde. "Wo hast du deine Mutter denn verloren? Vielleicht können wir sie dann mit dir zusammen suchen gehen." Er warf Seraphim einen prüfenden Blick zu. Der würde dem kleinen Mädchen doch mit Sicherheit helfen wollen, oder? Wo Kinder doch so unfassbar niedliche und wundervolle Geschöpfe waren.

ooc: Payback for the cat. :3

Seraphim war kein sozialer Mensch. Er könnte sicherlich wunderbar den Großteil seiner Zeit vollkommen alleine überleben, da er Menschen eigentlich nur brauchte, um gewisse Triebe für den Moment ruhig zu stellen, aber es gab auch unter der menschlichen Bevölkerung noch Abstufungen. Die nervigsten Menschen waren Cyrus' Meinung nach Kinder. Kinder waren nämlich die kleinen Menschen, die noch nicht besonders alt, winzig und dumm waren, schrecklich hohe Stimmen besaßen und einfach vollständig unnütz waren. Menschen hatten für ihn generell nur den Nutzen, dass er einige von ihnen attraktiv fand und er das ausnutzen wollte, aber er war nun einmal (Gott sei Dank) nicht pädophil – und war deswegen nicht ansatzweise an Kindern interessiert. Sie waren überflüssig, hatten keine Daseinsberechtigung und sollten sich schon gar nicht mit klauenartigen Patschehändchen in sein Hosenbein vergraben, weil das seine Gesichtszüge nämlich sofortig versteinern ließ und seinen Kopf langsam, beinahe drohend nach unten kippen ließ, damit er das kleine Nervenbündel in Augenschein nehmen konnte. Aw, war sie knuffig. Goldlöckchen und ein plumpes, rundes Gesicht mit großen Augen. Souta hätte nun wahrscheinlich Muttermilch produziert und auch Ciel schien ganz angetan von dem Mädchen zu sein, doch Seraphim ließ den Blick sofort über die Falten in seiner Hose wandern, die es geschlagen hatte und hielt sich davon ab, die Brauen ärgerlich zusammen zu ziehen. Stattdessen setzte er ein angespanntes Lächeln auf und beugte sich leicht steif nach vorne, um die kleinen Finger mit sanfter Gewalt von seinen Klamotten zu lösen, bevor er zu Ciel herüberspähte. Wie kam er nur auf die Idee, dass man nun mit dem kleinen Kind den gesamten Zug abrattern müsse? Er hatte ehrlich gesagt eher Lust, die Kleine in hohem Bogen aus dem Fenster zu kicken oder ihr zu erklären, dass der Weihnachtsmann nicht existiere, aber der Metall Dragonslayer schien ja ganz angetan von ihr zu sein. Vielleicht wollte er diesen Job übernehmen, dann konnte Seraphim die Ruhe genießen und musste sich nicht vor lauter Niedlichkeit aus dem Fenster übergeben. „Onkel Ciel wird dir bestimmt helfen, deine Mutter zu finden~“, säuselte er also mit einem seltsam bestimmten Unterton zu der Kleinen und schlug die Beine übereinander, um dem Blauhaarigen zu bedeuten, dass er sich nicht wegbewegen würde. Sollte der ihn später oder generell fragen, warum er so gehandelt habe, würde er ihm eben erklären, dass er nicht gut mit Kindern umgehen könne. Das war allerdings nur die halbe Wahrheit, denn Seraphim war sogar in der Lage, ein Baby am Leben zu erhalten, es zu säubern, zu windeln und sonstige Spielereien mit ihm zu treiben – er weigerte sich nur ganz einfach. Das war seiner Meinung nach nicht nur eher etwas für Frauen, sondern auch vollkommene Zeitverschwendung, da er in Kindern nicht das Süße und Bewahrenswerte, sondern vor allem das Nervige sah. „Ihr werdet euch aber etwas beeilen müssen, denn bis nach Hargeon Town ist es nicht mehr allzu weit…“ Um genau zu sein würde ihre Fahrt vielleicht noch zehn Minuten dauern und man wollte den Ausstieg doch ebenso wenig verpassen, wie man das arme kleine Mädchen mutterseelenallein durch die Gegend geistern lassen wollte, oder?

Für einen winzig kleinen Augenblick fragte sich Ciel, was genau Seraphim an dem wir in seinem Satz nicht verstanden hatte. Wir - das schloss schließlich automatisch immer mindestens zwei Personen ein und da sich außer dem Weißhaarigen und ihm niemand mehr im Abteil befand, blieb wenig Raum für Interpretation, wen genau er nun gemeint haben könnte. Leider schien dieser das jedoch gekonnt ignorieren zu wollen, denn so wie er mit überschlagenen Beinen auf seinem Platz saß, sah er nicht so aus, als würde er sich in den nächsten Minuten irgendwie vom Fleck bewegen. Kurz fragte sich der Valentine, wie sein Gegenüber es schaffte, so gequält zu wirken, wenn er in die größten grünen Augen sah, die der Metall Dragonslayer jemals gesehen hatte. Die gesamte Erscheinung des kleinen Mädchens schrie einfach nach purer Niedlichkeit und selbst einer sonst so rationalen und organisierten Person wie ihm viel es schwer, dem Charme des kleinen Dings zu widerstehen. Daher beließ er es auch bei einem kritischen Blick in Seraphims Richtung und schob in einer einfachen Bewegung zwei Hände unter die Arme des Mädchens, ehe er es auf hoch hob und auf seiner linken Seite abstützte. "Ich werde dir helfen deine Mama zu finden, keine Sorge.", beruhigte er die Blonde, als er ein paar Krokodilstränchen in ihren Augen aufblitzen sah. "Leider müssen wir eben alleine gehen, denn Onkel Seraphim fühlt sich gerade nicht so gut." Ein paar Tropfen der eigenen Medizin taten dem Weißhaarigen zur Abwechslung vielleicht auch mal ganz gut, da war Ciel fest von überzeugt. "Was stimmt denn nicht mit Onkel 'phimchen?" Ciel bemühte sich wirklich. Ganz ehrlich, er versuchte wirklich nicht zu lachen. Leider ging dieser Versuch in einem erstickten halb gekeuchten Gluckser unter, ehe er von stummen Gekicher geschüttelt wurde und man ihm seine Amüsement mit großer Wahrscheinlichkeit von den Augen ablesen konnte, sollte der sich schüttelnde Körper des Achtzehnjährigen für diese Beobachtung nicht genug sein. Es war einfach herrlich, wie das kleine Mädchen es mit ihrer schlichten Kindlichkeit und Naivität schaffte, einem Menschen wie Seraphim einen so wundervollen Spitznamen zu verpassen. Ja, er würde sich diesen wundervollen Namen mit Sicherheit merken und ihn bei Gelegenheit auch mal verwenden, entschied er mit einem beinahe teuflischen Grinsen. "Bis gleich Phimchen, hab nicht zu viel Spaß ohne mich.", und wie herrlich das klang. Es machte sogar beinahe das Rauchverbot gut, welches ihm Seraphim zu Beginn der Quest aufgebrummt hatte.
Die Suche nach der Mutter des kleinen Mädchens sollte nicht lange dauern und als der Blauhaarige einige Minuten später mit einem fröhlichen Lächeln das Abteil aufstieß und sich wieder auf seinen Platz gegenüber von seinem Partner fallen ließ hatte er wirklich allerbeste Laune und auch ein Teil der Anspannung war von ihm gewichen. Es musste beinahe verdächtig wirken, wie fröhlich und ruhig der Junge mit einem Mal dasaß und ab und an grinsend zu Seraphim hinüber blinzelte. Ja, Ciel hatte einen seltsamen Humor, doch wenn man einmal das Komikzentrum des Metall Dragonslayers traf, dann war es schwer, ihn von seinem Höhenflug wieder herab zubringen. Es amüsierte ihn einfach ungemein, wie kindliche Naivität einem dabei behalf sogar jemanden wie Seraphim als ein kuscheliges, vertrauenswürdiges Plüschtier zu sehen. Elenea, so war der Name des kleinen Mädchens gewesen, hatte ihm nämlich auf der kurzen Strecke genau verraten, warum sie ihren Onkel Phimchen eigentlich sehr gerne dabei gehabt hätte. "Du hättest ruhig mitkommen können, das Mädchen hätte sich mit Sicherheit gefreut..." Nicht, dass er ihm einen Vorwurf machte. Es konnte nun einmal nicht jeder mit Kindern und Seraphim wirkte ohnehin nicht der Typ, der später Vater einer Großfamilie sein würde. Und dennoch hatte der Gedanke irgendwie etwas ungemein erheiterndes.

Seraphim hätte sogar durchaus das Potential, Vater einer Großfamilie zu sein, das sollte man nicht vergessen. Wenn es nicht gewisse Dinge gäbe, mit denen man den Lauf der Natur anhalten konnte, hätte er wahrscheinlich schon so viele kleine Wattebäusche in die Welt gesetzt, dass halb Fiore zu seiner Familie zählen würde... oder so in der Art. Ein weiterer Grund, warum er Kinder nicht leiden konnte, war ihre Funktion als "Game Over" seiner Spezies. Man konnte sich gar nicht vorstellen, wie panisch er gucken würde, wenn eines Tages eine junge Dame mit einem Baby vor seiner Tür stehen sollte und behauptete, es wäre seines... Kinder schränkten die Freiheit ein. Sie vernichteten alles, was dem Menschen biologisch gesehen Spaß machte und luden einen Berg Kacke und Verantwortung auf seine Schultern, den er nicht zu stemmen bereit war.
Etwas, das der Dragonslayer übrigens ebenso wenig leiden konnte, war das Verstümmeln seines Namens. Am liebsten hatte er es ja, wenn man ihn ehrfürchtig Seraphim-sama nannte und auch wenn er jeden Einfluss solcher Nichtigkeiten auf sein Handeln stets verneinte, konnte dies dazu beitragen, ihn milder zu stimmen. Ein kleines Mädchen aus seiner Gilde hatte es auf diese Weise fertig gebracht, sogar in seinem Freundeskreis zu landen (und das sogar vollkommen, ohne mit ihm ins Bett zu steigen!), also war es sicherlich keine schlechte Idee. Ganz im Gegensatz zu diesem entwürdigenden Biest von einem Spitznamen, den sich das Mädchen ausdachte. Er konnte sich vorstellen, dass sie liebend gerne an seinen Haaren herumgespielt hätte, da diese nun einmal wie Schäfchenwolken wirken konnten, aber es war doch klar gewesen, dass er das niemals zugelassen hätte. Die einzigen Menschen, die das durften und darin auch noch bestärkt wurden, lagen meist neben ihm in einem schön weichen Möbelstück... oder seinetwegen auch auf dem Boden. Apropos Boden: Es wäre sicherlich lustig zu wissen, ob Ciel erraten würde, was der Grund für Seraphims unbeständigen Bodenbelag war, Zuhause in seiner Wohnung: Im Bad und in der Küche gab es Fliesen. Das war logisch, immerhin konnte es dort nass werden und man wollte ja nichts anfaulen lassen. Im Rest befand sich Laminat, mit Ausnahme seines Schlafzimmers, denn dort war der Teppich geradezu flauschig. Zufall? Wohl kaum. Zurück zu "Phimchen", der Ciels Verabschiedung mit einer hochgezogenen Augenbraue quittiert hatte. Als der Metallvertilger zurück ins Abteil gekommen war, sich setzte und verkündete, das Mädchen hätte sich über seine Anwesenheit gefreut, runzelte er die Stirn und sah danach aus dem Fenster. Mit scheinbar vollkommen unbeteiligter und gelassener Stimme erklärte er wenige Sekunden später: "Meinst du wirklich, es sei eine so gute Idee, jemandem, der halb Oshibana Town auseinander nehmen könnte, einen solchen Spitznamen zu verpassen, Cielll?~" Wenn man sich anstrengte, würde man vielleicht den Hauch einer Drohung aus diesen Worten und dem dahinter stehenden Ton herauslesen, aber da er bereits bei der Nennung des wohlklingenden Namens lächelte und die blauen Augen suchte, wurde sie doch sehr schnell wieder abgeschwächt. Der Unterton blieb – und sollte klar machen, dass er eben kein kuscheliger Schmusebär war. Er hatte Zähne und er war auch bereit sie einzusetzen. Blieb also nur die Frage, ob es ein Liebesbiss oder ein reißender Happs war… "Ich kann einfach nicht besonders gut mit Kindern und bevor ich sie noch verstört hätte, lasse ich es lieber sein, das ist doch vernünftig, oder nicht?" Noch ein Grund, aus dem Seraphim Kinder nicht leiden konnte, war subtile Eifersucht. Er konnte sich nicht daran erinnern, wie seine leiblichen Eltern ihn behandelt hatten, aber aus den Erzählungen der Stadtbewohner hatte er rekonstruieren können, dass sie geradezu engelsgleich gewesen waren. Seine Mutter hatte sich wohl ganz rührend um ihn gekümmert, obwohl Kleincyrus ein stilles und scheues Bürschchen gewesen war. Vielleicht beneidete er Kinder einfach darum, dass man sie umsorgte und in den Arm nahm… aber auch das war eine Geschichte, die er niemals zugeben würde.

Irgendwie war es beinahe bedauerlich, dass Seraphim sein nagelneuer Spitzname nicht vollkommen zu gefallen schien. Stattdessen konnte man beinahe annehmen, dass ihn diese absolut bezaubernde Abkürzung seines Namens irgendwie...verstimmte? Das Grinsen, welches sich während ihres Gesprächs auf Ciels Gesicht ausgebreitet hatte, schien sich bei dieser Erkenntnis noch ein wenig zu verbreitern. Denn auch wenn Seraphim ganz ausgezeichnet darin war, sich keinerlei Gefühlsregungen anmerken zu lassen, sprachen seine Worte praktisch für sich selbst und amüsierten den Metall Dragonslayer nur noch ein Stückchen mehr. Es war nicht so, dass er dem Weißhaarigen seine Drohung nicht abnahm. Im Gegenteil, er war sich sogar ziemlich sicher, dass Seraphim keinerlei Grund hatte im Bereich seiner Fähigkeiten sonderlich zu übertreiben. Er konnte fliegen, da wäre es ihm sicherlich auch möglich eine Stadt in ihren Grundfesten zu erschüttern. Generell traute Ciel dem Himmels Dragonslayer nach diesem Erlebnis so einiges zu und zwar sowohl im Bezug auf seine Magie, als auch auf seinen Charakter Dennoch war die Situation an sich einfach zu komisch. Da kam dieses kleine Mädchen in ihr Abteil gestolpert und machte aus dem so einschüchternden Seraphim tatsächlich ein Phimchen. Allein bei dem Gedanken musste der Valentine fast schon wieder kichern, ersparte sich jedoch jeglichen Kommentar. Es war eventuell keine allzu gute Idee seinen Gegenüber sonderlich zu reizen, hatte er doch bereits feststellen müssen, dass dieser sehr gefährlich werden konnte. Vielleicht lag es auch daran, dass der Weißhaarige ganz offensichtlich nicht allzu viel mit Kindern anfangen zu können schien. Im Grunde war Ciel ja selber nicht wirklich angetan von diesen seltsamen Geschöpfen, hatte er doch wenig gute Erfahrungen mit ihnen gemacht. Mit einer kleinen Schwester aufzuwachsen, die man über alles hasste, hinterließ nun einmal einiges an Narben, die nicht so leicht zu überwinden waren. Und dennoch scheute er Kinder nicht grundsätzlich. Im Gegenteil, manchmal hatten sie sogar etwas seltsam erfrischendes und erlaubten es dem Dragonslayer ein wenig zu entspannen. Bei Kindern musste er sich nicht auf das konzentrieren, was er sagte, denn sie interpretierten nichts in seine Worte hinein. Auf gewisse Weise war es vielleicht auch Neid, die der Blauhaarige ihnen gegenüber empfand. Sie hatten die Möglichkeit mit einer unschuldigen, unbeeinflussten Sicht durch das Leben zu gehen und mussten sich nicht über alle Dinge mehrfach Gedanken machen. Ein Privileg, welches ihm selbst in seiner Kindheit verwehrt geblieben war. "Das klingt vernünftig...", murmelte Ciel, abgelenkt von dem Bild, welches hinter der Fensterscheibe an seinem Auge vorbeizog. Ihm war aufgefallen, dass der Zug langsamer geworden war, was wohl bedeutete, dass die Fahrt nicht mehr allzu lange dauern würde. Er sollte recht behalten, denn einige Minuten später trudelte das Gefährt gemütlich in den Bahnhof von Hargeon ein. "Wir sind da.", stellte der Valentine überflüssiger Weise fest und erhob sich in einer schwungvollen Bewegung, als er das leise Klingeln hörte, welches das Öffnen der Türen ankündigte. Als er dann kurze Zeit später den festen Boden des Bahnhofs unter seinen Füßen spürte und sich mit einer Masse an Menschen konfrontiert sah, atmete der Valentine erst einmal tief ein. Große Menschenansammlungen machten ihn oft nervös und da Seraphim ihm jeglichen Nikotinkonsum untersagt hatte, würde das mit großer Sicherheit ein sehr langer Tag werden. "Um noch einmal auf deine brillanten Orientierungskünste und Ortskenntnisse zurückzukommen: du weißt, wo wir hinmüssen, oder?", denn auch wenn er es eher ungern zugab, er selbst hatte nicht den leisesten Schimmer.

tbc: Spielbank "Der epiphane Lotus"

Eine wirklich rare Gelegenheit. Jonathan war gerade dabei der Gilde vorstellig zu werden, denn Gideon hatte beschlossen, dass sein Sohn ebenfalls Gildenmagier werden sollte. Um seine gute Reputation zu stützen hatte man Naomi mitgeschickt und auch Hauro war bei ihnen. Nun da Jonathan so einer Art Einstellungsgespräch hatte, durfte Naomi die Zeit nutzen und ein wenig in der Bibliothek stöbern und lesen. Hauro immer an ihrer Seite, er hielt sich aber im Hintergrund. Die junge Frau hing gerade über einem Reisebericht eines Wanderers, der ferne Welten bereist hatte, um seine Magie zu festigen. Es war eigentlich wirklich interessant und Naomi mochte die Weise wie sich dieses Buch wie ein Tagebuch direkt an den Leser wandte. In ihrem Lesefluss wurde sie allerdings unterbrochen, als Hauro neben ihr unruhig wurde. Noch löste sie ihren Blick nicht, aber sie könnte hören, dass sich ihnen jemand näherte. Die Holzdielen knarzten unter dem sich nähernden Menschen und in ihrem Augenwinkel sah sich wie Hauro sich bereit machte. Wenn irgendwas Verbotenes passierte würde er es schon unterbinden. Doch die Magierin blieb ganz entspannt, hier in diesen Haus würde ihr niemand etwas wollen, hier war sie sicher vor allem und jedem, vielleicht sogar vor dem Ungeheuer, welches zu Hause herrschte und gerne gesehen hätte, dass sie alle ihm zu Füßen lägen.
Als man ihren Namen nannte gab es keinen Zweifel mehr, dass derjenige der sich gerade genähert hatte wirklich zu ihr wollte, also sah sie auf und blickte in das Gesicht eines jungen Mannes. Kurz grübelte sie, irgendwo hatte sie dies doch schon einmal gesehen. Es war schon eine Zeit lang her, aber dann erinnerte sie sich: "Maenor, richtig? Ach ja, mir geht es ganz gut soweit und dir?", wo hatte sie ihn nochmal gesehen? Es war damals gewesen, bei diesem lächerlichen Turnier, als sie noch sehr schwach war. Von dem sie geflüchtet war, weil ihr Vater den Unfall erlitten hatte, der Beginn allen Übels. Leicht seufzte sie als sie daran dachte und sah ihn wieder an. Er lud sie ein mit ihm eine Mission zu bestreiten, wollte sie das? Schon, durfte sie das auch? Sie nahm den Zettel entgegen und las durch, was es zu tun gab. Es klang interessant, sehr interessant. Außerdem schien es einen bösen Endgegner zu geben, dem man ordentlich den Hintern versohlen konnte. "Ich würde dich gerne begleiten, aber ich brauche erst mal eine Erlaubnis", sie reichte den Zettel ein Hauro weiter, welcher ihn kurz überflog. Es ging dabei mehr um einen Zeiteinschätzung und ob genug Geld dabei heraussprang.
Nach einer Weile nickte er bestätigend: "Ein Monat." So großzügig heute, das kannte das junge Mädchen gar nicht, aber das sollte sie nicht stören. Ein Monat Freiheit ohne Sorgen, wie der Himmel hörte sich das an. "Ich werde dich begleiten Maenor-san", bestätigte sie ihm und erhob sich. Gerade als Jonathan sich ihnen anschloss. Der Junge mit den schulterlangen roten Haaren und den verschlagenen dunklen Augen sah sie verwundert an: "Du arbeitest Cosuinchen?" Ein bestätigendes Nicken: "Gerade angenommen, sei brav und mach keine Dummheiten." Dabei tippte sie ihm auf die Nase und drehte sich zu Maenor, "Wann geht es los?"

Ehrliche Erleichterung breitete sich in dem jungen Mann aus, als klar war, dass die Magierin vor ihm sich ebenfalls an ihn erinnerte. Mit dem Anfang ihres nächsten Satzes konnte man ihm die Freude auch im Gesicht ansehen, nun stand einem fröhlichen Abenteuer nichts mehr im Wege, oder? Schön wär’s. Der Satz endete nämlich nicht so toll, wie er angefangen hatte und auf die Aussage hin, erntete sie einen skeptischen und verwirrten Blick seitens Maenor. *Um Erlaubnis fragen?* Sofern ihm sein Gedächtnis keinen Streich spielte, hatte sie letztes Mal keine Erlaubnis benötigt, um ihn zu begleiten. Daraufhin reichte sie den Zettel einem Hünen von Mann weiter, der diesen wiederum aufmerksam studierte und ihr anschließend die Erlaubnis gab, für einen Monat weg zu sein. *Was geht denn hier vor?* Sie hingegen fand das überhaupt nicht seltsam und sagte ihm plötzlich zu, dass sie ihn auf die Quest begleiten würde. „Ehm alles klar, sehr gut.“, antwortete er ein wenig verwirrt und überfordert mit der Situation. Da musste er sich doch gleich mal erkundigen, was da los war, das Ganze kam ihm nämlich ziemlich spanisch vor.
In diesem Augenblick trat eine weitere Person zu ihnen, welche sich als Naomis Cousin entpuppte. Äußerlich gab er nicht viel her, im Vergleich zu dem … Aufpasser, der sich ebenfalls in ihrer Nähe befand. Maenor betrachtete beide weiterhin abschätzend, während er nebenbei dem Gespräch der Magierin mit ihrem Cousin lauschte, der – wenn man dem Gespräch Glauben schenken konnte – gerade eben erst in der Gilde aufgenommen worden war. *Hurra, noch einer der Drachenfanatiker.*, dachte sich der Fice. Auf die Frage von Naomi hin, musste er erst noch ein Mal auf den Questzettel schauen und ihn eingehend studieren. Leider gab es dort keine näheren Informationen, wo sie sich nun genau hinbegeben mussten, nur eine Adresse einer Person. Und bei dieser Person handelte es sich um … „Hier steht, dass wir zunächst mal nach Tempest City reisen müssen und uns mit einem Mitglied des magischen Rates treffen müssen, nämlich Fenix von Talos. Dieser Fall ist anscheinend sein Zuständigkeitsbereich, sobald wir uns mit ihm treffen, wird er uns mit weiteren Informationen versorgen.“ Es gab wohl kaum eine Person, die mit diesem Namen nichts anfangen konnte. Fenix von Talos war nicht nur einer der berühmtesten Ratsmitglieder Fiores, oh nein, seine Familie war eine der größten Großgrundbesitzer des Landes. Nicht umsonst herrschten sie in den Ebenen von Talos beinahe wie Könige. Bei Tempest City handelte es sich um eine der größten und technisch fortgeschrittensten Städte Fiores, welche sogar über höher entwickelte Technik verfügte als die Hauptstadt selbst. Wahrlich eine Stadt, die für ihre Innovationen und neuen Entwicklungen bekannt war. Der Schwertmagier persönlich war noch nie dort gewesen, sodass er sich schon ein wenig auf den Besuch freute. „Das bedeutet, dass wir am besten den nächsten Zug nach Tempest City nehmen sollten. Ein Monat ist zwar eine lange Zeit, aber wir wissen nicht, wie lange wir wirklich undercover bleiben müssen, weshalb wir uns so schnell wie möglich auf den Weg machen sollten. Nicht dass du noch Ärger bekommst.“, fügte er mit einem Blick auf den Aufpasser hinzu. Mal schauen, ob und was er noch im Verlauf ihrer Quest über diesen seltsamen Zustand von ihr erfahren würde. Er selbst lebte natürlich auch unter komischen Umständen mochte man meinen, zumindest wenn ein Leben auf der Flucht und des Versteckens als solches zählte. „Benötigst du noch etwas oder können wir los?“, fragte er freundlich mit Blick auf die Tür. Wenn er richtig lag und sie schlecht behandelt wurde, musste er ihr zumindest ihre Quest so angenehm wie möglich gestalten.

Naomi überlegte, für eine Mission die länger andauerte brauchte sie zumindest einen Startproviant. Dann, da dies eine Undercovermission sein sollte, konnte sie nicht die Kleidung tragen, welche sie generell zu tragen pflegte, immerhin wäre das wenig Undercover. Also musste sie sich noch eine Weile Gedulden bis sie sich auf den Weg machen konnte. "Ich muss mich noch in der Kleiderkammer der Gilde umsehen, ich kann nicht in meiner Regulären Kleidung auf diese Mission gehen, aber dort findet sich sicher etwas, was ich anziehen kann und dann treffen wir uns am Bahnhof wenn der nächste Zug geht. Jonathan ist es okay, wenn ich dich bitte mir etwas Proviant zu besorgen?", erkundigte sich das blonde Mädchen bei ihrem rothaarigen Begleiter. Dieser nickte: "Ich werd mich auf den Weg machen und dich dann am Bahnhof treffen." Noch vor einem Jahr hätte sie niemals eine solche Bitte an ihn gerechnet, immer in der Angst das Essen was er ihr bringen würde, wäre vielleicht schadhaft, doch nun war er einer der wenigen, denen sie noch trauen konnte, von daher waren die Zweifel hinfort. Nun vielleicht nicht ganz, aber er war das kleinste Übel mit dem sie arbeiten musste. Nun drehte sie sich noch einmal zu ihren Begleiter um und lächelte: "Ich hoffe das ist okay für dich, ich muss mich jetzt auf den Weg machen."
Wahrscheinlich war es in Ordnung, sie würde sich von ihm wohl kaum reinreden lassen, immerhin war es das, was sie glaubte tun zu müssen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Es war nicht sicher, wie weit sie überhaupt bekannt war durch frühere Taten oder das Examen, doch möglich dass man ihren Namen schon gehört oder ihr Gesicht schon gesehen hatte und das wollte sie nicht riskieren. Also begab sie sich in die Kleiderkammer, welche wahrscheinlich für solche Zwecke Gedacht war. Magier, die verschleiern mussten wer sie waren, für Aufträge in gefährlichen Gefilden. Dort suchte sich das Mädchen die Kleidung zusammen, die sie benötigte. Eine Feste aber doch eher eng anliegende dunkle Hose, schwer zu sagen, ob sie nun Grau war, oder Schwarz, aber ausgeblichen. Dazu ein paar feste Stiefel, wahrscheinlich musste sie damit auch länger laufen können. Das alte Wildleder schien noch gut intakt zu sein, fast fand sie es schade, dass jemand sie weggegeben hatte, wie konnte man sich von so etwas einfach trennen, es waren gute Schuhe. Darüber noch ein weinrotes Hemd und damit ihr auch nicht kalt wurde ein warmer schwarzer Mantel, der ihr bis zu den Knien reichte. So machte sie sich auf den Weg.
Am Bahnhof wartete wie versprochen Jonathan auf sie, er hatte ihr eine Tasche mit Proviant mitgebracht und scheinbar sogar Hygieneartikel hinein getan. Ein wenig erstaunt über seine Weitsicht hatte sie ihn liebevoll in den Arm genommen und sich dann auf den Weg gemacht am Gleis ihren Gildenkameraden zu treffen. Das war gar nicht so einfach, denn wie immer war es auf dem Bahnhof schrecklich voll. Doch einer der belebtesten Orte in ganz Oshibana. Also musste sich die junge Magierin beeilen, damit sie nicht am Ende doch noch zu spät eintraf.