Maenor hatte sich zwar nach der Person erkundigt, für die Naomi tiefe Gefühle hegte, doch da es sich dabei um ein solch intimes und persönliches Thema handelte, rechnete er nicht wirklich mit einer ehrlichen Antwort. Höchstens ein wenig Rumgedruckse, dass er die Person bestimmt nicht kannte oder dass sie ihm schlicht und einfach nicht verraten wollte, ob er denn in Blue Pegasus tätig war. Umso überraschender kam es also, dass sie ihm bestätigte, auch ein Magier zu sein und ihn sogar beschrieb. Von der Beschreibung des Äußeren kam ihm die Person sogar bekannt vor und der Fice fragte sich willkürlich, ob es sich dabei wohl um Akuma handelte. Es handelte sich tatsächlich um diese Person, die eigentlich Ren hieß, sich dem Schwertkämpfer aber eben als Akuma vorgestellt hatte – Dämon. Mit ihm zusammen war er zur Hauptstadt des Landes gereist und hatte in einem angesehenen und berühmten Laden einen Spanner ausfindig machen müssen, welcher die weiblichen Kunden belästigte. Im Endeffekt hatten sie den Verdächtigten ausfindig gemacht: Bei dem Missetäter handelte es sich um niemand anderes als einem der Mitarbeiter des Ladens. Die Quest war jedoch nicht ganz so gut geendet, wie erhofft, da Maenor kurz daraufhin von Leuten aus seinem Ex-Clan gestellt und überwältigt worden war. Bis heute fragte er sich, wie es ihm denn möglich gewesen war zu fliehen, doch bis jetzt war er nicht auf des Rätsels Antwort gekommen. Wie dem auch sei, mit festem Blick auf Naomi bereitete er sich vor, seine nächste Frage zu stellen. Immerhin hatte sie ihm schon breitwillig verraten, dass jene Person eben in der Gilde tätig war, da schadete es doch sicherlich nicht, noch ein wenig nachzuhaken, nicht wahr? „Bei seiner Beschreibung klingelt etwas bei mir. Ich war vor einiger Zeit mit jemandem namens Akuma unterwegs, kennst du so jemanden? Handelt es sich denn zufällig um ihn?“ Jetzt war nur die Frage, ob die Kagekami auch wusste, dass sich der gute Ren bei manchen Leuten unter diesem Alias vorstellte. Oder dass der Fice im Grunde genommen keine Ahnung hatte, dass Akuma nicht sein richtiger Name war, immerhin stellte er selbst sich ja auch als Chibi vor.
„Das stimmt allerdings.“, murmelte Maenor mehr für sich selbst als zu seiner Teampartnerin. Früher war alles einfacher. Das ja, dennoch bedeutete es nicht, dass es wirklich besser war, zumindest was seine Vergangenheit anging. Aber das war ein anderes Thema, welches viel zu lang war, um jetzt aufgerollt zu werden. Zudem kannte er Naomi nicht gut genug, um ihr wirklich Sachen aus seiner Vergangenheit anvertrauen zu können.
Tja, wieso nannte er sich gerade Chibi? Ironischerweise hatte alles mit Seraphim angefangen, der ihn nicht mit seinem richtigen Namen ansprechen sollte und ihn deshalb Chibi genannt hatte, eben aufgrund der Tatsache, dass er ein gutes Stück kleiner gewesen war als der Dragonslayer. Da Maenor mit der Zeit gemerkt hatte, dass es wohl klüger war, nicht seinen richtigen Namen preiszugeben, da man sich ja in den verschiedenen Dörfern und Städten nach ihm erkundigen konnte, musste ein Alibi her. Und so einfallsreich und kreativ wie der Junge eigentlich war, kam kein besserer Name bei raus, als Chibi. Doch wie sollte er das Naomi am besten erklären? „Nun, ich befinde mich auch in einer ziemlich komplizierten Lage, weshalb es nicht klüger wäre, meinen richtigen Namen zu benutzen. Das würde mich selbst und all jene um mich herum in Gefahr bringen, weshalb ich eben diesen Spitznamen benutze.“ *Ja, dir ist kein besserer eingefallen als der Spitzname, mit dem Seraphim dich geärgert hat!*, schalt er sich selbst, während er verlegen dreinschaute und sich mit der Hand durch die Haare fuhr. Das sollte Naomi hoffentlich fürs Erste zufriedenstellen. Vielleicht kam sie ja auch von alleine darauf, dass man ihn deshalb in der Öffentlichkeit nur vermummt antraf.
Nach der Aussage der Kagekami über Seraphim schaute sie der Fice erstaunt an. Hatte man es ihm so deutlich angesehen, dass er auf den Namen des Weißhaarigen reagiert hatte? Anscheinend schon, doch das war auch nicht weiter verwunderlich, wenn man bedachte, was zwischen ihnen in der Vergangenheit geschehen war. Die Frage, die sich der Schwertkämpfer jedoch in diesem Moment stellte, war, wie gut die junge Frau vor ihm diesen Schleimbeutel kannte und wie sie zueinander standen. „Das kannst du aber laut sagen. Es gab früher einige Reibungen zwischen uns, doch ich habe ihn – *Zum Glück!* – seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Kennst du ihn denn gut?“ Das mit den Reibungen war eindeutig untertrieben, hatte der Dragonslayer ihn doch mehrmals erpresst und zum Schweigen gebracht, als er sich an Lia rangemacht hatte und Maenor ihm einen Strich durch die Rechnung hätte machen können. Das war sogar so weit gegangen, dass Seraphim den Gildenkollegen mitten im Gefecht angegriffen hatte, um vor besagter Dame mittels einer heldenhaften Rettung glänzen zu können. Oh, und er war auch dafür verantwortlich, dass die Clanagenten in weiten Teilen des Landes nach ihm suchten und auch immer mal wieder durch Oshibana Town streiften. Besten Dank an dieser Stelle! Natürlich wusste Maenor ersteres nicht sicher und zweiteres überhaupt nicht, sonst hätte er ganz anders auf den Sephirot reagiert.

Akuma, das war Ren. Naomi nickte ein wenig unsicher, ob sie überhaupt wollte, dass der junge Mann wusste, über wen sie gesprochen hatte. Doch was machte dies für einen Unterschied? Immerhin konnte er nichts daran ändern, dass Ren sie nicht liebte, sie wahrscheinlich nun genau so verachtete wie den Rest der Welt. Doch was wenn er in einem Anflug von Hilfsbereitschaft versuchte mit dem Magier zu reden? Dieser wäre sicher genervt von ihm und von ihr. Wahrscheinlich war es ihm sogar peinlich, dass jemand wie sie ihn mochte. Das Mädchen drückte sein Gesicht an die Scheibe, diese war kühl und glatt. Man konnte daran abrutschen oder mit der warmen Wange einfach kleben bleiben. Ihr Atem beschlug ein wenig die Scheibe während er ihr erklärte, dass er scheinbar ein Alias brauchte, damit ihm und allen anderen kein Leid geschah. Leicht kicherte sie, dass sie daran noch nicht gedacht hatte: "Du denkst ja noch mehr an alle anderen als ich selbst, ich sollte mir wahrscheinlich auch ein Alias zulegen, ich werde es sicher bald brauchen", dann sah sie ihn mit hochgezogenen Brauen an, [color=#40FF00]"Keine Angst Chibi-kun, ich werde dich nicht nach deinem Namen fragen, aber ich bin in der Tat auch in der Lage mich zu verteidigen, inzwischen zumindest." Ihre Erinnerungen brachten ihre letzte Begegnung hervor.
Als er erzählte, wie Seraphim zu ihm war, schmunzelte sie. So hatte sie ihn nie kennengelernt. Er war immer ein wirklich lieber Freund gewesen. "Seraphim war für mich immer ein Freund. Obwohl er Kinder eigentlich hasst, hat er mich als ich noch klein war gut in der Gilde aufgenommen und mich immer beschützt, wenn es gefährlich wurde. Auch wenn das alles nicht zwingend einen uneigennützigen Hintergrund hat, kann ich nicht sehen, dass er mir je etwas schlechtes getan hätte", eine kurze Pause in der sie ihn warm ansah, "aber ich weiß, wie grausam er zu anderen sein kann. Manchmal ist er geradezu bösartig und in diesen Momenten bin ich immer sehr froh, dass er mich bisher nie so behandelt hat." Was den Sephirot anging genoss sie in der Tat eine Sonderbehandlung, die sie für nichts auf der Welt aufgeben würde. Doch wahrscheinlich musste sie dies bald aufgeben, denn sie war leider nicht mehr klein und knuddelig, sondern nur noch knuddelig. Jetzt war sie mehr Beute als Kuscheltier und das gefiel ihr gar nicht. Irgendwann hatte sie mal gesagt, dass sie lieber für immer Kind sein wollte und genau das kam ihr gerade in den Sinn. Dafür war es wohl zu spät.
Wie weit war es eigentlich noch? Einen genauen Plan hatte sie nicht und auf die Ansagen hatte sie auch nicht geachtet. Jetzt ärgerte sie sich darüber, immerhin wollte sie bald mit der Arbeit beginnen. "Weißt du wie weit es noch ist, so ungefähr vielleicht?", erkundigte sie sich bei ihrem Begleiter und sah ihn wieder aus den Bernsteinaugen heraus an. Diese merkwürdige Organisation sollte schon merken was passierte, wenn man den richtigen Pfad verließ und dann so dumm war sich einen Teufel ins Haus zu holen, oder in dem Fall eine Teufelin. Klar, waren die Zauber, welche sie hatte noch längst nicht das ganze Potenzial dieser Magie, aber ein guter Anfang.

Es ging Maenor nicht nur darum, die Leute um ihn herum und jene, die ihm nahe standen, zu schützen. Immerhin wollte er ja nicht seine Questpartner und die wenigen Freunde in Gefahr bringen und sie ebenfalls zu Zielscheiben seiner Verfolger machen. Wie man vor nicht allzu langer Zeit im Falle Lia gesehen, hatte man die Freundin des Schwertkämpfers dazu benutzt, ihn aus der Reserve zu locken, um ihn gefangen zu nehmen. Und es hätte auch beinahe geklappt, wäre es nicht um seine eigenen Fertigkeiten gewesen, die weit über das Spektrum hinausgewachsen waren, was seine Verfolger ihm zugetraut hätten. Das, und dass es die Valencia war, die entführt worden war. Ihren mächtigen Feuerangriffen konnte selbst Zara nicht standhalten und sie war eine der begabtesten und stärksten Kämpfer des Clans. Auf jeden Fall ging es auch in erster Linie darum, sich selbst zu schützen. Und genau aus diesem Grund musste er sich eben vermummen und trat unter falschem Namen auf, sodass man seiner Spur nicht folgen konnte.
Wofür aber Naomi ein Alias brauchte, das wollte ihm partout nicht einfallen. Möglicherweise hatte er ja etwas nicht mitbekommen oder falsch verstanden, außer, sie meinte das Ganze in Bezug auf ihre kommende Aufgabe. Dennoch, sicher war sicher und nachfragen kostete bekanntlich nichts. „Sag mal, wieso brauchst du denn ein Alias?“ Hoffentlich stellte er sich gerade nicht ziemlich dumm an …
Gut dass die Kagekami im gleichen Atemzug auch sofort sagte, dass sie sich mittlerweile gut genug verteidigen konnte. In Bezug auf ihre Undercovermission konnte es sein, dass es ziemlich gefährlich wurde, weshalb sich die beiden wohl besser ob ihrer Fähigkeiten austauschen sollten, möglicherweise hatte ja einer der beiden hier einige neue Asse im Ärmel. Er selbst verfügte mittlerweile über ein ganz anständiges Arsenal an magischen Techniken, welche ihn im Nahkampf unterstützen. Ansonsten hatte er noch den Umgang mit der Klinge beinahe zur Perfektion gebracht und auch im waffenlosen Kampf war er ein Ass. Was sie jetzt bräuchten, wäre noch eine magisch talentierte Person, denn nicht alles ließ sich durch brachiale Gewalt lösen und auch seinen Fähigkeiten waren diesbezüglich Grenzen auferlegt. Über wirklich viel Mana und starke Magieattacken verfügte der Fice nämlich nicht. „Ich erinnere mich, dass du mir damals erzählt hast, Schattenmagie zu besitzen? Wie schaut es denn mittlerweile aus?“ Stark musste Naomi auf jeden Fall sein, denn sonst hätte man sie keinesfalls zu dem S-Rang Examen eingeladen.
Als seine Teampartnerin schließlich anfing, von Seraphims Wundertaten zu erzählen, musste der Schwertkämpfer sie kurz unterbrechen. „Sicher, dass wir vom selben Seraphim sprechen? Sorry.“, murmelte er. „Erzähl bitte weiter.“ Was danach kam, klang aber schon mehr nach dem ollen Windbeutel, mit dem er sich in der Vergangenheit hatte rumschlagen müssen. „Ich denke, dass wir etwa ein Drittel des Weges hinter uns haben. Jetzt müssten wir auch bald die nächste Station erreichen.“ Mit dem Blick auf die vorbeirasende Landschaft machte es sich Maenor bequemer, die Fahrt würde noch eine ganze Weile dauern.

Wofür sie ein Alias brauchte? Leicht kicherte sie und wendete den Blick hinaus. "Also es ist so, dass mein Onkel ein wenig psychopatisch ist und mich behandelt wie den letzten Dreck. Wenn ich zu lange in diesem Haus bleiben wird mich sein Wahnsinn irgendwann umbringen. Um das zu verhindern muss ich aus diesem Haus raus, ihn wohlmöglich umbringen soweit es meine Fähigkeiten gestatten, aber dafür könnte ich dann ein Alias gebrauchen", wieder kicherte sie und blinzelte ihn an. Klar machte diese Aktion das Ganze vielleicht etwas lächerlich, aber sie wollte gar nicht, dass er glaubte, dass dies die Wahrheit war, "Nur ein Witz, als Magier kann man immer einen Zweitnamen gebrauchen. Wer will schon, dass irgendwann die ganzen Leute vor der eigenen Haustür stehen, denen man mal ein Familienmitglied, Freund oder sonstiges getötet hat, das wäre sehr nervig." Ein wütender Mob von Menschen, die sich dafür rächen wollte, dass man Verbrecher aus dem Weg gezogen hatte, das wäre wirklich etwas was Naomi zwar stören würde, aber das war in der Tat nicht der Grund. Auf das Gesicht des Mädchens schlich sich ein leichtes Lächeln, während sie auf eine Reaktion wartet, von ihrem Gildenkollegen, der nun vor zwei Wahrheiten stand und sich aussuchen konnte, welche von beide er glauben wollte. Man konnte quasi nicht das Falsche wählen.
Dann gingen sie über in eine der Grundsatzdiskussionen die man eigentlich immer mit anderen Magiern führte, wenn man mit ihnen auf Quests ging. Was war ihre Magie und wie stark war sie eigentlich? Da gab es eigentlich nicht viel zu sagen, oder doch? "Also meine Schattenmagie ist etwas stärker als zuvor und ich habe eine recht starke Zweitmagie, eine Takeovermagie, die mich im Nahkampf ein wenig unterstützt. Wenn es um die stärke meiner Magie geht, dann kann ich nur so viel sagen. Beim Examen hat man unser Magielevel bestimmt und meines reichte fast an das von Seraphim heran, des bedeutet es sollte schon recht okay sein." Wo sie wieder bei Maenors Lieblingsthema wären. Seraphim, dessen Verhalten er gar nicht einstufen konnte. Naomi war klar, dass er sich mit ihr sehr untypisch verhalten hatte, aber er war ihr Engel, ihr wunderbarer Freund, der sich um sie kümmerte und dafür sorgte, dass in ihrer kleinen Welt ab und zu die Sonne schien. Dass der andere Magier nicht ganz so viel Glück mit ihm hatte, das konnte sie an seinen Augen sehen und so kannte sie ihren weißhaarigen Luftikus. Es hätte sie überrascht, wenn es anders gewesen wäre, denn dann hätte Chibi definitiv das Bett des Drachen schon begrüßt.
Doch anstatt sich weiter mit dem Sephirot der Gilde zu beschäftigen schwenkte Maenor ein und erzählte ein wenig von seinen Fähigkeiten, sodass Naomi nun wusste, dass sie scheinbar einen Nahkämpfer vor sich, das war in Ordnung, das überschnitt sich nicht mit ihren Fähigkeiten. Danach war es eher ruhig. Wahrscheinlich musste er noch darüber nachdenken, wie er seine Identität anlegen wollte, sodass er sich gut daran erinnern konnte. Also schwieg auch Naomi den Rest der Fahrt über und sah dann nach einiger Zeit die Hauptstadt näher kommen. Langsam fuhren sie in den Hauptbahnhof ein und dann blieb der Zug stehen. Dieser hatte hier seine Endstation, also konnten sie in aller Ruhe ihre Sachen nehmen und gemütlich aussteigen.

tbc: Tempest City