Während Maenor wirklich sehr professionell den durchdrehenden Lu blamierte, indem er ihn mit zwei gut gesetzten Schlägen außer Gefecht setzte, hatte Cyrus leider nicht die Zeit, dem Braunhaarigen zuzujubeln, da er die restlichen Bandenmitglieder verscheuchen musste. Es machte seiner Meinung nach keinen Sinn, ohne Verstand auf Menschen einzuprügeln, wenn man ihnen auch anders zeigen konnte, dass sie sich besser zu verziehen hatten. Das war nicht sonderlich schwer, wenn man ihnen überlegen war - was in seinem Falle (natürlich) zutraf, da er magisch hochbegabt und seine Gegner vollkommen normal waren. Es reichte prinzipiell, dem einen der drei aus der offenen Handfläche ein unsichtbares Geschoss ins Gesicht zu jagen, damit die anderen verstanden: Sie legten sich hier mit einer weitaus höheren Macht an, als einem einfach Menschen, wenn man ihn selber fragte, dann legten sie sich mit einem Auserwählten an, einem Übermenschen... der aber auch nur eine ganz menschliche Erscheinungsform und ebensolche Beweggründe hatte. Die in diesem Fall wohl waren, die ganze Sache schnell hinter sich zu bringen, damit er sich anderen, angenehmeren Dingen, zuwenden konnte. Auch wenn er ein Magier war und wusste, dass er eine angemessene Belohnung dafür erhalten würde, dass er den Jungen rettete, so bedeutete das noch keineswegs, dass er seine Tätigkeit besonders mochte. Es stank, es war dunkel und irgendwie hatte er festgestellt, dass Kindern hinterherzurennen und sie zu erziehen nicht gerade seine Passion war. Um genau zu sein, er konnte sich nichts schlimmeres vorstellen. Kinder interessierten ihn nicht und obwohl Long keines mehr war, so hatte er sich dermaßen kindisch und pubertär aufgeführt, dass er in den Augen des Weißhaarigen ganz eindeutig eines war. Cyrus interessierte sich mehr für erwachsenere Leute oder solche, die wenigstens bereit waren, ihn das glauben zu lassen. Mit einem undefinierbaren Grinsen drehte er sich zu Kuraiko um, die immer noch zitternd auf Lu blickte, der inzwischen am Boden gelandet war, überbrückte die wenigen Meter zwischen ihnen und zog das Mädchen in eine liebevoll anmutende Umarmung, bevor er beruhigend flüsterte: "Ich passe schon auf, dass er dir nichts mehr antut... habe ich doch versprochen..."

Und wie aufs Stichwort stürmten auf einmal einige Mann um die Ecke, die sich als Ordnungshüter herausstellten. Ihnen nach die kleine Ayumi, die sie offenbar alarmiert hatte. Sie wäre ihrer großen Schwester sicherlich gerne um den Hals gefallen, doch der weißhaarige junge Mann neben ihr schien diese gerade ungerne teilen zu wollen. Ungewollt fasziniert beobachtete sie, wie er Kuraiko irgendetwas zuflüsterte und sie darauf beinahe verschämt den Blick abwandte, aber trotzdem kaum merklich näher an ihn herantrat, bis er einen Arm um ihre Hüfte legte und behutsam mit der freien Hand über ihren Hinterkopf streichelte. Na, ihre Schwester hatte irgendwie eine seltsame Anziehung auf Kerle, fand sie, in gewisser Weise war das ungerecht. Sie selbst... pff... für sie interessierte sich niemand. Aber Kuraiko... kaum war sie ihren seltsamen Freund los, da kuschelte sie schon mit dem nächsten rum, also echt. Wobei sie sagen musste, dass ihr der Typ gerade besser gefiel, als Lu, der nicht nur hässlich, sondern auch gemein gewesen war. Dieser Magier konnte doch nicht so schlimm sein, nicht wahr? Mhpf. Auch wenn sie es nicht verdient hatte, vielleicht würden ihre Schwester und der Kerl da - wie hieß er doch gleich noch? - ja glücklich. Doch da löste sich der Weißhaarige von ihrer Schwester und drehte sich zu dem Braunhaarigen um, der so nett zu ihr gewesen war. "Chibi-chan, ich würde sagen, dass du Long nach Hause begleitest, ich kümmere mich um Kuraiko-chan und-", er wandte den Blick seiner violetten Augen kurz zu ihr, "Ayumi-chan, damit sie unterwegs nicht angegriffen werden. Wir treffen uns dann am Bahnhof in... drei Stunden?" Drei Stunden? Eine ganz schön lange Zeit, zu ihnen nach Hause dauerte es maximal eine halbe Stunde. Aber Ayumi fragte nicht, sondern nickte eifrig und lief zu ihrer Schwester, um wenigstens ihre Hand zu drücken.

Nach Ablauf der verabredeten drei Stunden saß ein entspannt wirkender Cyrus bereits in einem der kleinen Bahnabteile und wartete auf seinen braunhaarigen Gildenpartner. Die Beine übereinander gelegt, das Drama in Händen und die Haare vielleicht noch eine Nuance verstrubbelter als sonst, ruhte er auf einem Sitz und lächelte. Auch wenn es in der Quest um Kindersitten gegangen war, so war seine Zeit nicht vollkommen verschwendet gewesen. Als Maenor sich endlich blicken ließ, hob er den Kopf und fragte: "Und? Was hast du die letzten zweieinhalb Stunden gemacht?"

Es brannte noch ein entschlossenes Feuer in den Augen des Jungen, die einen harten Überzeugungskampf ansagten ... ehe er die Augen schloss, einmal laut seufzte und etwas zusammensackte. "Na gut.", gab er nach und schaute weiterhin den Boden an. Endlich hatte er nachgegeben, für eine Diskussion hatte der Fice nicht mehr wirklich die Nerven gehabt, gut, dass es so ausgegangen war. Um genau zu sein, wäre er noch nicht mal auf die Argumente des Jungen eingegangen, er hätte ihn schlicht einfach am Kragen gepackt und nach Hause gezerrt. Wegen ihm hatten sie sich mit diesem Psychopathen Lu und seiner Bande krimineller Jugendlicher herumschlagen dürfen, zudem war ihm Zara jetzt näher, als je zuvor und als es ihm lieb war. Da musste er sich etwas einfallen lassen, vermutlich wäre es das Klügste, wenn er mal für einige Zeit von der Bildfläche verschwand und Schutz in einem der Orden suchte, denen er mittlerweile angehört. Einen Monat dürfte sich gut anhören, zudem er dann die nötige Ruhe und Zeit hatte, sich ganz auf sein Training zu konzentrieren.
Plötzlich gab es einen Tumult, der die beiden Jugendlichen – Maenor und Long – gleichermaßen überrascht umdrehen ließ, denn in diesem Augenblick kamen einige Sicherheitsbeamte Magnolia Towns um die Ecke, welche sich sofort auf die kriminellen Jugendlichen schmissen. Wahrscheinlich hatten sie die Kerle schon eine geraume Zeit lang in die Finger bekommen wollen, was ihnen jedoch vorher nie gelungen war. Gut, es wurde endlich Zeit, dass diese Kerle eingebuchtet wurden und für ihre Straßen büßten. Wie man bereits vorher gesehen hatte, diese Gruppe hatte Leute überfallen und bedroht, so etwas sollte nicht frei herumlaufen. Besonders dieser Lu ... hoffentlich versauerte er hinter Gittern. So konnten also alle nun beobachten, wie die Sicherheitsleute all den geschlagenen Bandenmitgliedern Handschellen verpassten, und sie wegbrachten. Anstatt mit Maenor mitzugehen und Long bei seinen besorgten Eltern abzuliefern, hatte Seraphim wohl etwas anderes vor. Mit Kuraiko im Arm und der schwirrenden Ayumi um die Beiden, teilte er ihm mit, dass er die beiden Mädchen nach Hause begleiten würde. Was Maenor jedoch nicht ganz nachvollziehen konnte, war die enorme Dauer, die sich der Dragonslayer vornahm. Was will er denn 3 Stunden lang mach ... ach ich will es gar nicht wissen. Und ehe er über diesen Gedanken richtig sorgfältig nachgedacht hatte, war er auch schon wieder verschwunden. Es interessierte ihn nicht wirklich, dass Gute war, dass er nun etwa drei Stunden seraphimfreie Zeit hatte, die es möglichst gut auszunutzen galt. Aber zuerst galt es erst mal, den getürmten Jungen abzugeben. Komm mit, sagte er zu Long und hielt ihm die Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen.
Und so kam es, dass die beiden doch so verschiedenen und dennoch ähnlich denkenden Jugendlichen sich auf den Weg zu Longs Haus machten. Wobei man anmerken musste, dass sie sich zunächst einmal dank Maenor verirrten, sodass er von da an Long leiten ließ. Miteinander gesprochen wurde aber nicht, Maenor hatte schlichtweg keine Lust auf Konversation und der Andere hatte gewiss Bammel seinen Eltern gegenüber zu treten. Es kam jedoch anders als erwartet, denn kaum hatten sie an der Tür geläutet, schon stürmte Longs Mutter heulend aus dem Haus und nahm ihren Sohn in die Arme. Auch sein Vater kam sofort an und schloss sich dieser Umarmung an. Für ihn gab es hier nichts mehr zu suchen, doch er konnte leider nicht weg, denn sogleich umarmte ihn auch Longs Mutter – na, neidisch Seraphim? - und zog ihn ins Haus. Dort durfte er erst einmal den ganzen Unterhaltungen der Familie lauschen, bei dem er auch haargenau ausgefragt wurde, wie sie den Jungen gerettet hatten. Um einer erneuten Flucht des Jungen vorzubeugen, sprach er noch einige tadelnde Worte zu den Eltern aus, die hoffentlich ankamen, ehe er sich aus dem Staub machte. Selbstverständlich nicht, ohne die Belohnung vom Vater entgegenzunehmen.
So kam es, dass er exakt nach drei Stunden am Bahnhof ankam – nachdem er die restliche freie Stunde dazu genutzt hatte, seine Schriften weiter zu studieren – wo Seraphim schon auf ihn wartete. "Ich hab Long abgeliefert und dann noch meine freie Zeit ausgenutzt. Und du?", fragte er noch, während er Seraphim seinen Teil der Belohnung in die Hand drückte und in Richtung der Züge lief.