Cf: Blue Pegasus Gildenhaus

Seraphim führte sie zielgerecht zu ihrem Auftragsort an, und kaum waren etwa zehn Minuten vergangen, als sie sich schon vor einem recht großen Haus befanden. Was aber wahrscheinlich viel interessanter war, was hatten die beiden so unterschiedlichen Magier auf dem Weg hierher getrieben? Maenor für seinen Teil war immer noch recht sauer auf Seraphim, der sich als ziemlich undankbar und unfreundlich gezeigt hatte. Nichtsdestotrotz hatte er ihn kurz und knapp über die beiden Anderen ihrer Verfolgergruppe unterrichtet, ehe er den Rest des Weges über geschwiegen hatte. Kyle war ziemlich groß und muskulös, im Kampf legte er weniger auf Finesse als auf Schnelligkeit und pure Stärke, denn er versuchte einfach seine Gegner damit im Kampf zu überwältigen. Aeros Kampfstil hingegen ließ sich nur schwer beschreiben. Bei ihm handelte es sich um die Sorte Typ, der alles im Griff hatte. Niemals wurde er überrascht und er schien auf jede Bewegung und jedes Manöver eine entsprechende Antwort und Konter zu verfügen. Zudem waren seine magischen Kräfte und sein Talent wirklich gigantisch. Selbst komplexe Sachen lernte er in kürzester Zeit und machte sie sich zu eigen. Falls sie auf ihn treffen sollten, dann würden sie wirklich ein Problem haben. Aber nun zurück zum Haus. Maenor lief auf die Tür zu und klopfte einige Male. Kurz darauf konnte man schlurfende Schritte hören, welche immer näher kamen. Wer ihnen nun wohl öffnen würde?

Es war ein Fehler gewesen, Maenor da herauszuhauen, er hätte ihn mit Kussmund übergeben sollen und wenigstens unbehelligt gehen gekonnt. Es lag ihm nun einmal nichts an dem Jungen, nichts, außer dass er eben sein Teampartner war, aber auch das bedeutete ihm nicht gerade viel. In dem Moment, in dem diese Zara ihm vermutlich den Schädel gespalten hätte, hatte er ihm allerdings irgendwie doch leid getan, ein Augenblick der Schwäche, musste man sagen. Sie hatte den Jungen dermaßen in Grund und Boden geredet, dass er psychisch nicht mehr dazu in der Lage schien, sich zu wehren und Cyrus hatte das weniger gut aufgenommen, als er eigentlich erwartet hatte. Nächstes Mal würde er ihn nicht retten, einfach hart bleiben und dabei zusehen, wie sein kleines Schwertkämpferchen starb. So war das in der freien Natur auch, wenn man drüber nachdachte, warum sollte er dieses Gesetz also für Maenor verändern? Nur, weil sie beide in derselben Gilde waren? Nein, gewiss nicht. Zudem hatte er auch nicht das Gefühl, dass er es war, der hier undankbar war, sondern eher Maenor selbst, da Cyrus ihn gerettet hatte und zum Dank dafür nun von irgendwelchen seltsamen Gestalten verfolgt werden sollte? Na, schönen Dank auch, das mochte er doch gerne. Übrigens, während Maenor ihn immer mehr zu hassen schien, war der Junge dem Weißhaar einfach egal. Es ging ihm sonst wo vorbei, was mit ihm passieren würde, noch einmal würde er jedenfalls nicht so blöd sein und gefühlsduselig werden, wenn das Baby in der Patsche saß. Nein. Einfach nein. Davon abgesehen, hatte Maenor aber Recht, dass Cyrus wirklich nicht besonders viele Freunde hatte, was aber auch vollkommen beabsichtigt war. Er brauchte sie nicht, er wollte sie nicht, die einzigen Beziehungen, die er führte, waren auf körperlicher Basis und sicherlich nicht, um nett miteinander zu plauschen. Er mochte keine Freunde haben und die wenigen Ausnahmen, die da existierten, würden wohl auch Ausnahmen bleiben. Dabei passte hier Singular besser, nicht wahr?
Während Maenor auf dem Weg, der recht schnell gefunden war, zuerst zwei Mitglieder seines Clans beschrieb, starrte Cyrus Löcher in die Häuser, an denen er vorbeikam. Hörte sich nicht so besonders toll an, eher so, als könnte er demnächst mal ermordet werden. Und da es vollkommen unmöglich war, ihn großartig zu verwechseln, war die Chance, dass sie ihn übersehen würden, wohl recht gering. War Maenor eigentlich bewusst, in was für eine Scheiße er ihn eigentlich geritten hatte? War es da ein Wunder, dass er ihn nicht auf Händen durch die Gegend trug oder ihn irgendwie besser als den Rest der Menschheit behandelte? Es gab tatsächlich Leute, für die er das tun würde, aber der Junge hatte es sich echt verscherzt. Als er geendet hatte, quittierte Cyrus das nicht einmal mit einem Blick, sondern starrte einfach weiter geradeaus. Dann begann der Junge zu schmollen, awww, sollte das nun wieder so etwas wie ein schlechtes Gewissen bei dem Dragonslayer auslösen? Wenn ja, dann war es ein Akt der Verzweiflung und wahrscheinlich nicht gerade von Erfolg gekrönt, denn er pflegte kein Gewissen zu haben, das konnte mann sich nicht leisten, wenn man alle Nase lang Menschen ausnutzte, um sie danach emotional zu Boden zu werfen.
Als sie beim Haus angekommen waren, klopfte der Kleine und nach einigen Sekunden wurde ihnen auch geöffnet... von einem alten Mann, dessen schütteres, graues Haar wirr abstand. Yay, fing ja gut an, nicht einmal jemand, der auch nur annähernd… „Seid ihr die Magier, die mir bei meinem Schatz helfen sollen?“, fragte der Alte und blinzelte sie durch dicke Brillengläser an, während er seinen Stock mit beiden Hände umfasste. *Alte Menschen und Kinder…*, dachte Cyrus im Stillen, *…sind sich gar nicht so unähnlich…* „Jah~ Wir sind gekommen, um ihren Schatz auszubuddeln…“, antwortete der Weißhaarige ungerührt. „Mein Name ist Seraphim, das da-“, er zeigte auf Maenors Wuschelkopf, „ist Maenor-chan.“ „Wie… aber ich habe doch Magier bestellt, die meinen Schatz ausgraben, wenn ihr im Matsch spielen wollt, müsst ihr woanders hingehen!“, entrüstete sich der Alte. Einen Moment war Cyrus einfach baff, bis sein Gehirn zu verstehen begann. *Schatz… buddeln – Matsch… knuddeln? Ich glaub mich tritt ein Pferd, ist der Olle nun etwa auch noch halb taub?* „Nein, wir wollen ihren Schatz ausgraben!“, betonte er noch einmal extra langsam. „Ah! Den Schatz! Warum sagst du das denn nicht gleich? Kommt rein, kommt rein…“ Cyrus verdrehte innerlich die Augen, aber lächelte weiter und folgte dem alten Mann in sein Heim. Das konnte ja noch heiter werden…

Nur Sekunden, nachdem der junge Magier an die Tür geklopft hatte, wurde diese von einem alten und gebrechlichen Mann geöffnet, welcher sogleich herauskam und Seraphim und ihn durch seine dicke Brille betrachtete. Hoffentlich lebte ihr Auftraggeber noch lange genug und bekam keinen Herzinfarkt, wenn sie den Schatz fanden. Das wäre doch ziemlich ... tragisch und unpassend, muss man sagen. Und nicht nur das, auch von Ironie des Schicksals hätte man in einem solchen Fall denken können. Nicht zu pessimistisch denken, alter Knabe. Aber andererseits bist du auch mit Arro-kun unterwegs, also was solls. Bei wem handelte es sich wohl um Arro-kun? Natürlich um Seraphim. Auf diesen kleinen Spitznamen für ihn war er auf dem Weg hierher gekommen, nachdem er die Unterhaltung so schnell es nur möglich war, beendet hatte. Arro stand für arrogant, denn davon besaß der gute alte Dragonslayer mehr, als nötig. Und vor allem mehr, als er es jemals bei irgendeiner Person bemerkt hatte. Verdammt, er hätte sogar sehr gut in den Clan gepasst, mit seiner Denkweise und seinem Verhalten. Wie kam es denn, dass er in seinem Leben immer nur von Idioten umgeben war? Nun ja, egal, zurück zu ihrem Auftrag. Es brachte nun mal nichts, sich den Kopf über solche unwichtigen Sachen zu zerbrechen, dafür war er ihm zu wertvoll. Gelinde amüsiert betrachtete er die Versuche seines Partners, sich mit dem alten Mann zu unterhalten ... erfolglos, wie man sagen musste. Denn irgendwie schein ihr Auftraggeber schlecht hören zu können, denn er missverstand völlig, was Seraphim ihm da mitteilte. Na, das konnte ja mal was werden. Letzten Endes erwies sich sein Partner jedoch als geduldig und kompetent genug und schaffte es, dem alten Mann erfolgreich ihre Aussage mitzuteilen. Aber was der Gute Mal wieder nicht beachtet oder vergessen hatte, war der Fakt, dass er nicht wollte, dass sein Name in der Öffentlichkeit genannt wurde. Chibi-chan schien damit verglichen noch ziemlich ertragbar zu sein, aber wie er bereits angenommen hatte, bei Seraphim handelte es sich nicht um den Hellsten. Oder er war einfach vergesslich, was lieber passte. Aber da Maenor immer noch ziemlich sauer auf ihn war, hielt er Ersteres für angebrachter. Der Dragonslayer schien tatsächlich vergessen zu haben, wie leicht er gefunden werden konnte. Zudem er jetzt auch noch dabei war, also war das Ganze tatsächlich ziemlich sorglos. Der Fice würde ihn wohl daran erinnern, was passieren konnte, wenn er nicht aufpasste.
Ihr Auftraggeber bat sie schließlich herein und Maenor lief hinter dem weißhaarigen jungen Mann hinterher, dem er sogleich auf die Schulter klopfte. "Wie war das noch mal mit, meinem Namen nicht in der Öffentlichkeit sagen, gewesen? Schon vergessen? Und dieses Mal könnte man auf diese Weise auch auf dich kommen." So, das sollte ihm erst mal genug zu verdauen geben, dem dämlichen Lackaffen. Ja, Seraphim hatte es tatsächlich geschafft, eine beleidigende und miese Ader im ansonsten so gemäßigten und höflichen Jungen zu erwecken. Herzlichen Glückwunsch.
Das Haus war ziemlich rustikal eingerichtet und hatte auch beinahe antike Holzstühle, auf denen die Magier Platz nehmen konnten. Der Alte humpelte mit einer Schale Obst an und hielt sie Maenor direkt unter die Nase. "Wollt ihr ein wenig Obst Kinder?" Kinder? Was für Kinder? Meinte er etwa Seraphim und ihn? "Nein danke.", sagte er, während er entschuldigend lächelte. Doch der Alte blieb standhaft und schien sich nicht so leicht abwimmeln zu lassen. "Kinder müssen ihre Vitamine nehmen, damit sie eines Tages groß und stark werden." Oh Mann, dachte sich der junge Mann, während er in Gedanken seinen Kopf auf die Tischplatte schlug. Normale Leute waren in seinem Leben echt nicht an der Tagesordnung, was? "Na gut, dann nehme ich eine Orange." "Was? Melange? So was hab ich nicht Junge, was ist denn das?" Toll, das konnte ja mal was werden.

Man sollte es vielleicht noch mal am Rande erwähnen, aber Cyrus war nicht dumm. Er war auch nicht einfältig oder gar vergesslich, er war einfach sauer auf Maenor. Auch wenn er sich nichts davon anmerken ließ, so ärgerte es ihn, dass der Junge ihn in Gefahr brachte, obwohl er nichts dafür konnte. Seiner Meinung nach, sollte sich Maenor besser in irgendeine dreckige Felsspalte zurückziehen und dort vergammeln, das war besser, als in eine Magiergilde einzutreten und dort seine Kameraden (auch wenn er ihn nicht als solchen ansah) zu gefährden. Seine Laune war zwar unvermindert gut, wenn man mal davon absah, dass sie gleich im Dreck wühlen würden und er auf der Abschussliste irgendeines Fanatikerbundes stand, aber dennoch war er nicht dazu aufgelegt, jetzt auch noch irgendwie unterstützend oder konstruktiv zu wirken. Nein, das hatte der Braunhaarige nicht verdient. Es mochte zwar riskant sein, den Namen des Jungen herumzuerzählen, aber erstens handelte es sich hierbei um einen Mann, der offenbar schon halb dement war und zweitens würde zuerst der Junge drauf gehen, dann er selbst, wenn überhaupt. Immerhin ließ Blue Pegasus seine wenigen Dragonslayer nicht so einfach sterben, seine Ziehmutter beherrschte Zauber, die einen Menschen innerhalb kürzester Zeit wieder regenerieren konnten und überhaupt traute er den Verfolgern Maenors nicht zu, dass sie ihn finden würden. Das zeugt natürlich von seiner Schwäche, andere generell zu unterschätzen, aber es war nicht direkt unrealistisch, nicht wahr? Aber das bedeutete nicht, dass er dumm war, unintelligent oder einfach ein Trottel, alles drei traf auf den jungen Mann weitaus weniger zu, als die Bezeichnung Lackaffe. In gewisser Weise war die nämlich angebracht, mit der Abstufung, dass Cyrus zwar Wert darauf legte, wie er aussah, es aber wirklich nicht übertrieb. Er sah von Natur aus gut aus... er hatte es gar nicht nötig sich grundlos aufzuplustern, also wirklich...!
Als Maenor ihm also die Hand auf die Schulter legte, er den Kopf leicht zu seinem kleinen Partner drehte und dieser offenbar stinkwütend, obwohl er es gut verbergen konnte - Hut ab dafür - versuchte, ihn darauf aufmerksam zu machen, das er gefälligst seinen Namen nicht laut sagen sollte. Cyrus grinsen, das scheinbar an seinen Lippen festgewachsen war, wich nicht etwa von ihnen, sondern wurde noch ein wenig breiter, während er sich umdrehte und Maenor die Hand auf den Kopf legte, mitten in die schönen, dichten, braunen Haare. Dann beugte er sich zu ihm herunter und flüsterte mit ruhiger, fast neutraler Stimme: "Erwartest du von mir wirklich irgendeine Kooperationshaltung, nachdem du mir deinen Clan auf den Hals gehetzt hast, Kleiner? Du solltest froh sein, dass deine bisherigen Questpartner noch leben, weil du nämlich alle in deinem Umkreis in Gefahr bringst." Er schielte kurz zu dem Alten, der aber noch nicht bemerkt hatte, dass die beiden Magiern nicht mehr folgten und ließ Maenors Kopf dann los, bevor er hinterher setzte: "Zudem ist der Opa halb dement, da liegt dein Name sicher~" Er drehte sich wieder um und schloss zu dem Alten auf, ehe dieser ins Wohnzimmer gelangte und die beiden Magier an einen alten Holztisch dirigierte. Was kam denn jetzt schon wieder? Er lächelte belustigt, als Maenor sich erst vor dem Obst in der Schale drücken wollte, die der Alte ihm reichte und nahm sich selbst ohne sich groß zu wehren eine Banane. Bananen waren lustige Früchte, sie schmeckten nicht nur gut, sondern ließen sich auch anders... ja, sie schmeckten gut. Er lehnte sich zurück, schälte die gelbe Frucht und nahm dann langsam und genüsslich einen Bissen. *Jaja, die Vitamine... sind wirklich überlebenswichtig. Und man muss die Vitaminlust seines Körpers ja auch von Zeit zu Zeit befriedigen...* Einen Moment lang hoben sich seine Mundwinkel etwas mehr, ehe er tatsächlich abbiss und langsam kaute. Mmhh.. Banane...

Na, wenn Seraphim halt meinte, so sorgenfrei leben zu können, dass er Maenors Namen beliebig herumposaunen konnte, dann schön. Würde er ja schließlich auch sehen, was er von so einer dummen Aktion hatte. Er selbst ging lieber kein Risiko ein und machte für gewöhnlich bei nichts und niemandem eine Ausnahme, und hier verhielt es sich ähnlich. Es ging ja nicht wirklich in erster Linie um den alten Mann, von dem Maenor eigentlich auch nicht dachte, dass er zu so etwas in der Lage wäre. Zudem hatte er seinen Namen eh nicht verstanden und würde ihn wahrscheinlich in einigen Stunden schon völlig vergessen haben. Das Problem war nur, was, wenn jemand ihnen lauschte oder seinen Namen aufschnappte? Ein Passant zum Beispiel. Das Beste wäre wohl wirklich, wenn Maenor einfach für einige Monate, oder noch besser, sogar für ein ganzes Jahr von der Bildfläche verschwand, um seine Spuren zu verwischen und Gras über die Sache wachsen zu lassen. Parallel dazu konnte er dann an einem weit entfernten Ort einen Aufruhr verursachen und sich bekannt geben, sodass er seine Verfolger dorthin locken und von der Gilde abbringen kann. Dieser Gedanke reifte langsam heran, vielleicht sollte er sich das echt Mal ernsthaft durch den Kopf gehen lassen. Eine Überlegung war es immerhin schon wert.
Aber jetzt sollte er sich lieber mal auf diese Quest konzentrieren, denn um seine Planung überhaupt verwirklichen zu können, brauchte er erst einmal Geld. Ja verdammt, er hatte ja noch nicht mal genügend Geld um die Miete für diesen Monat zu bezahlen, wie sollte er denn ein ganzes Jahr lang dann überlegen? Auf jeden Fall war nun Geld sparen angesagt. Langsam drehte er sich zu Seraphim herum, um zu sehen, was der so trieb, nur, um ihm beim Bananenessen zu erwischen. Und der Fice wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Grund verstörte ihn die Art und Weise, wie Seraphim diese Frucht aß, enorm, weshalb er sich sofort wieder umdrehen musste. Zurück zum alten Mann, selbst der war ruhiger anzusehen. "Wo haben sie denn den Schatz genau vergraben?", versuchte Maenor Konversation zu führen und etwas Nützliches für das Erfüllen ihres Auftrages in Erfahrung zu bringen. Der Alte stellte die Obstschale ab, ehe er eine Hand aufs Ohr legte und antwortete. "Was sagst du? Tut mir sehr leid, aber ich habe keine Trauben." Was? "WO SIE DEN SCHATZ VERGRABEN HABEN!", versuchte es der Junge erneut, dieses Mal formte er seine Hände trichterförmig über den Mund, damit er ja auch laut genug sprach, ohne direkt zu schreien. "Achsooooo, sagen sie das doch gleich junger Mann. Folgt mir in den Garten.", kam noch, ehe er mit seiner Hand den beiden Blue Pegasus Magiern zuwinkte.
Im Garten angekommen, klappte Maenor zunächst einmal wirklich der Mund auf, denn dieser war völlig verwildert. Das bedeutete ja, dass sie sich als Erstes um die ganzen Pflanzen kümmern mussten, ehe sie wirklich mit dem Graben beginnen konnten. Doch das schien ihr Auftraggeber nicht wirklich zu realisieren, denn er zeigte nur auf zwei Schaufeln, die sich an der Wand befanden. "Da sind die Schaufeln, Dann legt mal los, ich hole euch dann eine kühle Erfrischung." Toll. Ganz tolle Sache mal wieder.

Garten vs. Magier? So schien das hier alles auszugehen, denn als der Weißhaarige mit seiner vitaminreichen Kost fertig war und den beiden nach draußen folgte, bemerkte er, dass dieser Urwald wohl alles andere als spaßig zum Umgraben werden würde. Er kannte Pflanzen, er war einst in der Natur Zuhause gewesen, und wusste dementsprechend, dass ihr Wurzelwerk durchaus dicht und fest sein konnte. Er hatte einmal als Kind versuchte, die Wurzel eines kleinen Baumes auszubuddeln und nach geschlagenen acht Stunden frustriert aufgegeben. Grandine hatte den Baum darauf innerhalb einer Sekunde entwurzelt und Klein-Cyrus mit großen Augen zurückgelassen. Die Wurzeln waren verdammt lang gewesen, daran konnte er sich noch erinnern, ebenso daran, wie die Drachin gelacht hatte, als er sie gefragt hatte, ob sie ihm das auch beibringen könnte… ja, ja, das waren noch Zeiten gewesen. Wenn er jetzt darüber nachdachte, wusste er gar nicht, ob er bedauerte, dass seine Mutter ihn in die Welt der Menschen geschickt hatte. Zum einen verehrte er sie über alles und wäre gerne länger bei ihr geblieben, auch wenn das bedeutete, fernab von jeglicher Zivilisation zu hausen und sich von recht primitiven Speisen zu ernähren. Zum anderen hatten auch Menschen so ihre Vorteile, wenn man mal bedachte, dass er ohne sie nur halb so viel Spaß haben würde. Nehmen wir nur als Beispiel heiße Quellen. Es war eine Sache, als kleiner Junge darin zu planschen, bis die Drachenmama ich rausscheuchte, eine andere, eigentlich nur dazustehen und die anderen Gäste zu beobachten. Drachen kannten keine Kleidung, Menschen schon – und letztere entwickelten schnell Schamgefühle, wenn sie ihnen fehlten. Insofern machte es einfach mehr Spaß, Menschen zu bespannen als andere Lebewesen. Übrigens schien Maenor einen sechsten Sinn zu besitzen, dass er zumindest ein ungutes Gefühl dabei gehabt hatte, als er ihn bei seinem Imbiss beobachtet hatte, Hut ab. Nun, aber normalerweise grinste man auch nicht so, wenn man sich an Obst gütlich tat, oder?
Allerdings blieb es dabei: Da waren ein Garten, zwei Schaufeln, zwei Magier und irgendwo ein vergrabener Schatz. Das konnte ein anstrengender Tag werden, aber immerhin musste man dem ganzen zu Gute halten, dass die Aufgabe recht ungefährlich war, es sei denn, es fiel auf einmal ein Klavier vom Himmel, was allerdings ziemlich unwahrscheinlich war. Cyrus versenkte die Bananenschale im Mülleimer und schnappte sich dann mit leicht skeptischem Blick eine Schaufel. Hoffentlich wusste der Alte wenigstens noch, wo er den Schatz vergraben hatte, sonst würde das eine ziemlich nervige Aufgabe werden. "Und wo, wenn ich fragen darf, befindet sich Ihr Schatz nun?", fragte er, während er extra laut und besonders deutlich redete, ein wenig wie ein Schauspieler auf einer Theaterbühne. Der Alte sollte ihn immerhin verstehen. "Nein, einen Schwatz können wir später halten, ich bitte darum, meinen Schatz auszugraben! Er muss irgendwo da drüben sein… glaube ich…", meinte er, während er mit dem Finger auf ein Areal rechts deutete, das über und über von Brombeeren überwuchert war. Na klasse. *Irgendwo da drüben. Glaubt er? Na, schönen Tag, Cyrus, viel Spaß mit den Brombeeren.* Welch ein Glück aber auch, dass er seine Kratzer heilen konnte, so musste er dann nicht wie ein kompletter Idiot und zerkratzt rumrennen. Maenor jedoch… würde wohl oder übel mit den Verletzungen leben müssen. Nie und nimmer würde er auch nur auf die Idee kommen, ihn zu heilen oder ihm erzählen, dass er es konnte. Er war schließlich weder die Caritas noch ein Krankenhaus…
Mit einem Seufzer stapfte er zu den Brombeeren und starrte sie einen Moment lang an. Jetzt nicht wirklich, oder? Die waren echt das behindertste, wenn es darum ging, sie aus dem Boden zu holen. Warum gleich hatte er diese Quest angenommen? Ach ja, richtig: Der Andrang war überwältigend gewesen. "Na dann auf, Maenor-chan…", flötete er gespielt enthusiastisch und setzte das stabile Metallblech in einem steilen Winkel an. Mal sehen… aber irgendwie sagte ihm das Universum, dass der Schatz lange, sehr, sehr lange auf sich warten lassen würde.

"Nyaaaaaah!"
Menschen gähnen für gewöhnlich, wenn sie müde sind oder ihnen langweilig ist. In Anbetracht der Tatsache, dass der wonnig stöhnende Laut von einem jungen Mann stammte, der auf einem Hausdach lag, mit dem Rücken am Kamin gelehnt, ließ sich Ersteres relativ schnell ausschließen, schließlich hatte er bis vor Kurzem geschlafen. Die zu Fäusten geballten Hände streckten sich in voller Armeslänge zu beiden Seiten des dürren Körpers, überdehnten sich etwas, bis die Schultergelenke ein nicht unbedingt gesundes Knacken von sich gaben. Der Mund, der ein bisschen groß in Relation zum restlichen Gesicht wirkte - eine optische Täuschung, wo doch der Rest von Haaren bedeckt war - schmatzte ein paar Mal, dann knackste auch das Genick von einer Seite auf die andere. Schließlich sprang der Junge auf die Füße und klopfte sich den Ziegelstaub von der Pelzjacke, ehe er sich einmal mit Schwung um die eigene Achse drehte, so dass die Vielzahl an Kettchen wieder ihren Standort mittig auf seiner Brust fand. Unter der Pirouette griff eine Hand elegant nach oben und rückte das Prinzessinnenkrönchen zurecht, das glitzernd schräg auf der blonden Mähne saß. Kichernd schwang die Hand zur Seite, als würde er erwarten, gleich einen Kuss darauf zu bekommen, doch stattdessen tippte er nur mit ausgestrecktem Zeige-und Mittelfinger gegen den am Kamin befindlichen Blitzableiter, welcher beim Kontakt ein leises Knistern von sich gab. Yare-yare...Was hätte ich nur ohne dich getan, diese Nacht? Du hast mir wahrlich köstliche Speisen beschert! Giggelnd beendete der Junge sein Tänzchen und sprang auf das Vordach des Hauses, um von diesem mit wehendem Mantel und einem stilvollen 'Klack' der absatzreichen Stiefel auf dem Pflaster der Stadt grazil wie eine Fledermaus zu landen. Ein paar Passanten drehten sich überrascht um, doch er ignorierte sie. Hatten wohl noch nie jemanden vom Himmel fallen sehen, oder wie? Ein breites Grinsen auf dem Gesicht stolzierte er durch die Stadt, schaute hin und wieder ein ein Schaufenster und mischte geistesabwesend einen Stapel Spielkarten. "Yare-yare...", seufzte er gelangweilt. Wollte es denn niemanden in dieser großen Stadt geben, der seine Langeweile stillen konnte? Theatralisch den Kopf senkend, lehnte er sich gegen eine Hauswand, während er mit geschickten Fingern die Karten von einer Hand in die andere flitschen ließ. Er mochte das Geräusch, das sie dabei verursachten. Spaßeshalber imitierte er es, indem er die Zunge nach oben hob und mit der Stimme anstieß: "Ratatatatata!" So in seiner eigenen kleinen Traumwelt versunken, ließ er den Blick seiner Augen wachsam über die Landschaft schweifen, die sich ihm bot, auch wenn sie nicht unbedingt spannend war. Er blickte von seiner jetzigen Position die Gärten einiger alten Säcke, was sollte sich da schon bieten? Da war sein 'Ratata' ja interessanter. Resigniert blies Rai die Backen auf und entließ die Luft nach oben, so dass einen kurzen Moment die tot wirkenden, weit aufgerissenen Augen zu sehen waren, um denen schwarzer Eyeliner gezogen war. Oi, was war das? Ruckartig legte er den Kopf schief und blickte in Richtung eines bestimmten Gartens. War da etwa gerade ein Brombeerstrauch durch die Luft geflogen? Der Dragonslayer wusste es nicht genau, aber fliegende Sträucher waren allemal einen Blick wert. Worauf wartete er also noch? Sein Mund öffnete sich, die Lippen klappten regelrecht auseinander, als sich die weißen Zähne mit einem unangenehmen Knirschen schlossen, nachdem sie ein Schnappgeräusch gemacht hatten. Die Karten in seine Brusttasche steckend lief er in Richtung Flugbusch und sah schon von Weitem, wie sich dort zwei junge Leute mit Schaufeln und einem regelrechten Urwald abmühten...och, hatte da jemand die Gartenarbeit zu lange aufgeschoben? Vielleicht gehörte es ja auch so! Rai betrachtete verzückt die Dornen an den Ranken der Brombeeren. Mhh, vielleicht sollte er jene auch bei sich pflanzen. Und jeder, der sein Gemach betreten wollte, würde bluten...Ein Kichern entfloh den zusammengebissenen Zähnen, als er daran denken musste, dass sich diese beiden vermutlich mehrere Male anritzen würden. Hatten sie es gehört? Vielleicht. Es war egal. Er wollte sich sowieso gerade vorstellen! Ihm war nämlich eine kleine Idee gekommen, etwas, was er immer tat, wenn er sah, wie sich jemand vor ihm abmühte. Von der Entfernung, in der er sich noch befand aus, begann er zu rennen, schnell, um sich im letzten Moment vom Boden abzustoßen. Mit beiden Beinen landete er auf dem Holz des Zaunes, der in den Garten führte, schwankte, ruderte mit den Armen. Bevor er gefallen wäre, ging er in die Hocke und hielt sich mit den Armen zwischen den froschartig gespreizten Beinen fest. Mit gespitzten Lippen bewegte er den Kopf von einer Schräglage in die andere und begutachtete dabei die beiden mitleidig, wie es aussah. "Yare-yare...Arme Geschöpfe, soooo viel Arbeit! Sicher sind diese Dornen ganz schön schmerzhaft, nicht, ja?", meinte er unvermittelt, laut genug, dass die beiden es hören mussten. Trotzdem klang es durch den Umstand, dass er einen Finger auf die Unterlippe gelegt hatte und nachdenklich in den Himmel glotzte, als würde er es sich selbst erzählen. "Wie wohl Rai-chan ihnen helfen könnte? Oh, ja!" Er schnippte mit der Hand, die auf seiner Lippe lag und wedelte theatralisch damit herum, ehe er seine Karten aus der Brusttasche holte und sie geübt auffächerte. "Ihr beiden! Ich glaube, ihr möchtet diese Arbeit nicht verrichten, ich lese es in eurer Aura - und in eurem angepisstem Gesicht - aber ihr müsst das gar nicht tun...was haltet ihr von einem Deal? Ich biete euch an, die Arbeit für denjenigen zu erledigen, der mich in einem kleinen Spiel schlägt. Oh, und natürlich werde ich jegliche versprochene Bezahlung übernehmen. Das ist doch nicht euer Garten, oder?" Das klang ja vielversprechend, nicht wahr? Warum er das wohl tat? Nun, ganz einfach: Er spielte gerne mit Menschen, die in einer offensichtlich sehr verzweifelten Lage waren...und außerdem...war ihm langweilig.

Cyrus schien die Hoffnung noch nicht aufgegeben zu haben, denn er erkundigte sich aufs Neue bei ihrem alten und teilweise senilen sowie etwas tauben Auftragsgeber, ob dieser sich denn noch an die genaue Position des vergrabenen Schatzes erinnerte. Natürlich, so musste es ja kommen, verstand der alte Mann alles falsch und schätzte wieder etwas ohne viel Sinn und Verstand. So langsam ging ihm diese auf den ersten Blick leicht aussehende Quest aber gehörig auf den Wecker. Er musste sich nicht nur mit der arroganten Art des Dragonslayers herumschlagen, nein, auch der alte Mann war nicht zu unterschätzen. Wenigstens wusste Maenor jetzt, was ebenfalls zu dem großen Ego des weißhaarigen jungen Mannes führte: Die drachenvernarrte Gilde, in welcher er war. In ihr wurden die Dragonslayer mehr als nur sehr gut behandelt, ihr Rang war dicht unter dem eines Sephirot, dem S-Rang Niveau von Blue Pegasus. Man munkelte sogar, dass es sich bei Meister Rice selbst um einen dieser besagten Dragonslayer handelte, was durchaus erklären würde, warum er solch eine Gilde, oder besser gesagt einen Kult erschaffen hatte. Und das musste man ihm lassen, er hatte Erfolg auf der ganzen Linie gehabt. Die Gilde war eine der drei mächtigsten Fiores, sie blühte und gedieh ... und zog solche Gestalten wie Seraphim an, aber das war eine ganz andere Sache.
Nun ja, der alte Mann bat sie wieder den Schatz auszugraben, weshalb es wohl an der Zeit war, endlich mit der Arbeit zu beginnen. Langsam und konzentriert zog Maenor seine Klinge, ehe er sein Mana konzentrierte, ausholte, und in die Luft vor sich schlug. Silver Blade! Ein kleines, schwertförmiges Geschoss löste sich von der Klinge und bohrte sich durch das dichte Gestrüpp, ehe es einige Meter weiter bereits zu viel Kraft verloren hatte und sich auflöste. Dies war eine der Spezialtechniken gewesen, über die Maenor verfügte und die sein guter alter Partner noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Aber das war ihm relativ egal, auf diese Weise würde die Arbeit sehr viel schneller vorangehen, wenn er aus dieser Entfernung das ganze Gestrüpp entfernte. Und tatsächlich: Ein großer Teil des Hindernisses, auf welches er gezielt hatte, war verschwunden. Doch da der gesamte Garten ziemlich groß war, stellte dies erst den ersten Schritt in der Bewältigung ihrer Aufgabe dar. Diesen Zauber wiederholte er noch einige Male, sodass ziemlich bald ein gewaltiger Haufen abgeschnittenes Gestrüpp herumlag, welches man nur noch abtransportieren musste. Der Nachteil der ganzen Sache war jedoch, dass der Fice nun beinahe kein Mana mehr hatte, den Rest würde er mit Körperkraft erledigen müssen. Mit einer Hand wischte er sich die schweiß gebadete Stirn ab, während er gen Himmel schaute. Dass es gerade an solch einem Tag so warm werden musste, was ein Pech aber auch.
In diesem Moment tauchte so ein bizarrer Typ am Zaun des Gartens auf, welcher an die Straße Oshibana Towns grenzte, und fing an, zu den beiden Magiern zu sprechen. Was war dass denn bitte wieder für einen Typ? Irgendwie lief etwas in seinem Leben falsch, schloss der braunhaarige Junge. Aus irgendeinem ihm unbekannten Grund zog er einfach seltsame Leute an. Und warum sprach der Typ von sich in der dritten Person? Noch so jemanden brauchte er nun wirklich nicht, weshalb er sich abwandte, doch letzten Endes auf einmal stehen blieb. Das Letzte, was er da von sich gegeben hatte, klang durchaus interessant, weshalb sich Maenor wieder zur Person umdrehte. "Um was für ein Spiel geht es denn?, fragte er interessiert. Ich würde mitmachen, da du gerne für mich arbeiten kannst, wenn du willst." Nur um was für ein Spiel würde es gehen?

Eigentlich mochte Cyrus die Natur ja irgendwie. Immerhin war er inmitten dieser aufgewachsen, nicht in einer Stadt oder ähnlichem. Grandine konnte nun einmal schlecht in einem Menschenhaus wohnen, da sie einfach zu groß war und zudem auch nicht besonders angetan von den Menschen und ihren Sitten. Eigentlich war es doch Ironie des Schicksals, dass der Drache, der wohl Krieg und Kampf am meisten verabscheute und sogar manchmal – ausnahmsweise – Menschen heilte, einen Ziehsohn hatte, der seine Heilfähigkeiten wohl nie in die Dienste der Allgemeinheit stellen würde und wohl recht asozial war. Man könnte nun behaupten, dass da wohl ihre Erziehungsmethoden versagt hätten, aber immerhin eines hatte sie ihm gelehrt: Respekt vor sich. Denn auch wenn Cyrus niemanden wirklich ernst nahm oder ihm respektvoll gegenübertrat, so kuschte er prinzipiell vor Grandine, auch wenn das wohl nie jemand erleben würde. Das wäre ihm wohl auch hochgradig peinlich, zudem die Drachin schon früh gemerkt hatte, dass man sich den Respekt des Weißhaars nur dadurch verdienen konnte, dass man ihm Angst machte, ihn einschüchterte, ihm sogar Schmerzen zufügte. Ansonsten ließ Cyrus sich nämlich einfach nicht bändigen – übrigens reichte es nicht, ihn einfach zu verdreschen, da er die Angewohnheit hatte, das einfach über sich ergehen zu lassen (wenn er es nicht verhindern konnte) und den Täter anschließend mit restlicher Kraft auszulachen. Grandine wiederum war zu mehr fähig, da sie seine gut versteckten Schwachstellen kannte und in der Lage dazu war, die Panzerung seines Egos zu durchbrechen. Die Drachin hatte ihn schließlich einst in dieser brennenden Hütte gefunden und wusste alles über seine Vergangenheit, was man von keinem lebenden Menschen behaupten konnte. Seine Ziehmutter war auch die einzige Person, bei der sein Selbstvertrauen Risse und Sprünge bekam, schon allein in ihrer Anwesenheit konnte er seine sonstige Fassung nicht bewahren. In der Welt der Menschen war das allerdings kein Problem, aus einem ähnlichen Grund, wie Maenor ihn sich dachte: Blue Pegasus verehrte die Drachen und ehrte die Dragonslayer, das war eine weitere Stütze, zudem er Menschen sowieso für leicht manipulierbare Geschöpfe hielt, die er für seine Zwecke einspannen konnte. So viel zu Cyrus‘ Innenleben, kommen wir mal wieder in die Realität zurück.
Unser freundlicher, liebenswürdiger junger Herr war nämlich gerade dabei, mit mittelmäßig freudigem Gesichtsausdruck Brombeersträucher auszugraben und diese dann an ihm vorbei durch die Luft hinter sich zu schmeißen. Wunderbar… das war doch wirkliche ein Arbeit nach seinem Geschmack… nicht! Am liebsten hätte er die Schaufel hingeschmissen und wäre getürmt, aber das konnte und würde er nicht bringen. Also hieß es weiter graben. Das war nur mittelmäßig anstrengend, ja, aber es wurde irgendwie immer wärmer… nervig. Wenn das so weiter ging würde er sich wohl oder übel seiner Oberbekleidung entledigen müssen, was allerdings in Anbetracht der Dornen nicht so verführerisch auf ihn wirkte. Sie schützte ja schon irgendwie, aber warum zur Hölle bestand sie noch einmal aus einem schwarzen, langärmeligen Shirt? Es wurde langsam echt unerträglich… aber so schnell würde er nicht aufgeben. Allerdings fand er, dass es heute echt ein wenig windstill war, das machte die Sache auch nicht besser! Verdammt, aber auch, wollte denn heute gar nichts… Moment, was war das? Ein neuer, noch unbekannter Geruch näherte sich ihnen, obwohl er beinahe meinte, ihn im Gildenhaus schon mal wahrgenommen zu haben. Jedenfalls zeigte sich schon recht schnell der Besitzer des Duftes… oder war es doch eine Besitzerin? Immerhin trug die Gestalt ein Diadem und Frauenklamotten. Vielleicht ein Transsexueller, wer wusste schon, was für Leute in Oshibana Town herumliefen. Was so etwas anging war Cyrus übrigens ziemlich tolerant, verständlicherweise. Rai? Okay, ein Junge, hatten sie das schon einmal geklärt. Und er bot ihnen… ein Spiel an? Ein Kartenspiel? Cyrus‘ Grinsen wurde ein Stück breiter, denn wenn es wirklich darum ging, jemanden in einem solchen zu besiegen, dann hatte er gerade schon so gut wie gewonnen. Er konnte bei sowas wirklich gut bescheißen. "Na dann los, Hime-chan…", säuselte er und stützte sich auf den Stil der Schaufel. Wenn sich ihm schon die Möglichkeit bot, dieser Arbeit zu entkommen, dann würde er sie doch gerne ergreifen.

Eieiei, wie schnell sie auf sein Angebot eingegangen waren. Zum Tanzen war das! Rai hätte das auch direkt gemacht, aber seine Beinfreiheit war in Anbetracht seiner derzeitigen Position leider insofern eingeschränkt, dass ein freudiges Applaudieren mit breitem Grinsen reichen musste, um seiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Schade, das. Aber er ahnte schon, dass sich diese Begegnung noch lohnen würde. Das war es wert wie ein Frosch zu sitzen. Während er also in sich hineinkicherte und die Karten mischte, drang der berechnende Rai nach außen und übernahm die Augen. Die weit aufgerissenen Glubscher verengten sich leicht, blinzelten ein paar Mal unsichtbar unter der Haarpracht und sondierten die Lage. Was gab es hier Schönes? Ein junger Herr mit dunklen Haaren, der sich zunächst von ihm wegdrehte. Ach, ein oberflächlicher Kerl, ja? Konnte er etwa nicht damit umgehen, wenn Leute ein bisschen verrückt waren? Interessant. Aber er war offenbar nicht vollkommen dumm, schließlich kehrte er zurück, als seine grauen Zellen ihm ganz offenbar signalisierten, dass es eine Chance gab der widerwillig zu vollbringenden Arbeit zu entfliehen. Auch wenn es sie nicht wirklich gab. Hatte es nie gegeben. Ein Spiel mit Rai war leider eines, welches nur verloren werden konnte. Was natürlich nichts an dem Spaß änderte, den das Ganze bringen würde. Auf die Worte des Braunhaarigen ging er gar nicht weiter ein, wandte stattdessen ruckartig den Kopf zu Seraphim, den Hals vorgestreckt, entfernt an ein Hühnchen erinnernd. Nun, nun, wen hatte er denn hier? Ein Weißhaar mit schnicker Tätowierung im Gesicht, der sich als Erstes schon einmal einen Spitznamen für ihn ausgedacht hatte, nachdem Rai bereits ganz deutlich seinen Namen genannt hatte. Allein dieses winzige Detail verriet Rai schon viel über den Charakter des Gegenüber. Es war offensichtlich, dass er diese Arbeit genauso wenig verrichten wollte wie der andere Typ. Aber das war egal, er wollte es auch nicht, obwohl er es gerade angeboten hatte. Nein, ihm war nicht entgangen, wie schnell die Stimmlage und der Gesichtsausdruck gewechselt hatten, in die richtige Maske gehüpft waren. Rai war ein Meister der Tarnung und des Spiels mit den Charakterzügen, aber dieser junge Mann war was das anging auch nicht von schlechten Eltern. Mit einem Abstand von ganz Oshibana Town interessierte Seraphim Rai mehr als Maenor. Prinzipiell hatte er ja nichts gegen den Kleineren (zumindest im Vergleich zum Weißhaar kleiner, zu ihm leider nicht, meh!), aber er suchte Unterhaltung. Zwar glaubte der Dragonslayer, dass man mit dem Braunhaarigen sicher so seinen Spaß haben könnte, aber es war ihm im Moment noch zu mühsam, sich einen Weg zu suchen, ihn zu demütigen. Nicht, dass ihm keiner einfallen würde. Aber er würde raten müssen, bis er den richtigen Nerv traf und sich tief darin hineinbohren konnte. Und er konnte nicht so bei der Sache sein, wenn jemand anderes in seinen Kopf herumschwirrte. Und das war im Moment, so leid es ihm auch tat, Seraphim. Aus diesem Grund entschied sich 'Hime-chan' auch spontan dafür, seine ursprüngliche Planung etwas zu ändern. Hach, der Spitzname hatte wirklich etwas. Er könnte sich daran gewöhnen. Auch wenn er relativ einfallslos war, wenn man das Prinzessinnenkrönchen auf seinem Haupt betrachtete. Nun, wahrscheinlich hatte dieser naheliegende Kosename herhalten müssen, der andere stand schließlich unter zeitlichem Druck. Wie auch immer, es ging nun darum, zu verlieren. Was sich leichter anhörte, als es tatsächlich war. Rais Karten waren nämlich unglücklicherweise so gezinkt und präpariert worden, dass eine Niederlage extrem schwer war. Er musste sich einen wahnsinnig komplizierten Plan ausdenken, wie er es schaffen konnte, eben diese Absicht zu realisieren. Also wandte er sich breit grinsend Maenor zu. "In Ordnung, da DU dich aber zuerst gemeldet hast, erhälst DU auch den ersten Zug, ja? Nimm dir doch eine Karte und ich werde erraten, welche du gezogen hast!" Sein Plan war wahrlich unheimlich durchdacht und schwer nachzuahmen. Er würde Maenor eine Karte ziehen lassen und dann einfach ins Blaue hineinraten. Es bestand natürlich noch die Möglichkeit, dass er aus Versehen richtig lag, aber die Chance war gegen Null gehend. Perfekt. Auffordernd hielt er ihm den Kartenstapel hin, fiel dabei fast vom Zaun in die Brombeeren, aber das war nicht weiter schlimm. Schließlich hatte der Braunhaarige eine Karte gezogen und hielt sie in der Hand, so dass Rai sich vollends konzentrieren konnte. Magisch gestikulierte er mit seinen Händen durch die Luft, zwischen seinen Fingern zuckten sogar ein paar kleine Blitze, um das Ganze mystischer zu machen. Schließlich ließ er die Arme fallen und sagte in beinahe gelangweiltem Ton: "Ist es die Kreuz Vier? Nein? Schade aber auch. Dann hast du ja gewonnen und ich verloren. Tja, Pechi-Pech!." Mit einem mehr oder weniger akrobatischen Sprung landete er vor Maenor, ziemlich dicht vor ihm, und grinste ihn breit an, kam so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten...und zupfte dann die Spielkarte aus seiner Hand. "Du kannst dann jetzt gehen, tihi! Hier ist dein Geld! Das passt schon so." Mit einer wegwerfenden Geste warf er ihm seinen Geldbeutel in die Hände und drehte sich, den Kerl bereits wieder aus seinem Gedächtnis streichend, zu Seraphim um. Die weißen Zähne blitzten in der Sonne, ebenso wie der Schmuck, als er ihn angrinste und den Kopf leicht schief legte. "Tut mir ja wirklich Leid für dich. Da musst du wohl weiterarbeiten, hm?" Sein Sadismus meldete sich zu Wort und ließ Rai ein bisschen über Seraphim, der somit in die Röhre schaute, kichern, eher er die von dem anderen Kerl zurückgelassene Schaufel mit dem Fuß antippte. Yare-yare...Arbeit ist stinkig. Aber so wie es aussieht wird mich dieser Kerl dafür umso mehr unterhalten, hm?