Ein Hauch von Müdigkeit lag noch auf dem Gesicht des violetthaarigen Mädchens, als sie das Questboard Lamia Scales musterte. Sie war so früh aufgestanden, dass sie noch vor Öffnung der Gildentore davor Stellung aufnehmen konnte. Ziel der Aktion war selbstverständlich, sich eine Aufgabe aussuchen zu können, die sowohl lohnend, als auch machbar für die junge Magierin war. Schließlich hatte sie noch einen langen Weg vor sich, bevor sie sich S-Rang-Magier schimpfen konnte und die Jobs, die für normale Magier gedacht waren, waren von unterschiedlicher Güte. So hasste sie zum Beispiel langweilige Aufgaben und Dinge, bei denen es sich prinzipiell um Diplomatenmissionen handelte, waren auch nicht gerade das, was sie sich unter Spannung vorstellte. Also suchte ihr ebenfalls violettes Auge ruhelos nach einer Quest, die ihr etwas mehr zusagte, ein wenig Action bitte.
Aurora hatte sich heute für einen kurzen, olivgrünen Rock und eine gleichfarbige, widerstandsfähige Jacke entschieden, aber selbst wenn sie damit nun nicht mehr zufrieden wäre... es dauerte ja nicht allzu lange, sich umzuziehen. Zumindest nicht für sie. Mmhh... ein Dorf, das im Schnee versank... langweilig... na bitte, da war doch etwas! Ein Raubtier machte wohl die Gegend um ein kleines Dorf unsicher, das hörte sich doch nach etwas handfesterem an. Und auch die Bezahlung schien nicht allzu schlecht... Kaum eine Sekunde Bedenkzeit später, rupfte das Mädchen sich den Anhang von dem Board und studierte ihn genauer. Sie würde diese Wahl nicht bereuen, da war sie sich sicher, aber... vielleicht wäre es sinnvoller, sich noch ein Gildenmitglied an Land zu ziehen, wer wusste schon, ob es sich wirklich um nur ein Monster handeln konnte, das so viel zerstören konnte? Das echte Problem dabei war allerdings ein ganz anderes: Aurora hasste es, mit anderen zusammen eine Quest ausführen zu müssen, wenn man einmal bedachte, dass sie auch nicht gut dastehen würde, wenn einer von denen es verkackte. Also musste sie jemanden abpassen, mit dem oder mit der sie einigermaßen gut auskam. Yuuki. Wie wärs denn mit dem? Suchend blickte sie sich um, aber konnte den Rotschopf noch nirgendwo entdecken. Wobei das wohl ihre Schuld war, schließlich war es noch sehr früh am morgen. Aber Aurora konnte warten. Mit überschlagenen Beinen setzte sie sich neben das Questboard auf einen der Stühle, die die Gildenhalle füllten und sah zum Eingang hinüber. Hoffentlich würde der Junge nicht krank werden, dann müsste sie das Biest wohl alleine erledigen.

Ein lautes Piepen ertönte, was den jungen Grynder direkt aus seinem Traum riss. Müde blickte er die Decke an, während er sich wieder zurück in seinen Traum zurückwünschte. Da hatte es ein großes Bankett gegeben, nur für ihn alleine. Jede nur erdenkliche Speise und Delikatesse war serviert worden. Doch dann war er durch seinen nervigen Wecker aus seiner Traummahlzeit gerissen worden. Nun, das lies sich nicht ändern, schließlich musste er früh aufstehen, um mit der Arbeit anzufangen. Denn Essen, Kleidung und Miete für das Gildenquartier wurde nicht von selbst bezahlt, sondern musste hart verdient werden. Bevor er sich jedoch anzog, ging es ins Badezimmer um eine erfrischende Dusche zu nehmen. Ohne die, würde er wahrscheinlich noch den ganzen Morgen müde dreinschauen. Nachdem er sie hinter sich hatte und seine Haare auch endlich gekämmt waren, ging es ans Anziehen und schließlich verließ er das Quartier. Es war ein windiger Tag, doch es war keineswegs kalt, man konnte sagen, dass es recht angenehm war. Die Hände in den Taschen – das war seine Lieblingsposition für sie – machte er sich langsam auf den Weg zur Gilde, die sich lediglich ein paar Straßen weiter befand. Der eigentlich kurze Weg zur Gilde nahm eine kleine Verzögerung ein, da Yuuki beim Bäcker stehen blieb und erst mal ausgiebig und herzhaft frühstückte. Es ging doch nichts über Ruhe und Harmonie, um den Tag zu beginnen. Mit zufriedenem Magen trat er einige Minuten später durch das große Gildentor in die Gilde ein. Sofort empfing ihn leise Musik, die gemächlich dahinspielte und dem Rotschopf besonders gefiel. In der Gilde selbst herrschte ein stetiges Treiben: Leute gingen von Questboard zur Tür und von Tür zu Questboard. Weiter hinten in der sonst gut gefüllten Bar saßen lediglich nur ein paar Leute, immerhin war es noch früh am Morgen. Auch Yuuki machte sich in Richtung Questboard auf, doch ehe er vollends dahin kam, fiel sein Blick auf eine ihm gut bekannte Person, die neben dem Board auf einem Stuhl saß und auf jemanden warten zu schien. Da sie eine der wenigen Personen war, die er als Freund einkategorisieren konnte, war es natürlich logisch, dass er sie mal begrüßen sollte. "Hey Aurora, schön dich zu sehen. Wie gehts denn so? Ich wollte mir gerade einen Auftrag holen." Der Blick des Grynder fiel auf den Zettel in ihrer Hand. "Wie es aussieht, hast du ebenfalls schon einen. Wohin soll es denn gehen?" Normalerweise interessierte sich Yuuki nicht sonderlich nach diesen Fakten, doch Freunde waren eine Ausnahme.

Manchmal hatte man Pech im Leben und an manchen seltenen Tagen auch einmal Glück. Zu ihrer vollen Zufriedenheit handelte es sich heute wohl um einen der letzteren Kategorie, denn anstatt krank im Bett zu liegen, spazierte der Junge mit den dunkelroten Haaren schon etwa zehn Minuten nach Anfang der Wartezeit in die geschmackvoll eingerichtete Gildenhalle. Und noch bevor die Ilia ihn begrüßen konnte, tat er seinerseits den ersten Schritt und kam ziemlich schnell auf das zu sprechen, was Aurora ihn sowieso hatte fragen wollen. Der ominöse Zettel in ihrer Hand nämlich. Ja, der Auftrag. "Yuuki, schön dich zu sehen." Betonung auf dem 'dich', nicht auf dem 'schön', trotzdem ein freundliches Lächeln und Kopfnicken. "Genau auf dich hab ich nämlich gewartet. Ich habe hier...", sie streckte ihm den Auftrag entgegen, "eine doch recht angemessene Quest ergattern können. Bist du dabei oder muss ich das Biest alleine unschädlich machen?" Das sollte natürlich kein Erpressungsversuch werden, niemals! So gesehen wäre das Mädchen nämlich vielleicht sogar in der Lage dazu, ein Tierchen alleine auszuschalten, meinte sie. Aber da sie sich des Singulars in dieser Angelegenheit nicht sicher sein konnte, zog sie es eben vor, sich Hilfe an Land zu ziehen.
Sie überreichte dem Jungen den Auftrag, damit dieser sich von dessen Qualität überzeugen konnte, bevor sie von dem Barhocker rutschte und mit einem leichten Klackern ihrer Stiefelabsätze auf dem Boden aufkam. Sicher, sicher, dieser Boden hatte Stil. Die ganze Gilde hatte Stil, aber es war ein Stil, der ihr nicht behagte, er war viel zu protzig und so sehr von Wohlstand geprägt, dass es schon wieder übertrieben war. Irgendwann - wenn sie stärker und bekannter war - würde sie daran etwas ändern, aber bis dahin musste sie sich wohl oder übel mit dieser Umgebung abfinden. Sie ließ ungefähr zwei Minuten verstreichen, bevor sie mit schon fast geschäftlichem Unterton fragte: "Und? Was sagst du?", fragte sie mit einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen und sah zu dem Jungen hoch, der sie trotz ihrer Absätze noch um einige Zentimeter überragte.

Sie hatte auf ihn gewartet? Irgendwie wunderte diese Aussage den jungen Grynder etwas. Trotzdem lies er sich diese Überraschung nicht ansehen und schaute sie weiterhin mit einem Gesichtsausdruck an, der zwischen freundlichem Lächeln und Ausdrucklosigkeit hing. Ihre nächste Aussage überraschte ihn dann beinahe gar nicht, warum denn auch? Schließlich kannten sie sich schon einige Jahre und waren dementsprechend schon einige Male zusammen auf einem Auftrag gewesen. Dabei hatte er auch einen guten Blick auf ihre Magieart werfen können und er musste zugeben, dass er ein gesundes Maß an Respekt vor ihren Fähigkeiten hatte. Es war ein kurioser Zufall, dass sie beinahe dieselbe Art von Magie benutzten: Während er sich auf die Beschwörung solider Schusswaffen verließ und einen Gegner im Fernkampf ordentlich einheizen konnte, war ihre Magie vielmehr auf den Nahkampf ausgelegt. Dicke Rüstungen schützten sie vor Angriffen und mit Schwertern machte sie dem Gegner im Nahkampf den Garaus. Während diese Gedanken in seinem Verstand herumschwirrten, nahm er den Quest entgegen und betrachtete ihn kurz. Es handelte sich um ein Hilfegesuch eines Dorfes, welches von wilden Bestien aufgesucht wurde. Die Magier sollten herausfinden, um was es sich handelte und das Problem beseitigen. Einerseits wäre er lieber auf eine ruhige Mission gegangen, doch auf diese Weise konnte er wenigstens an seinen Kampffähigkeiten feilen und sehen, ob und wie viel Fortschritt Aurora in den letzten Monaten gemacht hatte. Ein letztes innerliches Abwägen, ehe er seinem Gegenüber seine Antwort nannte. Ich bin mit von der Partie. "Das sollte ...", der Rotschopf legte eine kurze Kunstpause ein, ehe er fotfuhr. "... interessant werden." Ein kurzer Blick in die Gilde offenbarte, dass niemand anderes in der Nähe war, mit dem er zu tun hatte. Ansonsten hätte es durchaus die Möglichkeit gegeben, noch ein drittes Mitglied mitzunehmen, doch zwei war auch eine gute Zahl. "Wann brechen wir auf?" Dann konnte es ja losgehen.

Prima, damit hatten sie das organisatorische also hinter sich. Auroras Lächeln weitete sich einen Moment zu einem Grinsen, während ihr eines Auge beinahe schelmisch glitzerte. Was für eine Frage, wann es losgehen würde... "Na, jetzt.", war die Antwort, die natürlich hatte kommen müssen, schließlich hatte sie nicht umsonst volle zehn Minuten auf den Jungen gewartet. Davon mal abgesehen, dass sie auch noch bedeutend länger gewartet hätte, wenn sie gemusst hätte. Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte sie zielstrebig auf den Ausgang der Gilde zu, wobei ihre Schuhe das beinahe schon typische Geräusch erzeugten. Wozu diese Hast, könnte man sich vielleicht fragen, aber so würde sie schneller ins Freie kommen und das bedeutete immerhin keine Decke mehr. Zwar war die Gilde recht großzügig, was den vorhandenen Platz anging, aber im Freien fühlte sie sich dennoch bedeutend wohler. Davon natürlich mal abgesehen, dass es draußen (wenn sie von der Gilde weg blickte) nicht ganz so pompös und aufgeblasen wirkte.
Yuuki und sie würden schon alleine mit der Mission klar kommen, auch wenn es keinen dritten Mann im Team gab, schließlich ergänzten sich ihre magischen Fähigkeiten recht gut: Während er auf Fernkampf spezialisiert war, beherrschte Aurora das genaue Gegenteil, den bewafneteen Nahkampf. Diese Magie mochte sie generell sehr gerne, da sie den körperlichen Faktor des ganzen nicht ganz vertrieb, außerdem hatte sie noch andere Vorteile praktischer Natur: Wer außer ihr konnte sich denn bitteschön innerhalb von einer Sekunde perfekt umziehen? Jedenfalls gaben die beiden eine recht ausgewogene Kombination ab, auch wenn sie beide auf dem Gebiet der Magie noch nicht allzu weit fortgeschritten waren. Zumindest waren sie Fliegengewichte, wenn man sie mit dem Gildenleiter oder den S-Rang-Magiern verglich. Dafür waren sie aber auch etwa halb so alt, was?
Als sie endlich unter freiem Himmel angekommen waren, sog Aurora die frische Luft tief in ihre Lungen und drehte sich zu Yuuki um, der ihr hoffentlich gefolgt war. "Es könnte sein, dass wir mehrere Tage für die Quest brauchen, bist du dementsprechend ausgerüstet oder sollen wir uns hier... sagen wir in zehn Minuten wieder treffen, dann mit allem nötigen im Gepäck?" Sie selbst könnte ihre Sachen auch noch auf dem Weg aus der Stadt holen, da sich ihr Zuhause auf dem Weg befand. Wie ber stand es da mit dem jungen Grynder?

Wer dumm fragte, bekam auch eine dumme Antwort, ganz klar. War doch irgendwie klar gewesen, dass es jetzt losging. In einer Hinsicht etwas schade, denn er wäre noch gerne etwas in der Gilde geblieben und hätte das eine oder andere Pläuschchen mit den Leuten geführt. Naja kann man halt nichts machen. Während sie schon zielstrebig auf den Ausgang zulief, nahm er den Abschied der Gilde ruhiger an. Eigentlich sollte er sich beeilen, denn je mehr Zeit sie hier verschwendeten, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass die Bestie auch die Dorfbewohner direkt angriff. Um was es sich wohl für eine Bestie handelte? Das würden sie wahrscheinlich noch früh genug herausfinden. Nun war er endlich bei seiner Partnerin angekommen, die ihn über die Dauer des Auftrages aufklärte. Mehrere Tage Abwesenheit? Hoffentlich müssten sie nicht den ganzen Weg laufen, dafür gab es doch Züge. Unbesorgt schüttelte er innerlich den Kopf. Natürlich würden sie den Zug nehmen, das Dorf Kumamoto war viel zu weit entfernt, um es zu Fuß in der kurzen Zeit zu erreichen. Während er einfach so vor sich hindachte, bemerkte er, dass Aurora auf eine Antwort seinerseits wartete. "Sagen wir in 15 Minuten hier, dann sollte das passen. Bis gleich." Umgehend drehte er sich um und ging den gleichen Weg, den er heute Morgen hinter sich gebracht hatte, zurück. Natürlich hätte er ihn auch in zehn Minuten hinter sich bringen können, doch dann hätte er sich hetzen und stressen müssen und das war es nicht wert. Es ging nicht nur darum, dass er faul war, nein, in der Eile hätte er womöglich noch sogar irgendetwas Wichtiges vergessen können. Und das konnten sie sich wirklich keinesfalls erlauben. Der Weg war schnell hinter sich gebracht und von der Eingangstür zu seinem Zimmer war es ebenfalls nicht weit. Neben dem Bett lag auch schon sein Reiserucksack, welcher allzeit bereit war. Man konnte ja nie wissen, wann man auf Mission gehen musste, und so musste man ihn nicht im Nachhinein vorbereiten. Ein kurzer Blick rein zeigte Yuuki, dass alles vorhanden war: Landkarte, Kompass, ein kleiner Erste Hilfe Kasten, zwei Trinkflaschen sowie einige lang haltbare Rationsriegel. Auf seinem Nachttisch befanden sich seine beiden Pistolen. Äußerlich ähnelten sie ganz normalen Pistolen, doch ihre Farbe war von dunklem Chrom und die Magazine enthielten keine Patronen: Stattdessen waren sie mit dem Lachryma gefüllt, über welche Eigenschaft die Patrone verfügen sollte. Der Junge nahm eine der Schusswaffen in die Hand und wägte sie kurz ab. Sie fühlte sich handlich an und es war ein gutes Gefühl, die sie ihm gab. Kurz wollte er noch die Zweite nehmen, doch er hielt sich zurück. Bisher hatte er mit zwei Pistolen gleichzeitig lediglich auf dem Trainingsplatz geübt, er war sich nicht sicher, ob er sie auch einwandfrei in einem normalen Gefecht einsetzen konnte. Er zögerte noch einen Moment, ehe er sie doch in die andere Hand nahm und ebenfalls abwog. Nur um sie kurz darauf in seinem Rucksack zu verstauen, immerhin konnte es doch nicht schaden, sie sicherheitshalber dabei zu haben, oder? Die andere Waffe verstaute er in seinem Beinholster, da wo sie hingehörte. Mit dem Rucksack im Schlepptau machte er sich wieder auf den Weg zur Gilde, wo Aurora natürlich bereits auf ihn wartete. Bei ihr angekommen grüßte er sie kurz, ehe er ihr sein ok gab. "Ich bin dann so weit, von mir aus können wir losgehen."

Yuuki wollte sich offenbar noch nachrüsten, was sie erwartet hatte. Schließlich rechnete man nun einmal nicht gleich mit einer mehrtägigen Mission dieses Kalibers, meistens hatten sie doch eher kleinere Jobs angenommen. Nun hieß es also, ihre Sachen zu packen, was prinzipiell nichts anderes bedeutete als ein Zelt, etwas zu essen und ein Kompass, viel mehr brauchte sie nicht. Na, vielleicht noch ein Handtuch. Kleidung hatte sie ja immer genug dabei- wie gesagt, ihre Magie hatte wirklichen praktischen Nutzen. Im Eiltempo marschierte sie also zu ihrer Wohnung zurück, stieg die Außentreppe des Hauses hinauf, bis sie das Dachgeschoss erreicht hatte und schloss die Tür auf. Ursprünglich hatte es sich hierbei mal um zwei Wohnungen gehandelt, aber Aurora hatte sie kurz entschlossen zu einer einzigen verbunden und generell die meisten Wände eingerissen, sodass das gesamte Obergeschoss des Mietshauses nun aus einem Bad, einer Küche, einem Schlaf- und einem Wohnzimmer bestand, die alle überdimensional groß erschienen. Engeangst und kleine Wohnungen bissen sich nun einmal relativ böse. Natürlich hatte sie für diese Umbauten die beiden Wohnungen kaufen müssen, aber diese Summe hatte sie nach einiger Arbeit doch noch aufbringen können. Dafür erlitt sie nun immerhin keine Schwächeanfälle mehr, wenn sie nach Hause kam. Die Tür schwang ohne das leiseste Quietschen auf - die Angeln waren halt gut eingefettet - und das Mädchen schnappte sich den Rucksack, der schon fertig gepackt neben ihrem Bett stand. Das Notfalltäschchen sozusagen, wenn es zum Ernstfall eines Außeneinsatzes kommen würde.
Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte ihr, dass sie noch gut zehn Minuten Zeit hatte, also ging sie den Rückweg ein wenig gelassener an, gemäßigten Schrittes trudelte sie schließlich wieder bei der Gilde ein und musste auch nicht lange auf die Ankunft ihres Mitstreiters warten, der mit seinen Waffen im Gepäck den Platz betrat. Er war also so weit? "Prima.", lächelte Aurora, "Dann auf zum Bahnhof." Sie hatte nicht wirklich vor, den ganzen Weg zu laufen, das war viel zu weit, selbst für ein Mädchen wie sie, das nichts gegen körperliche Arbeit hatte. Während die beiden also einmal durch Hosenka Town stiefelten, fragte die Ilia plötzlich: "Was denkst du, was das für ein Tier ist, das all diesen Schaden angerichtet hat? Meinst du, es könnte vielleicht sogar irgendetwas besonderes sein, wie..." Ohne ihren Satz zu beenden starrte sie in den Himmel. So etwas wie ein Drache oder so zum Beispiel. Das war etwas, was sie sich vornehmen sollte, einmal in ihrem Leben einen Drachen zu Gesicht bekommen. Was sie ihn wohl fragen würde...?

Alles klar, es ging also zum Bahnhof. Da hatte Yuuki noch mal Glück gehabt, er hatte zwar nicht wirklich befürchtet, dass sie laufen würden, doch eine kleine Sorge war dennoch geblieben. Da er ebenfalls keine Lust auf eine Diskussion hatte, wäre er wohl oder übel mitgelaufen. Naja, warum den Kopf zerbrechen, wenn man es sowieso abgewendet hat. Während sie also zum Bahnhof liefen, schaute sich der Rotschopf die Stadt noch ein letztes Mal an, bevor sie sie verließen. Er mochte diese Stadt und fühlte sich sehr wohl in ihr, weshalb es natürlich immer etwas traurig war, sie zu verlassen. Andererseits konnte man sich auf diese Art und Weise auf dem Rückweg auf eine Heimkehr freuen. Plötzlich fragte sie ihn etwas, was ihn interessiert aufblicken lies. Was wohl der Grund für ihre Beauftragung war? Der junge Grynder hatte schon mit einigem auf Missionen gehabt, unter anderem mit Goblins, wilden Wölfen oder irgendwelchen von Magie korrumpierten Tiere. Doch ihre Aussage nach der Frage lies darauf deuten, dass sie an eine größere und mächtigere Kreatur dachte. Ein Bergtroll vielleicht? Yuuki hatte schon das eine oder andere Gerücht gehört, dass sich diese nicht sehr klugen Tiere ab und zu von ihren Berghöhlen herunterwagten, und den Menschen das Leben schwer machten. Vom Schema des Angreifers würde es auf jeden Fall passen. Aber, ob sie mit so einer Kreatur zurechtkämen, war natürlich eine ganz andere Frage. Ryo hätte so Probleme nie gehabt. Das entsprach der Wahrheit, es gab nur wenig, was seinem Bruder gewachsen war. Innerlich schüttelte der Junge erneut den Kopf, es führte zu nichts, sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen. "Es könnten Raubtiere sein. Oder wenn wir Pech haben sogar ein Bergtroll. Aber was es auch ist, wir wurden engagiert um dieses Problem zu beseitigen, und das werden wir auch schaffen." Eine Theorie sprach jedoch gegen den Bergtroll, der locker mächtig genug war, um es gleichzeitig mit einem Dutzend bewaffneter Männer aufzunehmen. Bisher war noch kein Dorfbewohner angegriffen worden, was bedeutete, dass die Kreatur bei Weitem nicht stark genug war, um einen Dorfbewohner anzugreifen. Man würde es ja sehen. Beim Bahnhof angekommen schaute sich Yuuki nach dem Zug um, den sie nehmen mussten. Kurz darauf hatte er ihn entdeckte und er drehte sich lässig zu seiner Partnerin um, damit er sie darauf aufmerksam machen konnte. "Da vorne ist bereits der Zug. Wollen wir?"

Ein Bergtroll? Na ja, das wäre zwar nicht halb so toll, wie ein Drache, aber immerhin etwas. Jedenfalls um Welten besser, als ein einfaches Raubtier, wenn es nach ihr ging. Sicherlich war es eine größere Arbeit, sich mit Trollen auseinander zu setzen, als mit normalen Raubtieren, aber dafür lohnte es sich auch bedeutend mehr. Vielleicht sollte sie sich auch einfach so lange wie möglich an die Theorie mit dem Drachen klammern, dann würde die Enttäuschung zwar schwerer werden, aber immerhin erst später einsetzen... aber wahrscheinlich war es eh müßig, sich darüber Gedanken zu machen. "Ich hoffe ja auf irgendwas besonderes." Irgendetwas besonders gefährliches, blutrünstiges, großes, gemeines. Nur besonder sollte es eben sein.
Als sie endlich beim Bahnhof angekommen waren, schien ihnen der Zufall am heutigen Tage zum zweiten Mal in die Hände zu spielen, da der Zug, den sie nehmen mussten, bereits auf sie wartete. Auch Yuuki schien diese Tatsache bemerkt zu haben, da er sie darauf ansprach. Ebenso, wie seine Frage nach dem Zeitpunkt des Aufbruchs, kam sie Aurora etwas fehl am Platz vor, aber das ließ sie sich nicht anmerken. Blöse Frage, blöde Antwort. "Sicher doch." Sie bewegte sich in Richtung des Fahrzeugs, drehte sich aber kurz davor zu ihrem Begleiter um und winkte den Grynder mit einer ansatzweise spöttischen Verbeugung an sich vorbei zum Zug. "Ladies first.", grinste sie, wies auf die offen stehende Tür und wartete ab. Sie wollte also Yuuki, der "Lady" unter ihnen, den Vortritt lassen. Ein harmloser Scherz, schließlich hatte sie hier den Rock an... den ziemlich kurzen Rock, wie ihr auffiel, als die Luft eines anderen, vorbeifahrenden Zugs gefährlich darunter pustete. Schnell fasste sie den Saum mit einer Hand und hielt ihn unten, nur zur Sicherheit. Klar, Hosen waren, was das betraf, praktischer, aber dafür hatte sie mehr Bewegungsfreiheit und immer ein frisches Lüftchen unten rum...

Den richtigen Zug im Blickfeld gingen Aurora und Yuuki auf diesen zu, seine Partnerin einen Schritt vor ihm. Kurz bevor sie jedoch den Zug betreten konnten, blieb das Mädchen stehen, verbeugte sich und gab ihm mit einem "Ladie's First" den Vortritt. Hier ist anzumerken, dass sich viele andere junge Männer in seinem Alter durch diese Bemerkung angegriffen gefühlt hätten. Bestimmt irgendetwas in der Richtung von "Stolz als Mann" oder so was. Für gewöhnlich wusste der Rotschopf den Humor von Aurora zu schätzen, unter anderem wahrscheinlich einer der Gründe, warum sie recht gut miteinander auskamen. Dann hätte er bloß gelacht und wäre dankend zuerst eingetreten. Doch dieses Mal lief er einfach weiter, denn er war gerade eben in seinen Gedanken woanders gewesen und hatte so den neckenden Satz der Ilia schlichtweg nicht gehört. Konnte schon mal passieren, wenn man mit ihm unterwegs war.
Im Zug selbst gab es nicht viel Besonderes zu berichten, denn eigentlich glich ein Zug dem anderen. Die Gänge waren enge und die Kabinen hatten gerade mal für 4 Leute platz. Zu ihrem Glück jedoch bekamen sie ein Abteil, welches sie für sich beide hatte. Sprich, man hatte genügend Platz um sich ordentlich zu strecken oder gar um ein Nickerchen zu halten. Vor allem Letzteres schien den jungen Grynder zu reizen. Nachdem er seinen Rucksack im Stauraum platziert hatte, nahm er auf einem der Sitze gegenüber von Aurora Platz. In jenem Augenblick ertönte die Durchsage mittels einer blechernen Stimme: "Herzlich willkommen in, die Travel Company fühlt sich geehrt, sie als Gäste in unserem Zug zu begrüßen. Dieser Zug hat seine Endstation in Kumamoto. Vorher werden wir aber an folgenden Haltestellen halten: Toya, Oklahoma Town, Belladona Town und Kylia. Wir wünschen eine angenehme Fahrt." Mit einem Klicken verschwand die blecherne Stimme und Yuuki schaute seine Partnerin leicht erwartungsvoll an. Wenn sie nicht in den nächsten Minuten mit ihm reden sollte, dann würde er ein kleines Nickerchen machen, bis sie ankämen.