Das Problem an fehlender Kommunikation war, dass man keine vielleicht wichtigen Informationen austauschen konnte und damit alle Beteiligten in einem Nebel der Unwissenheit hinterließ, auch wenn es ihnen noch so schaden mochte. Auch wenn Seraphim und Souta überdurchschnittlich viel Zeit miteinander verbrachten und deswegen häufiger Gespräche führten, als die der Dragonslayer das mit anderen tat, gab es einige Dinge, die nie in diesen vorkamen, weil das Dinge waren, über die Männer nun einmal nicht sprachen. Seraphim redete nicht über seine Gefühle, weil er ja auch selten jemanden an diesen teilhaben ließ - und die wenigen Versuche, die er in der Richtung unternommen hatte, waren von ihm selbst abgebrochen worden, weil er Angst vor den Konsequenzen hatte. Würden sie einfach mal offen darüber reden, würden wahrscheinlich beide eine Überraschung erleben, die sich gewaschen hatte, aber dazu kam es ja eben weder schnell, noch bald. So lächelte der Weißhaarige und legte tatsächlich seine Arme um den Kettenmagier, der ihm soeben einige Dinge aufgezählt hatte, die ihm schon bekannt waren, zusammen mit einigen, die neu für ihn waren. Souta wollte ihm ein Bild zum Valentinstag malen? Er hatte schon öfter Geschenke an diesem Tag bekommen, aber nur selten selbst welche verteilt, diese wiederum nur aus einer spontanen Laune heraus. Ob er dem Rothaarigen da etwas schenken würde, war nicht sicher, immerhin würde der das doch sicherlich albern finden, oder? Wer es nicht gerne sah, wenn er ihn in der Öffentlichkeit küsste oder seine Hand hielt, dann würde er so eine Geste doch sicherlich geradezu verwerflich finden... "Uh~" Souta konnte singen? Sicherlich hatte er ihn schon manchmal unter der Dusche trällern hören, aber dort aufgrund von schlechten Vorerfahrungen nicht genau hingehört, da er gelernt hatte, dass in solchen sanitären Einrichtungen das Selbstbewusstsein in Bezug auf die eigene Stimme stieg und sogar die grottigsten Sänger aller Zeiten sangen. Das wiederum war beinahe Folter für seine Ohren, weswegen er sich bei solchen Lauten stets sehr schnell entfernte. Da er Soutas Stimme allerdings schon in vielen Lautstärken und Oktaven gehört hatte, war er geneigt, ihm seine Begabung zu glauben, was natürlich danach schrie, ihn eine Kostprobe liefern zu lassen. "Ja, sing mir was vor, Souta-chan~", schnurrte er und legte das Kinn auf die Schulter des jungen Mannes, bevor er es sich anders überlegte, ihm einen Kuss auf die Seite seines Halses gab und ihn wieder losließ, damit er die Akustik der Museumshalle besser bewerten konnte. Auch wenn es sicherlich einen Unterschied zwischen Gesang und Geschrei gab, war das immerhin schon einmal ein ungefährer Anhaltspunkt, damit er eine ungefähre Schätzung abgeben konnte, wie genau er sich am besten verhielt. "Ansonsten... Ich lese gerne, mag klassische Musik und neben Besuchen in Theatern, Opern und anderen Orten, an denen man für Stunden nur sitzen muss, unternehme ich ab und an ausgedehnte Spaziergänge durch Wälder oder ähnliches. Erinnert mich irgendwie an früher. Außerdem... hm. Ich halte mich gerne dort auf, wo es gut riecht, mag Regenwetter und Gewitter und bewundere grundsätzlich alles Schöne - so wie dich." Er schmunzelte neckisch und steckte die Hände in die Hosentaschen, um sich dem Sonnenuntergang zuzuwenden. Er hatte natürlich nicht alles erzählt, was es da zu erwähnen gab, immerhin zog er auch sehr viel Freude aus dem Leid anderer, aber das sagte er ihm nicht, weil es ihn vielleicht verschrecken würde. Dabei war es doch so wahrscheinlich, dass er dieses Detail seines Freundes kannte. "Und nun sing etwas. Irgendwas... schönes."

Aw, es schmeichelte Souta natürlich, dass Seraphim ihn bewunderte und für schön hielt, aber es war nicht wirklich eine neue Information. Jeder Idiot bemerkte, dass er quasi die ganze Zeit von dem Anderen angestarrt wurde und obendrein hielt sich der Kettenmagier ja sowieso für die Reinkarnation von Adonis, daher erwartete er nichts Anderes. Und es war nur höflich, auch auf ihn zu verweisen, wo er doch selbst schon so großzügig seinen besten Freund zu seinen Zuneigungen gerechnet hatte – alles andere wäre gemein gewesen. Die meisten Dinge, die der Ältere aufzählte, kannte Souta bereits, sie hatten sich zwar noch nie darüber unterhalten, aber man bemerkte doch einiges, wenn man soviel Zeit miteinander verbrachte wie sie es taten, was immernoch ein wenig gruselig war, gerade für jemanden, der Freiheit und Unabhängigkeit so sehr schätzte wie der Rotschopf. Interessanterweise kam er allerdings ziemlich gut damit klar, solange sie nicht wirklich rund um die Uhr aufeinander hockten und gewisse Grenzen der Privatssphäre respektierten. Für ihn gehörte beispielsweise sein Duschvorhang zu einer solchen unsichtbaren Linie, die niemand übertreten durfte, weil seine Duschzeit heilig war. Souta hatte noch nie mit anderen geduscht und er hatte auch nicht vor, das allzu schnell zu tun, was natürlich schade für den Weißhaarigen war, der ihm immer ein wenig wie ein im Regen stehen gelassener Hundewelpe vorkam, wenn er seine Sanitäranlagen benutzte. Wobei das nicht sonderlich oft vorkam. Manchmal, klar, wenn er beispielsweise Vanilleshampoo auftragen wollte, aber die meiste Zeit war es doch praktischer, einfach eine Etage nach unten zu verschwinden, um sich zu reinigen. Er wusste ja wie empfindlich Seraphim auf Gerüche reagierte, daher besuchte er ihn auch nicht, wenn er gerade gelaufen war oder einen Work-Out hinter sich hatte, weil dann nämlich auch ein Gott wie er stank. Und er hasste es, nach Schweiß zu riechen. Es gab zwar verschiedene Arten von Schweiß und mindestens eine war äußerst erotisch, aber grundsätzlich musste man das nicht haben, obwohl er ja zum Teil irgendwie zu seinem Eigengeruch dazugehörte. Er war ständig in Bewegung, natürlich roch er nach körperlicher Arbeit, aber das war ja nun nichts Schlimmes und genauso natürlich wie seine Rasierwassernote. Kurzum: Er war schön. Seraphim hatte das bemerkt, Souta damit aber nicht aus den Latschen gerissen, da er ja wusste, dass er ein sehr, sehr gutaussehender Mann war. Es brauchte ja allgemein viel, um ihn zu erstaunen oder zu schocken. Die Frage nach seinem Gesang war daher nichts Anderes, als hätte man ihn nach dem Wetter gefragt. Souta hatte es angeboten, also würde er Seraphim nun etwas vorsingen. Etwas Schönes … Na ja. In einem solchen Ambiente wäre eine Ballade nun sicherlich angebracht, vielleicht sogar ein Liebeslied, um die Tatsache zu würdigen, dass sie ganz alleine waren und sich gerade peinliche Schmeicheleien an den Kopf geworfen hatten – andererseits, versuchte er sich jemals der Situation anzupassen? Seine letzte große Gesangsstunde war ironischerweise genau an dem Tag geschehen, an dem er Seraphim kennen gelernt hatte. Damals hatte ihn eine hübsche Rothaarige tatsächlich dazu überredet, auf der Straße von Oshibana Town ein Liebeslied zu brettern, worauf er ihr eine Rose gekauft und sich vor sie hingekniet hatte … Doch nun würde er es deutlich weniger kitschig handhaben, zumal er hier leider keine Blumen in Griffweite hatte. Aber das bedeutete ja nicht, dass man keine Show liefern konnte. Es wäre nun natürlich schön gewesen, wenn er eine musikalische Untermalung gehabt hätte, doch das Ganze funktionierte auch, indem er sich einfach eine hübsche Melodie schnippste und währenddessen ein paar Schritte von dem Weißhaarigen wegging. „I can't get rid of you, I don't know what to do, I don't even know who is growing on who~“ Seine Stimme klang nicht unbedingt geübt, aber er traf doch jeden Ton und hatte offenbar ziemlichen Spaß daran, sich dem Älteren wieder zu nähern und sich gegen eine der Vitrinen zu lehnen, während er mit dem Fuß wippte, im Takt einer unhörbaren Melodie. „You're really growing on me – or am I growing on you? You're really growing on me … any fool can see ...“ Das war etwas höher als der Rest, hielt ihn aber nicht ab, so dass das Lied noch eine Weile weitergehen konnte und davon erzählte, wie sich der Sänger an eine Person gewöhnte, die er nicht loswerden konnte und die langsam ein Teil von ihm wurde. Souta gab dem Song an sich nicht viel Bedeutung, er wollte einfach einen hübschen Titel, zu dem man schön Luftgitarre spielen konnte und der ihn ein wenig von der langeweiligen Innengestaltung dieses Museums ablenkte. Wie gefiel denn Seraphim seine Solovorstellung? War das die Art von Lied, die er erwartet hatte oder hatte er sich insgeheim ein kitschiges Liebeslied erhofft?

Tatsächlich hatte Souta mit seiner Wackelaktion zunächst für einen alarmierten Blick des Weißhaarigen gesorgt, da er sich nicht sicher war, inwiefern die Vitrinen und Gemälde mit einer Art Alarmanlage gesichert waren, doch da nichts passierte, entspannte er sich ein wenig und lauschte stattdessen dem Lied, von dem er immer mehr das Gefühl bekam, dass der Inhalt nicht zufällig gewählt worden sein konnte. Entweder tat Souta so etwas unterbewusst oder... nein. Seraphim wollte nun nicht beleuchten, dass er gerne Menschen an sich band, ohne sich selbst an sie zu binden, er wollte auch keine Debatte darüber führen, dass er auf geistiger Ebene mehr nahm, als gab, das musste nicht sein. Nicht jetzt, wo er nicht einmal abhauen könnte, wenn er es wollte, weil er hier bleiben musste, um ein Museum gegen Diebe zu verteidigen, von denen man nicht einmal wusste, ob sie überhaupt kamen. Würde so etwas nun ausbrechen, wusste er nicht, ob er das ohne Flucht durchziehen könnte, da er damit eher weniger Erfahrungen hatte. Diese lagen bei ihm eher in der Fähigkeit, solche Anfragen brutal abzuschmettern und solange auf den Gefühlen der Person herumzutrampeln, bis sie zusammenbrach. Das konnte er bei Souta nicht tun, ihm nicht auf diese Weise schaden, weil er sich selbst damit verletzt hätte. Er hätte auf eine Art lügen müssen, die ihm nicht gefiel, weil sie die wenigen, echten Gefühle, die er verspürte, verleugnen müsste. Nein, das durfte einfach nicht passieren. Als Souta geendet hatte, klatschte der Dragonslayer einige Male in die Hände, ein aufgrund der hallenden Wände und der Tatsache, dass er sich vollkommen allein abmühte, relativ kläglicher Applaus. "Das war wunderbar, Souta-chan... du brauchst nur ein bisschen mehr Übung." Vielleicht konnte er damit irgendwelche dummen Hühner zu Tränen rühren und über die Maßen beeindrucken, aber er wusste doch noch, wie richtig guter Gesang klang. Souta hatte sicherlich alles Potenzial dazu, aber ein wenig haperte es noch an der Umsetzung, was man zweifelsohne beheben könnte, wenn man ihn einfach öfter singen ließ. Vielleicht sollte er ihm Gesangsunterricht organisieren... ja, das wäre gar keine schlechte Idee. Das war nämlich eine Möglichkeit, wie er durch ein Geschenk an Souta sich selbst gleich mit beschenkte, ohne dass er ihm irgendwelche Kleidung aufdrückte, die er sicherlich nicht anziehen würde. Es gab da eben doch Sachen, die Souta nicht tat, weil sie einfach... ansatzweise schwul waren. Aber war Seraphim das nicht halbtags auch, durfte er es da nicht? Vielleicht konnte er ihn dazu überreden, an seinem Geburtstag... nein, Moment, da war es so kalt, dass er sich sicherlich nicht in einen Hauch von nichts quetschen würde, weil das nämlich beinahe Erfrierungen verursachen würde. Wenn er die Fenster für den Tag allerdings schloss und die Heizung etwas aufdrehte - ob dann eine Chance bestand? Auch das würde er im Hinterkopf behalten, man wollte doch schließlich auf alles vorbereitet sein. "Allerdings solltest du dich besser nicht noch einmal an solch eine Vitrine lehnen. Nicht nur ist der Inhalt wahrscheinlich mehr Wert als deine Wohnung, es hätte auch sein können, dass das Teil mit einer Alarmanlage verbunden ist." Sie waren hier dann doch noch auf einer Quest, was sie nicht von einer gewissen Professionalität entband. Mit einem Lächeln schlenderte er weiter, ließ ein, zwei Gemälde hinter sich und blieb vor dem reichlich verschwommenen, in grünen und blauen, schattigen Farbtönen gehaltenen Bildnis einer Frau mit Regenschirm stehen, bevor er sich wieder zu Souta umwandte. Vielleicht sollte er ihn ein wenig necken, um die Stimmung in seinem Kopf ein bisschen aufzuhellen, denn die war ihm gerade viel zu tief schürfend seriös geworden, aber ihm fiel momentan einfach nicht genug sinnvolles ein. Deswegen blickte er wieder zu dem Bild und fragte dann: "Glaubst du an Schicksal, Souta-chan?"

Wenn Seraphim Souta in sexy Klamotten sehen wollte, musste er eigentlich nur fragen. Er hatte zwar noch nie wirklich verstanden, was man Kostümen und Rollenspielen nun genau abgewinnen sollte, aber wenn er lieb gefragt wurde, ob er spezielle Dinge tun würde, war die Wahrscheinlichkeit, solche Wünsche zu erfüllen gar nicht einmal so gering. Es kam natürlich immer auf die Sache an, die von ihm verlangt wurden, aber solange er sich nicht in ein rosarotes Tütü zwängen musste, sah er kein Problem darin, sich als Arzt oder Cowboy oder was-auch-immer zu verkleiden, seinetwegen trug er auch Katzenohren und ein Halsband, solange er einigermaßen satt war und seine Laune gut war gab es nicht viel, wozu er „Nein“ sagen würde. Nur weil er gewisse Grenzen hatte, machte ihn das nicht sofort zu einem prüden Mauerblümchen, er war wahrscheinlich sogar eher das genaue Gegenteil, wenn man so darüber nachdachte und hatte auch gewisse Dinge auf dem Kasten. Na ja, wenn Seraphim ihn nicht fragte und stattdessen auf Gesangsunterricht beharren wollte, weil er angeblich Übung brauchte, sollte er das tun. So viele Dinge konnten durch bloßes Fragen leichter werden, aber wer nahm schon den kurzen Weg, wenn man auch den langen gehen konnte? Der Kettenmagier sollte also noch ein paar Übungsstunden einlegen, das störte ihn nicht, weil es ihn nicht interessierte, wie der Dragonslayer seinen Gesang bewertete. Er hatte ihm schließlich vorgesungen, weil er ihn gebeten hatte, aber er hatte keine Ambitionen, sich in den Ruhestand zu begeben und Fiores nächster Superstar zu werden. Für die paar Ständchen, die er so gab, reichte es vollkommen, wie es momentan war. Sein Leben würde sich weiterhin um Essen und Kämpfen drehen. Nichtsdestotrotz freute er sich natürlich über den Applaus, auch wenn man sich nicht ganz sicher sein konnte, ob der nun kam, weil er Souta war, oder, weil es ihm gefallen hatte. Allerdings musste man wohl schon etwas Besonders sein, dass Seraphim für einen in die Hände klatschte, ohne es spöttisch zu meinen, daher war er doch ganz zufrieden. Die Sache mit den Vitrinen vermerkte er dafür umso mehr in seinem Gedächtnis – ja, das war keine allzu gute Idee gewesen. Nur weil ER diese Dinge für nutzlos hielt, gab es ja immernoch andere, die gerade diesen Müll sichern wollten, deshalb war es wohl besser, wenn er respektvollen Abstand zu den Ausstellungsstücken aufbaute und nicht versuchte, auf Tonfiguren zu reiten oder Büsten an die Brüste zu fassen, obwohl das ja eigentlich seine Vorstellung von einem schönen Museumsaufenthalt darstellte. Na ja. Ohne seinem Sitzplatz einen weiteren Blick zuzuwerfen durchquerte er den Raum und betrachtete neben dem Himmelsmagier das Bild mit der Regenschirmfrau, was ihn jetzt so spontan nicht vom Hocker haute. Sie war zwar hübsch gezeichnet, aber nichts Besonderes. Weder leicht bekleidet noch nackt noch übermäßig kurvig, also weniger interessant als die Frage, ob er an das Schicksal glaubte. Jetzt war der Rothaarige an der Reihe, Seraphim von hinten die Arme um den Körper zu schlingen und sich an seine Rückseite zu schmiegen, weil er gerade so schön dastand. „Ist das ein nicht sehr einfallsreicher Anmachspruch? Nein. Ich glaube an Menschen und an Entscheidungen, aber du hast mich das schon einmal gefragt.“ Auf einem Kreuzfahrtschiff, im Bett nämlich, nachdem er sich übergeben hatte und Seraphim seine Handlinien lesen wollte – das war fast dieselbe Antwort gewesen, oder nicht? Auch damals hatte Souta verneint, weil er nicht glaubte, dass es soetwas wie Schicksal oder Vorsehung gab. Das waren wenn überhaupt Versuche dummer Menschen, sich über traumatische Erlebnisse hinwegzutrösten. Wenn man annahm, dass manche Dinge einfach so geschahen, machte man sich selbst nicht verantwortlich. Das war feige. Der Rotschopf legte dem Älteren die Hände auf die Hüften und drehte ihn ohne Widerstand zu dulden zu sich um, um seine Handflächen dann direkt auf seine Brust zu legen, flach, weil das bei ihm ja ohne Weiteres funktionierte. Er war brav gewesen und hatte sogar gesungen – dieser Gang war langweilig. Aus diesem Grund wurde es wieder Zeit für etwas Aufmerksamkeit und wie man ja wusste, gab es in diesem ganzen Haus momentan nur eine Sache, die ihn interessieren konnte, ganz besonders, weil er ohne Schmerzen und Auslaugung beim Gedanken an Zuhause eigentlich fast schon wieder … Schlanke Hände öffneten spielerisch den obersten noch geschlossenen Knopf von Seraphims schwarzem Hemd, noch ohne wirklich irgendetwas Unanständiges zu fabrizieren. Erst als ein Teil seiner Hand im Kragen verschwunden war, hielt er inne und lauschte. Hm. Irgendetwas tappte hier doch? War er jetzt paranoid oder … Mit eingefrorenem Gesichtsausdruck drehte er den Kopf in die Richtung, in der er tatsächlich Schritte vermutete. Sollten sie nicht alleine sein?! „Hörst du das?“

Nein, das war kein Anmachspruch gewesen, aber besonders gut nachgedacht hatte er davor tatsächlich nicht. Diese Frage beschäftigte ihn allerdings öfter, da er ja dazu neigte, Erlebnisse und Ereignisse zu bewerten und am Ende immer wieder auf die Tatsache stieß, dass gute Dinge aus schlechten gefolgt waren. Wenn die schlechten also nie passiert wären, hätte die Bilanz aus allem negativer sein können - und das stellte dieses ganze Verfahren mit gut und schlecht in Frage. Seraphim war geistig gesehen allerdings ein recht unflexibler Mensch, so dachte er eher selten außerhalb seiner festgefahrenen Normen und Werte, auch wenn diese ziemlich konträr zu denen von anderen Menschen waren. Wo andere Schwierigkeiten damit hatten, grausam zu sein oder nur zu ihrem eigenen Vorteil über Leichen zu gehen, musste Seraphim für sich selbst erst einmal definieren, wann er zu wem nett sein konnte und wann es sich lohnte, jemandem zu helfen, statt seine eigenen Triebe zu befriedigen. Souta schaffte es jedoch binnen weniger Sekunden, solche beinahe tiefen Gedanken aus seinem Kopf zu wischen, als er seine Arme auf einmal um seinen Körper geschlungen hatte. Eigentlich passierte das öfter umgekehrt, aber er konnte nicht behaupten, dass ihn das nun störte. An sich war der Dragonslayer zwar ein extrem dominantes Wesen, aber es war schön, wenn Souta von sich aus aktiv wurde, weil das die Illusion erschuf, dass er vielleicht doch etwas von ihm wollte. Etwas mehr als die Freundschaft, die sie auf jeden Fall miteinander teilten. Vielleicht so etwas, wie er für den Kettenmagier empfand... allerdings wusste er, dass das eine utopische Idiotie war. Souta hatte es doch gesagt: Er mochte Frauen... obwohl er ihn vor diese gesetzt hatte, zumindest von der Reihenfolge seiner Aufzählung. Wenn das nun eine ähnliche Rangfolge wie die Zutatenmenge auf den Etiketten bei Lebensmitteln oder Kosmetikprodukten darstellen würde, bedeutete das, dass auch Brüste nicht ganz so viel Wert waren wie er. Dieser Gedanke machte ihn auf eine warme Weise froh, die Schmetterlinge durch seinen Körper sandte und die Haut brennen ließ, die von der Körperwärme des Anderen berührt wurde. Auf seinen Lippen lag ein leicht abwesendes Lächeln, als Souta ihn zu sich herumdrehte und seine Hände auf seine Brust legte. Warum tat er das, wenn er doch wusste, dass es unter dem Hemd nichts weiches zu finden gab, in dem man sich vergraben konnte? Er hatte gerade zu einer ähnlichen Frage ansetzen wollen, als Souta auf einmal darin inne hielt, ihn seines Oberteils zu entledigen und mit einem mal viel wachsamer aussah.
Tatsächlich war eine Art leises Trippeln zu hören, ein leichtes Schleifen, wie wenn jemand einen Schuh nicht ganz vom Boden löste und deswegen leicht schlurfte. Schritte. "Psst!", zischte er mit einem Grinsen und zwinkerte dem Rothaarigen zu, "Das verschieben wir auf später." Hier brach also tatsächlich jemand ein, ja? Er hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass in den zwei Nächten auch nur irgendetwas passieren würde. Schnell bückte er sich, streifte die Schuhe von seinen Füßen und begann auf Socken in Richtung des Lautes zu traben, so leise er konnte, um den potenziellen Dieb nicht gleich zu verscheuchen. Dabei stieg ihm ein Geruch in die Nase, der eindeutig menschlich war und der ihm irgendwie bekannt vorkam... hatte sich der Einbrecher schon vorher rund um das Museum aufgehalten? Natürlich, immerhin musste es einen Grund dafür geben, dass man sie ausgerechnet für diese zwei Tage engagiert hatte, zudem ein wirklich professioneller Einbrecher seinen Coup natürlich im Voraus plante. Wahrscheinlich hatte er sich die Ausstellung mehrfach angesehen, die Ausgänge und Fenster notiert und sich überlegt, auf welchem Wege er am sichersten hinein und wieder herauskam. Der Dragonslayer bog in das Foyer ein und bewegte sich danach zielstrebig zum Eingang der Mittelalterausstellung, welche das Diadem beherbergte. Wo genau es dort stand, würde er erst noch herausfinden müssen, aber da es die Hauptattraktion der Ausstellung war, würde es wohl nicht schwer zu finden sein. Das hier war immerhin keines dieser schlossartigen Museen, in denen man verhungert war, ehe man das kleinformatige Wunderwerk eines südländischen Künstlers bewundern konnte - wenn man denn einen Blick darauf erhaschen konnte, immerhin versuchten das ja auch Hunderte andere. Einen Schritt nach links, den Kopf durch eine Türöffnung gestreckt, aber da war niemand. Vorsichtig schlich er in den Raum und bewegte sich weiter, aber noch immer war niemand zu sehen. Wenn ihm nur einfallen würde, woher er diesen Geruch kannte...

Im ersten Moment war Souta von der Tatsache, dass Seraphim seine Schuhe auszog, um sich dem mutmaßlichen Eindringling zu nähern so verwirrt, dass er eine Weile an Ort und Stelle stehen blieb und die herrenlose Fußbekleidung anstarrte, ehe er sich ernsthaft in Bewegung versetzte. Mit Schuhen, man musste sich nämlich wirklich nicht anschleichen, wenn man ihn in seinem Team hatte, auch wenn diese Tatsache irgendwie noch nicht zu dem Dragonslayer durchgedrungen zu sein schien. Die meisten Wesenheiten in Fiore waren prinzipiell schon eingefangen, wenn er lediglich die Gelegenheit dazu hatte, sie in sein Blickfeld zu bekommen. Es war vollkommen egal, ob dieser Verbrecher sie hörte oder nicht, weil es keinen Menschen gab, der schneller wegrennen konnte als er, das war einfach nicht möglich. Aber Souta würde seinen Freund nicht darauf hinweisen. Er war vorsichtig damit, in Seraphims Gegenwart seine körperliche Überlegenheit zu demonstrieren und konnte es auf der anderen Seite auch irgendwie verstehen, wenn er die Genugtuung haben wollte, in dieser Hinsicht ebenso nützlich zu sein. Und vielleicht war es ja auch außerordentlich spannend, wenn man wie ein Ottonormalmagier an solche Dinge heranging. Aus diesem Grund bewegte sich Souta nicht in Highspeed, wie man es von ihm gewohnt war, sondern in ganz moderaten Schrittchen dorthin, wo Seraphim verschwunden war und ließ kaum, dass er diesen eingeholt hatte, den Blick durch den Raum schweifen. Natürlich war er kein Dragonslayer und würde damit nicht einmal eine Person am Geruch wiedererkennen, die er Sekunden zuvor erschnüffelt hatte, deshalb gestaltete sich diese ganze Suche nach einer ominösen Person deutlich komplizierter. Für ihn sah Seraphims Irrweg durch die Mittelalterausstellung ein wenig willkürlich aus, obwohl er wahrscheinlich der Geruchsspur folgte, aber er verkniff sich einen diesbezüglichen Kommentar und überholte ihn auf halber Strecke auf der Suche nach dem Diadem, das ja laut zuvor bereits bekannten Informationen die Hauptattraktion des ganzen Hauses und somit auch das wahrscheinlichste Ziel für einen Einbruch war. Welcher Dieb war allerdings so dumm, bereits am frühen Abend einzubrechen und dennoch clever genug, um ungesehen zu verschwinden? Mit zunehmender Zeit nahm der Kettenmagier beinahe schon an, dass sie halluziniert hatten, weil nicht nur das auf einem hervorgehobenen Podest stehende Schmuckstück noch voll himmlischer Schönheit glänzte, sondern auch ihr Verdächtiger nirgendwo zu sehen war. Eigentlich sollte das unmöglich sein, da sich keine Person einfach so in Luft auflösen konnte. In einem Anflug von Motivation, den er nutzen sollte, bevor er wieder verschwand, bewegte sich Souta schließlich doch im unsichtbaren Tempo zum Haupteingang des Museums, doch dieser war nach einer kurzen Überprüfung immernoch abgeschlossen, wie es der Direktor vermutlich nach seiner Verabschiedung getan hatte. Niemand hätte ihn so schnell knacken können, also gab es wohl einfach einen Geist hier. Auf dem Rückweg in die Mittelalterausstellung hob Souta, weil er ein Gentleman war, Seraphims Schuhe auf und tauchte wenige Sekunden später wieder neben ihm auf, ein wenig zerwuschelt, aber ansonsten von dieser ganzen Angelegenheit wenig berührt. „Merkwürdig. Ich habe niemanden gesehen. Wenn du willst drehe ich eine Runde, aber vielleicht war es ja einfach das Parkett?“ Er zuckte die Achseln und widerstand dem Drang, sich schon wieder auf eine Vitrine zu setzen, also hockte er sich einfach auf dem Boden vor dem Diadem und brachte die Beine in Schneidersitzposition, ehe er die Hände auf seine Oberschenkel legte. „Zur Sicherheit können wir ja die Nacht hier verbringen ...“

"Da war jemand... man riecht das doch.", meinte Seraphim mit leicht gereizter Stimme, während sein Blick von einer Tür des Raumes, in dem sich das Diadem nach wie vor befand, zur anderen pendelte. Es konnte bei Soutas Schnelligkeit und seinem Geruchssinn doch nicht angehen, dass irgendjemand menschliches aus diesem Museum verschwand, ohne dass sie davon Wind bekamen! Das passte einfach nicht in seine Vorstellung von ihrer halben Allmacht, die sie seiner Meinung nach erreicht hatten, nachdem sie Hargeon Town vor einer verdammten Naturkatastrophe gewahrt hatten. Wer einen Tsunami aufhalten konnte, der konnte doch wohl einen einfachen Einbrecher schnappen, oder? Diese Person musste bemerkt haben, dass sie in Gefahr war und so leise und geschickt das Weite gesucht haben, dass sie zu spät gekommen waren. Sicherlich stimmte auch das nicht, denn das Diadem funkelte nach wie vor auf einem Kissen aus rotem Samt vor sich hin. Der Dragonslayer seufzte, zuckte mit den Achseln und betrachtete es genauer, wo er nun doch schon hier stand. Es war relativ augenscheinlich, dass das Plakat, welches es bewarb, den Kern seiner Schönheit nur streifte, denn weder die Tatsache, dass es aus purem Gold gefertigt, noch dass es mit Edelsteinen verziert worden war, machte seinen Zauber aus, sondern die vielen, baumartigen Verästelungen, welche die kleine Krone aussehen ließen, als wäre sie so gewachsen, mit großen, reinen Edelsteinen als Früchten. Beinahe andächtig machte Seraphim einen Schritt nach vorne und beugte sich leicht über die Vitrine, in der es lag, die violetten Augen groß wie die eines Kindes, das einen besonders hübschen Schmetterling bestaunt. Mit was für Werkzeug hatte man dieses Metall bearbeitet, dass es gleichzeitig wie auf Hochglanz poliert glänzte und dennoch keine komplett glatte Oberfläche zu haben schien? War es gar mit Magie geschaffen worden und hatte deswegen die Jahrhunderte in einem solchen Zustand überlebt? "Es ist wirklich schön, findest du nicht auch?", fragte er, einen Moment lang wie in Trance, bevor er daraus erwachte und energisch den Kopf schüttelte. Er führte sich ja fast schon so auf wie dieser verrückte Museumsdirektor. Wenn er so endete, wie der alte, schrumpelige Mann, dann musste er noch Selbstmord begehen, was seiner Meinung nach auch kein schöner Weg war, aus dem Leben zu scheiden. Statt mit alten Kostbarkeiten, sollte er sich wahrscheinlich einfach mit einem etwas jüngeren Schatz befassen, der auf dem Boden saß und ihm freundlicherweise seine Schuhe gebracht hatte. "Ja, ich denke, dass wir nun einfach hier bleiben sollten, Souta-chan~", schmunzelte er und setzte sich neben den Rothaarigen, um sich die Stiefel wieder überzustreifen.
Der Diademraum war beinahe komplett quadratisch; das Krönchen stand genau in der Mitte. Leider gab es ansonsten keine Möglichkeit, sich hinzusetzen, denn auch wenn er in anderen Räumen kleine Ausruhinseln mit Kunstlederbezug gesehen hatte, so war eine solche Einrichtung dem Planer dieses Raumes wohl zu einnehmend gewesen. Die Aufmerksamkeit des Besuchers sollte dem Exponat gelten und nicht seinem Willen, sich hinzusetzen... das war ärgerlich, aber unvermeidbar. Sie konnten ja auch wohl schlecht eine dieser Bänke aus einem anderen Raum herein holen, am Ende rissen sie noch einige Millionen Jewel von der Wand oder lösten doch noch einen versteckten Alarm aus. Auf das Gesicht des Direktor bei einer solchen Schande konnte er wirklich verzichten, auch wenn es wahrscheinlich recht lustig aussehen würde. Allerdings würde er ihre Gilde davon in Kenntnis setzen und sie auf diese Weise wollte er sie nicht blamieren... das schafften andere Magier, aber nicht er...! Er war ein Dragonslayer, praktisch ein Aushängeschild, auch wenn man sich bei ihm zumindest keine moralischen Ansichten abschauen sollte. Wenn sie nun sowieso hier nächtigen würden... "Wäre nun ein angemessener Zeitpunkt für später?~", säuselte er und beugte sich zu Souta hinüber.

Souta sollte also keine vermutlich sinnlose Runde durch dieses Museum drehen, nur um dann sowieso ohne Hinweise zurückzukehren? Na, das passte dem Rotschopf doch wunderbar, er saß nämlich schon recht bequem und hatte keine allzu große Lust, sich in nächster Zeit von diesem Fleck zu bewegen, oder zumindest nicht übermäßig weit. Hier saßen sie strategisch schließlich sehr gut, konnten alle Eingänge in diesen Raum überwachen und waren zugleich wie Wachhunde vor dem Diadem platziert, welches Seraphim mit einem Gesichtsausdruck betrachtete, den Souta deutlich interessanter als das Schmuckstück an sich fand. Die Konstellation der Edelsteine und die hauchfeinen Verästelungen des Goldes mochten hübsch anzusehen sein, aber der Kettenmagier konnte sich nicht wirklich für eine solche Art von Krone begeistern. Er war allgemein kein Mensch, der übermäßig viel Schmuck trug. Seine Ohrringe, natürlich, waren schon mehr, als der durchschnittliche Typ mit sich herumtragen würde, schließlich lief nicht jeder Typ mit goldenen Ringen darin herum, aber er trug nur selten Ringe, Kettchen oder Amulette. Lederbänder, Uhren oder Schweißbänder, okay, aber Schmuck war doch eher zu weiblich für ihn oder sorgte – zum Beispiel im Falle eines Ringes – eher für die Aktivierung sämtlicher Fluchtinstinkte. Außerdem wäre das auch unpraktisch, weil er sich gar nicht einmal so selten prügelte und er am Ende nicht seinen Schmuck aus irgendwelchen Kiefern kratzen wollte … Nun. Ein hübsches Diadem, aber ob die Bewunderung des Weißhaarigen allzu gerechtfertigt war, ließ sich in Frage stellen. Souta fand ja nach wie vor, dass er ein weitaus hübscheres Wesen war und eigentlich dürfte Seraphim ihn ja auch einmal so anstarren, so als wäre er aus purem Gold gemacht. War er nicht wunderschön unter der dämmrigen Beleuchtung des Raumes, die seinen sonnengebräunten Teint zum Glänzen brachte und seine Haare dunkel wie Blut färbte? Da saß er mit einem perfekten Körper, man sah die Sehnen in seinen Armen spielen, wenn er sich darauf absützte, um seinen besten Freund anzuschauen, sein Schlüsselbein stach unter dem einfachen Shirt hervor, das ein wenig zu kurz war und flüchtige Blicke auf rote Pferde freigab, wenn er die Arme hob oder auf ein hübsches Kreuz, wenn er sich nach vorne beugte. Sein Auge war sicher genauso grün wie jeder Smaragd, den man auftreiben konnte, und der Glanz seines Lächelns sollte die glitzernde Schönheit des Diadems um ein Vielfaches übersteigen. Wie konnte Seraphim in seiner Gegenwart nur jemals etwas Anderes ansehen oder bewundern wollen? Das war unverständlich und ließ Souta damit zurück, sich die Haare aus dem Gesicht zu streichen dann ein wenig verwirrt aufzublicken, weil sich der Himmelsmagier nach einem kurzen Lob tatsächlich direkt neben ihn gesetzt hatte. Natürlich, er war schließlich viel interessanter. Ein wenig tat es ihm ja Leid, dass er Seraphims Museumsbesuch einfach so abgekürzt hatte, weil er zu stur war, um ein paar Minuten Langeweile in Kauf zu nehmen, doch das schlechte Gewissen hielt nicht lange, da er sich dazu entschied, sich auf die Frage, ob sie nun damit weitermachen konnten, wo sie so rüde unterbrochen worden waren, einfach auf den Boden zu legen und sich ein wenig auf dem glatten Untergrund auszustrecken, was sicherlich förderlich für seinen Rücken war. Mit einem leisen Seufzen tätschelte er den Boden, um dessen Härte zu prüfen – Holz war weicher als Küchenlaminat, übrigens – und schaute nach einem flüchtigen Blick zur Decke in violette Augen. „Die Nacht hat noch nicht einmal wirklich angefangen. Wir haben alle Zeit der Welt, also lass uns nicht all unser Pulver sofort verschießen, hm?“ Er grinste leicht über seinen in seinen Augen höchst gelungenen Euphemismus und machte dann doch Grabschhände in Seraphims Richtung. „Natürlich können wir ein bisschen zündeln...“

Natürlich fand der Dragonslayer Souta um ein Vielfaches attraktiver als das Diadem. Dieses Schmuckstück war zwar von geradezu hypnotisierender Schönheit, aber da Attraktivität nicht nur über diese definiert wurde, sondern bei dem Weißhaarigen auch noch durch andere Faktoren, hatte es am Ende doch keine Chance gegen Souta. Betrachtete man die beiden nämlich im Bezug auf ihre Nützlichkeit und was sie ihm brachten, dann konnte die Krone eben nichts vorweisen. Er konnte sie sich nur angucken und selbst wenn er sie berühren würde, so würde er sie sich nie im Leben auf den Kopf setzen, weil das dämlich aussehen würde. Er konnte grundsätzlich keine Hüte oder andere steife Kopfbesätze tragen; selbst Mützen mussten schon einige Kriterien erfüllen, ehe er auf den Gedanken kam, sie anzuziehen. Der Grund dafür waren seine Haare, deren Spannkraft einem Hut sicherlich nicht nachgeben würde, was dazu geführt hätte, dass er diesen eher auf seiner Frisur tragen würde - und das würde extrem albern und peinlich aussehen. Mützen konnten die weißen Stacheln immerhin zusammen quetschen, sodass man zwar eine Überraschung erlebte, wenn man sie auszog, aber sein Aussehen ansonsten nicht weiter negativ verändert wurde. Ein Diadem war allerdings nicht nur weiblich besetzt, sondern würde wie auf Wolken thronen, was insgesamt extrem bescheuert aussehen würde. Eine Berührung alleine würde ihm wiederum auch nicht viel bringen - da war es schon etwas ganz anderes, wenn der Schatz aus Fleisch und Blut war. Bei diesem gefiel es ihm, wenn er ihm die Schutzhüllen vom Pferdchen bis zum Schlüsselbein hochschob und die glatte, gebräunte Haut mit den Lippen zu erforschen begann. Ein Diadem atmete nicht so schön in seinen Ohren, zitterte nicht, hatte keinen Herzschlag, dem er lauschen konnte und erst recht keine so einladenden Lippen, die man zunächst sanft und danach immer eindringlicher küssen konnte, während man den Puls der Person unter sich an seinen Handgelenken spüren konnte, die man viel fester umklammern konnte, als das einem Diadem gut tun konnte. Das würde wahrscheinlich zerbrechen, wenn auch nicht unter der Kraft, die Seraphim aufbringen wollte. Wahrscheinlich hätte er es auch gar nicht zerbrechen können, wenn er es gewollt hätte, aber es gab immer Möglichkeiten, Dinge zu zerstören oder Personen weh zu tun. Nie hatte er das jedoch weniger gewollt, als in einem solchen Moment, in dem er das Diadem schon fast wieder aus seinem Kopf verdrängt hatte, weil Souta so viel interessanter war. "Mhh... meinst du es gibt hier Überwachungslachryma oder so etwas?~", murmelte er, als er seine Lippen nach langem, inneren Kampf losgeeist hatte und diese nun auf dem Weg zu Soutas Ohr waren. Das nervige an Männern war in dieser Hinsicht, dass man ihnen nur schwer ein Kompliment über den wenigen Schmuck machen konnten, den sie trugen, weil sie darauf meist eher pikiert als zufrieden reagierten. Frauen waren da ganz anders, die verlangten solche Kommentare ja beinahe. Er glaubte zwar nicht, dass das Museum über so teure Instrumente verfügte, aber andererseits hatten sie auch extra zwei Magier engagiert - und das war nun auch kein billiges Unterfangen. Was wohl passieren würde, wenn jemand auf den Aufzeichnungen sah, wie die beiden Wächter des Diadems... nicht nur das Gesicht desjenigen wäre köstlich, sondern auch der beschwerende Bericht an die Gilde. Er konnte sich nämlich vorstellen, dass die Antwort von Meister Ryce aus einem Lachen und einem "Typisch..." bestehen würde, immerhin kannte er Cyrus nur zu gut. Niemand wusste so recht, ob er nun tatsächlich ein Dragonslayer war, aber das war Seraphim in diesem speziellen Fall auch egal: Er mochte den nicht mehr ganz jungen Mann, weil er ihn damals aufgenommen hatte und weil er freundlicherweise all den Schabernack, den er so trieb, ignorierte. Dass das an der fest stehenden Tatsache lag, dass der Weißhaarige nun wirklich ein Drachensohn war, war allerdings klar. Wer wurde schon Meister einer dermaßen drachenfanatischen Gilde, wenn er nicht genau diese Überzeugung vertrat?

Eigentlich könnte man ja meinen, dass Soutas Oberkörper nach einer gewissen Zeit, die man miteinander verbrachte, nicht mehr allzu interessant sein konnte. Menschen veränderten sich schließlich rein körperlich nicht so schnell, dass man immer wieder etwas Neues entdecken konnte, was ja auch der Grund dafür war, dass sich Männer wie der Kettenmagier normalerweise auf Frauenpluralismus verließen. Ginge es nur um das Ganze Knuddeln und Knutschen an sich, wäre er schon längst verheiratet und hätte somit eine zumindest ansatzweise sichere Vesorgung mit solchen Dingen gesichert. Aber es war soviel mehr, dass ein solches Erlebnis ausmachte, daher war es einfach unbegreiflich, wie Seraphim sich immer wieder an solchen Stellen verlieren konnte. Früher oder später würde es ihm doch langweilig werden, irgendwann würde er ihm einfach wie ein abgegriffener Schuh vorkommen, den man ersetzen musste, so war es immer. Und bis dahin konnte er nur herausragend schön sein und merkwürdig erstickt lachen, weil er sich nicht ganz entscheiden konnte, ob er die Aktion mit seinem Shirt kitzlig oder eher angenehm finden sollte, wahrscheinlich beides. Der Laut blieb irgendwo in seiner Kehle stecken und verstummte dann ganz, weil plötzlich ein Gesicht auf seinem war und alles nach Himmelsmagier schmeckte, ihm den Atem raubte. Es war immer wieder erstaunlich, wie schön diese Art der Behandlung sein konnte, obwohl der Ausführende ein Mann war. Aber vielleicht lag es ja auch irgendwie daran … Normalerweise war Souta derjenige, der sich abrackerte, der Kleidung herumschob, Küsse evozierte, der anfasste, nun war es anders herum. Er musste im Grunde genommen nichts Anderes machen als sich gut zu fühlen, dauerhaft. Er durfte nehmen, weil das irgendwie seine Rolle war, und er wusste nicht wirklich, was Seraphim eigentlich von dem Ganzen hatte, aber es schien genug zu sein, um ihn dazu zu bringen, nicht so schnell genug von solchen Dingen zu haben. Beeindruckend, dass er immernoch Streicheleinheiten für ihn übrig hatte, sollte Souta nicht etwas mehr zurückgeben können als ein Zittern oder das Puffen seines Atems auf dem blassen Gesicht? Irgendwie kam ihm das nicht wirklich fair vor, aber er konnte auch nicht viel machen, weil seine Handgelenke festgehalten wurden und er sie nicht so mühelos befreien wollte wie er gekonnt hätte, weil das sicherlich ein Stimmungskiller wäre. Die nächste Chance ergab sich erst, als er wieder sprechen konnte und zugleich gefragt wurde, was er von der Möglichkeit von Überwachung hielt. Das war tatsächlich nicht unbedingt unwahrscheinlich und hätte ihn zu einem anderen Zeitpunkt wahrscheinlich einfach dazu gebracht, den Älteren von sich zu treten und sich seine Kleidung zu richten, um dann im seriösesten Tonfall, den er aufbringen konnte, einen lachrymafreien Ort zu suggerieren, aber momentan war er schon im halben Hirntodmodus, weswegen sein Geist einfach ganz wunderbare Schlussfolgerungen anstellte, die er im Moment überaus brilliant fand. „Bestimmt. Dann musst du wohl einfach auf mir liegen bleiben.“ Das würde ihn zumindest vor bösen Blicken bewahren, auch wenn er nicht so weit dachte, dass man Tonübertragungen natürlich dennoch hören würde, falls das Lachryma soetwas beherrschte. In diesem Falle wäre es auch nicht sonderlich schwer den Namen des Weißhaarigen herauszufinden, aber man wollte den Teufel ja nicht gleich an die Wand malen. Souta fand es beispielsweise gerade deutlich passender, zu kichern und dann seine Hände doch zu befreien, weil er endlich diese dummen Knöpfe aufmachen wollte, damit er besser an die Haut unter dem Hemd kam. Kitzeln konnte er ihn zwar nicht, aber es wäre doch gelacht, wenn er der Einzige wäre, den man zum Zucken bringen konnte. Das Ganze gestaltete sich erstaunlich schwierig, weil er kaum Platz für seine Arme hatte, und aus irgendeinem Grund fand sein Gehirn dieses Umstand so komisch, dass er zu lachen anfing. Da lag er auf dem Boden, bereit für alles, konnte sich aber nicht dazu aufraffen, das unlösbare Mysterium von Seraphims Kleidung zu erkunden, weil er zu beschäftigt damit war, sich selbst urkomisch zu finden. Tragisch. „Hehehe, ich kann's nicht. Du musst es machen.“ Er gluckste, wurde aber nach wenigen Sekunden wieder einigermaßen ernst, weil er darüber nachdachte, worum er eigentlich gebeten hatte und ihn das zur eigenen Überraschung dann doch ein wenig interessierte. Na ja, wenn sie schon Überwachungslachryma hatten, durfte man diese doch auch beanspruchen, oder nicht? Solange niemand Soutas Gesicht sah, sollte das schon in Ordnung gehen und Seraphim schien ja generell keine Probleme damit zu haben, beobachtet zu werden – was tatsächlich alle möglichen Arten von heiß war, solange sich Soutas Hirn auf Tiefflug befand.