Es war ja eigentlich beruhigend, dass nicht alle Naturgesetze an Souta abprallten und sich im Angesicht seiner Schönheit ins Gegenteil verkehrten. Es mochte bei ihm Intelligenz fördernd wirken, wenn er sich mit Torte vollfutterte, obwohl man sich fragte, wie sein Gehirn noch ausreichend Blut zugeschleust bekam, aber offenbar funktionierte dieses Prinzip nicht, wenn er gerade auf vollkommen andere Dinge aus war. Er hatte allerdings keinesfalls vor, darüber einen Kommentar fallen zu lassen, weil er am Ende noch bemerkte, dass er sich gerade objektiv gesehen etwas albern aufführte. Zum Glück sah der Dragonslayer das nicht ansatzweise so, ebenso wie er beinahe niemals etwas anderes als subjektiv war und durch den Filter, den das in seinem Gehirn gerade an Mangelware grenzende Blut bildete, blickte er gerade auf einen der schönsten Anblicke hinunter, die man sich vorstellen konnte. Souta war niedlich, wenn er unbeherrscht war, weil er ihm dann so nah sein konnte, so unendlich nah, dass er das Gefühl hatte, die Wärme des Anderen übertrüge sich auf ihn und stecke ihn in Brand. Obwohl er ja eigentlich etwas gegen Feuer hatte, so waren diese Flammen aus purem Verlangen geformt und vernichteten die kläglichen Überreste rationaler Gedanken, die ihn allerdings auch nicht davon abgehalten hätten, Soutas Bitte nachzukommen. Er sollte sich nicht von ihm entfernen? Das hatte er doch auch gar nicht vor! Im Moment kam es ihm so vor, als würde ihn keine Macht der Welt von Souta loseisen können - auch wenn das wahrscheinlich nicht stimmte. Wenn nun auf einmal der Museumsdirektor hereinspazieren würde, dann würde Souta ihn sicherlich selbst von sich herunter kicken, ebenso, wie wenn irgendjemand anderes sie störte. Wie der Kettenmagier schon richtig bemerkt hatte, hatte er selbst im Vergleich sehr wenig dagegen, wenn man ihm zusah, auch wenn er sicherlich nicht jeden zum Mitmachen auffordern würde, einfach weil er durchaus gewisse Standards hatte. Und alte Männer gehörten nun einmal einfach nicht in sein Beuteschema, welches eigentlich nur über Attraktivität definiert wurde. Seraphim sortierte nicht nach Alter, er hatte auch schon etwas mit Frauen gehabt, die seine Mutter hätten sein können. Zu seiner Verteidigung, hatten sie sich wirklich gut gehalten und einen gewissen Faktor besessen, den manch einer "das gewisse Etwas" nannte. Auch Souta hatte ihn, was vielleicht einer der Gründe war, warum er von ihm einfach nicht genug bekommen konnte. Mit allen Anderen ging ihm das so, nur mit dem Rothaarigen nicht. Natürlich kannte er den Körper da auf dem Holz besser als ein Einsiedler seine Hütte oder eine Frau ihre Handtasche, aber es war dennoch aufregend, ihn zu betrachten, verstehe der Teufel, warum. Als Souta zu lachen begann, wendete er kurz den Kopf, weil er eine Sekunde dachte, es wäre vielleicht wirklich jemand herein gekommen. Auch eine interessante Art, Einbrecher zu vertreiben, indem man nämlich direkt neben der Beute Dinge trieb, die nicht jedermanns Augen beglückten. Kurze Zeit später, als Souta erklärt hatte, warum er lachte, breitete sich ein Grinsen auf den Lippen des Dragonslayers aus, das vielleicht eine Spur anrüchiger war, als man gewohnt war. Fragte er ihn da gerade, ob er...? Oh, das war interessant. Normalerweise tat er das nicht, sondern ließ es andere für ihn tun, seltener Männer als Frauen, weil das bei denen dann doch besser aussah. Woran das lag, war ihm ein Mysterium, das er aber auch nicht unbedingt lösen musste. Ohne eine Antwort zu geben, richtete er sich ein wenig auf, sodass er auf Soutas Hüfte zu sitzen kam, die Knie links und rechts von ihm abgestützt, während seine Hand zu dem obersten geschlossenen Knopf seines Hemdes wanderte. Es hatte zwei Gründe gegeben, warum er sich für dieses Oberteil entschieden hatte und generell oft Hemden trug: Zum einen befanden sie sich hier in einem Museum, in dem man gefälligst ordentlich gekleidet erscheinen sollte, zum anderen hatte es durchaus Reiz, Knopf um Knopf zu öffnen, langsam, bedächtig, herauszögernd, um jede Sekunde mehr auszukosten und den Zuschauer warten zu lassen. Natürlich war das nicht gerade, was man von Besuchern eines Museums erwartete, aber der Weißhaarige war sich sicher, nirgends einen Paragrafen dagegen gefunden zu haben. Wahrscheinlich kam einfach kein spießiger, langweiliger Beamter auf die Idee, jemand könne so etwas versuchen. Ein gemurmeltes "Ungefähr so, Souta-chan?~" wurde gegen die Lippen des Rothaarigen gehaucht, während er den letzten Knopf öffnete und das schwarze Hemd wie ein Vorhang an den Seiten des Kettenmagiers gen Erde baumelte. Seit wann interessierte es ihn, wie es mit dem Zustand seiner Bekleidung aussah? Das war faszinierend... und sehr, sehr gut.

In den meisten Fällen war es gerechtfertigt, Soutas Geschick als geradezu 'übermenschlich' zu bezeichnen, da er – wie man wissen sollte, wenn man ihn beobachtete – dazu in der Lage war, seinen Körper in unmögliche Positionen zu verenken, so dass es fast schien, als würde er aus Gummi bestehen. Seine feinmotorischen Fähigkeiten waren ohne Konkurrenz und es wäre kein Problem für ihn, gefährliche Untergründe mit Saltos oder auf den Händen zu überqueren. Mit großem Ehrgeiz versuchte der Kettenmagier immer und überall als der Tollste und Großartigste zu wirken, und es war für gewöhnlich auch nicht sonderlich schwer, weil er einfach Dinge tun konnten, welche normalen Menschen als gottgleich vorkamen, aber es gab Situationen, in denen es jeden Beobachter klar wurde, dass der Rothaarige zwar gottähnliche Qualitäten aufweisen konnte, jedoch letztendlich nichts Anderes als ein Mensch war. Das beste Beispiel hierfür war Soutas nicht existente Koordinationsfähigkeit nach dem Aufwachen. Er mochte auf brennenden Seilen balancieren können und so schnell sein, dass man seinen Bewegungen mit dem bloßem Auge nicht mehr folgen konnte, sicher. Morgens war er ein besoffener, neugeborener Hundewelpe, gemischt mit einem Fohlen, das gerade die ersten Gehversuche macht. Es brauchte immer eine Weile, bis seine Systeme sich nach oben gefahren hatten, weil er aber ein ungeduldiger Mensch war, fiel er beinahe regelmäßig zu Beginn des Tages aus dem Bett, wo er dann ein paar Minuten liegen blieb und in seinem verschlafenen Saft schmorte, bis er endlich aufstehen konnte. Manchmal waren da auch Arme um seinen Körper geschlungen, die ihn davon abhielten, sich allzu weit zu entfernen, das war etwas äußerst Komisches für den Kettenmagier. Eigentlich war er nämlich nicht der Typ für Löffelchenliegen. Er hatte nichts dagegen, wenn eine nackte Frau die Nacht mit dem Gesicht auf seiner Brust verbrachte, oder auch auf seinem Oberarm, aber generell schlief er ja nicht in einem fremden Bett, um es sich besonders bequem zu machen, sondern um morgens so schnell wie möglich seine Kleidungsstücke einzusammeln und dann abzuzischen. Bei Seraphim war das ein wenig anders, weil einfach alles mit ihm 'ein wenig anders' sein musste. Es wäre irgendwie ziemlich dumm, aus dem Bett des Weißhaarigen zu flüchten, um sich dann eine Etage tiefer in sein eigenes zu legen, also konnte er zu solchen Gelegenheiten seinen im Anlauf befindlichen Kreislauf die Chance geben, ihn in einen Wachzustand zu versetzen, wie beispielsweise auch jetzt, wo er das Auge aufschlug und Sonnenlicht ihn dazu zwang, es schnell wieder zusammenzukneifen. Ein leichtes Stöhnen drang aus seinen Lippen, die er mit der Zunge befeuchtete, dann kippte er das Gesicht zur Seite und kräuselte die Nase, weil diese in weißen Haaren landete. Mit einem leisem Schmatzen und einem ziemlich bedröppelten Ausdruck im Gesicht stemmte er sich auf die Ellenbogen und versuchte sich erst einmal in dem kleinen Raum zu orientieren. Museum. Genau. Sein Kopf drehte sich nach hinten und er brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass das Diadem noch an Ort und Stelle war. Alles klar. Dann konnte er sich ja auf andere Dinge konzentrieren. Vorsichtig tastete er über seinen rätselhafterweise nackten Oberkörper, ergriff ein blasses Handgelenk und löste dieses von seiner Seite, ehe er es schön säuberlich neben sich platzierte. Ein Blick nach unten auf ein schwarzes Hemd und ein leichtes Heben dieses Kleidungsstückes veranlasste ihn, sich nach seinen Hosen umzuschauen, die – wie zur Hölle?! - am anderen Ende des Raumes an einer Wandlampe hingen. Eigentlich wollte er das gar nicht wissen. Wie spät war es? Nach dem Sonnenstand zu beurteilen war es noch frecht früh am Morgen – sonst wären ja auch schon Besucher da, die ihr blaues Wunder erleben würden – also konnte er sich leisten, aus dem Radius fremder Körperwärme zu krabbeln und mit dem Hemd als behelfnismäßiger Sichtschutz seine Kleidung einzusammeln, man wollte die Leute im Videoüberwachungsraum ja nicht für's Leben zeichnen. Als schließlich nur noch sein Shirt fehlte, er dieses aber nicht finden konnte und daher vermutete, dass der Himmelsmagier darauf lag, hockte er sich neben den Dragonslayer und stützte sich mit einer Hand auf dem Boden ab. „Yo, Seraphim“, meinte er mit rauer Morgenstimme und Bettfrisur, ehe er ihm in die Seite stupste. „Rück mein Shirt raus.“

Zu den paar Dingen, die man nicht tun sollte, wenn man den Nachtwächter mimte, gehörte eines auf jeden Fall: Schlafen. Und dennoch hatte der Weißhaarige zumindest gedöst, sich so nah an die mobile Heizung mit den roten Haaren klammernd, wie möglich, weil er ja schon keine Decke hatte. Es war jedoch nur ein kleines Risiko gewesen, da er selten tief schlief und man sich ganz bestimmt nicht an ihm vorbei schleichen konnte, um das Diadem neben ihnen zu stehlen. Ein tiefer Schlaf war in der Wildnis tödlich, denn was war schon wehrloser, als ein in Schlafparalyse steckender, knackiger Mensch, dem die meisten Raubtiere sicherlich nicht freundlicherweise seinen Schlaf gönnen würden. Es war tatsächlich erwiesen, dass sich ein schlafender Mensch nicht halb so gut wie ein wacher bewegen konnte, weil das Gehirn die Muskelfähigkeiten zum Selbstschutz eindämmte. Zwar gab es solche, die im Schlaf nicht nur herumschlagen, sondern auch mit Kuscheltieren werfen konnten, aber das war nun einmal nicht die Mehrheit. Die meisten Menschen lagen still, wenn sie schliefen und behielten diese Ruhe auch bei, was für Seraphim ebenso galt. Er wachte nur sehr schnell auf, wenn er das leiseste Geräusch hörte, welches er nicht erwartete. Wenn jemand neben ihm im Schlaf wimmerte, bekam er das nicht mit, schlich sich jedoch jemand auf ihn zu oder an ihm vorbei, schaltete sein Gehirn auf Wachzustand. Das war ein automatischer Prozess, der ihn allerdings schon mehrfach vor ärgerlichen Situationen bewahrt hatte. So wachte er nämlich auch meist vor denjenigen auf, die in seinen Armen lagen, was ihm die Möglichkeit gab, so schnell es ging, die Beine in die Hand zu nehmen und Hals über Kopf zu verduften. Wenn er das nicht tun musste - wie nun zum Beispiel, dann öffnete er oft nicht einmal die Augen, wenn diese Person aufwachte, sich aus seinem Griff wand und im Raum umherwanderte, um wahrscheinlich das aufzusammeln, was ihm vor einigen Stunden abhanden gekommen war. Wahrscheinlich gab es in diesem Museum entweder wirklich keine Überwachungslachryma oder sie waren aus einem unerfindlichen Grund nicht eingeschaltet. Wer es schaffte, hier erst einzudringen und dann Souta und Seraphim zu entkommen, der hatte es doch bestimmt auch vollbracht, solche Anlagen auszuschalten. Das war natürlich ganz in seinem Sinne, weil es ja wirklich zu Ärgernissen hätte führen können, wenn er hätte erklären müssen, warum genau man er in einem Museum, direkt neben dem Ausstellungsstück, welches er bewachen sollte, solche Dinge tat. Die Antwort wäre klar, aber wahrscheinlich nicht akzeptabel gewesen: Das war ganz normal für ihn. Fragten sich normale Menschen nicht ab und zu, ob sie sich ihre beengenden Moralvorstellungen nicht vielleicht von ihren Menscheneltern eingeprägt hatten? War es da verwunderlich, dass er das nicht so eng sah? "So weckst du mich?", fragte er und öffnete ein Auge, "Mit 'Rück mein Shirt raus'? Also wirklich, Souta-chan..." Er gähnte und fuhr sich mit dem Unterarm über das Gesicht, ehe er beide Augen öffnete, "Das geht doch bestimmt netter~" Dennoch richtete er sich auf und reichte dem Kettenmagier sein Oberteil, ehe er seine eigene Kleidung zu richten begann. Wie spät es wohl war? Wahrscheinlich würde es gar nicht einmal allzu lange dauern, bis der Museumsdirektor hier auflief und Seraphim hatte wenig Lust, ihm in diesem Zustand gegenüber zu treten. Kurz scannte er den Boden um sich herum, ob sie irgendetwas verräterisches hinterlassen hatte und stand dann auf. Er streckte sich, schüttelte seine Haare in (Un-)Form und machte dann einige tapsige Schritte in Richtung Ausgang. "Ich bin mal eben auf'm Klo...", murmelte er, bevor er das Foyer betrat. Dieses wurde durchquert, ebenso wie die Tür zur Herrentoilette, wo er erst einmal verblieb.

Natürlich hätte Souta seinen Freund netter wecken können. Er hätte ihn wachstreicheln können oder sein Ohr kitzeln oder so, aber er hatte sich dagegen entschieden, weil er das einerseits für etwas überflüssig hielt und andererseits ein wenig zur Eile animieren wollte. Die Sonne war wirklich schon recht weit am Himmel, es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis sie unterbrochen worden – und er wollte nicht, dass sich der Direktor darüber ereiferte, was sie hier getrieben hatten. Normalerweise hätte er Seraphim beispielsweise auch zur 'Begrüßung' geküsst und ihm so für die letzte Nacht gedankt, doch auch davon musste er absehen, weil er nämlich fand, dass morgendliches Küssen eines der ekligsten Dinge aller Zeiten war. Niemand wollte den Mund eines gerade Aufgestandenen schmecken, pieksen war daher die beste Variante. Dennoch rollte er mit dem Auge und warf dem verschwindenen Himmelsmagier eine Kusshand zu, um dessen Kommentar entsprechend zu würdigen, ehe er den Kopf durch den Kragen steckte und das leicht zerknautschte Kleidungsstück glattstrich. Daselbe versuchte er auch mit seinen Haaren, was ohne Wasser allerdings vermutlich eine sinnlose Aufgabe war. Kurz überlegte er, ob er dem Weißhaarigen kurz ins Klo folgen und seinen Kopf unter einen Wasserhahn stecken sollte, entschied sich dann aber dagegen, weil er stattdessen lieber darauf wartete, dass dieser Mr. Arthur auftauchte. Es sollte nicht allzu lange dauern. Souta hatte es gerade geschafft, die morgens unendlich schwer erscheinende Aufgabe zu bewältigen, seine Schnürsenkel zu binden, als er Schritte auf dem Gang hörte. Schnell warf der Rotschopf einen Seitenblick auf eine spiegelnde Vitrine, rollte einmal mit den Schultern und brachte seine Haare zumindest ansatzweise in Ordnung, dann trat er auf den Gang hinaus, genau im richtigen Moment, um einem besorgt aussehenden Direktor in die Arme zu laufen. Buchstäblich, er rannte ihm nämlich direkt gegen die Brust und verursachte ein verwirrtes „Uff“-Geräusch von Souta, der instinktiv eine Hand ausstreckte und den schlanken Mann festhielt, der ihn nur kurz betrachtete und dann an ihm vorbei in den Raum wuselte, aus dem der Kettenmagier gerade gekommen war. Er hörte ein freudiges Jauchzen und folgte dem Typ, der das Diadem mit einem Blick anstarrte, als wolle er es demnächst heiraten. Na ja, wenn er wollte. „Guten Morgen. Es ist noch da, wie Sie sehen.“
Souta steckte die Hände in die Hosentaschen und lehnte sich an die Tür, weil er gerade noch nicht in Stimmung war, sich eigenständig irgendwohinzubegeben oder sein Körpergewicht hochzuhalten. Das schien den Direktor allerdings nicht wirklich zu stören – er schaute ihn nicht einmal wirklich an, sondern wedelte eher mit der Hand. „Ja, ja. Kommt heute Abend wieder. Macht nicht zuviel Dreck beim Rausgehen.“ Außerordentlich freundlich. Man wollte diesen Typen wirklich knuddeln ...

Seraphim lief dem Museumsdirektor nicht noch einmal über den Weg, ehe er mit Souta das Gebäude verließ und damit den ersten Besuchern des Tages entgegen kam. So wie er das verstanden hatte, hatten sie nun noch eine Nacht in diesem Museum abzusitzen, ehe sie sich ihre Belohnung abholen konnten und sich der nächsten Aufgabe zuwenden konnten. Oder auch nicht, denn wenn er ehrlich war, so hatte er große Lust, in nächster Zeit mal ein wenig die Beine baumeln zu lassen. Der Hauptgrund, aus dem er überhaupt arbeitete war die Beschaffung von genügend Ansehen für seine Gilde und er fand, dass er mit der Übernahme dieser Quest schon genug geopfert hatte, um in den nächsten paar Tagen nichts dergleichen zu tun. Er fand es immer eine Zumutung, wenn Auftraggeber sich wie die letzten Trampel verhielten, weil sie von dem Standpunkt herunter kommen sollten, dass sie bezahlbare Sklaven gemietet hatten. Es lag nicht in der Natur der Dinge, dass eine Quest immer sofort einen Deppen fand, der sie erledigte und wenn man großes Pech hatte, wurde solch eine Aufgabe auch nie erhört. Es war deswegen ausgesprochen nett, dass sich zwei so hochkalibrige Magier zu solch einer kindischen Aufgabe herabließen, sodass man ihnen eher mit Freundlichkeit und Respekt gegenüber treten sollte und nicht mit dem grenzwertig senilen Gehabe eines Diademsüchtigen. Bei dem Kauz war es ja schon verwunderlich, dass er nicht im Lendenschurz über den Boden hoppelte und "Mein Diadeeeem!" rief, um zum großen Finale in die brüllend heißen Tiefen eines plötzlich aufklaffenden Vulkans zu stürzen. Das war der Stoff, aus dem fantastische Romane geschmiedet wurden, aber leider entsprachen diese nicht ganz Seraphims Geschmack. Er war es gewohnt, mit Anerkennung überschüttet zu werden, da war die Lächerlichkeit und eindeutige geistige Verwirrung des kleinen Männchens auch keine ausreichende Kompensation.

Der Tag der beiden Magier war wenig besonderes. Seraphim stellte Zuhause angekommen fest, dass seine Wohnung einen grundlegenden Hausputz vertragen könnte und verbrachte einige Stunden damit, zu fegen, Staub zu saugen oder ähnliche Aktionen durchzuziehen. Ein Wäschekorb voll leicht muffiger, verknitterter Wäsche wurde in sauber gefaltete, strahlend reine Stapel verwandelt und eine Portion Spaghetti verspeist, denen er den letzten Schliff mit einer gewürzreichen Tomatensoße gegeben hatte. Alles in allem als ein recht normaler Tag, an dessen Ende er mit einem gut geschriebenen Buch auf seiner Dachterrasse in einem Liegestuhl lag und sich die Strahlen der untergehenden Sonne auf den Bauch scheinen ließ. Das natürliche Farbschauspiel war immer wieder sehenswert und von diesem Punkt wirklich gut zu beobachten. Wenn er ein Fernglas besessen hätte, könnte man von hier sogar in einige Fenster der Häuser gegenüber von ihm und auf die Haupteinkaufsstraße der Stadt spannen, aber ganz so krankhaft war er in dieser Hinsicht ja zum Glück doch nicht. Es war hier draußen so schön frisch, dass er an dieser Stelle an einem Motivationstiefpunkt angelangt war, sich jemals wieder zur Nachtwache in dieses Museum zu schwingen. Es wäre nämlich viel entspannender, einen kleinen Nachtspaziergang zu unternehmen, an dessen Ende man auf einer leicht erleuchteten Brücke landen könnte, um sich die Stadt von diesem luftigen Aussichtspunkt anzusehen. Es war ein großer Vorteil, fliegen zu können, denn so konnte man Orte erreichen, die sonst nicht besucht waren. Einsamkeit war, wenn man sie denn selbst gewählt hatte, etwas wirklich schönes.
Da er aber nervigerweise im Hinblick auf Quests doch mehr Arbeitsmoral besaß, als man hätte vermuten können, sprang er irgendwann mit einem Seufzen vom Dach und landete wie auf Federn unten vor dem Haus. Wie Souta von oben herunter kommen wollte, war ihm egal, aber da dieser ja außergewöhnlich schnell war, sollte es kein Problem darstellen, die Treppen herunter zu fetzen. Der Weg zum Museum war nicht weit, sodass sie auch an diesem zweiten Tag ihrer Nachtwache pünktlich da waren - und der Direktor war wieder nicht anwesend. Nachdem er sich umgeguckt hatte, ob er ihn nicht vielleicht zufällig übersehen hatte, verabschiedete er sich jedoch, um eben noch einmal die Toilette aufzusuchen, die, wie er gestern bemerkt hatte, in recht gutem Zustand war. Das bedeutete zwar nicht, dass er sich nun vor allem auf dieser aufhalten würde, aber es schreckte ihn zumindest nicht ab.

Es gab Menschen, die freie Tage mit guter Lektüre, einem Balkon und leckerem, selbstgekochtem Essen verbrachten. Es gab aber auch Menschen, die nach zwei Schritten in ihre Wohnung alle Hüllen fallen ließen, sich in die Dusche begaben und dann den Rest des Tages mit Schlabbershirt und Boxershorts bekleidet verbrachten. Irgendwann wärmten sich solche Menschen heißes Wasser für eine Fertigsuppe und legten sich zusammen mit einer Tüte puffiger Chips mit Schinkenspeckgeschmack auf die Couch, um ein außerordentlich langes Nickerchen abzuhalten. Souta schaffte es gerade so, rechtzeitig zum Aufbruchstermin aufzuwachen, sich irritiert Krümel vom Bauch zu wischen und dann in eine Jeans zu steigen, weil die Uhr an der Wand ihm verriet, dass er seine Geschwindigkeit einsetzen musste, um rechtzeitig vor der Haustür aufzutauchen. Nach einem Blick an sich hinab entschied er sich allerdings dafür, dass er sich obenrum noch einmal umziehen musste, so dass er letztendlich in einer Art Holzfällerhemd und mit einer Papiertüte, die sein Abendessen enthielt, was essentiell aus Sandwiches bestand, die Treppen hinunterlief. Umso besser, dass Seraphim dort schon auf ihn wartete, so konnten sie ohne Unterbrechungen den kurzen Weg zum Museum zurücklegen, der aus einem alten Sportler wie Souta keinen Schweißtropfen locken konnte, so dass sie sich recht bald wieder in der Eingangshalle zurechtfanden, die ohne Direktor war. Seraphim verabschiedete sich direkt wieder auf's Klo, was den Rotschopf nicht übermäßig interessierte. Na ja, vielleicht hatte dieses Gebäude ja eine tolle Toilette oder so, er wusste es nicht und hatte auch vorerst kein Bedürfnis, sich die Inneneinrichtung dieses Raumes anzusehen. Wenn es soweit war, würde er das schon bemerken. Bis dahin platzierte der Rothaarige seine Papiertüte unter seine aufgehängte Jacke und schaute sich in dem Raum um, auf der Suche nach ihrer Kontaktperson. Diese war zwar furchtbar unsympathisch, aber man konnte sich ja nicht aussuchen, für wen man arbeitete. Na ja, natürlich suchte man sich die Quests aus, die man bewältigen wollte, aber es war ja nicht so, dass man seinen temporären Boss vorher kennen lernte, was natürlich das Ärgernis beinhaltete, ins kalte Wasser geschmissen zu werden. Manche Auftraggeber waren ganz nett und stellten sogar Verpflegung zur Verfügung, andere behandelten einen wie Sklaven und konnten nicht achten, welch wichtige Personen ihnen da begegneten. Sie konnten einen Tsunami aufhalten, dieses Diadem zu beschützen sollte keine große Sache sein, daher war es eher ihr guter Wille, diesen einfachen Auftrag zu bewältigen. Als Souta Schritte hörte, dachte er zunächst an Seraphim, fand aber beim Umdrehen heraus, dass es sich bei der sich nähernden Person in Wirklichkeit um den Museumsdirektor handelte, der, mit zwei hübschen Gläsern und einem freundlichen Lächeln bewaffnet, auf ihm zulief und diesmal sogar vor ihm stehen blieb, bevor sie aneinanderstoßen konnten. Irgendwie wirkte er netter als zuvor. Vielleicht hatten seine Vorgesetzten ihn ja zusammengefaltet, weil er sich beschwert hatte? Vielleicht war er auch einfach dankbar, dass sie sein Diadem bewahrt hatten … Es kümmerte Souta nicht sonderlich. Er war froh, wenn man freundlich zu ihm war, das machte es ihm leichter, das selbst auch zu sein. „Guten Abend! Wo ist denn Ihr Partner?“ Dieser Herr Arthur grinste und warf einen suchenden Blick durch die Halle, der letztendlich an Souta hängen blieb. Der Kettenmagier kratzte sich am Hinterkopf, weil er nicht so recht wusste, wie er das letzte Wort der Frage interpretieren sollte oder wollte. „Er ist gerade auf der Toilette, müsste gleich kommen.“
Darauf bekam er ein strahlendes Lächeln. „Wunderbar! Ich möchte mich für mein respektloses Verhalten von vorhin entschuldigen und habe deshalb eine leckere kleine Entschädigung für euch beide vorbereitet.“ Er hielt Souta das lange Glas hin, was mit einer schmackhaft aussehenden, rötlichen Flüssigkeit gefüllt war, und der Rothaarige nahm es an sich, weil es nach Kirschen roch und er nichts gegen diese Früchte hatte. Wenn ein wenig Alkohol da drin war, umso besser. „Danke.“ Weil der Direktor irgendwie erwartungsvoll aussah und noch kein Himmelsmagier in Sicht war, setzte er das Getränk an die Lippen und trank es aus. Das war vermutlich nicht die höflichste Art, spendierte Cocktails zu verschlingen, aber er hatte ja keine Ahnung davon und betrachtete stattdessen den Glasboden mit leicht gerunzelter Stirn. Da war kein Alkohol drin, aber es hatte einen merkwürdigen Nachgeschmack. Offenbar war dieses Kirschzeug ziemlich künstlich gewesen, aber na ja. Souta versuchte ein Gurgeln seines Magens, indem er eine Hand auf die Stelle legte zu unterdrücken und zwang sich zu einer freundlichen Grimasse, obwohl das die scheußlichste Brause gewesen war, die er je getrunken hatte. So war das eben auf miefigen Quests. Nicht einmal das Catering taugte etwas. „Wirklich sehr … freundlich.“

Als Seraphim von der Toilette zurück kam, war der Direktor schon wieder verschwunden, sodass er im ansonsten leeren Foyer nur Souta und ein Glas mit roter Flüssigkeit vorfand, das dort vorher nicht gewesen war. Wahrscheinlich bedeutete das, dass Mr. Arthur schon gekommen und sich wieder verabschiedet hatte, was ihm ehrlich gesagt nur recht war. Er war nicht besonders gut auf diesen Mann zu sprechen, also war es vollkommen in Ordnung, wenn er sich von ihm fern hielt, das ersparte ihnen beiden eine Konfrontation, in der es sicherlich schon bald um Grundlagen gehen würde. Menschen, die so vollkommen unterschiedlich dachten, konnten oft nicht miteinander umgehen, das war ähnlich wie solche, die einander zu ähnlich waren. Souta war zwar auch nicht unbedingt ein Hort der Diplomatie, aber er ging dennoch oft wohl meinender an seltsame Menschen heran, als der Dragonslayer, der sie eher noch dafür verurteilte, dass sie ihm nicht in den Kram passten. Wie konnte man es auch wagen, ein Alter und Aussehen zu besitzen, das ihn sofort abschreckte, anstatt ihn anzuziehen und wie konnte man es nur mit einem solchen Charakter kombinieren? Das war wie als würde man Kotze auch noch mit anderen menschlichen Ausscheidungen kombinieren und sich fragen, warum alle einen weiten Bogen drum machten. Unverständlich. Mit einem Lächeln auf den Lippen näherte er sich Souta und setzte sich rücklings auf den Tresen, der ansonsten wohl als Kasse verwendet wurde, neben das Glas, dessen Inhalt irgendwie komisch roch. "War der Alte schon da, Souta-chan?", fragte er, nur um sicher zu gehen und nahm dann das Glas in seine Hand, um es misstrauisch zu mustern. Vorsichtig schnupperte er daran und beschloss sofort, nichts davon zu trinken. Auch diesen Geruch konnte er nicht einwandfrei zuordnen, aber er erschien ihm nicht ganz koscher, was, wenn das Getränk tatsächlich von dem Direktor kam, ein alarmierendes Zeichen war. Er würde doch sicherlich nicht gerade denjenigen, die er als Nachtwächter für sein komisches Diadem angeheuert hatte, ein schlechtes Getränk unterjubeln, oder? So verrückt er auch war, das grenzet nun wirklich an Dummheit. "Hast du davon schon was getrunken?", fragte er und prüfte die Flüssigkeit stirnrunzelnd, indem er sie gegen das Licht hielt. Irgendwie war sie leicht trüb, als ob man eine Brausetablette oder so etwas hineingeworfen hätte. Wahrscheinlich hatte er das sogar, den alte Menschen kamen ja ab und an auf komische Ideen... ein fürstliches Getränk würde er das nun wirklich nicht nennen. Das hätte er allerdings auch nicht erwartet. Nun blieb nur noch die Frage offen, ob es vielleicht einfach ein schlechtes, künstliches Aroma war, denn wenn er richtig lag, dann hatte Souta davon schon getrunken, dann würden sie ja sehen, was passierte. Der Rothaarige konnte eben nur selten Dinge abschlagen, die man ihm gab… er wäre das perfekte Opfer für einen Giftmörder. Vielleicht sollte er ihm das mal sagen…

Souta fühlte sich … merkwürdig. Es war ohne Zweifel eine seiner größeren Schwächen, dass er zu freundlich zu den Menschen in seinem Umfeld war und alle möglichen Nahrungsmittel von Fremden annahm, weil er immer hungrig war und zu manchen Leuten einfach nicht „Nein“ sagen konnte. Im ersten Moment hatte er sich zwar gefragt, was dem Direktor dazu veranlasst hatte, ihnen etwas zu trinken anzubieten, doch er hatte sich dabei nichts gedacht und einfach so das komische Glas leergemacht. Wie sollte er auch darauf kommen, dass der alte Mann etwas in dieses Zeug gemischt haben könnte, wo er doch keinen Superzinken hatte? Er hatte sich darauf verlassen, dass dieser Arthur-Typ sie in gesunder Verfassung wollte und ihnen lediglich ein kleines Geschenk angeboten hatte, etwas, was sie für seine unhöfliche Art entschuldigen sollte. Es wäre kein nettes Zeichen gewesen, das Getränk auszuschlagen, also hatte er sich eben dazu gezwungen, es zu trinken. Und nun hatte er ein eigenartiges Gefühl in der Bauchgegend. Es war nicht so, als hätte er getrunken, diese Sensation kannte er zur Genüge, aber es fehlte ihm irgendwie trotzdem ein wenig die Kontrolle über seinen Körper. Plötzlich schien sich die Welt sehr schnell zu drehen und zu verbiegen, so dass er auch nicht bemerkt hatte, wie sich die Personenzusammenstellung änderte und Seraphim auf der Theke Platz nahm. Souta war zu beschäftigt damit, sich darauf zu konzentrieren, das aufkeimende Übelkeitsgefühl zu bekämpfen, welches die plötzliche Fehlfunktion seines Auges verursacht hatte. Seine Zunge schien aus Pelz zu bestehen und er wackelte ein wenig an seiner Stelle, fing sich für einige Sekunden wieder, ehe das Ganze schon wieder losging. Panik begann in ihm aufzusteigen. Ein Teil seines Hirns konnte diese ganzen Symptome verarbeiten und sagte ihm, dass er gerade etwas getrunken hatte, was nicht in den menschlichen Körper gehörte, vielleicht sogar Gift gewesen war, doch er konnte keinen ordentlichen Satz fassen, weil ihm schlecht und schwindlig war. Eine Welle an Schwummrigkeit schwappte über ihn hinweg und Souta fand sich nach Halt suchend an der Theke wieder, umklammerte dessen Kante wie ein Matrose die Reling eines extrem schaukelnden Schiffes. „Ja ...“. beantwortete er viel zu spät die Frage des Weißhaarigen, und er hob den Blick, schien in diesem Moment erst zu erkennen, dass der Direktor ja gar nicht mehr da war. Etwa drei Sekunden lang war sein Auge vollkommen glasig, ehe es sich wieder auf den Dragonslayer fixierte und er ihm leicht entgegenwankte. „Mir ist … komisch ...“, brachte er hervor, weil er das Gefühl nicht ganz einordnen konnte, es aber auf jeden Fall nicht allzu positiv zu bewerten war. Was zur Hölle hatte dieser Typ ihm nur gegeben? Hatte er ihn vergiftet? Er wollte nicht sterben … Zumindest nicht auf eine so lächerliche Weise, weil er dumm genug gewesen war, das merkwürdige Getränk einer noch merkwürdigeren Person zu trinken. Vielleicht … Nein, er konnte gerade keinen Gedanken fassen, dafür drehte sich die Welt viel zu sehr … seit wann waren seine Hände eigentlich grün?

Ein ganzer Glockenturm begann in Seraphims Kopf Alarm zu schlagen, als der Rothaarige seltsam ungelenk herum schlenderte. Eigentlich war man von ihm höchste Präzision und geradezu unerreichte Kunstfertigkeit im Umgang mit seinem Körper gewöhnt, sodass es in höchstem Maße beunruhigend war, dass er nun dermaßen schluderte. Es musste dieses verdammte Getränk gewesen sein, was den Dragonslayer dazu veranlasste, das Glas vielleicht etwas kräftiger als nötig abzustellen und weit von sich zu schieben, ehe er vom Tresen herunter glitt und Souta entgegen stürzte, um ihn zu stützen und ihm zu dem nächsten Stuhl zu helfen, damit er sich dort niederlassen konnte. Das nervige war, dass er keine Vergiftung auskurieren konnte, sollte es sich um eine solche handeln, dafür fehlte ihm das nötige Know-how. Es hatte ihn doch nie wirklich interessiert, so etwas zu lernen und nun ging es Souta schlecht, ohne dass er etwas dagegen tun konnte... oh je. "Souta-chan, hast du Schmerzen?!", fragte er mit aufgeregter Stimme und legte die Hand auf die Stirn des Kettenmagiers. Nun, wenigstens hatte er kein Fieber, aber auch das konnte noch kommen, immerhin war noch nicht viel Zeit vergangen, seit er das Zeug geschluckt hatte. Das bedeutete, vielleicht... Er raffte den Kettenmagier wieder hoch und schleppte ihn in Richtung Badezimmer, mit dem klaren Ziel vor Augen, dafür zu sorgen, dass er seinen Mageninhalt wieder loswurde. Das hatte doch auf dem Kreuzfahrtsschiff auch wunderbar geklappt, zur Not würde er ihn so lange hin- und herwiegen, bsi er sich von ganz alleine übergeben würde. Wenn das nicht klappte, konnte man sich immer noch was in den Rachen stecken - ach nein, das funktionierte bei Souta nicht - oder Seife essen. "Wir müssen dieses Zeug loswerden, keine Ahnung, was das war, aber gesund kann es nicht sein...", zischte er, während er die Tür auftrat und Souta in Richtung des Klos bugsierte. "Denk dir einfach, das hier wäre ein Schiff...", meinte er und ließ ihn vor der Schüssel zu Boden sinken, bevor er die Klobrille hochklappte und ihm die Haare aus der Stirn strich. Hoffentlich war der Stoff, der sich in diesem Glas befunden haben musste, nicht schon längst komplett in seine Blutbahn aufgenommen worden, sodass das hier nichts mehr brachte, aber versuchen konnte man es ja wenigstens. Wenn sich sein Zustand rapide verschlechtern würde, würde er ihn ins Krankenhaus der Stadt bringen, vollkommen egal, ob er das Diadem dabei zurück lassen musste. Vielleicht konnte er es auch einfach selbst entwenden und es danach einfach wieder zurückbringen, schließlich würde der kleine Museumsdirektor ja wohl kaum das Nachts seinen Schatz besuchen gehen, oder? Es war nicht besonders groß und würde deswegen mit etwas Glück in seine Tasche passen, sodass er wirklich darüber nachdachte, dem St. Draco Hospital doch noch einen Besuch abzustatten, wenn Souta nicht bald Anzeichen dafür zeigte, dass es vielleicht doch kein tödliches Gift gewesen war, das man ihm untergejubelt hatte…

Irgendwann auf dem Weg vom Stuhl zum Badezimmer, dessen Einrichtung er nun doch bewundern durfte, wurde Souta klar, dass er nicht vergiftet worden war. Seraphim, der gerade eher an ein aufgeregtes Hühnchen erinnerte, das an ihm herumzupfte und ihn durch die Gegend zerrte, obwohl sich sowieso schon alles drehte, hatte ihn gefragt, ob er Schmerzen hatte – aber das war nicht der Fall. Keine stechenden Kopfschmerzen, keine Schweißausbrüche und auch keine Bauchkrämpfe, nur das Gefühl latenter Übelkeit, das an Schwindel erinnerte, ihn aber nicht dazu bringen würde, sich zu übergeben. Allgemein konnten das nur wenige Dinge – er hatte keinen wirklich gut ausgeprägten Würgereflex und würde keine Seife essen, selbst wenn der Weißhaarige sie ihn aufzwingen würde. Wie ein nasser Kartoffelsack hing er an seiner Schulter und schaukelte durch den Gang, wobei ihm die Rillen im Parkett wie unüberwindbare Schluchten vorkamen und seine Füße immer wieder abrutschten. Im Bad angekommen, gelangte er irgendwie vor eine Kloschüssel und schaute einen Moment lang vollkommen ausdruckslos auf das Wasser darin, welches sich interessanterweise nicht bewegte, dann schoss seine Hand nach oben und schnappte sich das Handgelenk des Älteren, der an seinen Haaren herumstrich. Wenn er zwei Augen gehabt hätte, hätte er wohl nun geschielt, als er dessen Finger betrachtete. Seine Auge wurde riesengroß und er beugte den Zeigefinger ohne Widerstand zu dulden nach vorne, ließ ihn vor seinem Gesicht tanzen. Nur ganz, ganz langsam kamen die Worte des Anderen in seinen Ohren an. Er sollte das Zeug loswerden? Aber er wollte sich nicht übergeben … Das war ekelhaft. Es ging ihm nicht so schlecht, dass er gleich sterben musste. Verwirrt blinzelnd lehnte er sich gegen die Kabinenwand und legte den Kopf schief. Vor seinem Auge tanzte das Deckenlicht in vielfarbigen Schneeflocken und Seraphims Tätowierung verschwamm mit dem Rest seines Gesichtes zu einem merkwürdig violetten Brei, klärte sich wieder und war dann wunder, wunderschön. Souta schaute den Himmelsmagier beinahe ehrfürchtig ins Gesicht und hob dann eine Hand, um seine Wange zu tätscheln. „Keine Sorg'n.“ Er nuschelte fürchterlich, fiel gegen die Kabinenwand zurück und runzelte die Stirn, weil der Klodeckel sich gerade in eigenartigen Mustern verbog. „Hahaha … misch. Had misch.“ Er schüttelte den Kopf, hakte einen Finger in seinen Mundwinkel ein und zog daran, bis man ein paar seiner Zähne sehen konnte, dann fasste er sich wieder. „Drog'n“, presste er hervor, scheinbar unter gewaltiger Anstrengung, wodurch sich sein Auge irgendwie nach oben richtete und er die unsichtbaren Flocken aus der Deckenlampe mit der Hand zu grabschen versuchte, vollkommen unkoordiniert, was für ihn äußerst untypisch war. „Ich will nich' kotz'n … 'S stinkt. Sssseaphim küsst mich nich', wenn ich stinke … Ssssephim.“ Seine Sprechfähigkeit verabschiedete sich gerade, aber er versuchte, zumindest ein Wort herauszubringen, während er plötzlich daran denken musste, dass er hier auf dem Klo war und sie eine Quest erledigen mussten. Sie mussten auf das Diadem aufpassen, deshalb würde sein bester Freund gleich gehen und ihn alleine lassen. Das durfte er nicht tun, hier drehte sich alles ... "Bleib hia ..." Wimmerte er gerade? Was war in diesem Getränk gewesen ...