Langsam entspannte Seraphim sich wieder, als er bemerkte, dass Souta zwar absolut derangiert war, aber offenbar nicht in direkter Lebensgefahr schwebte. Er war sich ziemlich sicher, dass er etwas anders reagieren würde, wenn es ein Gift gewesen wäre, das die Flüssigkeit in dem Glas getrübt hatte, zum Beispiel waren Schmerzen eben denkbar gewesen. Der Kettenmagier schien gesundheitlich allerdings vollkommen in Ordnung zu sein, was ein Gift zwar nicht ausschloss, aber immerhin unwahrscheinlicher machte. Es gab zwar solche Substanzen, die erst nach mehreren Stunden zu wirken begannen und danach schnell zum Tode führten, aber hierbei konnte man wohl kaum von einer langsamen Wirkung sprechen, immerhin lallte der Kettenmagier und wirkte seltsam orientierungslos. Der Dragonslayer beobachtete, wie Souta einige seltsame Verrenkungen vollführte und dann spekulierte, dass in dem Getränk wohl Drogen gewesen waren, was er als sinnvolle Theorie abnickte, immerhin konnte das wirklich gut sein. Er wusste zwar nicht, was genau der Kettenmagier sah oder wie er sich im Detail fühlte, aber da er im Vollrausch schien, mochte Rauschgift wirklich angehen. Die Frage war nur, wie dieser Kerl bloß auf die Idee kam, den Wächtern seines kostbaren Diadems eine Substanz zu verabreichen, die ihre Fähigkeit, diese Aufgabe auszufüllen, deutlich minderte. Vielleicht war er einfach wirklich total Banane oder er hatte einen Grund dafür, der über Jux hinaus ging. Vielleicht stellte er diese verbotene Substanz her und brauchte einfach Testobjekte? Oder er hatte vor, die Gilde zu diffamieren und setzte sie deswegen außer Gefecht... was es auch war, der Weißhaarige konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er damit etwas Gutes im Schilde führte. Eigentlich sollten sie aus Protest gehen und das Diadem seinem Schicksal überlassen, vielleicht sollten sie es sogar selbst stehlen und bei irgendeinem Hehler verticken, denn das würde diesem Mann echt recht geschehen. Das einzige Problem, das Seraphim davon abhält, war, dass er diese Quest erfolgreich beenden wollte. Den Direktor würde er sich danach natürlich vorknöpfen, dass ihm Hören und Sehen verging, aber momentan mussten sie auf das Schmuckstück aufpassen, was wiederum hieß, dass er bald zu diesem zurück kehren musste. Zur Not musste er Souta eben auf diesem Klo zurücklassen, da war er immerhin mit fließendem Wasser und einem Abort versorgt, sollte er sich das mit dem Kotzen doch noch anders überlegen. Da wimmerte der Kettenmagier etwas von wegen, er solle hier bleiben und brachte ihn dazu, innezuhalten und auf ihn hinab zu blicken. Er konnte ihn nicht alleine hier lassen, aber er konnte auch nicht hier bleiben, was bedeutete, dass er ihn wohl oder übel mit zum Diadem nehmen musste. "Komm, du Held...", grinste er und schlang den Arm des Rothaarigen um seine Schulter, um ihm aufzuhelfen und ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken, ehe er mit ihm im Schlepptau den Weg durch das Museum antrat.
Das unheilvolle, zweite Glas stand nach wie vor unberührt auf dem Tresen und Seraphim warf ihm einen bösen Blick zu, als er daran vorbei schlurfte. Vielleicht sollte er den Inhalt einsacken, um ihn jemandem zur Analyse zu geben. Wenn er herausfinden konnte, was genau man dem Kettenmagier untergejubelt hatte, konnte er ja vielleicht dafür sorgen, dass ein gewisser Museumsdirektor an einer Überdosis desselben Zeugs starb, natürlich ohne dass er in der Nähe gewesen war. Es war nun einmal nicht in Ordnung, Souta so etwas anzutun, auch wenn er immerhin noch am Leben war. "Wir bleiben heute einfach die ganze Zeit im Raum mit dem Diadem.", setzte er auf halbem Weg fest und betrat die Mittelalterausstellung, "Dann wird niemand auch nur ansatzweise die Möglichkeit haben, an das Ding zu kommen." Er sollte zudem aufpassen, dass Souta nichts kaputt machte, denn er wankte ganz schön herum...

Zu seiner Schande – oder seinem Stolz, je nachdem, wen man fragte – war Souta schon einige Male im Leben richtig, richtig betrunken gewesen. Er sah sich häufig Dingen gegenübergestellt, über die er nicht nachdenken konnte, da war es immer eine Art Trost gewesen, sich einfach soviel Alkohol hineinzuschütten, bis ein Großteil seines Hirns auf Sparmodus lief. Frauen, die man sich sonst nicht einmal angesehen hätte, wurden durch einen zunehmenden Rauschzustand unglaublich attraktiv und man fand sich gerne einmal in einem komplett fremden Bett irgendwo am anderen Ende von Fiore und wusste nicht, wie man dorthin gekommen war. Souta hatte Erfahrung mit dem Zustand des Betrunkenseins. Er vertrug viel. Aber das hier war anders. Der Kettenmagier hatte noch nie in seinem Leben Drogen genommen oder irgendetwas in diese Richtung versucht, obwohl er als Teenager kurzzeitig Zigaretten für sich entdeckt hatte, daher kam sein Trip vollkommen unerwartet und so wuchtvoll, dass er nichts Anderes tun konnte, als sich beinahe panisch an Seraphim zu krallen. Alles in seiner Umgebung war eine wirbelnde, wuselnde Spirale an Farben und er fühlte sich, als hätte man ihn angezündet, obwohl er nicht heiß war. Einerseits wollte er sich bewegen und herumtanzen, andererseits hatte er das dringende Bedürfnis, sich irgendwohin zu legen und noch mehr zu schlafen. Sein Körper reagierte dafür mit einem Wanken, bei dem er immer wieder gegen Seraphim stieß, bis er sich einigermaßen stabilisiert hatte und an ihm hing wie ein Klammeraffe. Es war wohl in diesem Falle das Glück des Älteren, dass er ein solches Fliegengewicht war, sonst hätte er ihn am Ende noch verletzt und das war das Letzte, was er wollte, selbst wenn er das momentan nicht wirklich kontrollieren konnte. Der Raum kam ihm ein wenig vor, als wäre er kleiner geworden, doch das konnte auch nur eine Illusion sein, so wie er sich gerade nicht einmal ganz sicher war, dass der Himmelsmagier neben ihm real war. Sollte er ihn zwicken? Nein, vielleicht ließ er ihn dann los und er würde in einen der Parkettbodenritzenabgründe fallen und niemand würde kommen, um ihn zu retten. Der Rotschopf schloss für einen Moment das Auge, weil sich gerade alles einmal kippte, und er fragte sich, ob er vielleicht doch wieder ins Badezimmer zurückwollte, doch dann hatte sich sein Verdauungstrakt auch schon wieder beruhigt und er nickte sich selbst zu, weil er der Herr seiner Eingeweide war. Irgendwann würde er auch wieder der Herr seiner Bewegungen sein, bei seinem Stoffwechsel sollte das nicht allzu lange dauern, aber bis dahin musste er sich an Seraphim klammern, vor dem er sich gerade wahrscheinlich unglaublich blamierte, aber was sollte er dagegen schon tun, er konnte nicht einfach wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, dafür flog er viel zu hoch. „Sssephim is' so nett su~mia.“ Er wollte damit im Essentiellen ausdrücken, dass er die Hilfbereitschaft des Dragonslayers würdigte, sabberte aber eher gegen seinen Hals, was der Aussage vielleicht etwas weniger Emotion verlieh. „'S dea Grund, warum Souta keine Frau'n mehr flaaaachlegt.“ Er grinste und lachte kurz, ehe er versuchte, ein paar Schritte alleine zu gehen, was, wenn der Andere das zulassen würde, vermutlich im ulkigsten Entenwatscheln aller Zeiten enden würde. Er würde diesen Direktor so fertigmachen, wenn er wieder klar denken konnte – vorausgesetzt natürlich, er würde sich an irgendetwas erinnern, was in diesem Zustand passierte.

Seraphim war sich nicht sicher, inwiefern Souta eigentlich bemerkte, was er da lallte und wie es wohl mit dem Wahrheitsgehalt seiner Worte stand. Konnte man einen Rothaarigen, der halb auf ihm hing und ihm den Kragen seines Hemdes vollsabberte, für voll nehmen, wenn er behauptete, er würde momentan keinen intimen Kontakt zu Frauen pflegen - seinetwegen? Es verunsicherte ihn, dass der Kettenmagier so etwas behauptete, weil er nicht ansatzweise einschätzen konnte, wie diese Drogen nun genau auf ihn wirkten. Es gab in dieser Hinsicht nämlich eine ganze Palette von Substanzen, die unterschiedliche Wirkungen auf den Tester hatten. Es konnte passieren, dass man das Gefühl bekam, die Umgebung verschwimme, dass sie kontur- und formlos wurde, der Himmel sich grün färbte und die Blumen auf einmal zu singen begannen. Mit ein wenig Glück hatte man Souta etwas eingegeben, was ihn dazu brachte, albernes Zeug zu lallen, wie er gerade lustig war, mit ein wenig Pech sagte er gerade die Wahrheit. Das würde ihm Angst machen. Bisher waren die Dinge in seinem Kopf zwar ein wenig traurig, aber dafür umso sicherer gewesen: Er liebte Souta, dieser liebte vor allem sich selbst. Sie vegetierten ein wenig aneinander vorbei, hatten ab und an oder öfter Spaß miteinander und taten ansonsten alles so, wie sie es auch schon vorher getan hatten. Der letzte Punkt traf zumindest mit Einschränkungen auf ihn selbst zu, weswegen er erwartet hätte, dass sich da bei dem Kettenmagier auch wenig geändert hatte. Natürlich war er umgezogen und wohnte nun direkt über ihm, aber das war doch nur eine Kleinigkeit, wenn man sie mit all den Aktivitäten verglich, denen die beiden Magier normalerweise frönten. Er war ganz fest davon überzeugt gewesen, dass Souta sich in dieser Hinsicht wie er verhielt und einfach weiter mit jeder Frau abzog, die er gerade begehrte. Lallte er nun die Wahrheit, dann wusste er nicht recht, wie er damit umgehen sollte. So kam es, dass der Dragonslayer Souta tatsächlich für ein paar Sekunden losließ, ehe er ihn allerdings wieder schnappte, weil er zu sehr herumschwankte. "Meinst du das ernst, Souta-chan? Du..." Es war noch nicht einmal sicher, ob Souta überhaupt verstand, was er meinte, aber Seraphim war sich auch nicht sicher, ob er wollte, dass er es verstand. Wenn er nichts dazu sagte, konnte er vielleicht so tun, als habe er es nie gehört, dann musste er sich nicht damit auseinander setzen. "Das meintest du bestimmt nicht ernst." Hörte man genau hin, dann nahm man vielleicht die leichte Note der Panik in seiner Stimme wahr, die sich hinein geschlichen hatte, ohne dass er das überhaupt geplant hatte. Wenn es wirklich zutraf, dass Souta nicht mehr mit anderen schlief... es war ja nicht einmal so, dass es ihm nicht in gewisser Weise schmeichelte, weil das bedeuten würde, dass er ihm wichtiger war, als angenommen; aber gleichzeitig war es insofern gefährlich, als dass er darüber nachdenken musste, ob Souta dafür eine Art Gegenleistung von ihm erwartete und das bloß nicht sagte. Beziehungen waren etwas seltsames, unbekanntes und er wusste ziemlich genau, dass er auf einige Dinge nicht verzichten konnte, selbst, wenn er es versuchen würde. Bevor er ihm weh tat, machte er ihm lieber keinerlei Hoffnungen, selbst, wenn ihm das selbst wehtun würde. Irgendwie war das alles einfacher, wenn man nur als Zuschauer daneben stand und sich über die Menschen, die mit solchen Problemen kämpften, lustig machte.

Hätte Souta mitgekriegt, was er gesagt hatte und hätte demnach auch verarbeiten können, welchen Effekt diese kleine, nichtige Aussage auf Seraphim hatte, hätte er sich wahrscheinlich selbst ausgeknockt, weil er sich so sehr über sich selbst ärgerte. Ja, er schlief mit keinen Frauen mehr, ja, er teilte sein Bett momentan nur mit dem Himmelsmagier und er hatte absolut nichts dagegen. Von Zeit zu Zeit hatte er Zweifel, ob es allzu gut war, sich von einer anderen Person abhängig zu machen, sich ihr so zu präsentieren, weil er eine sehr tief sitzende Angst vor dem Verlassenwerden hatte, was er schon in unendlich vielen Therapiesitzungen mit niemanden angesprochen hatte. Wenn er nicht vollkommen bedröppelt gewesen wäre, hätte er sich niemals getraut, soetwas zu sagen. Souta hatte keine Angst vor Tsunamis, er zuckte nicht einmal mit der Wimper, wenn man von ihm verlangte, Leute auf einem Schiff ohne für ihn zugänglichen Ausgang auszuschalten – aber er machte sich fast in die Hosen, wenn es um seine Gefühle ging. Er war zu männlich für solche Gespräche. Niemals könnte er sich dem Dragonslayer nähern und den berühmten „Wir müssen reden“-Satz bringen, weil er zuviel Panik davor hatte, dass sich dadurch etwas ändern würde. Er wollte keine Beziehung … Aber er wusste nicht, was er sonst wollte. Eigentlich störte es ihn nicht, wenn Seraphim mit anderen Leuten umsprang, sie genauso berührte wie ihn … Warum wollte er sich also zu solchen Gelegenheiten in eine Ecke rollen und schluchzen, weil er sich dann so wertlos fühlte wie ein Stück Ton, den man verformt hatte? Souta hatte große Angst davor, dass der Himmelsmagier ihn verändert hatte, irgendwelche Zahnräder herausgerissen hatte, die ihn sein ganzes Leben lang angetrieben hatten und für die es keine Ersatzteile gab. Er hatte keine Grundlage mehr, auf die er aufbauen konnte, alles war anders und er war verloren auf einer schwankenden Plattform, ähnlich wie gerade. Auch mental klammerte sich der Rotschopf auf lächerlich verzweifelte Weise an die Schultern Seraphims, weil er nicht wusste, wo er sonst hinsollte. Er hatte keine Freunde, keine anderen Bezugspersonen … ohne ihn war er ganz allein. Früher war das kein Problem gewesen, aber irgendetwas in Soutas Kopf sagte ihm, dass er, wenn er jetzt versuchen würde, sich von dem Anderen zu lösen, ähnlich wackelnde Schritte machen würde. Er hatte es verlernt, mit der Einsamkeit und Lieblosigkeit eines sinnlosen Lebens fertigwerden zu können, wie eine Sprache, die er schon lange nicht mehr gesprochen hatte. Die Vokabeln waren noch da, aber die Aussprache war degeneriert, er stockte, weil er die Grammatik nicht mehr hinbekam. Er konnte mit keiner Frau sprechen und sie abschleppen, wenn aus allen „Ich“s, die sein Leben ausgemacht hatten, „Wir“s geworden waren. Das war eine schreckliche Wendung in seiner Existenz, weil es sich falsch anfühlte, wie der kurze Moment nach einem heftigen Schlag ins Gesicht, in dem man noch keinen Schmerz fühlt, bis nach einer Sekunde die Erkenntnis kommt, dass man auf der Matte landet und nichts dagegen tun kann. Nie im Leben hätte Souta sich also die Blamage gegeben, zu gestehen, dass er mit einer radikalen Abgrenzung von anderen reagiert hatte, weil er keine Ahnung hatte, wie man in einer solchen Situation eigentlich vorging, weil er sich in die Ecke gedrängt sah. Wie sollte er soetwas auch sagen, ohne, dass sich Seraphim Vorwürfe machte? Unmöglich. Also schwieg er darüber, auch jetzt noch, obwohl er gefragt worden war, ob er das ernst meinte. Natürlich nicht. Den Satz schon, aber das sich daraus entwickelnde Gespräch nicht. Er würde nicht darüber reden und selbst wenn Seraphim ihn in nüchternem Zustand darüber ausfragen würde, würde er es als Nichtigkeit abtun. Momentan hing er noch in den Armen des Weißhaarigen und wusste nicht so recht, wo er eigentlich hinwollte oder sollte, weil die Decke sich dem Boden näherte und er befürchtete, dass seine Knie gleich … Und da waren sie Pudding. Hoffentlich wurde er diese Droge bald los, er wollte wirklich nicht hier rausgetragen werden müssen, er würde sicher gleich wieder Kraft in seinen Beinen haben, das war nur die Entspannung zufälliger Muskeln, deshalb sabberte er ja auch. Kein Problem. „Naaaah“, machte er also, was ein Laut, aber auch die Antwort auf seine Frage sein könnte und krallte sich in den Kragen des Älteren. „Ich falle~ ...“ Und das war ja wohl die beste Erwiderung auf diese Frage, oder?

Das Gefühl, dass Seraphim bei Soutas "Antwort" durchströmte, war schwer zu definieren, weil es sich aus so vielen vollkommen gegensätzlichen Komponenten zusammen setzte, dass es ihn gleichermaßen verwirrte und erleichterte. Er war zufrieden, dass er kein sinnvolles Wort oder gar einen Satz herausbrachte, weil das vielleicht zu unangenehmen Gesprächen geführt hätte, die er wirklich nicht haben wollte. Es war vollkommen okay, wenn man einander einfach wertschätzte und tat, was man tat, ohne darüber zu reden, denn das machte es deutlich angenehmer. Andererseits war es sowieso schon zu spät, er hatte den vorherigen Satz gehört und würde ihn nicht mehr so schnell vergessen können, selbst wenn er es versuchte. Vielleicht würde er sich dazu überwinden können, Souta zu fragen, ob das die Wahrheit war und vor allem einen Grund verlangen, da er ja vielleicht einfach nur einiges überinterpretierte. Vielleicht hatte Souta einen geheimen Nebenjob angenommen und deswegen keine Zeit mehr für so etwas oder er hatte sich auf Männer verlegt, war ja alles möglich. Dann allerdings könnten sie sicherlich einige Dinge ändern, auch wenn er eigentlich nicht dachte, dass diese Möglichkeit auch nur in Frage kam. Es war nur angenehmer, als wenn sie einander irgendwann an einem regnerischen und kalten Morgen in einer Küche gegenüber sitzen würden und sich fragten, wie das alles so gekommen war und was sie nun hatten. Seraphim war immerhin Profi darin, solchen tief schürfenden Gesprächen durch Flucht oder vorherigen Angriff auszuweichen! "Du fällst nicht, Souta-chan... du weißt doch, dass ich auf dich aufpasse!", murmelte er in beruhigendem Tonfall und hielt ihn fest, ehe er noch wirklich umkippte. Ein Blick wurde auf das Diadem geworfen, das nach wie vor an seinem Platz funkelte und am besten noch lange dort bleiben sollte. Vielleicht sollte er es echt da rausholen und in die Tasche seiner Jacke stecken, da es dort niemand vermuten würden - allerdings müsste er dazu die Vitrine zerhauen und das war sicherlich nicht gerade im Sinne seines Auftraggebers - auch wenn der ziemlich viel schlechtes verdient hatte, dafür, dass er Souta dazu brachte, komische, ihn verunsichernde Dinge zu sagen. Also wirklich, er flößte seinen Freunden, falls er denn welche hatte, doch auch nichts ein, was sie dazu brachte, ihm halb ihre Liebe zu gestehen! Das war einfach asozial, vor allem, wenn man damit nicht umzugehen wusste... "Vielleicht setzt du dich besser auf den Boden, dann kannst du immerhin nicht umkippen...", meinte er und drückte Souta mit sanfter Gewalt zu Boden. Das war sowieso eine deutlich bessere Idee, als ihn die ganze Zeit umklammert zu halten, weil er sonst nicht agieren konnte, sollte jemand kommen. Souta einfach so loszulassen, abrupt, konnte er nicht bringen, denn am Ende stürzte er noch und tat sich weh. Souta verletzte sich so schnell, weil er einfach verdammt empfindlich war... und das konnte er einfach nicht zulassen!

Die beiden Magier verbrachten einige Stunden damit, Soutas Körper davon abzuhalten, komische Dinge anzustellen, die sie beide bereuen würden, bis Seraphim auf einmal den Finger auf die Lippen legte. "Ich glaube, da kommt wer...", flüsterte er und blieb stocksteif sitzen. Das hier war viel einfacher, als einen Dieb zu fangen, denn normalerweise kam der Dieb nicht direkt auf einen zu - diese Schritte hier aber umso mehr. "Wir schnappen ihn uns, wenn er die Tür durchschreitet!", wies er den Kettenmagier an, der hoffentlich schon wieder einigermaßen nüchtern war. Eine Gestalt erschien im Türrahmen. "Uuuund los!"

Gab man Soutas Körper ein paar Stunden, so steigerte sich nicht nur sein Hungergefühl ins Unermessliche. Er hatte einen merkwürdigen Stoffwechsel, der außerordentlich schnell arbeite und die meisten Dinge, die er zu sich nahm, recht schnell neutralisierte, was sich positiv auf seine Figur auswirkte, die sonst mit Sicherheit eher einer Kugel geähnelt hätte. Die Droge, die man ihm verabreicht hatte, war stark gewesen und hatte ihn ausgeknockt und auf merkwürdige Ideen gebracht, sobald er auf dem Boden lag, aber mittlerweile war ihre Wirkung schon so abgeschwächt, dass er die verschiedenen Richtungen unterscheiden konnte. Die letzte halbe Stunde hatte er damit verbracht, seine Stirn an der Schulter des Älteren zu lehnen und die Umgebung auszublenden, die sich ganz, ganz langsam wieder in den Stillstand bewegt hatte, so dass er jetzt nach einem Augenaufschlagen positiv überrascht war. Nichts wirbelte herum und die meisten Farben waren wieder in die Normalität zurückgekehrt. Die Übelkeit legte sich deshalb schon deutlich und half ihm dabei, nicht gleich wieder zu Boden zu segeln, als er sich etwas höher aufrichtete, weil sich angeblich jemand näherte. Natürlich, der ominöse Dieb von letzter Nacht, und diesmal hatten sie auch noch genug Kleidung an, um ihn nicht durch ihre bloße Existenz abzuschrecken, wobei Souta an dieser Stelle ja eine Ehrenmedaille für Seraphim herstellen würde, dass er seinen Zustand nicht ausgenutzt hatte, wo er doch sicher zu allem seine Zustimmung abgegeben hätte, aber das wäre vielleicht am Ende nicht ganz nach seinem Geschmack gewesen. Seine Erinnerung an die Einnahme der Droge verblasste langsam, doch das bedeutete nicht, dass er gar nichts mehr wusste, was passiert war, und er schätzte den Weißhaarigen nicht als so vollkommen schamlos ein. Zumindest nicht in seiner Gegenwart … Na ja. Diese Aufforderung, den Kerl zu schnappen, der im Türrahmen erschienen war, galt offenkundig ihm, obwohl der Andere sie beide einrechnete, also stemmte sich Souta auf die Füße, wackelte eine Nuance und rollte dann mit den Schultern, um sich zu stabilsieren. Mit einem leichten Hoppsen testete er, wie sicher er stand, dann fixierte sich sein Blick auf die maskierte Person, die im Eingang aufgetaucht war. Mit einem Seitenblick auf Seraphim atmete er ein, hoffte, dass er keine Halluzinationen mehr hatte und stieß sich dann vom Boden ab, gerade als der offenkundige Einbrecher sich umwandte, um zu verschwinden. Allein die Tatsache, dass der Typ ganze drei Schritte laufen konnte, bevor Souta ihm eine Hand auf die Schulter legte und ihn mit Schmackes zurück in den Raum schubste, zeigte, dass er noch nicht ganz auf dem Mast war, doch es reichte allemal, um dem Mann – zumindest war die Schulter männlich gewesen, so wie er das beurteilte – keine Chance zu geben, einen Schlag ins Gesicht zu landen, obwohl der das lustigerweise versuchte. Er schaffte, wie auch immer, einen kleinen Stoß in Soutas Magengrube, weil seine Reflexe noch nicht ganz da waren, doch er reagierte damit nur mit einem Grunzen und einem Fußtritt zwischen die Beine des Kerls, der quiekte und auf die Knie fiel. Damit gab er dem Rothaarigen die Möglichkeit, ihn am Kragen zu packen und zurück zu Seraphim zu schleifen, während er über die geschlagene Stelle rieb und ein wenig fluchte. Unsanft schmiss er den Einbrecher wie einen Knochen vor die Füße des Älteren und beugte sich dann hinab, um die lächerliche Maske abzustreifen, damit sie ihn postwendend zum Museumsdirektor bringen konnten. Bloß … War dieser Typ der Direktor. Wer hätte das gedacht? Nun, vielleicht war er ja doch noch zugedröhnt, deshalb schüttelte er auch erst einmal ungläubig den Kopf. „Ist das … Ist das ...?“

Seraphim war kein Engel. Wäre die Person unter Drogen nicht Souta, sondern irgendjemand anderes gewesen, so hätte er den unkontrollierten Drogenrausch sicherlich dazu ausgenutzt, einige gar nicht jugendfreie Dinge mit ihr anzustellen, da man unter Drogeneinfluss öfter mal Dinge mitmachte, die man sonst schlichtweg ablehnte. Natürlich ärgerte er sich nun im Nachhinein darüber, dass er Souta nicht zu einer Wiederholung der Kreuzfahrtsache gedrängt hatte, weil das vielleicht eine der wenigen Chancen gewesen war und er das vielleicht sogar ohne schlechtes Gewissen hätte genießen können. Nun war diese Phase jedoch vorbei und würde zum Glück nicht allzu schnell wiederkommen, da er doch glaubte, dass Souta so schnell nicht wieder Getränke von ominösen alten Männern annehmen würde. Das war sowieso keine gute Idee, immerhin konnte da sonst etwas geschehen, wenn sie einen erst einmal betäubt hatten. Seraphim war in dieser Hinsicht sehr, sehr vorsichtig und würde demnächst noch einmal ein ernstes Wörtchen mit Souta über solche Dinge reden. Es mussten ja nicht einmal die berühmten K.O.-Tropfen sein, es reichte ja vollkommen, seine Laune dermaßen zu heben, dass er zu nichts mehr nein sagte. Wahrscheinlich hätte das denselben Effekt, wie wenn man den Kettenmagier abfüllen würde... was eine durchaus interessante Idee war. Dummerweise ging das am Besten, wenn man trinkfester als die Person war und er bezweifelte, dass er das war. Er trank zwar ab und zu mal ein Glas Rotwein, aber er wusste, dass Souta es übertreiben konnte. Auch auf dem Kreuzfahrtschiff hatte er das am letzten Abend geschafft, sodass er seinen Kater kurieren musste, um ihn überhaupt aus den Federn zu bekommen. Alkohol in Maßen war nicht nur gesund, er machte die Menschen oft auch umgänglicher, aber in Massen... begannen sie nur zu stinken und da hatte Souta schon recht: Seraphim küsste ungerne Menschen, wenn sie aus dem Mund rochen. Das war nämlich Geruchsbelästigung der übelsten Sorte und beinhaltete auch all jene, die sich morgens nicht die Zähne putzten. Wie er sie hasste... merkten sie denn nicht, dass sie stanken? Oder gaben sie sich dem Irrglauben, niemand würde sie riechen? Natürlich roch man sie, das war doch selbstverständlich!
Als Souta nach vorne stürzte und den Einbrecher innerhalb weniger Sekunden mit einem ganz und gar nicht männerfreundlichen Tritt zurück in den Raum beförderte, hatte er gut auf die Bewegungen des Kettenmagiers geachtet. Dieser wirkte zwar durchaus etwas langsamer als sonst (wenn man da von langsam sprechen konnte), aber war ansonsten wieder deutlich fitter als zuvor, da er immerhin durch die Tür und nicht gegen die Wand lief. Die Maske fiel und Seraphim hockte sich mit einem unheilvollen Grinsen neben den ominösen Einbrecher, der nebenbei tatsächlich ihr heiß geliebter Auftraggeber war. "Was haben wir denn da?~", säuselte er mit sanfter Stimme, "Der diademgeile Tattergreis." Natürlich, nun war auch klar, woher er den Geruch von letzter Nacht schon einmal gerochen hatte: Direkt zuvor, als sie der Direktor eingewiesen hatte. Der hatte vielleicht mal Glück gehabt, dass er ihm bis eben nicht noch einmal begegnet war, denn er hätte ihn sofort erkannt. Manchmal spielte der Zufall einem aber auch wirklich komische Streiche... Was sollte er nun mit ihm machen, hm? Vielleicht... "Halt ihn fest, Souta-chan, sonst entkommt er dir noch~", spöttelte er und verschwand in Richtung Foyer.

Souta hatte kurz den Kopf gehoben, als Seraphim etwas von Entkommen gesagt hatte, allerdings nur, um ein verächtliches Schnauben auszustoßen und sich auf den Boden zu knien. Mit dem Griff doch recht kräftiger Hände schnappte er sich die knöchernen Handgelenke des Direktors und drückte sie vielleicht etwas zu fest, als nötig gewesen wäre, auf das Parkett, während dieser sich unter ihm wand und aalte. Eigentlich war er ja kein Fan von Fesselspielchen dieser Art, weil er seine Freiheit dafür viel zu sehr schätzte, aber er konnte nicht verleugnen, dass ihm diese Position momentan fast etwas zu gut gefiel. Dieser Typ hatte ihn unter Drogen gesetzt und ihn dazu gezwungen, eigenartige Geständnisse von sich zu geben, die er niemals vergessen würde. Dafür sollte er ihm normalerweise zeigen, wie schnell er zuschlagen konnte, selbst, wenn noch Spuren des Cocktails in seinen Blutbahnen kreiselten und er nicht ganz auf dem Damm war. Natürlich konnte er das nicht tun, weil er einen Ruf als Mensch mit Skrupel zu erhalten hatte und daher nicht einfach Zivilisten verprügelte. Außerdem würde das eine ziemliche Schweinerei geben, die er nicht wegputzen wollte. Und er hatte die dumpfe Ahnung, dass sein bester Freund diesem Mann genug Denkanstoß geben würde, über seine Tat nachzudenken, wobei es vermutlich nicht einmal sein versuchter Diebstahl, sondern der Frevel, ihn anzurühren für Racheaktionen sorgen würde. Ihm sollte es recht sein, sofern Seraphim nicht einfach irgendwelche Verletzungen verursachte oder sich einbildete, er müsste diejenigen verdreschen, die ihn schlugen. Obwohl der hier es ja verdient hätte. Souta schaute mit gemischten Gefühlen in das panisch verzogene Gesicht unter ihm, das lächerlich und erbärmlich zugleich aussah. Mitleid? Ja. Ein wenig tat ihm dieser arme Kerl Leid, weil er ausgerechnet sie erwischt hatte. Für gewöhnlich schickte man Anfänger auf eine solche Quest, die sich noch nicht ordentlich zu helfen wussten, an denen wäre er mit seinen Kampfkünsten sicherlich vorbeigekommen und hätte sein heiß geliebtes Diadem stehlen können. Aber leider war er an sie geraten: Den schnellsten Menschen der Welt und sein Schutzteufelchen. Sie waren eine Art Homo-Variante von der Liga der Gerechtigkeit, die mit normalen Sterblichen kurzen Prozess machte. Genau das und offenbar noch deutlich bedrohlichere Dinge schien dieser Arthur in Soutas Auge zu sehen, da er sich immer mehr zu winden begann und mit weinerlicher Stimme herumjammerte. „Nein! Nicht! Ihr könnt das nicht tun!“ Das war überflüssig, da Souta ihn gerade schon festhielt und Seraphim nicht widersprechen würde, solange er nicht versuchen würde, den armen Typen zu vierteilen. „Niemand außer mir kann das Diadem beschützen! Es gehört zu mir!“ Ah, daher wehte also der Wind. Na ja … Eigentlich … „Wir haben es gerade beschützt, Alter. Krieg dich wieder ein.“ Dies wiederum sagte er, weil er Tränen in den Augenwinkeln des Direktors zu sehen glaubte und absolut keine Lust hatte, sich mit einem heulenden Erwachsenen auseinanderzusetzen. Er hatte heute schon genug durchgemacht, konnte sein bester Freund dann zurückkommen und ihm antun, was auch immer er ihm antun wollte?

Natürlich würde Seraphim keinen alten Mann zusammen schlagen. Zumindest nicht ihren eigentlichen Auftraggeber auf einer Quest, bei der man ihm für solch ein Verhalten noch Abzüge in der B-Note geben würde! Wäre er unbeobachtet und es würde kein Ruf einer ihm absolut wichtigen Institution auf dem Spiel stehen, dann hätte er ihm wahrscheinlich noch viel schlimmere Dinge angetan, als ihn einfach nur zu verprügeln. Er wusste, wie man Menschen weh tat, ihnen richtige Schmerzen bereitete und es machte ihm sogar Spaß, sich darin zu verlieren, aber das war nichts, was er an diesem Punkt bringen konnte und es deswegen auch gar nicht plante. Stattdessen durchquerte er das Foyer, bis er bei den Kassen angekommen war und dort das langstielige Glas mit der roten Flüssigkeit aufnahm. Mit Abscheu in den Augen betrachtete er die Flüssigkeit, die man Souta eingeflößt und ihn dadurch hatte seltsame Dinge sagen lassen, schwenkte das Glas, als beherbergte es feinsten Wein und kehrte danach zu den beiden zurück. Eine Sekunde lang blieb er in der Tür stehen und beobachtete Souta dabei, wie er den Direktor auf dem Boden festhielt. Er wusste gar nicht recht, warum er diesen Anblick erheiternd fand; wahrscheinlich lag es aber daran, dass er ähnliche Positionen schon öfter selbst erlebt hatte und daran, dass, wenn der Direktor etwas ansehnlicher gewesen wäre, er durchaus etwas gehabt hätte. Stimmte es, dass Souta sich momentan nicht mehr an Frauen gütlich tat? Das wäre an sich eigentlich wirklich schade, denn damit verpasste er irgendwie die Möglichkeit, ihm nachzuschleichen und ihn bei so etwas zu beobachten. Das wäre sicherlich unterhaltsam... aber das konnte er ihm wohl kaum als gutes Argument nennen, sollte er ihn dazu überreden, seine seltsame Phase zu beenden. Polygamie gehörte irgendwie zu Souta dazu und einfach damit aufzuhören erschien dem Dragonslayer so unnatürlich, als würde ihm auf einmal sein zweites Auge neu wachsen: An sich wäre das sicherlich auch nicht schlecht, aber nicht zu ihm passend. Vielleicht hatte er damit auch einfach sagen wollen, dass er eher auf Männer umgestiegen war oder auch rein gar nichts, schließlich hatte die Droge einen seltsamen Einfluss auf ihn gehabt. Mit einem grinsenden Kopfschütteln betrat er den Diademraum und hockte sich neben den sich windenden Direktor und prostete ihm lächelnd zu. "Sehen Sie, alter Mann... Sie hatten wirklich Glück. Wenn ich ihnen heute Morgen oder Abend noch einmal über den Weg gelaufen wäre, hätte ich Ihren Geruch sofort wiedererkannt. Aber das Glück ist ja bekanntlich mit den Dummen... und den Verrückten. Sie gehören ins Irrenhaus, schön von dem Rest der Menschheit weggesperrt. Und wissen Sie was?" Er beugte sich ein wenig weiter herunter, während seine Stimme sanft wurde, als redete er mit einem Kind: "Sie werden das Diadem niemals wieder sehen. Es ist sowieso zu schön für Sie." Mit diesen Worten streckte er die Hand vor und nutzte das Aufklappen und geplante Rufen, Schreien oder Zetern des Direktors dafür, ihm den Drogencocktail in den Mund zu kippen. Mit der flachen Hand hinderte er ihn daran, ihn wieder auszuspucken, bis er schließlich schluckte und schon nach knapp einer halben Minute ruhig wurde. "Wir sollten ihn ins Krankenhaus bringen und ihn dort erst einmal einbuchten lassen, Souta-chan... und dann... findest du nicht auch, dass diese Sitzsofas wahnsinnig bequem aussehen?"

Einen Moment lang redete sich der Rothaarige ein, dass Seraphim ihn überrumpelt hatte und er deshalb zuließ, dass der mitleiderregende Museumsdirektor mit derselben Droge gepeinigt wurde wie er wenige Stunden zuvor, doch das klappte vielleicht ein paar Sekunden, bis er sich ins Gedächtnis rief, dass er ja der übermenschlichen Geschwindigkeit fähig war und es daher für den Weißhaarigen mehr als nur unmöglich sein sollte, einen solchen Plan zu verfolgen, wenn er sich ernsthaft dagegen sträuben würde. Leider war Souta nicht der nette Kerl, den man sonst so kannte, zumindest nicht, wenn man ihm persönlich geschadet hatte. Selbst hätte er niemals, nicht in tausend Jahren, daran gedacht, soetwas Grausames zu tun und den Typ durch dieselbe Hölle laufen zu lassen, die er selbst gerade erst verlassen hatte, doch wenn sich die Gelegenheit für Rache bot, war er definitiv der Letzte, der den Anderen aufhalten würde. Zumal es ja nicht einmal wirklich gefährlich war, was eventuell etwas Anderes gewesen wäre, aber solange es ihn nicht umbrachte oder bis in alle Ewigkeit verstümmelte, konnte er gut damit leben. Theoretisch hatte ihn auch niemand gefragt, ob er eigentlich gerne einäugig leben würde, daher sollte man keinerlei Sonderbehandlung erwarten, Souta war vor allem nett gegenüber denen, die sich als seiner würdig erwiesen hatten. Und er hasste schwache, weinerliche Kerle, die mit Heimtücke ans Ziel gelangen wollten, weil sie nicht genug Mumm in den Knochen hatten, um sich richtig zur Wehr zu setzen. Er hatte es noch nie toll gefunden, wenn Leute Gift versprühten, weil das in seinen Augen ein deutliches Zeichen von Feigheit war, nicht brilliant, einfach nur mies. Wenn man in einen Faustkampf verwickelt wurde, wusste man wenigstens ungefähr, woran man war. Man konnte sich darauf einstellen, dass es wehtun würde, aber man konnte sich wehren und hatte unter den richtigen Umständen alles in der Hand. Ganz anders, wenn man eine giftige Substanz eingeflößt bekam ... Dann war man vollkommen ungeschützt. Man konnte nichts dagegen tun, zu sterben oder schreckliche Schmerzen zu leiden, einfach, weil man den eigenen Körper gegen sich eingesetzt sah. Drogen waren ähnlich schlimm, wenn sie unfreiwillig konsumiert wurden. Daher verdiente dieser Typ es in Soutas Augen wirklich voll und ganz, dass er nach seinem Getränk so richtig durchgepfiffen wurde. Er hatte sich in ein Schmuckstück verliebt, was schön anzuschauen war, aber am Ende hatte ihm das nur Unglück gebracht. Irgendwo im Hinterkopf des Kettenmagiers tauchte grade ein geschmackloser Spruch wie "Nicht alles, was glänzt, ist auch aus gold" oder "Gier ist doof" auf, für den er gerne eine Sonnebrille gehabt hätte, doch statt sich durch mehr seiner ohnehin selten treffenden Flachwitze bezüglich einer runden Sache zu blamieren, stand er auf und lauschte dem Weißhaarigen bei seinen Ausführungen, welche sie ins Krankenhaus führen sollten, damit dieser arme Kerl medizinische Hilfe der psychiatrischen Sorte erhielt. Und dann sollten sie zurückkehren und diese Sofas ausprobieren? "Theoretisch sind wir ja immernoch im Dienst", meinte er also, da er sich daran erinnerte, dass sie ja eigentlich für zwei volle Nächte gebucht worden waren, daher näherte er sich seinem besten Freund und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, der spöttisch war, wenn man einer solchen Berührung dieses Adjektiv überhaupt verleihen konnte. "Ich schlage vor, du bringst ihn ins Krankenhaus und ich warte auf einem dieser Sitzsofas auf dich. Bekleidung optional." Wenn das nicht die nötigen Sporen gab, dann wusste er es auch nicht. Möglicherweise konnten sie ja, nachdem sie diesen Fall schon so vorbildlich gelöst hatten, auch noch das Mysterium klären, wie seine Hose eigentlich letzte Nacht an eine Wandlampe gelangt war. Nach Abwägen der Beweislage plädierte Souta auf eine detaillgetreue Rekonstruktion des Ganzen und er hatte so das Gefühl, dass Seraphim nichts dagegen haben würde ...