Herumsitzen, Klappe die Zweite. Es wurde hier zwar nicht unbedingt angenehmer, aber immerhin hatte sich die Sache mit der Langeweile spätestens zu dem Zeitpunkt erledigt, als eine Golemhand nach ihm grabschte und im letzten Moment daran gehindert wurde, den Rothaarigen aus dem Thron zu zerren. Man durfte zwar nicht angreifen und sich auch nicht verteidigen, aber Souta war immerhin ein wenig weiter zurückgerückt und hatte sich an den Rest der Rückenlehne gepresst, was natürlich nur Zentimeter waren, die er herausschlug, doch immerhin fühlte er sich damit ein wenig nützlicher. Es passte ihm einfach nicht, dass Seraphim die ganze Arbeit machte und er nur herumsaß, obwohl er streng genommen schon genug geackert hatte, um sich eine Pause zu verdienen. Wenn der Dragonslayer nur nicht verletzt gewesen wäre, dann hätte es den Jüngeren vielleicht nicht so fertigemacht, ihn dabei zu beobachten, wie er versuchte, Kibar von sich fernzuhalten. Bisher schien das zu klappen, doch wer wusste schon, wieviel Zeit ihnen noch blieb? Souta war nicht so gut darin, die Minuten abzuschätzen und natürlich hatte er in der Aufregung auch vergessen, zu stoppen, sonst hätte er nun zumindest das Zählen der Sekunden, um sich von seiner Sorge abzulenken, die ihm mittlerweile nicht einmal mehr subtil ins Gesicht geschrieben stand. Eigentlich konnte man nicht ewig oder unendlich lange zaubern, so dass einem der Kontrahenten früher oder später wohl das Mana ausgehen musste und das war zumindest für Seraphim verheerend, wenn man die übernatürliche Regenerationsfähigkeit des Blonden nicht vergaß. Der hatte sich binnen Sekunden von heftigen Treffern an die empfindlichsten Körperstellen erholen können, aber Souta bezweifelte, dass der Weißhaarige das konnte. Er hatte ihm bisher nie zwischen die Beine getreten, auch wenn er das vielleicht wegen seiner idiotischen Entscheidung später nachholen würde, aber normalerweise steckte man das ja nicht einfach so weg. Seraphim bemühte sich zwar immer sehr darum, gottgleich zu wirken, doch er war es nicht und sein Arm bewies das nur erneut ... Er war zerbrechlich, ein Mensch eben und Souta konnte ihm nicht helfen. Der Rotschopf litt beinahe schon körperliche Qualen, wenn er ihm dabei zugucken musste, wie er sich schlug, und wenn dieses Examen vorbei war, würde er sich wahrscheinlich persönlich darum kümmern, dass der Ältere geschont blieb und körperlichen Anstrengungen, die nicht zu seinem Vorteil waren, fernblieb ... Jedenfalls bis seine Miete wieder fällig war und er erneut auf eine Quest musste. Na ja, bis dahin hatten sie sicherlich Zeit für ein wenig Ferien, wo auch immer. Sie hatten sich ja durchaus schon darüber unterhalten, Urlaub irgendwo im Norden zu machen, da man mit Souta ja bekanntlich nicht an Sandstrände gehen konnte, aber bisher war daraus nichts geworden. Allerdings wäre ein derartiger Ausflug wohl genau das Richtige, um ihren Erfolg zu feiern, wenn sie es denn auch schafften, diese Aufgabe zu bewältigen. Bisher sah es ganz gut aus... Souta wusste nicht, was Kyori noch so in Petto hatte, aber irgendwie würden sie es schon schaffen, ihn abzuwehren, sie waren schließlich der Gott der Großartigkeit und irgendetwas Gottartiges, gegen einen S-Rang-Magier war das doch perfekt ... Nicht einmal Tsunamis oder Dschinns konnten sie aufhalten und sicherlich kein dahergelaufener Typ, der ihn mit Nachnamen anredete! Vielleicht steigerte sich Souta gerade ein wenig in die Hitze des Moments hinein, aber er konnte einfach nicht so lange sauer auf eine Person sein, die ihr Leben für ihn riskierte. Wenn dieses abnormal lange Schwert Seraphim nun doch noch durchbohrte, durfte seine letzte Geste nicht gewesen sein, ihn mit missbilligendem Blick zu verurteilen ... Das könnte er sich niemals verzeihen. “Ferien? Seit wann machst du denn schon nach weniger als drei Minuten schlapp?” Man konnte das verschmitzte Grinsen des Rothaarigen aus seiner Stimme heraushören und das Lachen danach klang deutlich herzhafter, als er sich eigentlich fühlte, ehe er sich entgegen seiner emotionalen Verfassung scheinbar entspannt im Stuhl zurücklehnte und mit den Fingern auf seinen Oberschenkeln trommelte, um einen Teil seines Bewegungsdranges auszugleichen. “Da ist man doch ganz Anderes gewohnt ...”

1:48

Cyrus war wirklich nicht schlecht... Er konnte selbst diesen Hagel an Kugeln so zielgenau verschießen, dass sie zumindest teilweise sogar über den Schild hinweg Kyoris Kopf getroffen hätten. Zum Glück hatte der aber mit einem Angriff gerechnet und duckte sich einfach hinter seinem Schild hinweg, was – wie der Weißhaarige richtig erkannt hatte – seine Sicht so ziemlich auf null reduzierte. Außerdem knackte die Earht Wall bereits leicht an... das war nicht gut. Andererseits lag nicht mehr viel Raum zwischen ihnen, also störte es den Kibar nicht weiter.

1:39

Als die Kugeln zu prasseln aufgehört hatten und Kibar den Schild leicht senkte, befand sich der Magier jedoch nicht länger vor ihm... Schnell ließ er seine Augen zu beiden Seiten schweifen, wobei er den Weißschopf entdeckte. Er wollte doch nicht etwa...?
Nun war keine Zeit mehr, um groß ans Stürmen zu denken. Der Schild verlangsamte Kyori, daher würde ein großflächiger, schneller Angriff wie dieser Atem ihn sicher treffen. Also musste er ihn loswerden, nur war das aus dieser Position heraus schwer, ohne behindert zu werden. Es gab nur eine Lösung... Spontan rammte er die Wand simpel in den Boden, der mehr als bedrohlich knackte. Mit dem Schwung zog er sich nach oben, während sich gleichzeitig sein linker Fuß kraftvoll vom Boden abstieß, um einen großen Sprung zu machen und so über die Wand zu kommen. Noch in der Luft stampfte sein Fuß kraftvoll gegen seine eigene Barriere, um ihn so nach vorne zu katapultieren; zwar brach dabei ein guter Teil des Gesteins ab, kurz darauf wurde es allerdings ohnehin durch Seraphims Attacke pulverisiert und als wäre das nicht genug, brach auch noch der ganze Boden in einem großen Loch auf, was das Kampffeld noch einmal dezimierte. Das wirklich Nervige an der Sache war allerdings, dass Kibar ausgerechnet sein verletztes Bein, an das er kaum dachte, gegen das Gestein gedonnert hatte, was mit fürchterlichen Schmerz begleitet wurde und ihm beim erneuten Aufkommen auf dem Boden ins Straucheln brachte. Er verlor so ziemlich alles an Geschwindigkeit, während er sich fokussierte. Keine Schmerzen. Es gab keine Schmerzen! Während Cyrus sich um den Golem kümmerte, beschleunigte Kibar wieder. Das hier war noch lange nicht vorbei!

1:27

Der Abstand zum Thron bemaß sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf wenige Meter, sicherlich keine zwanzig mehr. Zwischen den Kugeln und Klingen durchzutauchen, traute Kyori sich zu – der Odemangriff würde zu lange brauchen, wenn Seraphim auf den setzen wollte, konnte er schön einen Tritt oder auch eine Kopfnuss abbekommen. Ansonsten würde Kyori ihn einfach mit dem Schwert angreifen, um an ihm vorbeizukommen, es genügte ja, ihn ein wenig zu verscheuchen, und wenn er das nicht zuließ, dann konnte man ihm bestimmt einen Arm oder ein Bein abtrennen und ihn zur Seite schleudern. Wichtig war hier Souta. Die linke Hand ballte sich schon erwartungsvoll zu einer Faust – sie konnte es gar nicht erwarten, den Rotschopf aus dem Thron und dabei vermutlich sogar durch die restliche Rückenlehne zu schlagen. Das hier war definitiv die finale Runde, wenn er jetzt den Thron verließ, konnten sie unmöglich gewinnen...

1:24

Kyori hatte den Thron quasi schon erreicht, als vor ihm ein paar Windklingen niederprasselten, denen er allerdings mit einem eleganten Sprung entging... dann schlug er zu. Mit unglaublicher Kraft und Geschwindigkeit bewegte sich sein linker Arm auf Itasas Oberkörper zu, dann wurde er plötzlich zurückgerissen. Mitten in der Luft war der Kibar von einer Druckwelle erwischt worden, die ihn – mitsamt Arm – ein ganzes Stück weit zurückschleuderte, was ihn nicht daran hinderte, sich abzurollen und gleich wieder auf die Beine zu kommen, doch das war auch alles, was er dagegen tun konnte. Seine Augen flammten geradezu auf vor Zorn auf diesen Seraphim; er unterstützte diesen Nichtmagier wirklich mit allen Mitteln. Und er war ein verdammt guter Gegner... ein zu guter Gegner, wenn man bedachte, wer von beiden der S-Rang-Magier war. Er war nicht nur wütend, nein, ein Teil von ihm war auch sehr glücklich über die gesamte Situation. Wenn Cyrus den Rang bekam, würde Kyori sich sicher nicht darüber beschweren. Er hatte einen interessanten, fähigen Magier treffen wollen und das hatte er getan... nur wollte er sein Schwert nicht abtreten an diesen Sutanbu, oder wie er hieß! Es mochte etwas grausam sein, dass nach all dieser Kämpferei und all dieser Wut noch immer nichts von dem Rotschopf es geschafft hatte, das Gedächtnis des Kibar zu bewohnen, aber so war es; Cyrus zog auch irgendwie mehr Aufmerksamkeit auf sich. Ob er nun saß und mit dem Stuhl herumflog, die beiden gemeinsam kämpften und er es war, der den Arm des Kämpfers kurz lahmlegte, oder Souta auf seinem Platz blieb und Kyori endlich mal effektiv davon abgebracht wurde, die Krone zu erringen – Itasa war nicht annähernd so erinnerungswürdig wie sein Freund. Dennoch war er es, der das Earth-Slicing King Sword sein Eigen nennen wollte? Niemals!
Ohne groß nachzudenken, schuf Kyori eine Wand, hob sie mit beiden Händen über den Kopf und schleuderte sie einfach mit aller Kraft auf den Thron zu... doch nicht einmal das ließ Seraphim treffen! Dieser junge Mann stellte eine wirkliche Barriere dar... Kyori grinste. Dann wurde es jetzt wohl Zeit, den größten Zauber zu entfesseln, der ihm erlaubt worden war.

1:08

Wie viel Zeit wohl noch übrig war? Sicherlich mehr als eine Minute. Dann konnte er den Spruch aktivieren. Kyori stellte sich breitbeinig hin, bereit, sein Mana zu sammeln... doch Moment, wenn er das so offen machte, würde Cyrus ihn nur wieder mit seinem Odem wegschleudern. Dem musste vorgebeugt werden!
Wenig später war der Magier umgeben von drei Mauern, nicht direkt bei ihm, aber so aufgestellt, dass man ihn nicht aus dem Ring schleudern konnte – entweder attackierte man eine Mauer, oder man schleuderte ihn dagegen. Das würde nicht reichen, um ihn loszuwerden. Gleichzeitig wurde ein Teil seines Körpers von einer Gesteinsschicht überzogen, um ihn noch ein Stück standfester zu machen – nie hätte er gedacht, dass das das erste Mal im ganzen Finale sein würde, dass er diesen Zauber nutzte, aber die Gegner waren dafür einfach nicht die richtigen gewesen. Dann war es soweit. Kibar ließ sein Schwert zu Boden fallen, hob die Hände vor sich, kreuzte dabei seine Arme. Seine Augen schlossen sich, sein siegessicheres Lächeln blieb. Ja, mehr als eine Minute hatte er bestimmt noch.

0:58

Kyori fokussierte sich und begann damit, sein Mana zu sammeln... und das ziemlich deutlich. Unter der Macht seiner sich konzentrierenden magischen Energie bildete sich ein grünes Leuchten um seinen Körper, der Boden um ihn herum brach weiter auf, kleine Splitter flogen durch die Luft, wirbelten um ihn herum und schafften so einen kleinen Steinsturm mit einigen Metern Durchmesser. Sein Stand würde ihm trotzdem nicht wegbrechen, das stand fest.
Aber nicht nur seine direkte Umgebung war betroffen... nach und nach würden sich innerhalb des Sturmes kleine Arme und Beine und Torsos und Köpfe bilden und mitwirbeln, und auch seine Wände würden sich umzuformen beginnen. Dann käme die Bewegung auch in die Plattform, würde sie zu einer sich windenden Masse machen, auf der man unmöglich richtig laufen konnte. Auch der Thron würde sich langsam, aber sicher verwandeln, wenngleich Souta nicht angegriffen werden würden, und innerhalb einer Minute würde sich alles hier, jedes kleine Stückchen Gestein, in einen Teil seiner Golems verwandeln. Es gab kein Entkommen! Und er brauchte dafür nur sechzig Sekunden...

0:55

Trotz aller Zauber, die Seraphim anzuwenden gelernt hatte, trotz allem Training, welches er in die Perfektion seiner magischen Fähigkeiten gelegt hatte, war der Drachensohn noch lange nicht in die wahren Tiefen seiner Magie eingedrungen. Grandine hatte ihm erzählt, was ein vollständig ausgebildeter Himmels Dragonslayer alles zu tun vermochte, was auch dann noch ein Ansporn gewesen war, als er den ganzen Heilerkram beiseitegelassen hatte. Während sie den Fokus auf medizinische und humanitäre Wunder gelegt hatte, hatte Cyrus ihr bei den Stürmen in ihren Nebensätzen an den Kiefern gehangen, der Verwüstung und der gleichzeitigen Eleganz. Wind war keines der Elemente, die durch ihre brachiale Gewalt punkteten, auch wenn es diese durchaus heraufbeschwören konnte. In der Natur fand man so viele unterschiedliche mit diesem Element zusammen hängende Phänomene, die von früheren Menschen als Zeichen göttlichen Zorns interpretiert wurden, weil es unglaublich schien, welch eine Kraft etwas ausüben konnte, das scheinbar nicht einmal Substanz hatte. Seraphim hatte diese Vorstellung immer gefallen, wahrscheinlich, weil er sich selbst unglaublich gerne als Aufwiegler dieser Gewalten sah und das ganz wunderbar zu seinem übersteigerten Ego passte. Noch war von diesem Bildnis allerdings nicht viel zu sehen, da seine Angriffe zu wenig gottgleich waren, als dass er sich in ihrem Glanz hätte sonnen können. Die Himmelsdrachin hielt ihm jedes Mal von neuem vor, dass er noch lange nicht angekommen war, einen weiten Weg vor sich hatte und ihm selbst einen Gefallen damit tun würde, sich dessen bewusst zu werden. Im Grunde genommen waren diese Warnungen nicht nur verschwendet, sondern auch überflüssig, denn Seraphim wusste durchaus von seinen eigenen Schwächen - er war nur sehr gut darin, sie zu ignorieren, wenn es möglich war.
Seraphim mochte noch keine Meisterzauber beherrschen, aber das änderte nichts daran, dass er einen erkannte, wenn er vorbereitet wurde. Um aus der Maus keinen Elefanten zu machen, wahrscheinlich hätte auch jeder Nichtmagier geahnt, dass er etwas Großes plante, als er plötzlich sein Schwert fallen ließ die Arme überkreuzte. Ein grünes Leuchten breitete sich um ihn herum aus und die Plattform schien in ihren (inzwischen reichlich dünnen) Grundfesten zu erbeben. Seraphim brauchte ein paar Sekunden, um sich neu zu orientieren und fasste dann einen Entschluss. Zwar hatte er keine Uhr und wusste daher nicht, wie viel Zeit ihnen noch blieb, aber er ahnte, dass dies inzwischen eine Alles-oder-Nichts-Aktion werden würde. Die Plattform wirkte, als könnten sie von Glück reden, wenn sie bis zum Ende ihrer zweiten drei Minuten aushalten würde, aber sicherlich nicht mehr besonders viel länger. Wenn sie es dieses Mal nicht schaffen würden, so lange auf dem Thron zu bleiben, bis sie gewonnen hatten, gab es keine weitere Chance, dann war das Spiel vorbei und sie hatten verloren. Diese Information beunruhigte Seraphim weniger, weil das wirkliche Leben sogar die zweite Chance, die sie momentan nutzten, selten vergab. Wäre dies hier kein Spiel gewesen, hätten sie dank der aus dem Thron quellenden Hände bereits verloren gehabt, aber noch waren sie im Rennen. Er würde nicht zulassen, dass sie auch ihren zweiten Anlauf vermasselten, aber wenn der Prüfer diesen Zauber sprechen konnte, was auch immer er war, dann hatten sie mit Sicherheit verloren. Diese Position und dieses unheilvolle Leuchten ließen keinen Zweifel daran.
Doch obwohl Seraphim gut darin war, über seine eigene Schwächen hinweg zu sehen, fiel ihm das in diesem Moment schwerer als sonst. Er spürte, wie der Manaverlust an seinem Körper zerrte und ließ sich zu Boden sinken, um die wenige magische Energie, die er noch besaß, aufzusparen. Sein Arm schmerzte und sein Körper bat ihn inständig, Pause zu machen, aber die kurze Zeit würde er noch durchhalten müssen. Falls Kibar zum Schuss kam, war alles aus. Mit einem Ächzen begann Seraphim loszulaufen, erst langsam, dann immer schneller. Er musste einen Haken schlagen, als auf einmal unerwartet ein Arm aus dem Boden griff, ziellos, wie die Extremität eines gerade Erwachten, der sich streckt, um die Müdigkeit abzuschütteln. Überall um ihn herum begann sich der Boden zu verändern, nahm die Gestalt von grobschlächtig humanoiden Figuren an: Das war also der Effekt des Zaubers. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Mit schnellen Schritten rannte er von der Seite auf den Kibar zu und übersprang auf den letzten paar Metern einen halbfertigen Golem mithilfe eines kleinen Manaschubes. Als er sich über dem Blonden befand, konzentrierte er ein letztes Mal eine Menge Mana, die er am heutigen Tag sicherlich das letzte Mal einsetzen würde und schoss direkt von oben einen gigantischen Wirbelwind auf das blonde Haar nieder. Natürlich würde es ihn nicht großartig verletzen oder gar bewusstlos schlagen, dafür war er viel zu widerstandsfähig - aber der Boden war es nicht. Er war inzwischen schon weniger als einen Meter dick und genau wie zuvor brach ein großes Stück samt S-Rang Magier ein, als der Windzauber ihn traf. Vielleicht hätte man sich mit einem Sprung retten können, wenn man weniger konzentriert die Augen geschlossen hätte, so aber raste Geröll samt Kibar in die Tiefe, angetrieben von Gravitation und Wind. Auch dies würde den Blonden weder umbringen, noch verletzen, noch gar K.O. schlagen, da sich ein magisches Abfangnetz unter dem ehemaligen Schloss befand, eine Art Portal zu einem Ort, wo man die Verletzten behandelte - aber jeder Zauber hatte seine Maximalreichweite, welche der Prüfer bereits nach wenigen Sekunden überschritten hatte. Selbst wenn er irgendwie wieder auf die Plattform gelangen würde, müsste er sein Wunderwerk erneut starten.
Mit winzigem Manaaufwand ließ er sich zwei kleine Gleitflügel wachsen und landete auf sicherem Boden, ehe er in Richtung Thron joggte. Ohne Uhr wusste Seraphim nicht, wie lange sie diesen noch okkupieren mussten, aber ewig konnte es nicht mehr dauern. Die Plattform sah inzwischen nicht nur sehr instabil aus, sondern auch, als sei sie von einem großen Relief überzogen, welches in Stein feststeckende Menschen darstellte, die reglos auf ihre Befreiung warteten. Nichts bewegte sich mehr, sondern zeugte als gewaltiges Stillleben von der unglaublichen Magie, die hier gewirkt worden wäre. Seraphim würde in Zukunft darauf achten, nicht noch einmal gegen den S-Rang-Magier antreten zu müssen, weil er irgendwie ahnte, dass das hier nicht einmal die Hälfte von dem war, was er zu vollbringen in der Lage war.

„Es gibt kein Entkommen“ war normalerweise ein Satz, den man von Comicbösewichten hörte, die ihre letzte, große Granate zündeten und eigentlich nur darauf warteten, dass der glorreiche Held einen spektakulären Weg fand, aus der Falle zu entkommen. Kibar war zwar mit Sicherheit nicht böse, auch wenn er irrationale Abneigungen gegen Rotschöpfe entwickelt hatte, die man nicht ganz verstehen konnte, aber er hatte gerade ähnliche Anwandlungen und selbst Souta raffte, dass dieses grüne Leuchten mit dem Gebrökel nicht unbedingt für große Freude sorgen würde, wenn man ihn mit seiner Vorbereitung fortfahren ließ. Man wollte es an dieser Stelle Seraphim überlassen, über magische Fähigkeiten und Schwächen zu philosophieren; der Kettenmagier hatte einen etwas praktischeren Ansatz. Einerseits fand er diesen Schnickschnack ziemlich cool, Erdwände und fliegende Fäuste und so weiter, andererseits war das hier auch der Beweis, dass Magie einfach nicht an körperliche Kräfte herankam. Wenn dieser Blonde irgendjemand gewesen wäre, den man mit der Macht einer Faust oder eines Schwertes um sein Bewusstsein bringen könnte, so hätte Souta ihn trotz all dem Stress in dieser Situation wahrscheinlich ausgelacht, denn wer hockte sich schon ewig lange hin, um einen Zauber vorzubereiten? Für den Rotschopf gab es nur wenige Momente, in denen das sinnvoll war und dieser hier war es offensichtlich nicht. Die Plattform bröckelte und arbeitete der Magie des Prüfers entgegen, bildete Gliedmaßen aus, ein wenig so, als hätte er spontan zur Totenbeschwörung ausgerufen, und obgleich Souta eigentlich wusste, dass er gerade sein Schicksal besiegelt hatte, wurde ihm doch etwas mulmig zumute, während sich Finger aus den Boden gruben und Köpfe daraus hervorbrachen. Es sah ein wenig aus, als würden Schwimmende durch die Oberfläche stoßen, doch nahmen sie diese mit, und das große Problem daran war natürlich, dass ihnen dadurch die Substanz ausgehen würde, auf der sie kämpfen konnten. Ob Kibar ihnen den Sieg so wenig gönnte, dass er den Thron in den Abgrund stürzen lassen würde, wenn der Zeitpunkt gekommen war? Was für ein Biest von einem Zauber konnte das nur sein, der jeden Funken Erde in Golems verwandelte und konnte man den auf Quests überhaupt anwenden? Man hatte ihm beigebracht, seine Kollateralschäden so niedrig wie möglich zu halten, doch wahrscheinlich griff diese Regel eher weniger, wenn das Schloss sowieso zum Zusammenbrechen gemacht war. Eigentlich schade um dieses schicke Gebilde, aber nun konnte man den Lauf der Dinge auch nicht mehr umkehren.
Souta war ganz und gar nicht froh, dass er auf dem Thron saß, während Seraphim die Ehre des letzten Schlages zuteil wurde, doch er bewegte sich natürlich nicht, weil die Zeit immer knapper wurde und er das Gefühl hatte, dass sie keine weiteren drei Minuten bekommen würden, nur weil er dem Weißhaar den grandiosen Sieg nicht gönnte … Und das tat er nicht. Er war froh, dass er in Kibars Richtung schoss und ihn durch die Plattform pustete, freute sich bis zu einem gewissem Grad, dass sie ihn loswaren und trotz allem hätte er sich gerne in dieser Position gesehen. Was warf das für ein Licht auf den großen Helden von Fiore, wenn er sich von seinem Freund retten ließ? Der Rotschopf kam sich ein wenig überflüssig vor – auch wenn diese ganze Aktion natürlich nicht geklappt hätte, wenn er den Thron nicht belagert hätte. Seraphim hatte einfach etwas geschafft, was Soutas Möglichkeiten überboten hatte, und das ärgerte den Kettenmagier, der immer davon ausgegangen war, dass er stärker als der Ältere war … Oder zumindest auf seinem Level. Man konnte sich selbstverständlich streiten, inwiefern ein scheinbar durch Wunden nicht besiegbarer Gegner gegen einen Nicht-Magier denn fair oder schaffbar war und eigentlich hatten sie ja auch im Team gekämpft, aber nein, gerade war das unwichtig … Und dämpfte den Triumph für den unter all der Freundlichkeit doch recht egoistischen Souta um ein ganzes Stück, was er sich allerdings sicherlich nicht anmerken lassen würde. Stattdessen heftete er den Blick seines Auges auf das Loch im Boden und verkniff sich einfach einen Kommentar zu dieser ganzen Sache, auch wenn ihm sicherlich fünfzig witzige Sprüche eingefallen wären. Weil der Blonde Seraphim verletzt hatte, fand er ihn unsympathisch und er hätte durchaus gerne gesehen, wie er immer kleiner wurde und dann durch das Portal schlug, vielleicht hätte er ihm hinterhergebrüllt, dass diese finale Attacke ein Schuss in den Ofen war, aber so … So saß er nur da und kämpfte sich letztendlich doch ein Lächeln ab, denn stolz war er ja schon und das erwartete man in dieser Situation außerdem von ihm, oder? Seraphim hatte den Tag gerettet, das Examen im Alleingang gewonnen, quasi … Also hatte er auch entsprechende Anerkennung verdient, oder? War es nun vorbei? Hatten sie es geschafft? Wie lange würde es dauern, bis die drei Minuten abgelaufen waren, und würde danach noch etwas auf sie lauern? Mittlerweile rechnete der Rotschopf mit allem … Das hier war deutlich anstrengender gewesen als alles, womit er je konfrontiert worden war, auch wenn er verhältnismäßig unberührt davongekommen war, ganz im Gegensatz zu gewissen Anderen, denen er nach kurzer Überlegung doch noch einen recht anklagenden Blick zuwarf, schließlich hatten sie ja jetzt wohl ein bisschen Zeit, wenn er das richtig verstanden hatte … „Wegen deinem Arm ….“ Normalerweise war Souta niemand, der andere Menschen anbrüllte, aber es gab doch gewisse Momente, in denen er seiner Meinung Luft machen musste, zum Beispiel, wenn er sich verletzte oder sauer auf seine Mitmenschen war, und dies tat er wiederum gerne unter vollem Gebrauch vielseitiger Kraftausdrücke, die er auf den Straßen Hargeon Towns aufgeklaubt hatte. Wie ein Seemann zu fluchen war in diesem Sinne nicht nur eine Redensart und wahrscheinlich hörten im Moment sogar die weggebeamten Examensteilnehmer, die Vöglein über und die Fische unter ihnen die Schimpftirade des Rothaars, die nicht einmal dann abreißen würde, wenn die ganze Plattform in sich zusammenfiel, der Himmel einbrach und nichts im Universum übrig blieb außer seiner sich am Thron festklammernden Wenigkeit.
Manchen Dingen konnte man eben doch nicht entkommen ...

Seraphims Angriff von oben hatte sich nicht innerhalb der Kalkulationen Kyoris befunden... nein, er hatte den Magier doch für eine klügere Person gehalten. Wenn man einmal davon absah, dass inzwischen bereits deutlich geworden sein sollte, dass dieses Schloss und die magische Energie des Fairy Tail Magiers in Zusammenhang standen, spätestens als er einen Teil davon simpel ummodeliert hatte, was bedeuten würde, dass der Rest wohl nicht mehr lange halten würde, wenn man ihn davon entfernte... Hatten sich die beiden denn nicht ein einziges Mal gefragt, wie das Schloss in der Luft gehalten wurde? Abgesehen davon, dass es auf magische Weise war, natürlich. Denn wenn der Schwebezauber auf dem gesamten Schloss gelegt oder irgendwie in das Gestein eingebettet gewesen wäre, dann wäre es nicht nur komplizierter gewesen, die unteren Stockwerke abfallen zu lassen, auch die Teile, die bisher von der Plattform abgebrochen waren, würden noch hier irgendwo durch die Luft schweben und das Kampffeld wohl ein ganzes Stück weit beeinflussen. Der Zauber musste also auf einem Objekt liegen, das durch Kontakt mit dem Schloss dessen Flugfähigkeiten ermöglichte. Und dieses Objekt war nicht etwa der Thron, der ja jederzeit hätte kaputt gehen können oder das restliche Schloss hätte abstürzen lassen, als er darüber hinweg geflogen war – dieses Objekt war nichts anderes als Kyori Kibar höchstselbst, der gerade mit dem Gestein, das er unter seinen Füßen materialisiert hielt, aus dem Rest des Turms gebrochen und durch die Wucht des Roar eine starke Beschleunigung in Richtung Erde erhielt, die nur langsam durch die der Schwerkraft entgegenwirkende Magie aufgehalten wurde. Die fünfzig Meter Reichweite seines Zaubers hatte er weit überschritten – zwar nicht zu der Mini-Plattform zu seinen Füßen, aber durchaus zu der großen, auf der Souta und Seraphim noch warteten –, doch aufgegeben hatte er diesen noch nicht. Die Welt um sich herum kaum bewusst wahrnehmend, fokussierte er noch immer sein Mana...

Die Reichweite seines Zaubers war trotz ihrem doch recht beeindruckenden Radius überschritten worden... Die Reichweite des Gravitationszaubers war weit geringer, auch wenn der dafür größere Objekte beeinflussen konnte. Er hatte allerdings auch ein wenig Zeit, die er nachhallte, weswegen die Plattform erst nach einigen Sekunden und auch dann nur langsam begann, abzusinken; wesentlich auffälliger war wohl, dass sie in kleinere, aber dennoch große Stücke aufbrach und so die Siegesstimmung der beiden mit einigen Erschütterungen wohl leicht... erschütterte. Der Fall der einzelnen Teile wiederum beschleunigte relativ schnell, weswegen die beiden nach einer kurzen Weile wieder eine Bewegung im Boden wahrnehmen dürften, ebenso wie in den anderen Plattformresten. Für sie war es wohl kein Glücksfall, dass sich das Gestein unter Kyori langsam komplett in zweieinhalb Golems verwandelt hatte, sodass er nun doch nicht länger seinen Stand hatte... was ihn mit ihnen zusammen fallen ließ. Eine unangenehme Situation... Andererseits wohl doch nicht so schlimm. Denn die Zeit vergeht noch während dem Sturz...

Erneut scheinen bunte Lichter auf, strahlend hell und scheinbar aus dem Nirgendwo, und beleuchten den Thron, damit auch Souta. Es ist vorbei... die Zeit ist abgelaufen, das Spiel wurde gewonnen. Es gibt nichts mehr, das dem Itasa den Sieg nehmen kann, und so bewegt sich Kyoris Waffe automatisch durch die Luft, schwebt auf den Thron zu, damit der Gewinner sie ergreifen kann. Doch all das fällt dem S-Rang-Magier schon nicht mehr auf, seine Augen sind geschlossen, er ist hoch konzentriert, während sein Körper beginnt, statt dem bisherigen Grün ein eher dunkles Leuchten zu emittieren. Schlussendlich legt sich das Licht um seinen gesamten Körper, und er richtet sich wieder zu voller Größe auf: „Golem, Go Lumpy! Activate!“ Erneut erfüllt seine Stimme die Umgebung, selbst ohne sein Mikrofon klingt sie beeindruckend und grollend, doch darauf können sich die Magier kaum konzentrieren, denn kaum hat der Kibar die Worte gesprochen, zeigen auch die stürzenden Reste deutlich, dass ihr Ende nahe ist... Die Plattform zerfällt und wird zu weiteren Golems, doch diese finden nicht mehr den Halt, den sie brauchen, da es der Boden ist, der sich Stück für Stück in ihre Artgenossen verwandelt. Kleine Golems stehen wie Wölkchen am Himmel, während sie stürzen, um tief im Meer den Rest ihrer Tage zu verbringen. Auch die Magier stürzen mit ganzen Golem-Gruppen hinterher, ebenso wie Kyori, der inzwischen laut zu lachen begonnen hat, als hätte er seit langer Zeit keinen solchen Spaß mehr gehabt. Während sich ein strahlend helles Licht um die Gruppe von Magiern legt, verschwindet auch der Thron unter Soutas Gesäß, bis die Lichter die Teilnehmer vollständig umschließen und diese in Sicherheit transportiert werden. Alles, was vom Examen bleibt, ist ein Regen kleiner, steinerner Figuren, dazu eine strahlende Schrift am Himmel: