Wie begann man solche Erzählungen für gewöhnlich?
Itasa Soutanobu hatte in seinem kurzen und doch ereignisreichem Leben schon zahlreiche Feinde besiegt und viele Verletzungen ausgestanden: Auf einer Quest, bei der er einen Tsunami davon abgehalten hatte, seine Heimatstadt Hargeon Town zu verwüsten, hatte er sich mit einer hartnäckigen Erkältung angesteckt, einmal hatte er Piraten besiegt und war von einem Säbel geschnitten worden und anschließend in salziges Meerwasser gefallen, dann wiederum hatte er sich im Kampf gegen einen Illusionsmagier selbst erdolcht, um aus der Halluzination zu sprengen und war ansonsten diverse Male angeschossen, geschlagen, gegen Wände gedonnert, über den Boden geschleift und allgemein misshandelt worden. Dementsprechend hatte man es bei dem Rothaarigen mit einem abgehärtetem Kerl zu tun, so einem richtig männlichem Mann, dessen Herz vor Heldentum überschwang und der unter seiner Augenklappe nicht etwa ein Auge, sondern noch eine zusätzliche Faust verbarg. Wenn Souta Honig wollte, dann kaute er Bienen, er konnte eine Drehtür zuschlagen, dass es knallte und wenn er sich in den Kopf gesetzt hatte, eine Barierre zu durchdringen, dann tat er das verdammt nochmal und verzog dabei keine Miene …!
Ja … Irgendwie nicht.
All jene Verletzungen und all jene sowohl emotionale als auch psychische Pein hatten den hübschen und vollkommen bartlosen Rothaarigen nicht darauf vorbereiten können, was ihn traf, als er durch das Schutzschild schritt. Es war wirklich niedlich, dass er auf seine Teamkameraden einen solch kompetenten Eindruck gemacht hatte, dass man annahm, er käme mit Schmerzen super zurecht, wo er doch ein alter Haudegen mit Augenklappe und darüber hinaus auch noch ein Nahkämpfer war. Wäre er dazu in der Lage, die Gedanken der beiden Frauen zu diesem Thema zu lesen, hätte er vermutlich laut losgelacht … Denn bei Souta gab es im Grunde genommen zwei Regeln, die man beachten musste: Nummer eins war ganz simpel, denn sie lautete „Glaub ihm nichts“, schließlich war er dafür bekannt, gerne einmal maßlos zu übertreiben und sich als Superheld darzustellen, um seine tragischen und kaputten Gedanken vor der Öffentlichkeit fernzuhalten, so dass man nur einen Bruchteil seines Gehabe für bare Münze nehmen durfte. Als wäre das nicht schon schwer genug, so war Regel Nummer zwei etwas in diese Richtung: „Er lügt nicht.“. Und das machte die Sache schon komplizierter. Souta mochte sich für die geilste Person seit Entdeckung von Leberkäse halten, aber wenn er einem etwas versprach oder generell von etwas erzählte, dann war das in den meisten Fällen auch ehrlich gemeint. Er hatte seine Schützlinge davor gewarnt, dass er nichts aushielt und sie hätten ihm wohl besser glauben sollen, denn wenn sie es nicht taten, so hatten sie wohl jetzt die Überraschung ihres Lebens vor sich. Der Rotschopf war ein paar Sekunden, nachdem Valerie durch die Hülle gebrochen war, stehen geblieben und hatte in einem unmännlichem Moment mit sich selbst gehadert. Es drangen keine Laute aus dem Schloss heraus, was vermutlich bedeutete, dass die Barierre schalldicht war, deshalb war es fast unmöglich einzuschätzen, wie es den beiden wohl ergangen hatte. Das machte es nicht unbedingt leichter, Mut zu fassen, doch ironischerweise half es auch irgendwie genau in diese Richtung. Wenn es etwas gab, mit dem man bei Souta Aufopferungsbereitschaft hervorbrachte, dann war es der Trick, seine Lieben, seine Freunde oder allgemein irgendwelche Schutzbedürftigen in Gefahr zu bringen. Er stand also draußen und drinnen ging vielleicht gerade die Post ab, daher gab es nur eine Möglichkeit, um zu gucken, was vor sich ging – und diese führte mitten durch die Schutzschicht. Mit zusammengebissenen Zähnen und entschlossenem Gesichtsausdruck bewegte sich der Kettenmagier auf die schimmerne Hülle zu und drückte zuerst mit dem Kopf dagegen. Es fühlte sich an, als wolle er in einen Wackelpudding eintauchen und er öffnete den Mund, atmete geruchslose und unfühlbare magische Materie ein, ehe seine Schultern mit einem Ruck durch die Schicht brachen und der Rest seines Körpers sich durch den engen Durchgang schob. Im ersten Moment spürte er nichts, außer ein sanftes Kitzeln der magischen Weberei, die durch seine Glieder fuhr und ihn fast schon liebkoste … als wäre er in einen See gesprungen und alle Fische zu ihm hingepaddelt, um mit sanften Mündern an ihm herumzusaugen. Panik schnürte jedoch schnell seine Brust zu, weil er einen Moment tatsächlich das Gefühl hatte, in Wasser zu tauchen, davon umgeben zu werden und nie wieder herauszukommen, doch im selben Moment, in dem er den Mund öffnete, um nach Hilfe zu rufen, kappte unglaublicher, brennender Schmerz seine Gedanken ab und ließ seinen Schrei zu einem schwachen Krächzen verklingen. Souta versuchte sich gleichzeitig zusammenzuziehen und auszubreiten, urtümliche Instinkte in ihm brachten sein Herz zum Rasen und seine Schweißporen zur Überproduktion, er wollte schreien, weinen und nach jemandem rufen, der ihn aus dieser Notlage befreien konnte. Es war schwer, mit einem Schmerz klarzukommen, der keine Gestalt hatte. Wenn jemand Souta auf die Nase schlug, dann schaltete er diesen außer Gefecht und konzentierte sich auf seine Antwort, bevor er den Schmerz an sich heranließ. Wenn jemand mit einem Messer auf ihn einstoch, so konnte er das Blut beobachten, das sich um die Wunde herum ausbreitete. Wenn er Krämpfe hatte, dann hatte er immernoch das Gewissen in ihm, was ihn für seine Essgewohnheiten schalt … Aber hier hatte er nichts. Alles, was um ihn herum existierte war der Schmerz, der sich in seine Haut fraß, seine Eingeweide verknotete und gierig nach seinem Herzschlag griff, bis sich jede Faser seines Körpers taub und geprügelt anfühlte und er durch die Hülle drang. Obwohl es nur zwei Sekunden gedauert hatte, die Barierre zu durchschreiten, fühlte er sich, als wäre er ewig gefangen gewesen und tastete nach dem Boden, auch wenn jede Berührung in seinen Fingerkuppen brannte und der Schmerz erst in Wellen abebbte, die sein Auge scheinbar imitieren wollte, denn große Tränen quollen daraus hervor und schüttelten ihn, während er auf den Knien lag und seine nicht behandschuhte Faust auf den Boden schlug. Ein paar ziemlich derbe und nicht ganz so großartige Flüche sprudelten zwischen seinen Lippen hervor, bis er sie wieder zähmen konnte und er hatte kaum bemerkt, wie die Stäbe klirrend über den Boden gekugelt waren, weil er zu beschäftigt damit war, hier auf dem kristallenen Boden ein Phantomkind zu kriegen … jedenfalls fühlte sich das wahrscheinlich so an. Die Luft entwich seinen Lungen in kurzen, heftigen Stößen und er brauchte ein paar Sekunden, um das zuvor fest zugepresste Auge zu öffnen und die Lippen zu spalten, um jappsend einzuatmen. Er wusste nicht, wie die Muskeln in seinen Armen ihn davon abhalten konnten, mit dem Gesicht über den Boden zu pflügen und um ehrlich zu sein, war er vielleicht ja auch tot … Druchdringendes, perfektes und kristallines Weiß herrschte um sie herum, denn sie befanden sich in einem menschenleerem, engem Gang, der sich einige Meter weit erstreckte, bis er drei Abzweigungen bildete, deren Ende man nicht sehen konnte. Durch das Hämmern seines Herzens, das gerade seinen Adamsapfel vermöbelte, konnte er ein sanftes Klirren hören, und als er es irgendwie schaffte, den Kopf zu heben, befand sich über ihnen ein wunderschöner Kronleuchter, in dem sich das Tageslicht spiegelte und der sanfte, fast schon beruhigende Klänge hervorbrachte, die dem Rotschopf im Moment aber eher wie ein schlechter Witz erschienen. Bevor er jedoch irgendetwas tat, aufstand oder sich auch nur im Ansatz fortbewegte, musste er etwas sagen, was schon in dem Moment durch sein Gehirn geschossen war, als er die Hülle durchbrochen hatte und die Qual sich langsam verzog: „Seid ihr in Ordnung?“

Auf die physische Pain folgte noch ein Angriff auf ihr seelisches Schmerzenszentrum, als Sylvana nacheinander mit eigenen Augen verfolgen musste, wie zuerst Valerie und anschließend auch Souta die Barriere durchschritten und auf den Boden sackten, nachdem der Schmerzenszauber abgeklungen war. Sie konnte sich es gar nicht vorstellen, wie es den beiden Magiern jetzt gehen würde, wenn man wirklich davon ausgehen konnte, dass ihre Schmerzempfindlichkeit größer als die der Dragonslayerin war. Besonders um Valerie machte sie sich sorgen, die so zusammengekauert und beinahe schon regungslos auf dem Boden lag. Um Souta hingegen machte sie sich wirklich weniger Sorgen, auch wenn der rothaarige Magier auch sicherlich schon bessere Augenblicke erlebt hatte. Die Taubheit ihres Körpers hatte sich zwar noch nicht völlig gelegt, aber irgendwie schaffte es Sylvana aufzustehen und sich langsam zu Valerie zu schleppen. Vorsichtig hockte sich die Fernandez neben die zierliche Magierin, legte ganz vorsichtig die Hand auf ihren Rücken und streichelte in sachten Bewegungen ein wenig hoch und runter. „Alles ist gut, Valerie. Du bist in Sicherheit.“ Vorerst, soviel stand fest. Aber ihr jetzt die nackte Wahrheit entgegenzutragen war einfach weder die richtige Methode, noch war es gerade die richtige Zeit dafür. Wichtig war es, dass sich das Mädchen jetzt beruhigen konnte, damit sie ihre Aufgaben fortsetzen konnten. Solange sie nicht genau wussten, was alles in den Mauern dieses Schlosses auf sie wartete, war ihr ein weiteres Individuum, dass vielleicht Dinge entdeckte, die ihren Augen entgingen, sehr lieb. Zumal ihre Magie sich fast schon perfekt in die Gruppe einreihte. Nahkampf, ein wenig Flächen- und Distanzangriffe, sowie eine unterstützende Magie. Und eine so ausgewogene Gruppe sollte man nicht einfach sprengen, indem man einen Kameraden, egal wie fremd er war und welcher Gilde er angehörte, zurückließ.
„Was deine Frage von vorhin angeht…“ Es war der Dragonslayerin ein wenig peinlich, dass sie nicht direkt darauf eingegangen war. Aber irgendwie hatte diese eine Frage sie für einen Moment völlig aus dem Konzept gebracht. Auf eine merkwürdige Art und Weise empfand sie ja immer noch ein gewisses Solidaritätsgefühl zu dieser verrückten Gilde und ihren Magiern, egal was nun vorgefallen war. „Ich war für eine ziemlich lange Zeit ein Magier dieser Gilde und bin auch irgendwie froh einmal ein Teil dieser Chaotentruppe gewesen zu sein. Aber das liegt in der Vergangenheit, mein Zuhause ist jetzt Blue Pegasus und ich bereue es kein bisschen nun das Zeichen dieser Gilde zu tragen.“ Den wirklichen Grund ihrer Frage wollte Sylvana nicht in Erfahrung bringen, dafür war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Leicht lächelnd legte sie ihre Hand auf Valeries Kopf, wuschelte ihr einmal kurz durch die Haare. „Du bist wirklich ein tapferes Mädchen, Valerie. Tapferer als diese ganzen Runenritter, die da draußen stehen und Däumchen drehen, während wir hier die Drecksarbeit für sie machen dürfen.“ Ja, dass war Valerie wirklich. Obwohl sie schon vorhin Zweifel daran gehabt hatte, ob sie mit den Schmerzen zurechtkommen konnte, war sie einfach ins kalte Wasser gesprungen. Keiner dieser Ritter da draußen hätte die Courage dazu gehabt, da war sich Sylvana sicher.
Langsam richtete sich Sylvana wieder auf, nachdem sie noch einmal kurz ihre Stirn an den Kopf der jungen Magierin gelehnt hatte und ihr ein leises „Du bist stärker, als du denkst“ ins Ohr geflüstert hatte, und ging auf Souta zu, um zuerst die Stäbe wieder einzusammeln und dem Magier dann ihre Hand zu reichen. „Ein paar Regionen meines Körpers sind zwar noch taub und ich fühle mich, als hätte ich gestern die ganze Nacht durchgezecht, aber ansonsten kann ich mich wirklich nicht beklagen.“ Schmunzelnd musste sie feststellen, dass ihre Laune besser als gedacht war. Dafür, dass sie sich schon irgendwie fühlte, als hätte sie gerade ein Zug überfahren. Vielleicht waren das so die Kleinigkeiten, die sie aus ihrer Zeit bei den Feen mitgenommen hatte. Verbundenheit zu ihren Kameraden, ein mitfühlendes Herz für solche Situationen. Immerhin hatten sie all gerade eben den gleichen Schmerz in ihrem Körper gespürt, daher wusste jeder, was der andere gerade erlebt hatte. Ein Erlebnis, was vielleicht doch ein wenig zusammenschweißt. „Bei dir denn auch alles in Ordnung, Souta?“

In Valeries Ohren rauschte es. Ein dumpfes Hämmern, dass eindeutig ihren Puls darstellte, dröhnte durch ihren gesamten Körper und ließ selbst ihre Fingerspitzen seltsam pulsieren, während ihre Atmung, die sich noch immer nicht normalisiert hatte, die Luft zwischen ihren Zähnen zischen ließ. Der Schmerz hatte aufgehört, ja, doch der Schreck und die Panik lagen ihr noch immer in den Knochen und brachten ihren Körper unkontrollierbar zum Zittern. Es war schlimmer gewesen, als sie gedacht hatte. Bedeutend schlimmer und ganz schrecklich schmerzhaft sogar. Noch nie zuvor hatte sich Valerie derart hilflos und verlassen gefühlt. Sylvanas Berührung an ihrem Rücken ließ die Finsternismagierin hart zusammenzucken, beinahe so, als erwartete sie jeden Augenblick, dass eine neue Schmerzwelle über ihre zierliche Figur hineinbrechen würde. Ihr Atem ging rasseln, als sie den Worten der Magierin lauschte, in der Hoffnung, diese würden sie auf irgendeine Art und Weise aus ihrer Panik befreien. Es war lieb, wie sehr sie sich bemühte, ihr seelisch wieder auf die Beine zu helfen und ihr zudem noch versicherte, dass sie trotz ihres Zusammenbruches nicht unbedingt eine Behinderung für die Gruppe war. Sie hatte Erfolg und Valeries rasselnder Atem schien sich ein wenig zu verlangsamen, während sie vorsichtig blinzelnd die Augen öffnete und in die strahlend blauen Seelenspiegel der Donnermagierin blinzelte. "Danke...", murmelte sie heiser und ihre Stimme kratzte in ihrem Hals, als hätte sie sie seit einigen Tagen nicht mehr benutzt. Langsam und behutsam kämpfte sich die Sakai auf ihre Knie, während sie mit ihrer rechten Hand zittrig die letzten Tränenspuren von ihrem Gesicht wischte. Sie fühlte sich, als hätte sie nach einem langen Lauf oder einer anstrengenden Sporteinheit mit entsetzlichem Muskelkater zu kämpfen. Alles schmerzte und bei jeder Bewegung schienen ihre Muskeln unangenehm zu brennen und zu hämmern, vermutlich eine Nachwirkung von den Krämpfen die ihren Körper so unbarmherzig geschüttelt hatten. Dennoch war es interessant, was Sylvana da erzählte, weshalb sich die Finsternismagierin dennoch bemühte, der jungen Frau Gehör zu schenken. Was hatte sie gesagt, sie war zunächst meine Magierin von Fairy Tail gewesen und hatte anschließend die Gilde gewechselt? Valerie hatte noch niemals gehört, dass dies überhaupt möglich war und ihr selbst würde nicht einmal die bloße Idee kommen Lamia Scale zu verlassen. Es musste also offensichtlich einen guten Grund geben, dafür das Sylvana Fairy Tail verlassen hatte und zu Blue Pegasus übergelaufen war. Denn mit einer solchen Zuneigung, wie sie von ihrer zuvorrigen Gilde sprach, konnte sich die Dunkelhaarige nicht vorstellen, dass ihr diese Entscheidung sonderlich leicht gefallen war. Das Mädchen bedauerte es beinahe, als Sylvana sich schließlich von ihr entfernte und zu Souta begab, dem es offensichtlich genauso schlecht ging wie ihr selbst. Niemals hätte Valerie vermutet, dass der Rothaarige sich ebenfalls so von den Schmerzen mitnehmen lassen würde, weshalb sie ihn dafür bewunderte, dass er sich trotz der Nachwirkungen dennoch in der Lage sah, nach seinen Teamkameraden Ausschau zu halten.
Vorsichtig stemmte sich die junge Magierin hoch und kam anschließend reichlich schwankend auf ihren Füßen zum stehen. So richtig sicher fühlte sie sich zwar noch nicht und jede Bewegung erforderte einen gewaltigen Kraftakt und dennoch wollte sie Souta und Sylvana zeigen, dass es ihr bereits besser ging und sie sich wieder erholen würde. Etwas unsichere machte sie vorsichtig eine Schritte in die Richtung ihrer beiden Kameraden und schenkte Souta anschließend ein schwaches Lächeln. "Es ging mir schon besser, aber ich werde es überleben...hoffe ich. Was ist mit dir, wie fühlst du dich?" Auf den schwachen Versuch des ersteren Scherzes folgte ein müdes Kichern, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sich das Mädchen tatsächlich auf dem Weg der Besserung befand. "Für den Rückweg schlage ich allerdings trotzdem vor, dass wir die Barriere zerstören...ich bin mir nicht sicher, ob ich einen zweiten Sprung durch diese Teufelsschicht überlebe." Und das meinte sie tatsächlich ernst, denn der bloße Gedanke daran, solche Schmerzen ein zweites Mal erdulden zu müssen, ließ pure Übelkeit in ihrem Hals aufsteigen und für einen Augenblick hatte sie tatsächlich das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Daher versuchte sie rasch, sich auf etwas anderes zu konzentrieren und wandte ihren Blick stattdessen auf die Stäbe, welche Sylvana kurz zuvor aufgesammelt hatte. "Was war nun noch mal der Plan? Ich war so von der Aufgabe beschäftigt, durch die Barriere kommen zu müssen, dass ich glatt vergessen habe, was danach kam..."

Obwohl es Souta selbst nicht gerade gut ging – ganz im Gegenteil – und er dachte, dass er wahrscheinlich einfach wieder zusammenbrechen würde, wenn er jetzt auch nur daran dachte, sich aufzurichten, fiel ihm ein gefühltes Kristallschloss vom Herzen, als er sah, dass es seine Teammitglieder immerhin nicht so schlimm erwischt hatte, dass sie in Ohnmacht gefallen waren oder nicht mehr weitergehen konnten. Natürlich dachte er da ähnlich wie Sylvana und würde auf keinen Fall irgendjemanden hier zurücklassen, doch unter Umständen hätten sie vielleicht genau das tun müssen, um ihren Auftrag zu erfüllen, immerhin standen sie unter zeitlichem Druck, was nicht nur ihrer Motivation geschadet hätte, sondern auch einfach nicht in den Charakter des Rothaarigen passte. Ganz nach seinem Motto, den anderen nicht zuviel von seinen Schmerzen und dem Taubheitsgefühl zu offenbaren, das in seinen Knochen saß und sein Blickfeld noch immer leicht verschwimmen ließ, packte er die Hand der Braungebrannten mit festem Griff und ließ sich von ihr auf die Beine ziehen. Einen Augenblick lang glaubte er, dass er sich direkt wieder auf den Hintern setzen würde, doch schließlich schaffte er es, sich zu stabilisieren, indem er die Zähne fest aufeinanderbiss und sich immer wieder geistig vorsagte, dass er hier der Boss war und deshalb keine Memme sein durfte. Was er jetzt für grüne, heilende Hände tun würde … Nun, er hatte keine Verletzungen errungen, einfach nur durchdringenden Schmerz, der aber nichts beschädigt zu haben schien. Während Valerie ganz langsam auf die Beine kam und Souta sie mit besorgtem Blick beobachtete, bewegte er seine Glieder, öffnete und schloss die Fäuste und machte ein paar wackelige Schritte durch den engen Gang, um zu testen, inwiefern er seinen Reflexen vertrauen durfte. Es kam ihm vor, als würde das Geräusch seiner Turnschuhe mit ihrem leisen Quietschen auf dem glatten Boden durch das ganze Gebäude dröhnen und den Kronleuchter über ihnen zum Klirren bringen, doch das war vermutlich nur der Effekt dieser eigentümlichen und pompösen Bauweise. Wer errichtete auch schon ein ganzes Schloss aus Kristallen? Verrückte Leute gab es immer wieder … Letztendlich hatte auch Valerie es geschafft, sich aufzurichten und hatte dieselbe Frage gestellt, die er auch noch bei Sylvana beantworten musste. Bisher war er zu beschäftigt gewesen, all seine Motoren wieder anzuwerfen, doch jetzt drehte er sich den beiden Mädchen wieder zu, als wäre nichts gewesen, wischte sich eine letzte Träne aus dem Auge und grinste. Selbst wenn doch alles ziemlich verklemmt aussah, gab es bestimmt ein paar Pluspunkte für den Versuch, der ja schließlich hauptsächlich zählte. „Alles peachy. Ich weiß noch etwas, was wir die ganze Nacht machen können, wenn wir das hier überleben...“, säuselte er und einer seiner Mundwinkel hob sich ein bisschen mehr als der andere, was seinen Gesichtausdruck deutlich verschmitzter erschienen ließ, als das in einem kathedralenartigem Bau vielleicht vertretbar war. Souta interessierte diese Tatsache jedoch kein bisschen und hatte es so geschafft, einer ehrlichen Antwort über sein Wohlbefinden – das gelinde gesagt leicht bescheiden war – zu entgehen. Vielleicht würde Sylvana jetzt versuchen, ihm eine zu scheuern … Aber nach dieser Erfahrung konnte sie ihm vermutlich sogar ihr Knie in die Kronjuwelen rammen und es wäre immernoch nicht so schmerzvoll … Wenn sie soetwas denn schaffen würde, schließlich war es eine dumme Idee, ihren Teamleiter außer Gefecht setzen zu wollen, hm? Genug des Geflirte, das kam sowieso nicht so gut an, wenn man noch eine Minute zuvor heulend auf dem Boden gelegen hatte, also stemmte er die Hände in den Rücken und streckte sich mit einem Ächzen durch, wobei er bemerkte, wie der Kristall an seiner Hand gegen seine Haut drückte. Ach ja: Ihr Auftrag! Wie auf's Stichwort erinnerte auch Valerie die Gruppe daran, dass sie hier ja nicht nur zum alljährlichem Masochistentreffen gekommen waren, sondern auch noch etwas erledigen mussten. Souta betrachtete die ledrige Struktur des Artefaktes auf seiner Hand und betrachtete dann die Stäbe, die auf dem Boden lagen, aber wenigstens nicht beschädigt aussahen. Immerhin. „Oh … wartet!“ Er friemelte das Kommunikationslachryma aus seiner Tasche und betrachtete die Kugel für einen Augenblick, ehe er sie aktivierte. „Wir sind drin und leben alle noch.“ Nachdem er diese wichtige Information weitergeleitet hatte und damit wohl alle Runenritter beruhigte, hätte er gerne gefragt, ob es auch alle anderen Gruppen geschafft hatten, doch er verkniff es sich, vor seinen Kameraden hier den besorgten Freund zu spielen und packte das Teil wieder weg, nachdem ein „Verstanden.“ zu vernehmen war. Nun gut. „Unsere Aufgabe ist jetzt erst einmal, weiter in das Schloss einzudringen. Letztendlich werden wir die Godslayer besiegen und die Welt retten, doch eins nach dem anderen. Ich würde sagen, dass jemand die Stäbe nimmt, der nicht im Nahkampf vertreten ist, denn ich würde sie ungerne im Kampf zerstören … Selbst wenn wir hier noch ziemlich allein zu sein scheinen.“ Der Kettenmagier wandte sich bei den letzten Worten dem menschenleerem Gang zu und runzelte die Stirn. Sie waren nicht nur wenig subtil gewesen, eigentlich hatte er erwartet, dass jemand hier auf sie wartete. Dass dem nicht so war, konnte man wohl bestenfalls als Glück bezeichnen … Merkwürdig war es doch. „Ich würde sagen, wir bleiben erst einmal zusammen und gehen auf Erkundungstour, um uns ein Bild der Lage zu machen. Vor allem sollten wir unser hübsches Artefakt ausprobieren, das angeblich Kristall schmilzt.“ Mit einem Blick in alle Richtungen und gebührendem Abstand zu seinen Teamkameraden richtete er den Handschuh auf die Wand vor sich, in der er durch diese Ausrüstung ein Loch stanzen können sollte. Es brauchte nur einen kleinen Manastoß, um die Gerätschaft zum Laufen zu bringen, so dass sie leicht summte, der Kristall leuchtete und schließlich ein Laserstrahl auf die Wand traf. Statt jedoch wie erwartet durch die Steinformation zu brennen und sie zu durchschlagen, wie man ihnen ja versichert hatte, prallte das Ding ab, sprang, gebrochen wie ein Lichtstrahl auf einem Prisma nach oben und durchtrennte dabei fast die Halterung des Kronleuchters, der bedrohlich über ihnen schlackerte, aber wenigstens nicht abstürzte. „Huh.“ Das war nicht seine Schuld gewesen, oder? Wieso funktionierte das Teil nicht? „Na ja … Vielleicht finden wir ja eine Tür oder so ...“ Nach dieser aufmunternden Demonstration ihrer Vorteile konnte es ja endlich losgehen, hm?

Hatte Souta gerade wirklich getan, was Sylvana dachte? Doch, es war verdammt eindeutig gewesen. Irgendwie wieder typisch Souta, selbst nachdem er heftige Schmerzen durchlitten hatte war er noch in der Lage sie dumm anzuflirten und das mit einem Spruch, für den sie ihm liebend gerne eine schellende, elektrisierende Backpfeife auf seine linke Wange gesetzt hätte. Ein Handabdruck auf sein so hübsches Gesicht, farblich passsend zu seinen Haaren. Kurze Augenblicke kam ihr sogar der Gedanke, ihn zu packen und durch die Barriere rauszudrücken, welchen sie aber schnell wieder beiseite legte. Das war doch schon ein wenig zu extrem für einen solch dämlichen Spruch. An sich hatte Souta doch relatives Glück, dass sie sich schon in feindlichem Territorium aufhielten, denn hätte er einen solchen Spruch noch vor der Barriere abgelassen, sie hätte ohne zu zögern ihre Hand durchgeschwungen und dafür gesorgt, dass seine Kiefermuskulatur für einige Sekunden die Arbeit einstellte. Zumindest in ihrer Vorstellung war das ein sehr befriedigender Anblick. Statt einer Backpfeife oder anderer körperlicher Gewalt, stellte sie sich vor ihn, schaute ihm direkt in die Augen, während ihre Fingerspitzen winzige Kreise auf seiner Brust zeichneten. „Oh, ich hätte da auch ein paar wundervolle Ideen, die dir jedoch vermutlich bei weitem nicht so viel Spaß machen würden, wie mir~“ Ihre Worte, so süß sie doch gesäuselt waren, überdeckten bei weitem nicht die versteckte Drohung, die sie damit überbringen wollte. Wenn es darum ging, jemanden zu quälen, der es verdient hatte, war Sylvanas Ideenreichtum eine nie versiegende Queller diabolischer Einfälle. Und extra für Souta hätte sie sich ordentliche Mühen gegeben, eine Menge bösartiger Sachen auszuhecken, die man innerhalb einer ganzen, langen Nacht so machen könnte. Nichts, was Souta gefallen würde – sollte er denn tief in seinem Inneren nicht ein Masochist sein. Aber nach dem Erlebnis mit der Barriere schien es wirklich nicht danach.
Nachdem sich Sylvana von Souta entfernt und gegen die nächstgelegene Wand gelehnt hatte, konzentrierte sie ihre Aufmerksamkeit auf die drei Stäbe in ihrer linken Hand. Sie pulsierten leicht, kribbelten auf ihrer Haut und Sylvana hatte kurze Zeit das Gefühl, dass sie keine Art magischer Kraft in ihrer Hand mehr spürten konnte. Unterbewusst kanalisierte sie einen winzigen Magieimpuls, versuchte kleine Blitze um ihre Fingerspitzen tanzen zu lassen – ohne Erfolg in der Hand, in welcher sie die Stäbe hielt. Was für hinterhältige, kleine Biester. Andererseits, wenn sie das Zentrum der Barriere finden konnten, würden die Stäbe dafür sorgen, dass sie in sich zusammenbrechen würde. Sie müssten sich nur überlegen, wie sie diese Dinger transportieren sollten. Souta hatte schon recht damit, dass ein Nahkämpfer die Stäbe nicht bei sich tragen sollte. Damit fiel Souta direkt als Kandidat weg und auch für Sylvana würde es problematisch werden, mit ihrem Katana in der einen und den Stäben in der anderen Hand zaubern zu wollen. Die meisten ihrer Zauber waren zwar auf Distanz ausgelegt, aber ihr ganzer Kampfstil war eine ausgeglichene Mischung aus Fernkampf und effektiven Nahkampfangriffen. In einem Kampf würde es meistens so aussehen, dass Sylvana sich in Valeries Nähe aufhalten und Souta zeitgleich den Rücken freihalten würde. Bedeutete also, dass Valerie die Stäbe vielleicht sogar am besten transportieren konnte. Natürlich wusste Sylvana nicht genau, wie das Mädchen ihre Magie formte, aber sie als Unterstützungsmagier würde dem Nahkampf garantiert fernbleiben – immerhin würden Souta und Sylvana dafür sorgen. „Valerie, würdest du diese magischen Gegenstände an dich nehmen? Von uns dreien bist du vermutlich die Letzte, die freiwillig einen Nahkampf suchen würde, nicht?“ Lächelnd stieß sich die Dragonslayerin von der Wand ab, ging auf das Mädchen zu und hielt ihr die Stäbe entgegen. Auch wenn Sylvana es als Frage gestellt hatte, an sich hatte Valerie durch die Wahl ihrer Worte eigentlich keine andere Wahl als diese Dinge an sich zu nehmen. War nur zu hoffen, dass die antimagischen Eigenschaften der Stäbe dem Mädchen beim Wirken ihrer Zauber keine Probleme bereiten würden.
An sich hatte Sylvana wirklich viel von diesem Artefakt erhofft, als sie die Stäbe in den Händen gehalten hatte. Einmal hatten die Runenritter ihnen gute Dienste erwiesen und qualitativ hochwertige Ausrüstung mitgegeben. In der Ausführung aber war das Artefakt wohl aber das schwarze Schaf, welches ihrer Motivation direkt einen herben Dämpfer entgegenbrachte. Eine hübsche Lichtshow war es, zugegeben. Das war aber nicht der verdammte Sinn und Zweck dieses Artefakts. Es sollte Kristall schmelzen und nicht einfach von ihm abprallen und zu einem gefährlichem Geschoss werden. Natürlich hielt Sylvana den Atem an, als der Strahl den Kronleuchter fast von der Decke geholt hatte und sie jeden Moment davon ausgegangen war, dass er sich direkt auf sie hinabstürzte. Scheinbar stand das Glück im Unglück auf ihrer Seite. Problematisch war nur, dass sie das Schloss wohl nicht wie geplant einschmelzen konnten, sondern die normalen Wege gehen mussten. Ergo die Fallen, die hier vielleicht bereits aufgestellt waren, alle samt auslösen, wenn sie Pech hatten. „Wäre auch zu schön gewesen, wenn das funktioniert hätte“, seufzte die Dragonslayerin und widmete ihre Aufmerksamkeit auf den Gang vor ihnen. Eine gemeinsame Erkundungstour klang vielversprechend, wenn man wirklich keine Ahnung hatte, was einen erwarten würde. Schön wäre es jetzt wirklich, wenn plötzlich irgendwo eine große Leuchtschildtafel mit der Aufschrift „Lacryma-Barriere-Generator“ und einer genauen Richtungsangabe auftauchen würde. Reines Wunschdenken um sich von der Tatsache abzulenken, dass sie wirklich überhaupt keine Ahnung hatten, wie sie die Barriere überhaupt beseitigen sollten. Und statt eines Wesweisers bekamen sie natürlich auch noch die beste Form des Irrgartens: Eine Wegspaltung. Großartig. Sofort drehte sich Sylvana an die Wand rechts von ihr und ließ ihren Kopf gegen den Kristall schlagen. „Wir haben auch wirklich unglaubliches Glück heute…“

Valerie lauschte dem kurzen Wortwechsel mit eher großen Augen, während sie sich unbewusst fragte, in was für einer Situation sie sich überhaupt befand. Sie war mit einer Gruppe von insgesamt drei Leuten auf einer lebensgefährlichen Quest, die wohl möglich das Schicksal der Welt mit entscheiden würde und musste sich nebenbei dem wohl seltsamsten Wortwechsel hingeben, den sie je gehört hatte. Die Sakai neigte den Kopf, während ihre Augen zunächst zu Souta und dann zu Sylvana wanderten, als versuche sie einen Blick in die Köpfe der Magier zu werfen und auf Grund ihrer Beobachtungen herauszufinden, was für eine Beziehung die beiden wohl zueinander hatten. Sie wirkten sehr vertraut miteinander, wenn man das denn so sagen konnte und soweit Valerie das Ganze mitbekommen hatte, gehörten sie außerdem beide zu der selben Gilde. Zumindest glaubte sie, dass sich da so eine Erinnerung in ihrem Köpfchen festgesetzt hatte, laut der Souta ebenfalls ein Blue Pegasus Magier war, aber sicher konnte man sich da nicht sein und so wirklich interessant war das Ganze dann auch wieder nicht. Im Grunde spielte es eigentlich auch gar keine Rolle, denn in Valeries Augen ließ sich der Wortwechsel sehr treffend in einem einzigen Satz zusammenfasste. "Ach nein wie schön, wie lange seit ihr denn schon ein Paar?", flötete sie vergnügt, wobei sich eine freudige Röte auf ihre Wangen legte und sie ihre beiden Kameraden beinahe selig anstrahlte. Junge Liebe zu sehen war aber auch immer etwas Wunderbares...auch wenn sie anfangs niemals auch nur vermutet hätte, dass da zwischen den Beiden etwas mehr als Freundschaft vorhanden war. Nun, vielleicht gehörten sie auch zu der Sorte von Liebespaar, die ihre Zuneigung nicht so öffentlich zeigten und wenn Valerie ehrlich war, dann kannte sie sich mit diesem ganzen Romantik Zeug ja ohnehin nicht sonderlich aus und konnte in dem Bereich nicht wirklich auf eine große Erfahrungsbasis zurückgreifen. Daher ließ sie es bei dieser unverfänglichen und fröhlichen Frage beruhen und drehte anschließend einmal probeweise die Schultern zurück, um zu testen in wie weit sie noch von der Muskelverspannung in ihrem Körper betroffen war. Es ziepte noch etwas zwischen den Schulterblättern und auch ihr Kopf fühlte sich noch immer unangenehm schwer an, doch es war auszuhalten, weshalb sie auch ohne weiter darüber nachzudenken ihre Aufmerksamkeit auf Sylvana richtete, welche die Stäbe noch immer den Händen hielt. Nachdenklich fuhr sich die Sakai mit dem Zeigefinger über das Kinn, ehe sie schließlich zögerlich nickte und einen Schritt auf die Dunkelhaarige zu trat. "Das stimmt wohl, wenn es zu einem Kampf kommt, dann ist es wohl am wahrscheinlichsten, dass die Stäbe bei mir bruchsicher verwahrt sind. Ich verlasse mich dann darauf, dass ihr sämtliche Angriffe in meine Richtung abschirmt.", auch wenn die letzte Aussage von einem Lächeln begleitet war, so hatte die Sakai sie dennoch bewusst nicht als eine Frage formuliert. Wenn sie sich mit diesen Stäben schon in eine relativ hilflose Situation brachte, dann wollte sie auch davon ausgehen können, dass für ihre Sicherheit angemessen gesorgt war. Dennoch zögerte die Siebzehnjährige nicht lange und nahm die ihr entgegen gehaltenen Geräte entgegen, welche sie kurz darauf vor Überraschung beinahe wieder hätte fallen lassen. Es stimmte, ein seltsames Pulsieren und Kribbeln ging von ihnen aus und als Valerie versuchte testend Mana in ihren Händen zusammen, musste sie feststellen dass es tatsächlich bei einem Versuch blieb und keine wabernde Finsternisflamme um ihre Hand tänzelte. Die Teile schiene zu funktionieren, blieb nur zu hoffen, dass sie auch bei der Barriere ihre Aufgabe erfüllen würde.
Immerhin konnte man die Stäbe bequem in einer Hand tragen und als Valerie versuchte in ihrer freien Hand Mana zu sammeln, war dies auch augenblicklich von Erfolg gekrönt und Erleichterung durchströmte ihren Körper. Es tat gut zu wissen, dass der Magieblocker der Geräte nicht ihren gesamten Körper beeinflusste und sie so wenigstens noch die Chance haben würde, sich zu verteidigen, falls es tatsächlich darauf ankam. Ihre Augen huschten zu Souta, gerade als dieser dabei war den vermeintlichen Kristallschmelzer ausprobierte und sie zuckte heftig zusammen und hätte beinahe ihre wertvolle Fracht fallen gelassen, als der Strahl ganz einfach von der glatten Oberfläche abprallte und dabei fast den Kronleuchter mit nahm. Insgeheim musste sie Sylvana zustimmen, es wäre zu schön gewesen, wenn schon gleich zu Anfang alles einwandfrei funktioniert hätte und sie ganz einfach hätten hinein marschieren können. Und die Wegspaltung die kurz darauf nach betreten des ersten Ganges hinzukam, machte die Situation nicht wirklich einfacher. Was, wenn sie sich nun trennten und ausgerechnet sie selbst angegriffen werden würde, wo sie doch die Stäbe bei sich trug und so schon zur Genüge in ihrer Magie eingeschränkt war? Und dennoch, wenn sie zusammen blieben dann konnte es eventuell passieren, dass sie etwas wichtiges übersahen und das war etwas, was wohl auch nicht unbedingt passieren sollte. Valerie runzelte die Stirn, ehe sie einige Schritte auf die Wegspaltung zu trat und die Gänge entlang spähte. "Was meint ihr, macht es Sinn sich zu trennen oder sollten wir lieber zusammenbleiben?", dabei wandte sie sich gezielt an Souta, immerhin war er immer noch derjenige, der hier letztendlich das Sagen hatte. "Nicht, dass wir am Ende etwas wichtiges übersehen, wenn wir nur einen Gang nehmen..."

Obwohl Souta durchaus dazu in der Lage war, den meisten Berührungen zu entgehen, die er nicht haben wollte, tat er dies doch nur zu seltenen Momenten. Nicht nur deshalb, weil er es allgemein mochte, seine Mitmenschen zu knuddeln, zu knutschen und zu kneifen, sondern eben auch aus dem ganz einfachem Grund, dass er nicht jedem unter die Nase reiben wollte, wo seine Stärken lagen. Vertrauensselig war man ja, aber das bedeutete noch lange nicht, dass man ein Idiot war und anderen die Gelegenheit gab, seine Geschwindigkeit, die ja vor allem zur Überraschung und Überwältigung taugte und daher auf den genau richtigen WTF-Moment zählte, einzukalkulieren. Dies war allerdings gerade nicht sein Beweggrund, um Sylvanas Annäherung eher zu genießen als auszuweichen, da sie in seinem Team kämpfte und er sie wahrscheinlich in nächster Zeit nicht angreifen würde. Eine kurvige, hübsche und abgesehen davon auch noch ziemlich reale Frau kam mit nicht unbedingt bedrohlicher Absicht auf ihn zu und berührte seine Brust – mal ehrlich, wer würde da ausweichen? Für ein paar Sekunden war der ganze Auftrag vergessen und er blickte auf die braunhäutige Schönheit hinab, die Lippen zu einem sanftem, kokettem Lächeln verzogen. Sein smaragdfarbenes Auge erwiderte ihren Blick, ohne zu zucken oder sich in kleinster Weise von ihrer Drohung einschüchtern zu lassen, stattdessen spielte er mit dem Gedanken, ob er sich leisten konnte, ihr einfach die Hände auf die Hüfte zu legen, vielleicht sogar ein klein bisschen tiefer, sie zu sich zu ziehen und ihr einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Soutas Körper fand dieses Vorgehen berauschend und war dementsprechend sehr dafür, doch sein Gehirn schaltete sich zum Glück im richtigen Moment ein und ließ ihn verharren, weil sexuelle Belästigung ja immernoch möglich war, wenn sie die Welt gerettet hatten. Außerdem hatte sich der Rotschopf noch nicht ganz zwischen seinen beiden wunderschönen Schützlingen entschieden und durfte deshalb nicht gleich zu Beginn ihres Auftrages so gierig wirken … Er hätte also gerne einen weiteren kecken Witz gemacht, doch dieser blieb ihm bei den Worten Valeries im Halse stecken. Souta brauchte eine ganze Weile, in der er den Handschuh ausprobierte und ganz so tat, als wäre überhaupt nichts Großes passiert, um sich die Antwort auf die gestellte Frage einfallen zu lassen, denn diese hatte ohne das Wissen der Finsternismagierin Soutas Pläne durchkreuzt. Früher hätte er auf eine derartige Andeutung mit einem Lachen und einer Verneinung reagiert, denn wie jeder wusste, hatte der Kettenmagier nichts übrig für exklusive Beziehungen. Er flirtete immernoch mit allen Frauen und war ganz im Allgemeinen ein Weiberheld, wie er im Buche stand. Nun hatte er allerdings ein kleines Problem, denn entgegen seiner Ausstrahlung befand sich Souta tatsächlich momentan in einer Beziehung. Es war zwar eine offene Bindung, um ihren jeweiligen Lebensstil nicht zu untermauern, dennoch … Seit Souta sehr eindringlich erfahren hatte, wie sauer Seraphim wurde, wenn er nicht zu ihrer Beziehung stand, hatte er eine kleine Regel aufgestellt, die sich auch recht leicht befolgen ließ: Er würde niemandem auf die Nase binden, dass er vergeben war, um noch immer alles tun zu können, was er so anstellen wollte, doch sobald man ihn darauf ansprach oder nachfragte, würde er seinen Familienstand nicht mehr verleugnen. Dadurch gingen ihm zwar sicherlich ein paar interessante Partnerinnen verloren, doch wer schon einmal einen wirklich angepissten Himmels Dragonslayer erlebt hatte, der nahm dies gerne in Kauf. Also musste er jetzt zurückrudern, so Leid es ihm auch tat. Am Ende spürte der Weißhaarige noch, dass er ihn verleugnete, weil irgendwo ein Hahn krähte oder so … Lieber nicht darauf ankommen lassen. Während Sylvana damit beschäftigt war, ihren Kopf gegen die Kristallwand zu hämmern, musste sich Souta zwingen, nicht dumm zu grinsen und ganz normal auszusehen, während er in die Gänge vor ihnen blickte. „Wir sind kein Paar. Ich meine, ich bin vergeben … aber nicht an sie. Das da vorhin war nur ein Spaß, nehmt das nicht so ernst!“ Man musste ja mit keinem Wort erwähnen, worum es sich bei seiner Beziehung handelte, mit wem er diese hatte und derartige Dinge. Theoretisch wäre es nicht einmal nötig gewesen, seinen Beziehungsstand zu klarifizieren, aber am Ende hätte sich Valerie ja noch unsterblich in ihn verliebt und das wollte man auf so einer wichtigen Quest natürlich nicht riskieren … „Wir bleiben zusammen, das ist am Sichersten“, meinte er auf die Frage der Schwarzhaarigen hin und nickte, wie um sich selbst zu bestätigen, ehe er mit den Fingerknöcheln knackte. Das Licht des einsamen Kerzenleuchters drang nicht bis zu diesem Gang vor, was sie in einem leichtem Dämmerlicht zurückließ, welches beispielsweise auch verhinderte, dass man einfach so durch den Gang vor ihnen blicken konnte. Hinten konnte man zwar bei allen dreien einen Lichtkegel entdecken, aber auch dieser reichte nicht ganz aus, um ihnen zu zeigen, was sich in diesem ominösem Durchgang verbergen wollte. Also streckte der Rotschopf seine freie Hand aus, ballte sie zur Faust und konzentrierte sich einen Moment. Es dauerte lächerlicherweise immernoch ein bisschen, bis er sich wirklich auf seinen gewachsenen Manavorrat konzentrieren konnte, doch schließlich entzündete sich die Luft um seine Hand herum und machte sie zu einer lebendigen Fackel. Damit er nichts in Brand setzte, hielt er sie etwas von sich weg, um dann die Gruppe hinterherzuwinken. Im Schein seiner Finger wurden pompöse, aus kristall geformte Sitzmöbel sichtbar, die nicht so ganz in sein Bild eines verlassenen Kristallschlosses zu passen schienen. Wer würde sich schon auf solch harte Unterlagen setzen? „Seid vorsichtig“, murmelte er, damit sich niemand hier die Kniescheiben zertrümmerte und schritt dann weiter, immer auf der Suche nach einer Gefahr, die hinter einem Kristallstuhl oder einer Vase hervorspringen könnte. Bisher wirkte hier alles erstaunlich menschenleer, was nicht unbedingt ein gutes Zeichen war, und so schafften sie gut die Hälfte des Durchganges, bis plötzlich jemand direkt neben ihnen einen markenerschütternden Schmerzensschrei ausstieß. Souta wirbelte herum, doch dort stand einfach nur eine etwas krumme Abbildung einer Obstschale aus Kristall auf einer ebenso reinweißen Theke, obwohl natürlich alles unter dem Licht seiner brennenden Hand etwas rötlich wirkte. Was zur Hölle … Waren das Stimmen? Woher kamen die denn? „Hört ihr das auch?“

Der jungen Sakai schien es ja allem Anschein nach wieder prächtig zu gehen. Anders war ihre kreative Fantasie einfach nicht zu erklären. Waren ihre Worte und die kleine, schauspielerische Einlage wirklich überzeugend genug gewesen? Vielleicht hatte sie einfach nur den falschen Beruf ausgewählt und wäre auf der Bühnen dieser Welt besser aufgehoben als auf Schlachtfeldern oder eigenartigen Kristallschlössern. Wobei diese Möglichkeit einfach nur lächerlich klang, wenn man darüber nachdachte, dass sie eine der seltensten Magien dieser Welt beherrschte. Ein Geschenk, welches sie nicht verschwenden wollte. Zumal sie ja auch stolz darauf war, eine Dragonslayerin zu sein und ein klein wenig die Gefahren eines jeden Auftrages sogar genießen konnte. Was den Irrtum Valeries anging, räumte Souta diesen freundlicherweise auch direkt aus dem Weg. Gut für Souta, hätte er irgendwie behauptet, dass sie ein Paar seien, wäre vermutlich die ein oder andere Gewitterladung aus ihrem Körper befreit worden. Bei der Größe des rothaarigen Magiers konnte man fast schon sagen, dass er die optimale Figur für einen Blitzableiter haben würde.
Nachdem Sylvana der Finstermagierin versichert hatte, dass sie in Kämpfen an ihrer Seite bleiben würde, gingen sie auch schon weiter. Gemeinsam, anstatt sich zu trennen. In der jetzigen Situation wirklich die beste Entscheidung, die sie treffen konnten. Sie konnten einfach nicht riskieren, einzeln in irgendeine Falle zu laufen und dabei wohlmöglich auch noch die Ausrüstung zu verlieren. Gemeinsam hatten sie größere Kampfkraft und konnten sich notfalls auch gegenseitig aus irgendeiner Fallgrube ziehen, wenn es denn sowas hier überhaupt gab. Kurze Zeit spielte Sylvana mit dem Gedanken, ein paar helle Blitze um ihre Faust zucken zu lassen, bis Souta als lebende Fackel (gut, er brannte nicht am ganzen Körper, die Flammen, die um seine Hand tanzten, erfüllten ihren Zweck wirklich ausgezeichnet) die Umgebung erhellte. Man konnte sagen, was man wollte: Feuer spendete eindeutig ein besseres Licht, als ihre Blitze. Sylvana schenkte der Inneneinrichtung des Ganges keine große Aufmerksamkeit, ließ dafür lieber ihre Sinne geschärft arbeiten, schnüffelte mal für mal in der Luft um mögliche Feinde im Voraus wittern zu können. Da aber keine anderen Gerüche für sie wahrzunehmen war, wechselte ihr Körper auch nicht in akute Kampfbereitschaft. Ein wenig angespannt war sie, aber nicht so sehr, dass sie bei der kleinsten Bewegung direkt einen Blitz abfeuern würde. Das war auch das Glück wenige Momente später, als auch sie den Schrei deutlich neben sich hören konnte und herumwirbelte, jede Sekunde bereit die Elektrizität aus ihrem Inneren gebündelt abzufeuern, auf die drohende Gefahr in Form eines… Obstschale… Ja, eine Obstschale. Keine Person, Monster, Fabelwesen oder Kobold, einfach nur eine einfache, billige Obstschale. Was ging hier nur vor sich? Mit einem Mal, kaum war der Schrei verstummt, hörte sie Stimmen, die wild durcheinanderredeten. So sehr sich die Dragonslayerin anstrengte, sie konnte einfach kein Wort heraushören. „Wenn du von den Stimmen redest, dann ja.“ Sylvana beunruhigten die Stimmen, einfach weil sie keine Gerüche wahrnahm, die sie erklären konnten. Für einen Moment dachte sie an Spektralgestalten, Geister oder irgendwelche Seelen untoter Menschen, die dieses Schloss heimsuchten, nur um kurz danach sich innerlich zu ohrfeigen über die pure Lächerlichkeit ihrer Gedanken. Es musste eine logische Erklärung dafür geben, wie für fast alles auf dieser Welt. Nur welche?

Valerie hatte Spaß. Das schien im Angesicht der Tatsache, dass sie erst kurz zuvor durch eine gefährliche Barriere gelaufen und entsetzlichen Schmerzen ausgesetzt gewesen war wohl für den Außenstehenden ein wenig seltsam und dennoch ließ es sich nicht leugnen, dass die Sakai Gefallen an ihrer neuen Umgebung gefunden hatte. Ihr gefiel es, wie Soutas Feuer lange Schatten auf die glänzende Oberfläche des Zauberschlosses warf, ihr gefiel es, dass der glatte Boden unter ihren Füßen und Schuhsohlen leise Geräusche machte und ihr gefiel es, wie kalt sich die Mauern des Schlosses unter ihrer Haut anfühlten, als sie im Vorbeigehen vorsichtig mit den Fingerspitzen ihrer freien Hand über die magisch erschaffene Oberfläche strich. Es war ein Meisterwerk, dieses Gebäude, dass merkte man auch an der außerordentlichen Liebe zum Detail, mit der selbst die Möbelstücke in dem Gang versehen waren und die in der Finsternismagierin für einen Augenblick das Verlangen weckte, sich in einem der Sessel niederzulassen und nur für einen kleinen Moment Prinzessin zu spielen. Ein Schloss aus Kristall für eine Herrscherin, ein durchaus ansprechendes Ambiente, wenn man sie fragte. Dennoch widerstand sie der Versuchung und hatte stattdessen plötzlich mit einem missbilligenden Gefühl zu kämpfen, welches sie bei Soutas Worten durchzuckte. Wenn er tatsächlich vergeben war, warum machte er dann so eindeutige Avancen in Richtung Sylvana? Und was noch viel interessanter war, wenn diese davon wusste, warum ging sie dann auch noch darauf ein? Valerie war grundsätzlich ein Mensch, der an die Treue glaubte und der Gedanke, dass diese bei anderen nicht unbedingt so hoch im Kurs stand, passte ihr ganz einfach nicht. Welchen Zweck hatte es, sich einer anderen Person mit einer festen Beziehung zu verpflichten, wenn man diesen Bund nicht einmal als etwas tatsächlich Bindendes betrachtete? Ihre Mundwinkel verzogen sich leicht aus ihrem üblichen Lächeln und ihre Augenbrauen rutschten für einen Augenblick ein Stück missmutig zusammen. Was wohl Soutas Freundin davon hielt, dass er so schamlos mit anderen Frauen flirtete? Irgendwie wollte sie nicht glauben, dass diese damit ganz einfach so einverstanden wäre und dennoch war es natürlich nicht ihre Position, die Lage zu beurteilen, schließlich kannte sie weder den Rotschopf noch seine bessere Hälfte gut genug, um sich ein wirkliches Bild der Lage machen zu können. Nur weil ihr etwas nicht gefiel, hieß das noch lange nicht, dass es sich bei anderen Personen genauso verhalten musste und vielleicht war es bei den beiden ja auch eine übliche Begebenheit, dass man die...Gesellschaft anderer Personen suchte. Nicht, dass dies für Valerie in irgendeiner Weise tolerierbarer wäre, aber diese Theorie vereinfachte es, die Situation wenigstens ansatzweise nachzuvollziehen. Wenn man in einem so konservativen Haushalt wie die Sakai aufgewachsen war, dann schien der Gedanken an so etwas wie eine offene Beziehung eben nicht nur undenkbar, sondern auch nicht sonderlich anziehend, weshalb es ihr schwer fiel, den Feuermagier nicht augenblicklich für sein Verhalten zu verurteilen.
Dennoch hatte Valerie nicht wirklich lange Zeit, sich über diese verstrickte und seltsame Situation lange Gedanken zu machen, denn der Schrei, welcher kurz darauf durch die funkelnden Mauern des Schlosses hallte, ließ das Mädchen so heftig zusammen zucken, dass sie in ihrem Schreck beinahe ihre wertvolle Fracht fallen gelassen hätte. Ob sie das gehört hatte? Nun, das Ganze war in dieser gespenstischen Stille wirklich nur sehr schwer zu überhören gewesen, weshalb allein die Frage etwas beinahe ironisches hatte. "Meint ihr, wir werden verfolgt?", normalerweise war Valerie ein Mensch, der auf Grund ihres Elementes eine gewisse Affinität zu der Finsternis pflegte, doch gerade jetzt schien sie mehr wie eine Bedrohung, als eine willkommene Abwechslung zu sein. Ihr Atem beschleunigte sich, ebenso wie ihre Schritte, als sie den Gang weiter hastete, bemüht sich nicht übermäßig umzudrehen und nach einem möglichen Feind Ausschau zu halten. Eine Gänsehaut hatte sich auf ihre dünnen Arme und in ihren Nacken gelegt und in diesem Augenblick bereute sie es beinahe, ihre Jacke vor der Barriere abgelegt zu haben, denn gerade jetzt hätte sie ihren schlanke Figur nur zu gerne in dem festen Stoff vergraben und irgendwie Schutz vor der unsichtbaren Bedrohung gesucht. Nun, dieser Wunsch war ihr nicht vergönnt und dennoch konnte von einer gewissen Erleichterung die Rede sein, als Valerie endlich das Ende des dunklen Ganges erspähte und sich kurz darauf in einem größeren Raum wiederfand. Diese sollte sich jedoch rasch verflüchtigen, als ihre dunklen Augen über die Wände des Saals wanderten und ihr ein dutzendes Mal erneut entgegen blinzelten, während sie das Gefühl hatte, mit einem Vielfachen ihrer Selbst konfrontiert zu werden. Der Weg hatte sie geradewegs in eine Spiegelkammer geführt, welche von wenigen Kerzen beleuchtet beinahe gespenstisch wirkte. Die Sakai drehte den Kopf, versuchte das Unwohlsein in sich niederzukämpfen und gleichzeitig einen Überblick über den Raum zu bekommen. Es war schwierig mit den unzähligen Spiegeln, doch die beiden anderen Eingänge zu ihrer rechten und linke konnte sie trotzdem erkennen. "Es hätte wohl doch keine Rolle gespielt, welchen Weg wir nehmen...", begann sie zögerlich, den Griff um die Stäbe verfestigt. "Wir sind geradewegs in einem Spiegelkabinett gelandet, schätze ich." Was für ein gruseliger, schauriger und gleichzeitig wunderschöner Anblick. Welche versteckte Bedrohung sich wohl hinter diesem ungewöhnlichen Ausblick verbarg, oder war er wohl möglich doch nur Zierde und eine damit im Prinzip überflüssige Spielerei, die lediglich den bedrohlichen Effekt des Schlosses noch einmal verstärken sollte?

Der Raum, den die drei Magier nach ihrer gruseligen Wanderung betraten, wirkte gigantisch, doch das war – wie Souta recht schnell auch ohne Valeries Worte bemerkte – nur eine optische Illusion, herbeigeführt durch eine Vielzahl an Spiegeln, die man um sie herum an den Wänden angebracht hatte. Auf dem ersten Blick wirkte ein solcher Raum in einem künstlichem Gebäude nicht nur überflüssig, sondern auch vollkommen unlogisch, da sich hier weder ein Eingang, noch irgendein anderer Hinweis auf ein Labyrinth finden ließ, was durchaus seinen Nutzen hatte und ihm beispielsweise schon im S-Rang Examen begegnet war, weil man sich allzu leicht darin verirren konnte. Hier standen sie allerdings nur einem Wall an Spiegeln gegenüber, welche Souta spontan zwei Nachrichten übermittelten. Der Raum war beleuchtet, deshalb verzichtete er auf den eigentlich zum Kampf gebrauchten und daher mittelmäßig manaintensiven Zauber, um genauer über ihre Situation nachzudenken. Als doch recht belesener Zeitgenosse wusste der Rotschopf, dass man Spiegelwände manchmal in Fürstenschlössern nutzte, um gewisse Räumlichkeiten größer wirken zu lassen. Indem man an beiden Seiten Spiegel befestigte, entstand der Eindruck von Unendlichkeit, der bei Gästen Eindruck schinden sollte. Andererseits benutzte man Spiegel auch gerne bei Zaubertricks, um den Blick von offensichtlichen Taktiken abzulenken und eine Illusion zu verschleiern, die sonst zu offenkundig wurde. Das machte den Kettenmagier verdächtig. Er nickte auf Valeries Hinweis hin und trat ein paar Schritte in das große Zimmer hinein, stellte sich direkt vor einen der Spiegel. Ein großer, sonnengebräunter Mann blickte ihm aus einem skeptischem grünem Auge entgegen, der vor einer Rückwand mit drei dunklen Gängen stand. Hinter ihm befanden sich zwei hübsche Mädchen, denen er vielleicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte, wenn sie sich an einem anderen Ort befänden, daher begnügte sich der Kerl im Spiegel mit einem kurzem Blick und streckte dann die Hand aus. Fingerspitzen berührten sich auf der kühlen Oberfläche , ohne sich wirklich anzufassen, strichen übereinander und über das glatte Kristallglas. Nun konnte man noch eindeutiger sehen, dass er wirklich keine Verletzungen durch das Durchschreiten der Barierre erlitten hatte, aber das war es nicht unbedingt, worauf er sich konzentrierte. Die Spiegel wiesen alle mehr oder weniger von der Wand weg, an der sie befestigt waren und hatten die drei Gänge im Blick, was einem Leuchtreklameschild gleichkam. Wenn man in eine Sackgasse geriet – und das hier war ja im Prinzip nur eine fancy Version davon – kriegte man normalerweise das Gefühl, dass man hier falsch war und umkehren sollte. Befand man sich nun jedoch in einer mit Spiegeln ausgekleideten Sackgasse, die einem auch noch vor Augen riefen, dass man falsch gelaufen war, so nach dem Motto: „Hey, du, ja, siehst du den Weg, den du genommen hast? DA hättest du bleiben sollen!“, kam das einem Schlag über die Rübe gleich. Rekapitulierte man nun über den gruseligen Schrei und die Tatsache, dass ihre Gegner offensichtlich ein Faible dafür besaßen, Barierren zu errichten, schrie dieses ganze Schloss ihnen schon von Anfang an ein kaum zu überhörendes „KEHRT UM!“ entgegen. Am Lautesten brüllte das diese Spiegelwand, deshalb war sich Souta als trotziges Kleinkind absolut sicher, dass es hier weitergehen musste. Wenn man bedachte, dass dieses Schloss künstlich erschaffen wurde und jeder Meter genauestens geplant war, erschien diese Spiegelwand sonst vollkommen unnötig. Nicht aber, wenn man sie so interpretierte, dass sie Idioten abhalten sollte, indem sie das Äquivalent zu einem Schild darstellte, das man über einen Geheimgang pappte, mit der Aufschrift „Hier befindet sich sicher kein Geheimgang“. Vielleicht lag es auch daran, dass es idiotisch war einen Haupteingang zu bauen, der ins Nichts führte, aber eines war klar: Nach Soutas Mentalität würde er nicht so schnell aufgeben! „Okay … Lasst uns gucken, ob wir hier irgendetwas Ungewöhnliches entdecken. Ein Schalter vielleicht, oder etwas Anderes, was hier nicht hingehört...“ Er bückte sich und tastete die Unterkante des Spiegels ab, bekam allerdings keine Erhebung zu fassen. Das konnte ein bisschen dauern, also … Smalltalk? „Ist das eure erste Quest dieser Größenordnung? Ich weiß, dass du schonmal bei sowas dabei warst, Syl, hast du seitdem nochmal die Welt gerettet? Und du, Valerie?“ Wer in aller Welt würde sich nicht mit Soutas ästethisch ansprechender Kehrseite unterhalten wollen?

ooc: Etwas Charakterplay, damit das hier nicht kristallisiert. *hohohoho*