In dem Moment, in dem Taya sagte, dass sie kein Problem mit der Ein-Bett-Situation hatte, tat Emarus Herz einen Sprung. Einfach unglaublich, das musste etwas heißen. Natürlich war ihm absolut klar, dass sich an diesem Abend nichts abspielen würde, was oberhalb der gewöhnlichen, freundschaftlichen Ebene anzusiedeln wäre, insbesondere in einem Haus anderer Leute mit dünnen Wänden auf einer Ausziehcouch, dennoch zeugte diese Aussage sowohl von Zuneigung als auch von Vertrauen, obwohl sie eigentlich noch nicht viel miteinander zu tun gehabt hatten. Ein sehr gutes Zeichen.
"Also, wenn ich schnarche, dann wäre das das erste Mal", war seine Antwort auf ihre Frage, die irgendwie scherzhaft gewirkt hatte, aber einem Risiko wollte er sich in dem Punkt nicht aussetzen. Dann sah er ihr dabei zu, wie sie sich in dem Zimmer umsah. Erst fand er es recht niedlich, wie sie so herumguckte, bis er sah, dass sie ein Kästchen öffnete. Das ließ ihn ein wenig erschaudern, schließlich war es doch ein recht tiefer Eingriff in die Privatsphäre der Bewohner, an seiner Zuneigung dem Mädchen gegenüber änderte es jedoch wenig. Und ihre Frage zeigte ihm auch, dass sie sich nicht gerade dafür interessierte, wie diese Menschen denn nun lebten, sie schien einfach nur nebenbei nachzusehen, was es denn zu sehen gab, während sie sich gleichzeitig Gedanken über ihre Aufgabe machten. Ich muss sagen, sie ist gut... Dein Geschmack überrascht mich sehr. Im positiven Sinn, hörte Emaru Shis Stimme in seinem Kopf, und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen antwortete er der Magierin, mit der er sich vorerst ein Zimmer und ein Bett teilte: "Das ist eine wundervolle Idee. Auch wenn ich natürlich gerne noch hier bleiben würde, besonders, wo du dabei bist, ist es doch besser, je früher wir zurückkehren. Und ich würde gern einmal ein paar Worte mit Kaito wechseln... Er lächelte das Mädchen an, informierte dann John und seine Frau, dass sie noch einmal weggehen würden, wenn auch nicht allzu lang, und öffnete dann die Haustür, damit Taya hindurchgehen konnte. Nach einem Blick auf die Uhr - es war kurz nach neun - folgte er ihr und bemerkte sofort den Regen, der vom Himmel prasselte. Heute Nacht würde er wohl keine Sterne sehen, demnach stünde einem Ausschlafen nichts mehr im Weg. Das Gefühl des Wassers, das auf seiner Haut aufkam, genoss der Finstermagier, es war nicht wirklich stürmisch, dennoch war der Regen relativ stark. Seine Haare waren bald durchnässt, was ihm allerdings nichts ausmachte, in Gedanken an Taya zog er dann aber seine Jacke aus und hielt sie ihr wortlos und freundlich lächelnd hin.
Aber wohin war der Junge jetzt eigentlich unterwegs? Diese Frage war einfach zu beantworten: Er hielt zu auf das Heim des Rebellen, da in einem derartigen Regen wohl kaum ein Mensch auf der Straße sein würde. Auch von den Krähen war keine zu sehen, dies war allerdings kaum von Bedeutung. An seinem Ziel angekommen klopfte Emaru an die Tür und wartete, bis er das Schnappen eines Riegels hörte und die Tür aufschwang. Eine Frau stand vor ihm, klein, rothaarig und dem Kleid nach zu urteilen genauso arm wie John, außerdem etwas älter als das Ehepaar, bei dem die beiden Einzug gehalten hatten. sie starrte ihn wütend an und sagte dann schroff: "Was wollt ihr hier? Wir werden euch kein Geld geben!" Ihre Stimme war irgendwie... quäkig, und sie schien zu denken, dass die beiden sie anbetteln wollten. Emaru sah noch einmal an sich hinab, sich fragend, ob er wirklich so arm wirkte, erinnerte sich dann aber wieder an die Unterhaltung und schüttelte schnell den Kopf, wobei Wasser aus seinem Haar geschleudert wurde. "Keine Sorge, wir wollen nichts von ihnen, wir würden bloß gern einmal mit Kaito sprechen." "Mit Kaito sprechen?", wiederholte die alte Dame, noch immer mit der gleichen Menge an Wut in ihrer Stimme. "Wenn ihr auch zu denen gehört, die meinen Sohn für schuldig halten, dann schert euch zur Hölle! Er ist sowieso nie hier, wenn es regnet!" Der Weißhaarige legte seinen Kopf schief und sagte erst einmal nichts. Also mied Kaito bei diesem Wetter nicht nur den Brunnen, sondern auch noch das trockene Haus? Obwohl, hinein zu sehen war nicht möglich, und es konnte durchaus sein, dass es so trocken darin nicht war. Vielleicht war er ja in einer Höhle oder so, vielleicht besuchte er auch jemanden, vielleicht machte er auch etwas vollkommen Sinnloses... einen Hinweis schien es darauf nicht zu geben. Ob er wohl gerade jemanden bestahl...? Nein, nein, nein! Er ist unschuldig, er stiehlt nicht, das kann er gar nicht!, rief er sich noch einmal innerlich zu, und äußerlich sagte er dann ruhig: "Wir halten den Jungen nicht für schuldig, Madame. Wir als Gildenmagier gehen von einem rationalen, logischen und unparteiischen Standpunkt aus und wollen bloß mit dem Hauptverdächtigen sprechen. Ich kann nur hoffen, dass sie damit kein Problem haben, denn von unserer Arbeit können sie uns nicht abhalten." Das war sein Statement, das war die Wahrheit. Sein Gegenüber schien allerdings keineswegs beruhigt, sondern viel eher noch verärgerter als zuvor. "Gildenmagier seid ihr? Ich wusste doch gleich, dass ihr nichts Gutes vorhabt! Ihr wollt meinen Jungen verhaften, aber das könnt ihr nicht so einfach! Er hat nichts getan!", schrie sie dem Magier ins Gesicht - oder zumindest auf die Brust, soweit reichte sie nämlich, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte. Als nächstes geschah allerdings etwas Unerwartetes, denn aus diesen bösartigen Augen kamen Tränen, und wie sie fortfuhr, war ihre Stimme voller Verzweiflung: "Nehmt ihn mir nicht weg! Ich liebe ihn doch!" Emaru sah sie einem Moment lang an, ohne eine Regung in seinem Gesicht, und antwortete diesmal zum ersten Mal irgendwie... wütend: "Entschuldigen sie, aber es geht hier wirklich nicht darum, wer von wem geliebt wird! Wenn es nur darum gehen würde, dann könnte niemals irgendwer verhaftet werden! In unserem System geht es nicht um Liebe oder so etwas, es basiert bloß auf drei Säulen: Lügen, Hass und Geld! Es ist wahrlich kein gutes System, aber ich habe meine Vorschriften, und an die muss ich mich halten! Deswegen bin ich Magier, deshalb bin ich in einer Gilde: Ich will Geld sammeln und Hass und Lügen ausrotten! Mag sein, dass ich damit gegen die Gesellschaft handle, aber ich möchte eine bessere Welt für die Menschheit schaffen, und wäre ihnen wirklich dankbar, WENN SIE MICH NICHT DABEI BEHINDERN WÜRDEN! Inzwischen zeigte sich die Wut auch auf seinem Gesicht, wich aber kurz darauf einer Verwirrung, als Shi ihm eine Frage stellte: Bist du nicht wegen James und mir Magier in einer Gilde geworden? Klar, gibt ja kaum andere Gründe... Was hab ich gesagt? Irgendwas von wegen Geld sammeln und Hass ausrotten... "Ups, da ist es wohl ein wenig mit mir durchgegangen", sagte Emaru und begann wieder, zu lächeln. "In Ordnung, wenn Kaito nicht da ist, kommen wir vielleicht morgen früh noch einmal vorbei. Ich würde sagen, wir gehen jetzt zurück." Damit drehte er sich auch schon um und ließ die verdatterte Mutter einfach stehen. Als er um die Ecke gegangen und Taya nachgekommen war, stellte er ihr noch eine kleine Frage: "Möchtest du schon zurück, oder gibt es noch einen Ort, an den du jetzt gehen willst? Wenn du möchtest, lade ich dich auch zum Essen ein." Den letzten Satz sagte er in der Hoffnung auf ein "Nein"... er würde nur ungern Geld ausgeben, das er nicht ausgeben musste. Auch wenn es ihm für Taya eindeutig leichter fallen würde...

Oh bitte, dünne Wände, eine Ausziehcouch und Personen im Nebenzimmer? Es gab doch nun wirklich keine bessere Ausgangssituation für eine spannende Nacht und überhaupt, der Nervenkitzel dabei war ein köstlicher Zusatz. Aber immerhin handelt es sich bei den beiden Protagonisten um relativ unerfahrene (zumindest würde man das glauben, wenn man sie zum ersten Mal sieht) Jugendliche, kein Grund also sich irgendwelche fragwürdigen Szenarien aus den Fingern zu saugen.
Emaru konnte es jedenfalls nach wie vor nicht sein lassen mit Komplimenten um sich zu werfen. „Charmeur.“, flüsterte sie halblaut, sodass er es im Gehen wahrscheinlich noch mitbekam. Ja, er schaffte es auf eine ganz eigene Art und Weise Tayas Sympathie ihm gegenüber zu wecken. Nur zum Leidwesen Emarus nicht mehr als das.
Gemeinsam tapste man also raus in den Regen. Es schüttete wie aus Eimern und folglich war man schon bald komplett durchweicht. An Tagen wie diesen bereute sie ihren luftig gewählten Aufzug, denn schon bald begann sie zu frösteln. Als hätte Emaru Gedanken lesen können, bot er ihr nun seine Jacke, wie nett. Dankend nahm sie diesen an, hüllte sich in den Stoff, der noch die Wärme seines Eigentümers innehatte. Doch hätte sie gewusst, dass sie schon fast an Kaitos Haus angekommen waren, so hätte sie abgelehnt. Aber naja, er war ein Mann und bekanntlich froren die ja nicht so schnell.
Kaitos Mutter öffnete die Tür und legte prompt eine dramatische Showeinlage hin. Eine verzweifelte Mutter die versuchte ihren Sohn zu schützen, der ebenfalls nach ihrer Aussage nichts damit zu tun hatte. Vielleicht aber auch einfach der gute Glaube einer Mutter, die die Wahrheit nicht akzeptieren wollte. Emaru bewies an dieser Stelle übrigens wieder einmal jede Menge Emotionen in der Stimme, was Taya ehrlichgesagt überraschte. Was war denn da los? Sie blieb am Rand stehen und spielte stiller Beobachter. Alle Eindrücke wurden gesammelt und nachher wenn sie Zeit und Ruhe hatte, gewissenhaft ausgewertet.
Genauso wie sich Emaru mehr und mehr in seinen Monolog steigerte, fiel letztlich auch das Ende es Gesprächs aus. Niveaulos. Irgendwie war das nicht der Junge den sie kennen lernte. Entweder wurde ihm tatsächlich eine schwere Kindheit zuteil, oder aber er spielte hier wild drauf los. Eine effektive Methode Menschen zu beeinflussen, über Emotionen. Spontan entschied sie also Teil des kleinen Schauspiels zu werden und verbeugte sich recht höflich vor der Frau. „Gomen nasai! Bitte nehmen sie dies nicht zu persönlich, aber gelegentlich packt ihn einfach sein Übereifer. Wir kommen morgen nochmal vorbei und ich verspreche ihnen, er wird sich beruhigt haben. Ich rede mit ihm. Einen guten Abend noch.“, und erneut verbeugte sie sich, ehe sie schließlich Emaru nachlief. Die Einladung zum Essen lehnte sie lächelnd ab. „Ich habe eigentlich keinen Hunger mehr.“ Lüge, welches Mädchen auch immer behauptete, es könne essen was es wolle ohne irgendwo anzusetzen, log gewaltig. Taya achtete auf ihre Figur, auf ausgewogene Ernährung und vor allen auf sportliche Betätigung. „Es ist nass und irgendwie ungemütlich, ich wäre dafür wir gehen zurück und machen uns Morgen in aller Frühe ans Werk.“

Nass und ungemütlich? Ach, richtig, es regnete ja. Das war Emaru völlig entfallen, und jetzt bemerkte er erneut, dass er heute wohl keine Sterne mehr sehen würde. Das war das Problem mit ihm, seine kaum vorhandene Konzentration, die dann auch noch beinahe restlos auf Taya gezogen wurde, wenn er mit ihr zusammen war. Nicht, dass er das für ein Problem hielt, die Problematik an der Sache sah er überhaupt nicht. Was er sah, das war ein Mädchen. Sonst nichts. Und das Beste an ihr, zumindest in diesem Moment, war, dass sie angeblich keinen Hunger hatte und ihm somit die Unnotwendigkeit des Ausgebens von Geld ersparte. Stattdessen wollte sie zurückgehen und früh am nächsten Morgen aufbrechen. Er mochte sie immer mehr. "In Ordnung, wenn du zurück willst, dann gehen wir", antwortete er mit einem Lächeln auf den Lippen und ließ ihr den Vortritt auf dem Weg zu ihrer Bleibe. Kurz vor ihrer Ankunft machte er eine tänzelnde Halbdrehung um sie herum, ging die letzen paar Schritte rückwärts und öffnete dem Mädchen die Tür, wobei er eine erneute Halbdrehung und eine schwungvolle, einladende Geste mit der rechten Hand vollführte. Man kann es auch übertreiben, und jetzt bist du viel zu weit gegangen. Lass mich in Ruhe... Du bist nicht besser als ich! Ich bin nicht besser als du? Sag das nochmal, und ich mach dich fertig! Du hast nicht einmal einen Körper, und ich bin stärker als du! Während Emaru sich innerlich mit der Person stritt, die ihm näher stand als jede andere - immerhin teilten sie sich einen Körper - blieb sein Lächeln äußerlich unverändert und er folgte Taya in das Häuschen hinein, das ihre freundlichen Gastgeber ihr Eigen nannten. Vor ihm lag ein Augenblick, auf den er seit Jahren schon gespannt gewesen war und den er nie in einer ähnlichen Situation erreicht hatte, so sehr es ihn interessierte, wie es sich anfühlte. Nein, nicht wie es war, sich mit einem Mädchen ein Bett zu teilen. Das war bereits zwei Mal vorgekommen. Was er so lang hatte erfahren wollen, war das Gefühl, auf einer Ausziehcouch, einem Klappsofa oder einem Gästebett zu übernachten. Er hatte nie jemanden gekannt, der so etwas hatte, und obwohl er sich bis zu James' Auszug mit seinem Zwillingsbruder ein Bett hatte teilen müssen, hatten seine Eltern nie zugestimmt, etwas Derartiges zu kaufen. Daher war dieser Abend doch irgendwie besonders für den Magier, und das nicht nur wegen dem wunderhübschen Mädchen, mit dem er dieses einmalige Erlebnis teilen würde. Allerdings war es wohl nicht unbedingt die beste aller Ideen, mit vollkommen durchnässten Sachen zu schlafen, daher zog Emaru zuallererst einmal das blaue Hemd aus, das er trug, und begann dann, zu zögern. Von der Hüfte an aufwärts nackt stand er in dem Raum, als heller Punkt in dem sonst eher dunklen Zimmer, ein leichter Luftzug, der durch ein paar Ritzen herein drang, ließ ihn frösteln. Die lange Jacke hatte Taya zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an, das wusste er, ohne zu ihr zu gucken, da sie an dem Garderobenständer vor der Tür hing. In diesem Moment fiel ihm auch auf, dass er vergessen hatte, den Riegel wieder vor zu schieben, und er holte es eilig nach. Dann blieb er erst einmal einen Moment stehen, ehe er die Tür noch einmal kurz öffnete und einen Moment hinaustrat, um noch ein letztes Mal an diesem Tag den Regen auf seinem Körper zu spüren. Zurück im warmen Inneren schob er den eisernen Riegel wieder vor und trat in das zum Schlafzimmer umfunktionierte Wohnzimmer, woraufhin er gleich rot wurde. Die Farbe wich aber so schnell aus dem Gesicht, wie sie gekommen war, und wenige Sekunden später war das Lächeln wieder da, das er in Tayas Nähe immer aufsetzte. Es war ihm doch nicht peinlich, ein Mädchen in Unterwäsche zu sehen, das konnte nicht sein. Der Junge war doch nicht schüchtern. Obwohl, eigentlich schon... Aber darum ging es jetzt nicht. Auf dem Weg zum Bettenersatz las Emaru noch das Hemd auf, das er hatte fallen lassen, und legte es ordentlich über einen der drei Stühle, die um den runden Tisch aufgestellt waren. Dann stellte er sich an die Couch und begann damit, den Gürtel von der schwarzen Hose zu entfernen, wobei er kurz zu Taya sah und ein freundliches "Gute Nacht" über seine Lippen fließen ließ. Daraufhin entwich ihm ein Gähnen, und noch ehe er den Gürtel entfernt hatte, fiel er zur Seite und leicht nach hinten, wodurch er schlafend auf dem Bett lag, nur eines seiner Beine baumelte noch von der Seite herunter, und dieses zog er sogleich nach oben. Seine Atmung hatte sich verlangsamt, seine Augen öffneten sich nicht mehr und nach einem seltsamen Geräusch aus seiner Kehle war er die restliche Nacht ruhig. So nahm sein Körper ziemlich genau ein Viertel des improvisierten Bettes ein, ohne sich der Mitte auch nur zu nähern. Bewegungslos und absolut unweckbar lag er nun da, bis zum nächsten Morgen. Als er aufwachte, drehte er sich erst einmal um, öffnete die Augen und starrte auf ein Mädchen. Innerhalb einer Sekunde stand er geschockt auf und überlegte, was am letzten Tag geschehen war. Langsam erinnerte er sich daran, wie er den Auftrag angenommen und Taya getroffen hatten, die Zugfahrt, Kaito und der alte Mann, wie hieß er noch gleich... John, der sie zu sich eingeladen hatte, und dann noch das Gespräch mit der alten Dame am Abend. Schnell wurde der Gürtel geschlossen und das Hemd angezogen, ehe der Junge einen Blick auf die Uhr warf. Kurz nach halb sechs war es jetzt, und Emaru war inzwischen wieder ziemlich fit. Von der Müdigkeit des Abends war nichts mehr zu sehen. Aber wann hatte er auch das letzte Mal sieben Stunden geschlafen...?

Blödes Wetter. Taya mochte Regen nie sonderlich, denn ihre Magie wurde im Fall der Fälle nicht sonderlich begünstigt. Mal davon abgesehen wird die Kleidung nass und bestenfalls noch mit Schlamm besudelt, wenn man auf längeren Reisen den Weg durch den Wald wählen muss. Es wird kalt und meist macht genau dies die Reise nicht sonderlich angenehmer.
Umso dankbarer war sie schließlich, als man das Haus erreichte und eintrat. Übrigens mochte Emaru tatsächlich ein netter Mensch sein und es war kristallklar, dass er Tayas Anwesenheit durchaus zu schätzen wusste. Eben dies machte es für die Kurosawa nicht sonderlich einfach. Wie brachte man ihm schonend bei, dass sie in den seltensten Fällen für übertriebene Höflichkeiten zu gewinnen war. Sie stammte aus einer recht wohlhabenden Familie, entsprechend wuchs sie auf, so gibt sie sich, doch ist sie nicht etwa Magier geworden, weil sie ein solches Leben weiter führen wollte, sondern den Ausbruch wagte. In eine Welt die nun einmal ist wie sie ist, unbeschönigt.
In einer fließenden Bewegung wurde die Jacke abgestreift und an den Hacken gehängt. Ebenso wichen die Schuhe von ihren Füßen und sie tapste barfuß zu dem ausgeklappten Sofa. Auch Emaru stand schon mit entblößtem Oberkörper da. Taya musste leicht schmunzeln als dieser an ihr vorbei lief um irgendetwas zu machen. Ohne groß drüber nachzudenken fielen die letzten Hüllen Stoff und sie legte sich ins Bettchen. Die Decke bis zum Hals gezogen und die Augen geschlossen, doch an schlafen war in ihrem Fall noch lang nicht zu denken. Rechtfertigender Weise sollte man an dieser Stelle sagen, es war nicht so ihre Art halbnackt durch die Dunkelheit in einem fremden Wohnzimmer zu taumeln, zumal der Besitzer jeden Augenblick das Zimmer durchschreiten konnte und sie Emaru auch nicht sonderlich kannte. Emaru war ihr Teamkollege, ihre Sachen komplett durchgeweicht und das Wissen einen bildhübschen Körper zu haben, trichterte man ihr lang genug ein. Warum also mit den weiblichen Reizen an Stellen geizen, an denen es nicht angebracht ist? Im Ernst, Taya dachte nicht sonderlich viel darüber nach, was sie eben gemacht hatte, wozu auch? Der eigentliche Grund, warum sie nicht schlafen konnte, musste also irgendwo anders verborgen liegen, genau, die Quest. Emaru schlief bereits tief und fest während sie sich alle erdenklichen Szenarien für den morgigen Tag zurechtlegte. Vermutlich würde es wieder vollkommen anders laufen als geplant, aber selbst wenn nur ein Zehntel von ihrem Szenario Morgen Anwendung finden würde, dann hätte sich das hier doch gelohnt. Zumal es ihr beim Einschlafen half…

Taya schlug die Augen auf, als Emaru begann sich zu regen. Er hatte sich die gesamte Nacht nicht nur einen Zentimeter bewegt, da fiel einem so etwas schon auf und die Alarmglocken schrillten. Oder so etwas in der Richtung. „Guten Morgen Emaru.“, flüsterte sie und sah ihn noch immer leicht verträumt an. „Schon Zeit zum aufbrechen?“

Häte Emaru gewusst, dass die Kurosawa seine Höflichkeiten zwar zu schätzen wusste, sie aber nicht sonderlich mochte... Er würde wahrscheinlich verwirrt gucken, sich irgendwo murmelnd hinsetzen und in einen Streit mit Shi geraten, der nach einer halben Stunde mit den Worten "Lass mich in Ruhe" enden würde - von welchem der beiden, war nicht vorhersagbar. Es wäre ihm vollkommen unverständlich gewesen, hätte man ihm gesagt, dass sein Verhalten als Versuch gedeutet werden konnte, Sympathie zu gewinnen und Mädchen davon zu überzeugen, dass er die beste Wahl war. Er verhielt sich einfach so, hatte er schon immer getan, ohne sich auch nur den geringsten Gedanken darüber zu machen, was andere von ihm dachten. Natürlich war das bei Taya etwas anderes, aber diese Grundsätze blieben doch bestehen. Sie machten ihn aus, und er hatte keine Ahnung, wie sie wirkten.
Aber zurück zu der Frage Tayas. Ihre Flüsterstimme und der verträumte Blick, mit dem sie ihn ansah, machten es dem Magier etwas schwierig, sich darauf zu konzentrieren, was sie sagte, mit ein bisschen Anstrengung schaffte er es jedoch, die Worte wahrzunehmen und zu dem Satz, in dem sie aus dem Mund des Mädchens gekommen waren, zusammen zu zimmern. "Aufbrechen...?", wiederholte Emaru murmelnd, ehe er sich entschied, zu nicken. "Ja, genau, Zeit zum Aufbrechen." Eigentlich hatte er warten wollen, bis sie aufwachte, dann eventuell Etwas mit ihr essen - seltsamerweise hatte er kaum Hunger, ob das etwa mit seinem Schlaf zu tun hatte? - sich von den Hausbesitzern verabschieden und dann erst gehen, um ihr seinen Plan zu erklären. Aber er hatte bereits gesagt, dass er sich jetzt schon auf den Weg machen wollte, und daran musste er nun wohl oder übel festhalten. Keinesfalls wollte er seine Entscheidungen revidieren, das passte nicht zu ihm. Und eigentlich war es ihm auch egal, in welcher Reihenfolge die Dinge geschahen - spätestens, wenn sie sich wieder auf den Rückweg machten, würde er sich von ihren Gastgebern verabschieden, und essen würden sie auch beide sicherlich noch irgendwann. Vielleicht sogar zusammen. Jetzt würde er erst einmal warten müssen, bis sie sich angezogen hatte, und erneut wurde er rot. Wieso passierte ihm das seit gestern immer wieder? Müsste ihn nicht eigentlich alles kalt lassen, was um ihn herum passierte? Konnte etwa das Unmögliche geschehen sein? Konnte er, Emaru Dargin, sich verliebt haben? Ach was, das ist Schwachsinn! So etwas wie Liebe gibt es nicht! Sie ist einfach nur sehr hübsch, das ist alles, rief er sich in Gedanken wieder zur Ordnung. Er und verliebt, so ein Schwachsinn. Er fühlte sich zu einem Mädchen hingezogen, fand sie wunderschön und war sogar bereit gewesen, für sie Geld auszugeben, obwohl er das normalerweise nicht mal seinen besten Freunden gewährte. Das musste doch nicht bedeuten, dass er sich verliebt hatte. Er mochte sie einfach nur sehr.

Bald befanden sich die beiden auf der Gasse vor dem Häuschen, und Emaru sah sich um. John und seiner Frau hatte er einen Zettel hingelegt, auf dem er ihnen seinen Dank und eine vorübergehende Verabschiedung geschrieben hatte. Er hatte auch darüber nachgedacht, Geld dazu zu legen, aber zum Einen würden se das sicherlich nicht wollen, und zum Anderen hatten die beiden nur ein Bett in Anspruch genommen, das ihnen kostenlos angeboten war, also nichts, dass sie zahlen müssten. Gegessen hatten sie bei ihnen auch nicht, und alles war noch völlig intakt. Kein Problem also.
Nachdem sich der Junge versichert hatte, dass niemand in der Nähe war, wandte er sich freundlich lächelnd Taya zu und begann mit seiner Erklärung: "Also, zuerst einmal muss ich dir eine Sache verraten... Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Kaito der Dieb ist. Es ist vollkommen unmöglich, dass er schuldig ist. Das weiß ich schon, seit wir ihn das erste Mal gesehen haben." Hatte er damit alles zerstört, was sie zu wissen glaubte über ihn, Kaito und die Diebstähle? Glaubte sie ihm überhaupt, oder blieb sie dabei, dass Kaito schuldig war? Natürlich konnte es auch sein, dass sie ihn gar nicht für schuldig gehalten hatte... Eigentlich wusste Emaru überhaupt nicht, wie sie über das alles dachte. "Ich habe schon alles vorbereitet, bis auf eine Sache... Ich habe ja gestern seiner Mutter gesagt, dass wir heute vielleicht wieder kommen. Damit habe ich ihr mitgeteilt, dass wir keine anderen Anhaltspunkte haben als sein Heim. Das bedeutet, selbst wenn er ort hingeht, wird seine Mutter ihn wieder weg schicken, weil sie denkt, dass wir ihn dort suchen. Und wenn er auftaucht, schnappen wir ihn uns am Brunnen. Das heißt, am Brunnen beweisen wir seine Unschuld. Alles, was ich dafür noch brauche, ist irgendwas Glänzendes, Wertvolles." Diesen Teil beendete er nickend. Er hatte nichts derartiges dabei, wäre es nötig, würde er es irgendwo kaufen müssen. Aber es gab auch einen Strang der Hoffnung, der ihm erlauben konnte, sein Geld zu behalten. "Hast du etwas derartiges?" Jawohl, die einzige Hoffnung in diesem Punkt war Taya. Nur wenn wir die Dorfbewohner von Kaitos Unschuld überzeugen können, können wir unsere Ermittlungen ohne Allzu großen Widerstand durchführen... Aber egal. Hast du Hunger? Ich geb dir gern etwas aus."

Vor einem leicht verschmutzend Spiegel stehend, begutachtete Taya ihre Kleidung, zupfte hier und da noch etwas zurecht und band sich schließlich das Haar mit einigen gezielten Handgriffen, locker zusammen. Routiniert glitt nun ihre Hand über die einzelnen Taschen, Zeichenblock, Stifte, Tusche und Pinsel für die ganz besonderen Angelegenheiten, perfekt. Es war übrigens recht angenehm nach dieser Nacht in warmen, bequemen und zugleich ansehnlichen Sachen unters Volk zu gehen, gerade da man sich heute etwas ganz besonderes vorgenommen hatte, Kaito.
In der Zwischenzeit war auch Emaru fertig zum Aufbruch. Ihr Partner schrieb noch schnell einen Zettel und hinterlegte ihn auf dem Tisch. Taya ließ währenddessen ein letztes Mal den Blick intensiv durch den Raum wandern. Jede noch so winzige Kleinigkeit wollte verinnerlicht werden. Man hätte natürlich eine Skizze von dem Raum machen können, aber im Endeffekt verschwendete Energie, denn sie bezweifelte, dass das irgendetwas bringen würde. Warum sie sich dann dennoch so intensiv umsah? Gedächtnistraining.

Nach einiger Zeit blieb Emaru urplötzlich stehen und erklärte einige Dinge hinsichtlich der Mission. Was Kaito betraf nickte sie zustimmend. „Du wirst es nicht glauben, aber ich denke auch nicht das Kaito der Dieb ist. Das ist schlichtweg zu offensichtlich, außerdem gibt s keine Beweise oder dergleichen. Nur Vermutungen die sich höchstwahrscheinlich auf Vorurteile stützen.“ Soviel zum Thema. Zumindest war man sich an dieser Stelle einig. Seinen folgenden Plan konnte sie übrigens nicht nachvollziehen, sie wäre das ganze etwas anders angegangen, aber er war Teamleiter und das nicht ohne Grund. „Etwas Glänzendes?.“, sie legte die Stirn in Falten. „Die Silberkette meiner Mutter?“, sie deutete auf ihren Hals. „Die hätte ich aber dann schon gern wieder.“, sie lächelte, nahm sie ab und drückte sie Emaru in die Hand. „Pass gut drauf auf.“, ein Zwinkern und dann eine Zustimmung etwas esse zu gehen. Sie würde aber gewiss selber bezahlen und das verdeutlichte sie dem Jungen auch. Einerseits um niemandem etwas zu Schulden und andererseits eben weil sie ein schlechtes Gewissen hätte. Der Entschluss wurde also gefasst, nur schien noch unklar wo es hingehen sollte. Ein nahegelegener Imbiss verströmte angenehme Düfte in den Straßen der kleinen Stadt. „Lass uns dahin gehen. Es riecht lecker, sieht gut aus, scheint beliebt zu sein und ist mit Sicherheit auch billig. Oh und es sieht so aus als gäbe es dort Kaffee.“, sie grinste. Kaffee. Jeder Mensch hatte ein Laster und das war ihres. Eines das sie gern hatte. Vor dem kleinen Imbiss tan den drei Kinder etwa im Alter von fünf bis acht und eine Person die der ganz große Bruder sein könnte. Na dann mal auf, was?

Taya hatte seine Hoffnungen keinesfalls enttäuscht, sie hatte etwas, das glänzte und einem gewissen Wert nicht entbehrte. Allerdings nicht nur auf rein materieller Ebene. Auch wenn besagte die einzige Ebene war, die den Jungen interessierte, so war ihm doch klar, dass ihm hierdurch sogar weit mehr Vertrauen zuteil wurde als in der vorigen Nacht. Die Silberkette ihrer Mutter hatte sie ihm angeboten, und das einzige, was er damit zu vergleichen wusste, war der Handschuh, den er von seinem Vater bekommen hatte. Die Erinnerung an den Schmerz, den Emaru durch den Verlust des linken, blauen Handschuhes verloren hatten, erinnerten ihn wieder daran, wie irrational sein Verhalten doch manchmal war und dass er tatsächlich auch menschliche Gefühle fühlen konnte. Bedeutete dass etwa, dass er auch fähig war, zu lieben...?
Von derartigen Gedanken riss sich der Magier jedoch sofort wieder los, und seine leicht zitternde Hand wanderte in Richtung der Kette. Er sah sie in seiner Hand einen Moment lang ungläubig an, ehe er seinen Blick wieder lächelnd Tayas Gesicht zuwand, ihre wunderschönen Augen fixierend. "V-Vielen Dank, Taya... Du bist ein wundervoller Mensch. Und keine Sorge...", fügte er hinzu, während sein Lächeln zu einem übermäßig selbstsicheren Grinsen wurde, "Ich werde keinesfalls etwas verlieren, das aus Silber, Gold, Kupfer, Perlen... ähm, dessen Besitzer mir so viel bedeutet!" Sein Grinsen schrumpfte ein wenig, und sein Gesichtsausdruck begann, einen Ausdruck leichter Beschämtheit anzunehmen. Die Hand, mit deren Fingern er angefangen hatte, die Liste sämtlicher relativ wertvollen Stoffe, aus denen Dinge bestehen konnten, mitzuzählen, hing noch immer mit den vie ausgestreckten Fingern in der Luft, und er begann langsam, sie zu senken und die Finger einzuziehen. Gefehlt hatten noch einige Dinge, eben alles, was einen vergleichsweise hohen wert hatte. Womit dieser Vergleich ausgeführt werden sollte? Das hätte selbst Emaru nicht sagen können. Emaru, Emaru... du bist wirklich ein ziemlicher Versager, weißt du? So wirst du niemals bei ihr landen!, hörte er die Stimme Shis in seinem Kopf gellen, dessen Mühe, den Spott zu verbergen, exakt null betrug, weshalb eine zornige innere Antwort Emarus nicht lang auf sich warten ließ: Halt bloß den Mund! Du hältst dich für so perfekt, aber ich bin mir sicher, dass du weit weniger Erfolg bei ihr hast als ich! Nach außen hin drang von diesem Zorn nichts, und auch in seinem Inneren begann der Finstermagier nun, Shis Stimme in den Hintergrund zu drängen und zu ignorieren, da er wusste, worauf das hinauslief: Shi würde beweisen wollen, dass er besser war, und ihn solange nerven, bis Emaru ihm, wenigstens kurzzeitig, seinen Körper überließ. Und da die Folgen dessen wahrscheinlich unglaublich schrecklich und grauenhaft gewesen wären, war es wohl das Beste, dieses Risiko zu vermeiden.

So auf das Geschehen in seinem Kopf fixiert, vergaß Emaru völlig, dass Taya ja seine Essenseinladung bestätigt hatte, und er zuckte sichtlich zusammen, als er sich wieder erinnerte. "Hehe... In Ordnung, dieser Imbiss sieht gut aus." Und vor allem sehr günstig... Ich kann gar nicht glauben, dass ich mit einem Mädchen zusammenarbeite, das so hübsch ist, Piktomagie beherrscht und meinem Geld auch noch ermöglicht, zu bleiben, wo es ist! Sie ist absolut perfekt! Dass das Gesicht des jungen Gentlemans einen mehr als freudigen, geradezu euphorischen Ausdruck aufzeigte, der gleich darauf von einem Gähnen wieder zunichte gemacht wurde. Jetzt schon? Eben war ich doch noch so... voller... Energieee... Ein zweiter Gähner entwich dem Mund des Jungen, und sein Kopf senkte sich leicht nach vorne. Als seine Haare ihm vor die Augen fielen, stellte er sich ruckartig wieder auf und wischte sie aus seinem Gesicht. "Ups, tut mir leid. Ich bin irgendwie schon wieder müde... Hehe..." Und erneut war eine leichte Röte auf seinem Gesicht zu erkennen. Ob diese allerdings erneut durch Scham ihren Weg dorthin gefunden hatte oder dieses Mal auf seiner Müdigkeit basierte, vermochte er nicht zu sagen. In jedem Fall fühlten sich seine Wangen recht warm an, und für ihn war das ein recht unangenehmes Gefühl. Als Ablenkung davon versuchte er nun, sich einen Teil der vorherigen Konversation ins Gedächtnis zu rufen. Was hatte sie noch gleich gesagt, wollte sie... Einen Kaffee? Ja, richtig, das war es gewesen. Gute Erfahrung hatte Emaru damit nicht gemacht, der Geschmack war für ihn widerlich, dennoch hatte er ihn in letzter Zeit in sich hereingeschüttet, als wäre er ein Verdurstender in der Wüste, dem jemand Wasser gebracht hatte, in der Hoffnung, dadurch seine Müdigkeit dadurch zu dämpfen. Funktioniert hatte es nicht.
Durch einen erneuten Gähner aus seinen Gedanken gerissen, entschied er sich dafür, dass es wohl eher eine schlechte Idee war, selbst die Bestellung aufzugeben, wenn man alle paar Minuten gähnte und zum Umfallen müde war. Daher blickte er noch einmal so freundlich wie möglich zu Taya und sagte mit mit Müdigkeit durchzogener Stimme: "Vielleicht wäre es besser, wenn du bestellst. Ich habe keinen Hunger, ich möchte bloß einen Kaffee und etwas Wasser. Natürlich übernehme ich trotz allem die Kosten, und ich möchte dich nicht vom Essen abhalten, nur weil ich Keines nehme. Bestell, was immer du willst." Das dürfte erst einmal reichen, mehr wollte er auch wirklich nicht. Sich an die vollkommen irrationale Hoffnung klammernd, dass das hübsche Mädchen an seiner Seite von seiner Müdigkeit noch nichts gemerkt hatte, unterdrückte der Junge den nächsten Gähner. Man musste sein Glück ja nicht herausfordern.

Taya zog relativ gelangweilt die Schultern in die Höhe. Sie hatten schätzungsweise seit gestern Mittag nichts mehr gegessen, er konnte ihr nicht wirklich erzählen, dass er keinen Hunger hatte. Vielleicht doch und sie war einfach nur zu gefräßig. Wie auch immer, die Tasche zurechtrückend machte sie sich nun auf den Weg zum Imbiss, bestellte kurzer Hand zwei Kaffees, Wasser und sonst noch ein wenig Reiseproviant. Das sollte reichen. Übrigens war Taya ganz fasziniert von dem Aussehen und der Vielfalt der angepriesenen Reisgerichte. Die Reisbällchen sahen ganz besonders gut aus. Beladen mit Essen und dem Kaffee tapste sie gemütlich zu Emaru zurück und drückte diesem seinen Becher in die Hand, ehe sie selbst einen Schluck trank. Der beste Kaffee war es nicht, aber er schmeckte so wie Kaffee schmecken sollte, also fing der Tag doch schon mal gut an.
Die Reisbällchen waren ebenfalls nicht schlecht. Schon bald gestärkt war man nun also zum Aufbruch bereit. Im Übrigen war für die Kurosawa Emarus dauerhafte Müdigkeit noch nicht im Bereich des abnormalen. Sollte nicht heißen, dass ein solches Verhalten nicht war, das was es durchaus, allerdings war es für Taya bisher nur die Folge von unruhigem Schlaf, durchgemachten Nächten, oder weiß der Geier was noch. Es würde aber sicher nicht mehr lang dauern und sie käme dem jungen Mann auf die Schliche. Wie sie dann wohl reagieren würde? Gar nicht, sie hatte zwar von soetwas gehört, konnte sich aber nicht wirklich vorstellen wie man dauerhaft müde sein oder gar im Stehen schlafen konnte. Mit Sicherheit amüsant zu sehen.
Wie dem auch sei, sie wollte endlich in Aktion treten, so kam es, dass sie freudestrahlend nach Emarus Hand griff und ihn in die Richtung zerrte, die sie für richtig hielt. Vielleicht sollte ihr jemand sagen, dass dies die falsche ist? Aber im Ernst, wer würde eine solche Euphorie unterbinden wollen? Der Pappbecher wanderte ebenfalls zeitnah in die nächste Tonne. Zeit endlich mit der Mission zu beginnen!

Neben einem kleinen Frühstück in Form von Reisbällchen, zwei Becher voll Kaffee und einem Wasser für ihren Begleiter, hatte Taya auch noch etwas Wegproviant mitgebracht. Das dämpfte das Glücksgefühl Emarus ein wenig, bedeutete das doch, dass er mehr Geld als nötig ausgeben musste. Mit Taya zu essen machte es allerdings durchaus wieder wett. Langsam trank er Schluck für Schluck sein Wasser, und als sie fertig war mit ihren Reisbällchen, schluckte er auch den Kaffee in einem Zug hinunter. Nachdem der Junge sein Versprechen eingelöst und bezahlt hatte, wurde er sogleich am Arm gepackt und weggezerrt. Etwas überrascht war er, und sein Gesichtsausdruck spiegelte das wieder, wurde dann jedoch eher zufrieden und sogar leicht erfreut. Wer hätte auch gedacht, dass Taya ihn mit einem derart freudigen Gesichtsausdruck packen würde? Was genau ihm das sagen sollte, war ihm nicht klar, schlecht war es allerdings keinesfalls.
Abgesehen davon ging er auch davon aus, dass sie auf dem richtigen Weg waren, schließlich hatte ihm nie jemand gesagt, wo genau sich der Brunnen befand. Taya hatte John ausgehorcht, und bis auf "in der Nähe" hatte er keinerlei Informationen darüber erhalten. Irgendwann waren die beiden dann jedoch am Dorfrand angekommen, und einen Brunnen konnte Emaru nicht entdecken. "Ähm, sag mal... bist du sicher, dass wir in die richtige Richtung gegangen sind? Ich meine... hier ist nirgendwo ein Brunnen." Nachdem er diese Worte gesagt hatte, sah er sich noch einmal um. Der Lauf von dem Imbiss zu dem Punkt, an dem sie jetzt waren, hatte den jungen Magier wieder etwas aufgeweckt... oder konnte das an dem Kaffee liegen? Auf jeden Fall war Emaru jetzt um einiges wacher als zuvor, daher ging er davon aus, den Brunnen zu entdecken oder ihn auch zu hören, wenn er in der Nähe war. Aber offenbar war er das nicht, das einzig Hörbare waren ein paar Menschen, die sich offenbar schon aufmachten, um zu arbeiten oder auch nur zu spazieren, und auch zwei Krähen gaben bereits Töne von sich, und als Emaru seinen Blick in Richtung des Geräusches warf, sah er sie auf einem Dachgiebel sitzen, zwischen ihnen war nicht viel Platz, sie standen recht eng aneinander, ohne sich zu berühren. Irgendein klobiger Kerl stand an einer Ecke und sah alle paar Sekunden auf die Uhr, als würde er auf jemanden warten, und in der Mitte des Platzes, den Emaru von hier aus sah, stand eine steinerne Statue einer Frau mit Engelsflügeln deren rechte Hand freundlich ausgestreckt war und deren linke Seite von seiner Position aus fast vollständig verdeckt war. Aber ein Brunnen war absolut nicht da."Weißt du, Taya...", wandte sich der Junge wieder an die Magierin, "Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Brunnen nicht hier ist. Glaubst du, wir sollten jemand fragen, wo er ist, oder kannst du ihn schnell finden? Ich meine, du wirst doch irgendeine Wegbeschreibung oder etwas Derartiges bekommen haben, als John dir davon erzählt hat..." Ob das jetzt wohl anders geklungen hatte, als es gemeint war? Das konnte durchaus sein, auf jeden Fall hatte er ihr keinen Vorwurf machen wollen und auch nicht versucht, ihr die Schuld und Verantwortung zuzuschieben. Allerdings achtete er kaum darauf, was er gesagt hatte, und kam deshalb auch gar nicht auf die Idee, es neu zu formulieren oder gar zu erklären. Die Reaktion Tayas darauf blieb abzuwarten...

Zu dumm, es war tatsächlich die falsche Richtung und wie so oft entdeckte man dies erst, wenn es bereits zu spät war. Da stand man nun, sah sich um und irgendwie wirkte alles anders als es das eigentlich tun sollte. Ein breites, verlegenes Grinsen in Emarus Richtung, dann sah drehte sie sich beschämt weg und räusperte sich. „Nun um ehrlich zu sein hat John überhaupt nichts gesagt.“ Taya und Kaffee. Vielleicht sollte sie den Konsum doch irgendwann einmal einschränken, solang Emaru damit aber kein Problem hatte, dürfte es ja vorerst keine Schwierigkeiten geben. Dennoch war es ärgerlich. Sie seufzte, ließ den Blick ein letztes Mal wandern, vermied aber nach wie vor den Blick ihres Partners, des Questleiters. Ein Fehler. Mit Fehlern hatte sie es so wie so nicht wirklich und dann auch noch einer aufgrund blödsinnigen Übermutes. Ärgerlich und peinlich...
Nach dem Weg fragen war gar keine schlechte Idee, blöd nur dass hier gerade niemand in nächster Nähe war. Also entschied man spontan. Taya zeigte mit dem Finger in eine Richtung. „Wenn wir zurück zum Imbiss laufen können wir uns neu orientieren, vielleicht sogar jemanden nach dem Weg fragen.“ Gesagt getan, man lief also in recht zügigem Tempo dorthin zurück, wo man her kam, es war immerhin keine Zeit zu verlieren.
Wenige Minuten später kam der Imbiss also wieder in Sicht und nach wie vor standen die Kids sowie der älteste an Ort und Stelle. Super. Sonst wirkte die Straße nämlich schon wieder wie ausgestorben, also schnell seine Chance ergreifen. Mit einem netten Lächeln trat sie an den ältesten heran, dieser musterte sie ziemlich offensichtlich von oben bis unten und setzte ebenfalls ein Lächeln auf. „Schon wieder zurück? So gut schmeckt es doch hier gar nicht.“, der Besitzer warf dem Jungen einen bösen Blick zu. „Hören Sie nicht auf meinen Sohn, was kann ich für Sie tun.“ Taya lächelte nach wie vor. „Nun, ich hab gehört hier soll ganz in der Nähe ein Brunnen sein.“ Die Mundwinkel des Jungen fielen gen Boden und der Besitzer und Vater raunte sie an. „Was meinst du wie viele Brunnen es hier in dieser Stadt gibt, hun?! Sicher nicht nur einen. Schönen Tag noch.“ Und weg war er. Die Kurosawa hob die Augenbrauen in die Höhe und sah ihm etwas verblüfft nach. „Kaito?“ Taya sah den Jungen an und nickte schlicht. Dieser zeigte in eine Richtung mit dem Finger und wandte sich schließlich ebenfalls ab. Höflich wie sie war verabschiedete sie sich schließlich und trat zurück zu Emaru. Dieser durfte sich anhören was das Mädchen zu berichten hatte, hörte sich ihre Verschwörungstheorien an nur um sie schließlich energischen Schrittes voranstürmen zu sehen. Wie schon gesagt, alles sehr seltsam.
Beide schlichen durch unzählige Seitenstraßen, kleine Gassen und kamen schließlich an eine kleine Kreuzung. Taya drehte sich zu Emaru um und wollte ihn eigentlich etwas fragen, blieb letztlich aber wie angewurzelt stehen. Was sie sah? Es befand sich hinter Emaru und ließ ihr Herz höher schlagen. Schneller als er sehen konnte stürmte sie los und blieb plötzlich vor der Wand stehen, die Augen wurden groß wie Unterteller und ehe man sich versah hockte sie auf dem Boden und skizzierte das Graffiti vor ihrer Nase, welches in ihren Augen die Schöpfung eines Gotts war, für andere vermutlich nicht erkenntlich. Wer auch immer da gearbeitet hatte, es konnte es verdammt gut, hatte einen guten Geschmack was das Motiv betraf, verlor sich genau wie sie selbst gern in Details und schien es genau wie sie selbst von langer Hand zu planen. Es dauerte seine Zeit, Emaru wurde dabei vollkommen ignoriert, selbst wenn er ihr eine Frage gestellt hätte, oder sie gar angestupst hätte, nichts sollte ihr eine Reaktion entlocken. Nach einiger Zeit erhob sie sich als sei nichts gewesen und setzte ihren Weg fort, in der Tasche nun eine exakte Kopie dessen, was sie gerade gesehen hatte.
Schließlich kam man beim Brunnen an und tatsächlich, Kaito war anwesend. Er hockte da wie ein Häufchen Unglück auf dem Rand des Brunnens und starte in die Tiefe, mit dem Rücken zu den beiden Magiern gewandt. Taya lief also nun wieder gut gelaunt auf ihn zu und setzte sich wortlos neben ihn auf den Rand des Brunnens, schaut in die Tiefe und schwieg. Von Kaito erntete sie für dieses Verhalten lediglich einen empörten Blick, aber auch er sagte nichts. Wahrlich, das Ding war ziemlich tief, düster und irgendwie auch unheimlich. Es dauerte eine Weile bis die Kurosawa das Wort an sich riss. „Mein Name ist Taya Kurosawa, aber das tut ja eigentlich nichts zu Sache.“ „Was wollt ihr von mir? Ich bin kein verdammter Dieb!“ Das Mädchen schüttelte sacht den Kopf. „Das denken wir auch nicht.“ „Was wollt ihr dann?“ „Wissen ob du eine Ahnung hast, wer es sein könnte?“ Kaito gab einen Zischlaut von sich, Schweigen.