Da war es wieder, dieses unverkennbare Zeichen, dass man Yureiko genervt hatte – die Augenbraue, die hoch erhoben über dem Auge thronte und alles mit vernichtender Verachtung strafte, das dafür gesorgt hatte, dass seine Trägerin sich dazu gezwungen sah, sich aufzuregen. Oder kurz gesagt: Sie war sauer! Unglaublich sauer! Nicht unbedingt deswegen, weil er irgendein dummes Lied pfiff, an solche Dummheiten von Seiten ihres Begleiters hatte sie sich dann doch schon gewöhnt. Wenn es ihm den Aufstieg leichter machte, war es ja eigentlich nicht verkehrt – eigentlich. In der Realität sah es allerdings anders aus. Immerhin kletterten sie gerade auf einen Berg. Auf einen hohen Berg! Auf einen verdammt hohen Berg! Und auf verdammt hohen Bergen gab es nun mal auch verdammt viel Schnee und wenn man verdammt viel Schnee in Schwingung versetzte, hatte verdammt viel Schnee eben die verdammte Angewohnheit, verdammt schnell den Berg hinunter zu krachen und dabei alle (diesmal wortwörtlich) verdammten Bergesteiger unter sich zu begraben. Und diese Aussichten waren für die junge Kabane alles andere als tragbar.
„Ein kleiner Exkurs in die Wissenschaft, Souta… wenn man Schnee durch etwas wie Gesang in Schwingung versetzt, dann schwingt er auch. Und auf einem Berg gibt es Schnee. Viel Schnee. Weißt du was passiert, wenn du zu laut singst, Souta?“ , erklärte sie ihm, vorerst noch ganz ruhig. Dann allerdings griff sie auf einen Felsvorsprung, nahm eine Handvoll Schnee und warf sie einfach nach dem Magier. „DAS! Und zwar mit dem ganzen Schnee, der irgendwo auf diesem Berg liegt! Also lass die beschissene Singerei und konzentrier dich darauf, nicht runterzufallen!“ , fuhr sie den armen Kerl an, der doch nichts getan hatte, als ein wenig Frohsinn zu verbreiten. Ja, sie war vielleicht etwas zu hart mit ihm gewesen, aber die junge Frau hatte schlicht und ergreifend keine Lust darauf unter einer Lawine lebendig begraben zu werden. Das war hier einfach nicht eingeplant!
Nach einer ganzen Weile hatten sie ein gutes Stück an Höhenmetern zurückgelegt. Der Schneefall und der Wind hatten zugenommen, was die Bergbesteigung nicht unbedingt einfacher machte. Dafür allerdings hatten sie endlich den ersten schwierigen Teil zurückgelegt – vor ihnen lag eine eingeschneite Hochebene, gute hundert Meter breit. An den Seiten erhoben sich hohe Steilwände, es sah beinahe so aus, als wäre die Hochebene ein Weg für Giganten vergangener Zeit, wie zum Beispiel einen Drachen. Nicht, dass die Magierin jetzt damit rechnete, einen Drachen zu treffen, aber ihr gefiel die Vorstellung, auf einem früheren Drachenpfad zu wandeln – ganz wie diese Zeugen vergangener Zeiten.
„Sieht so aus, als würde es jetzt endlich leichter werden. Lass uns gehen, wir könnten noch ein ganzes Stück schaffen.“
Mit diesen Worten stapfte Yureiko los, mitten durch das Schneetreiben und über den verschneiten und vereisten Boden.

Eigentlich war die Aussicht, von einer kuscheligen Schneedecke überdeckt zu werden und sich in einem kleinen Hohlraum mit Kabane-sama wärmen zu müssen gar nicht mal so schlecht, doch da ihre Augenbraue einen rasanten Aufstieg erlebte verzichtete Souta ausnahmsweise darauf, sie auf soetwas hinzuweisen und hörte erst einmal auf zu singen, um sich zu ihr umzudrehen - schließlich hatte sie ihm gerade eine Frage gestellt. Gespannt sah er sie an, ganz so, als würde ihr 'Exkurs in die Wissenschaft' aufmerksam mitverfolgt. Dass er ihre Lippen musterte, während er sprach, musste sie ja nicht wissen. Genauestens betrachtete er die Konturen ihres Mundes, wie sich die Oberlippe leicht hob, als sie seinen Namen anklingen ließ, wie er ein 'o' formte, um sich anzuspitzen und den 'uh'-Laut in Souta zu formen. Sie waren von der Kälte leicht gerötet, was ihr im Vergleich zu der blassen Haut und der schwarzen Aufmachung das Aussehen einer frisch vom Blut eines Jünglings gesättigten Vampirlady gab. Wie es sich wohl anfühlen würde, diese Lippen zu küssen? Würden sie weich sein und nachgeben, oder waren sie hart und unerbittlich, zugeknöpft wie ihr Mantel? Erstaunlich geschmeidig wirkten sie trotz des eisigen Windes. Ob sie sie wohl eingefettet hatte? Oder benutzte sie gar Lipgloss? Wonach der wohl schmeckte? Er konnte sich gut vorstellen, dass sie nach Kirschen schmeckte. Ja, Kirschen. Gab es eigentlich etwas Erotischeres als Kabane-sama, die in seiner Vorstellung gerade mit rot gepinselten Lippen und einem langem schwarzen Kleid sinnlich Kirschen verspeiste? Der Rotschopf schmunzelte, als sie wieder seinen Namen sagte - hatte überhaupt nicht bemerkt, dass er die ganze Zeit rückwärts gegangen war. Unfreiwillig wurde seine Konzentration jedoch gestört - dabei wollte er sich gerade anderen Körperteilen widmen! - als ihn plötzlich eine Handvoll Schnee pulvrig ins Gesicht flog und auf seinen Mantel hinabfiehl. Ein paar Flöckchen blieben in seinen Wimpern hängen, sowie in seinen Haaren, aber die waren ohnehin schon ein hoffnungsloses Disaster, nachdem sie ihn unten im Dorf bedroht hatte. Ach, was für eine wundervolle Erinnerung. Souta seufzte verträumt und drehte sich wieder mit dem Rücken zu ihr, beiläufig mit dem Ärmel sein Gesicht sauberwischend. Schweigend legten sie die nächsten Meter zurück, Souta, weil er versunken war in seine vorherige Fantasie und nun eifrig dabei war, für sich den idealen Ort in dieser Geschichte zu finden. Kabane-sama schwieg...brauchte sie überhaupt einen Grund zu schweigen? Vermutlich nicht. Genausowenig wie er einen zum Reden brauchte. Verdammt, die beiden passten wirklich zu gut zusammen! Wann würde sie das nur einsehen...
Rapide endete der felsige Untergrund und verwandelte sich in eine Höhenebene, deren Untergrund nicht nur mit Schnee bedeckt, sondern auch vereist war. Zwar war er sich sicher, dass er allein durch seinen Glanz ohne zu stolpern darüberrennen hätte können, doch mit der physischen Umsetzung sah es etwas anders aus. Gerade war er also dabei einen Schritt zu tun, prüfend und misstrauisch, doch zugleich wohlgelaunt über das Abenteuer, das ich ihnen bieten konnte....wenn sie stolperte und er sie auffangen würde...!
Da sagte sie plötzlich etwas. Durchbrach das Schweigen, indem sie tatsächlich soetwas wie einen Kommentar abgab. Rührung breitete sich in Souta aus. Kabane-sama, ich bin so stolz auf dich...du hast gerade "uns" gesagt ohne diesen Blick, als würdest du mich umbringen wollen! Aaah, das ist der Beginn einer wundervollen Serie von gut gemeinten "uns"en, der Beginn unserer verbalen Einheit!
Vielleicht war es aber auch einfach nur ein Pronomen gewesen, was sie ohne nachzudenken benutzt hatte...was auch immer es war, der Satz, in dem es gehörte war sinnvoll und sie hatte Recht damit. Also spazierte er hinter ihr her, bewunderte Felswände und - und das vornehmlich - ihre angenehme Rückseite. Mann, was hatte er die vermisst...er würde nie wieder vorgehen!

Für einen Landschaftsmaler wäre es wahrscheinlich perfekt gewesen, für einen normalen Reisenden vielleicht schön anzusehen, aber dennoch behinderlich und für zwei reisende Magier… nur behinderlich. Gemeint ist das Wetter, genauer gesagt Schneefall und Wind, die immer stärker und stärker wurden, während die Protagonisten dieser Geschichte sich immer weiter über eine verschneite Hochebene des Mount Hakobe kämpften. Langsam ging hatten diese Umstände auch die gute Laune der jungen Magierin wieder vertrieben und so stapfte sie mürrisch durch den Schnee, während ihre dunklen Gedanken sich ähnlich wie das Schneetreiben immer weiter verdichteten. „Was für eine dumme Idee… wieso zur Hölle hält sich die einzige Person, die diesen Leuten unter Umständen helfen könnte, auf einem verdammten Berg auf? Das ist doch total bescheuert“, wetterte die Kabane – allerdings nur im Kopf.
Plötzlich war da etwas, direkt unter ihren Füßen. Es knirschte und knackte, beim ersten Schritt leise, bei zweitem Schritt schon etwas lauter und beim dritten Schritt brach ein beinahe Infernales Getöse los. Direkt da, wo die junge Magierin gegangen war, war eine Gletscherspalte nur von einer dünnen Schicht aus Eis und Schnee verdeckt worden – zu dünn, um eine erwachsene Person zu halten. Yureikos Augen weiteten sich in Panik, als sie realisierte, welchen Fehltritt sie sich im wahrsten Sinne des Wortes geleistet hatte – und sie fiel. Einen Meter, zwei Meter, drei Meter… ihr Herz schlug immer schneller. Wenn sie weiterfiel würde sie sterben, das war unausweichlich. Und sterben? Sie durfte noch nicht sterben, unter gar keinen Umständen durfte sie sterben. Vier Meter, fünf Meter… etwas regte sich in der Fallenden. Ein Reflex, von dem sie keine Ahnung gehabt hatte, dass er sich in ihrem Körper befand: Ihre Hand verwandelte sich, als hätte sie die Kontrolle darüber schon vor langer Zeit verloren gehabt und versuchte verzweifelt, irgendwo festen Halt zu finden. Sechs Meter, sieben Meter… plötzlich stoppte der Fall abrupt. Panisch atmend starrte sie auf ihre Hand, die es irgendwie geschafft hatte, sich an einem Felsvorsprung festzukrallen – zumindest fürs erste, denn sie spürte schon, wie ihre Hand abzurutschen begann …

Souta hatte beschlossen, Kabane-sama nicht darauf hinzuweisen, dass ihr mürrisches Gestapfe in einer vereisten Hochebene vielleicht nicht unbedingt die beste Idee war - er selbst bewegte sich langsam und gut bedacht, dementsprechend auch etwas langsamer - weil er den lieben Frieden waren wollte. Wahrscheinlich wäre sie noch verärgerter geworden, wenn er sie auch noch auf soetwas hingewiesen hätte, ja, was bildete er sich denn auch ein, sich anzumaßen die heilige Kabane belehren zu wollen? Wenn sie eine Schneise in den Schnee trampeln wollte, würde er sie nicht davon abhalten. Nichtsdestotrotz hatte der Itasa ein ganz schlechtes Gefühl dabei. Es war zu still, zu friedlich, und wenn die Frau nicht den launischen Elefanten spielen würde, so hätten sie verdächtige Geräusche von unten sicher mitbekommen. Hatte er gerade tatsächlich die wundervolle Kabane-sama mit einem Elefanten verglichen? Konnte es etwa sein, dass Souta etwas...genervt war? Vielleicht. Möglicherweise war er das sogar. Es war gar nicht so unwahrscheinlich, wer wäre nicht am Rande seiner Nerven, wenn er jemanden etwas tun ließ, obwohl er genau wusste, wie das enden konnte? Ein bisschen fühlte er sich, als würde er gerade neben einem kleinen Kind stehen und ihm sagen, es solle einfach mal einen Löffel Peffer essen, wenn es so neugierig war! Theoretisch war das sogar seine Mentalität, aber man irrte sich. Man irrte sich einfach. Er war nicht entnervt, nicht gereizt...es ging ihm gerade sonstwo vorbei, was Kabane-sama machte, denn sie war seine Leiterin. Wenn sie es für richtig hielt, was sie tat, würde er ihr nicht widersprechen. So einfach war das! Die einzige Gefühlsregung, die von ihm ausging war Vergnügen. Im Gegensatz zu Grimm-bane-sama hatte er nämlich einen Heidenspaß im Schneegestöber und fand es mehr als nur unterhaltend, wie er ihm um die Ohren pfiff. Das war ein Naturschauspiel, welches man nur selten sehen konnte. Für Souta war es faszinierend. Mutter Fiore hatte eben die Macht. Nichts und niemand konnte ihr das streitig machen. Fühlte sich seine blonde Begleiterin überhaupt nicht klein und unbedeutend gegen diesen Sturm? Bemerkte sie etwa nicht, wie man selbst ein Teil der Welt war, wie sich die Flocken perfekt dem Körper anpassten? War es nicht ein wahnsinniges Gefühl, wenn die winzigen Eiskristalle auf der Haut schmolzen und man wusste, dass gerade ein einzigartiges Exemplar Natur für immer verschwunden war? Keine Schneeflocke war wie die andere, genau so wollte er sein. Anders als die anderen. Dieses Recht hatte jeder, jedes Baby und alle erwachsenen Männer. Dieses Recht hatte auch Kabane-sama. Und deshalb ließ er sie eine Schneise in den Schnee trampeln. Sie durfte unbedacht und doof agieren, wenn sie wollte. Sie war schließlich die schönste Schneeflocke von allen...
Aus dem Nichts blieb Souta stehen. Er hatte gerade etwas gehört, das nicht von den penetrant knirschenden Schritten der Transformationsmagierin übertönt wurde. Es war eine Art Knacken, kam von weiter vorne. Es war keine Zeit übrig, diese Tatsache verbal zu erläutern, denn in diesem Moment wurde es viel lauter als zuvor und übertönte seinen warnenden Ruf mühelos. Mit weit aufgerissenem Auge stürzte Souta nach vorne, griff nach dem schwarzen Mantel, der gerade abtauchte...und langte ins Leere. Da war sie gefallen, er sah ihren Körper nach unten fallen, in die Schwärze hinab. Ihr panisches Gesicht leuchtete ihm entgegen wie ein Stern, der sich in ein schwarzes Loch aufgelöst hatte - denn das war gerade passiert. Wie versteinert war der Kettenmagier, die Beine gespreizt über der Spalte, die Füße zu beiden Seiten der Spalte eingekeilt und angespannt. Er sah ein kleines, fünfjähriges Gesicht, indem genau dieselbe Panik saß wie auf Kabane-samas Gesicht. Sein Herz begann sehr heftig zu schlagen, seine Atemwege verengten sich. Er fühlte, wie er begann zu keuchen, dann zu röcheln. Er hatte gerade...schon wieder...ein psychotischer Anfall drohte ihn zu überwältigen, Souta spürte, wie plingend eine Kette aus der Halterung sprang, die seinen Geist festhielt. Zuckend öffnete er den Mund, unfähig, die Arme zu rühren. Nein. Das durfte nicht sein. Er hatte sie nicht...NEIN! Das Wort hallte in seinen Gedanken wieder, zerschlug die Mauern aus Eis, die seine innere Fackel des Guten zum Erlöschen bringen wollten. Augenblicklich wurde er aus seiner Starre gerissen, als würde er aus einem Traum wieder in die Realität geworfen. Der Schnee peitschte gegen seine Wangen und in seinen immernoch offenen Mund. Die schmelzenden Schneeflocken, die in sein Auge geraten waren liefen wie Tränen abwärts. Vielleicht waren es sogar wirklich Tränen. Er wusste es nicht. Es war egal, woran er dachte, oder was er wusste. Es zählte nur, was er TAT. Und das erste, was er tun musste, um seine Muskeln daran zu erinnern, endlich ihre verdammte Arbeit zu leisten, war es, so laut er konnte und aus voller Kehle -Scheiß auf die Lawinen, Scheiß auf alles... - zu brüllen.
"KAAABAAANEEE-SAAAMAA!"
Sein Ausruf wirkte wie ein Kampfschrei auf seinen Körper. Die antrainierten Reflexe aktivierten sich, wenn auch noch roboterartig, doch er konnte immerhin die Arme ausstrecken und sich einen sicheren Stand verschaffen. Es zählte jede Sekunde, und was hatte er getan? Er war eingefroren, ohne sich um sie zu kümmern! Sie war seine Leiterin. Ihr Überleben hatte höchste Priorität. Souta riss mit seinen Zähnen die Handschuhe von seinen Händen und warf sie irgendwo in den Schnee nebenan, er bewegte die eingefrosteten, geröteten Finger ein paar Mal und umschloss dann krampfartig den Griff seiner Kettenpeitsche. Sie hatte noch volle Länge - etwa 10 Meter. Bitte, das musste reichen...Hektisch ließ er die Waffe nach unten fallen, während durch seine angestrengte Umklammerung die Fingerknöchel weiß hervortraten. "Greif nach dem Seil, Kabane-sama!", schrie er, unwissend, ob sie ihn überhaupt hörte. Ob sie nicht schon auf dem Boden lag, zerschmettert und tot. Für einen schrecklichen Moment glaubte er genau das, und es traten diesmal echte Tränen in seine Augen. Er wollte sie nicht verlieren. War es egoistisch von ihm, jetzt auf seine Bedürfnisse umzuschwenken? Er wollte sie erobern, er wollte sie retten...er MUSSTE sie bei sich behalten! Souta konnte nicht fassen, was er da dachte, aber er hatte Recht, und dies war nun einmal die unschöne Gewissheit: Er hatte sich verliebt. In eine exzentrische, transformationswilde Magierin, die er dermaßen anekelte, dass sie ihn kaum ansehen konnte. Aber es stimmte. Dieser eine Blick im Zug hatte ausgereicht, damit sie ihn vollkommen in der Hand hatte - oder zumindest das, was im Augenblick der Stille ausgesetzt hatte. Er war viel zu schnell damit sein Herz zu verschenken, verliebte sich jeden Tag in eine Andere...es war ein Fluch. Aber aus irgendeinem Grund wusste Souta, dass es nicht einfach wieder beginnnen würde zu schlagen, wenn sie weg war. Er würde nicht lächelnd entschwinden, nachdem er am Morgen seine Kleidung aufgesammelt hatte. Sein Herz würde einfach so bleiben, stocksteif und kurz davor in tausende Teile zu zerspringen. Das durfte nicht sein...es war einfach nicht gerecht...sie hatten doch nicht einmal eine Nacht zusammen gehabt. Er hatte sie noch nicht angefasst...
Ein Ruck riss ihn beinahe in den Spalt hinein, wären seine Füße nicht so verkeilt und taub gewesen, dass sie ihn besser hielten als zwei Holzpfeiler. Etwas hing an seiner Kette und riss ihm beinahe das Armgelenk aus. Von sich aus hätte sie ihn die halbe Körperseite wegreißen können. Die Gewissheit, dass sie an der Kette hing - dass sie lebte! - überflutete ihn und trug ein gewaltiges Glücksgefühl in seine Brust. Als würde sein Herz einen Freudenssprung tun, begann es direkt Adrenalin in seine Muskeln zu pumpen. Mit hochkonzentriertem Gesichtsausdruck zerrte er an der Kette und zog sie Zentimeter für Zentimeter nach oben. Immer näher kam der verloschene Stern, erlebte eine Wiedergeburt sondergleichen. Als sie zwischen seinen Beinen baumelte und er keuchend, vollkommen ausgelaugt und mit dem Gefühl, als wären seine Arme gute zwei Meter lang, streckte er ihr die Hände entgegen und umfasste ihre Handgelenke. Mit einem ausgelassenen Lachen zog er sie an sich und schlang ihr schnell einen Arm um die Hüften, damit sie nicht gleich wieder hinabpurzelte. Die Kettenpeitsche, welche er beim Hochziehen um seinen Unterarm gewickelt hatte, schnürte das Blut darin ab, aber er würde Kabane-sama nicht einmal loslassen, wenn der ganze Boden unter ihnen wegbrechen würde. Eng an ihn gedrückt hielt er sie, umarmte sie dabei absichtlich ein wenig, weil er so froh war, dass sie noch lebte. Schließlich bewegte er die Hand nach oben und umfasste mit seinem Arm ihre Schultern, während er die andere unter ihren Hintern schob. So seine Teamleiterin umschlungen atmete er immernoch heftig, voll Glück, dann winkelte er die Beine an und machte einen Satz zurück, auf den sicheren Boden, in den Kabane-sama ja schon eine Schneise geschlagen hatte. Dementsprechend schaffte er es, ohne auszurutschen, die junge Frau wieder abzusetzen, doch nicht ohne ihr einen Moment besorgt ins Gesicht zu schauen, ob sie auch ja keine Verletzungen davongetragen hatte. Schließlich wandte er sich wieder ab und machte einen Bogen um die Spalte, um seine Handschuhe aus dem Schnee zu buddeln und die Peitsche loszuwerden. "Vorsichtig...", sagte er, wobei seine Stimme etwas belegt klang, doch dennoch schaffte er es, einen freundlichen Spott hineinzubringen. "Vorsichtig...wenn dir schwindlig ist, kannst du dich hinsetzen. Guck nach ob du verletzt bist, vielleicht spürst du es nicht wegen der Kälte. Hast du..." Er räusperte sich, versuchte krampfhaft sich nicht anmerken zu lassen, dass er kurz davor war vollkommen die Fassung zu verlieren und sie abzuknutschen. "Ist die Ausrüstung noch da?"

„Noch nicht… viel… zu früh…“, so dachte die Abgestürzte. Lange konnte sie sich nicht mehr halten – und wenn sie tiefer fiel, würde es egal sein, ob sie sich noch ein zweites Mal festhalten können würde. Zumindest noch einige Sekunden durchhalten, das musste das Ziel sein. Souta war immerhin nicht gefallen, da sie seinen Schrei nach ihr von weiter oben gehört hatte. Einige Augenblicke später sah sie auch schon, wie neben ihr die Kettenpeitsche ihres Begleiters herunterbaumelte – gerade in dem Moment, in dem sie endgültig abrutschte. Eisern griff sie nach der Peitsche und umklammerte sie fest mit beiden Händen. „Bloß nicht fallen… bloß nicht fallen… verdammt, zieh mich endlich hoch!“ , murmelte die Kabane leise, mit einem gewaltigen Hauch von Angst darin. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, begann die Kette sich nach oben zu bewegen – ewig langsam, als wollte ihr das Schicksal zeigen, wie knapp sie dem Tod entkommen war. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie endlich wieder über den Rand sehen konnte, wo die junge Frau von einem lachenden, beinahe überschwänglichen Souta am Handgelenk gepackt und hochgezogen wurde, fest von ihm umschlungen wurde und an Stellen berührt wurde, für deren Berührung sie ihm normalerweise die gleiche aufgerissen oder zumindest hineingetreten hätte. Aber nicht jetzt, nein. Nicht jetzt, wo sie so knapp dem sicheren Tod entronnen war, nicht jetzt, wo er ihr das Leben gerettet hatte, wofür sie sich später unter Umständen noch hassen müsste. Aber nicht jetzt, nein. Jetzt ließ Yureiko sich lieber in Sicherheit bringen, möglichst weit weg von dem Loch, dass ihr eigener Körper gerade in die verschneite Hochebene geschlagen hatte, ähnlich wie eine Kanonenkugel.
Als sie abgesetzt worden war, begann die Ruhe langsam zurückzukehren. Kälte löste langsam die von Adrenalin gezeugte Hitze ab, kroch zurück in ihre Glieder und machte ihr schlagartig wieder klar, wo sie gerade waren, irgendwo auf einem verschneiten Berg, auf dem sie beinahe zu Tode gestürzt wäre. Sie versuchte sich wieder aufzurichten, denn immerhin hatten sie eine verdammte Aufgabe zu erfüllen und mussten auf diesen noch verdammteren Berg klettern – doch ihre Beine waren noch immer der Meinung, vor lauter Angst zittern und sie dabei am Aufstehen hindern zu müssen. Also blieb sie besser noch sitzen, während Souta ihr genau dies riet, sie nach ihrem Wohlbefinden und ihrer Ausrüstung fragte und offensichtlich irgendwas hinunterschluckte.
„Mir geht es gut. Mein Rucksack ist noch da, hat keine Löcher und ist festverschlossen, also fehlt nichts“ , erklärte die Gerettete, ehe sie einen weiteren Versuch wagte, sich aufzurichten und siehe da, diesmal waren ihre Beine mit ihrer Erscheinung einverstandener. Eigentlich hätte sie Souta danken sollen, aber egal wovor er sie gerettet hatte, das würde sie einfach nicht übers Herz bringen. Zumindest nicht allzu schnell. „Wir sollten weiter, wenn dir auch nichts fehlt. Ab jetzt passe ich besser auf, wer weiß, ob wir nochmal so viel Glück haben.“
Schon stapfte sie wieder weiter, langsamer und vorsichtiger als noch zuvor, obwohl ihre Knie sich wie Wackelpudding anfühlten. Zumindest eine gute Sache war ihr gerade aufgefallen: Die steil aufragende Bergwand vor ihnen konnte nicht mehr allzu weit entfernt sein.

"Bist du sicher, dass du nicht noch eine Minute brauchst?", hätte Souta beinahe gefragt, doch dann fiel ihm ein, dass es ja Kabane-sama war, die dort wackelig und langsam vor ihm ging und kein Mädchen, welches er Huckepack hätte nehmen können, oder von ihm aus via Brautmanier vor sich hinschleppen. All das hätte der Rotschopf natürlich auch für die Transformationsmagierin getan, ohne mit der Wimper zu zucken, aber er hatte das ungewisse Gefühl, dass sie durch ihren überdimensionierten Stolz, der teilweise sogar sein Ego zu überlagern drohte, das nicht ganz so gut aufnehmen würde. Vermutlich war ihr die Nähe von eben schon mehr als genug gewesen. Souta zwar bei Weitem nicht, aber er wurde dazu ja auch gar nicht befragt. Wobei es ihr doch eigentlich genausoviel Spaß machen musste, ihn anzufassen, wie ihm, wenn er Kontakt zu ihr hinstellte, oder? Der Kettenmagier war zwar mit weniger weichen Stellen ausgestattet, sondern eher sehnig, aber war es nicht genau das, was Frauen wollten? Sich an jemanden anlehnen können, der warm und stark war, kein behaarter Riese, sondern ein junger Mann, der geradewegs aus dem Gildenmagazin hätte schlüpfen können? Auch in der Hinsicht war die soeben von ihm erretete Blondine wohl etwas anders. Obwohl all diese Gründe dagegen sprachen, dass er sie stützte, trat er dicht neben sie, berührte sie nicht direkt, aber war doch bereit, sie sofort aufzufangen, wenn sie einknickte oder sich noch einmal nach unten verabschieden wollte. Natürlich wäre etwas Dankbarkeit angebracht gewesen, aber Souta verlangte das gar nicht. er sonnte sich liebend gerne im Heldenglanz und stand darauf, angebetet zu werden, aber er war nicht dumm. Selbst er erkannte, dass das hier keine Fantasie von ihm war, sondern ernsthaft. Es war um Leben und Tod gegangen. Beinahe wäre die Person, in die er sich verknallt hatte, gestorben, und darüber machte man keine Scherze, nicht einmal er. Sie erinnerte ihn wahnsinnig an jemand anderen, den er damals nicht hatte retten können. Ihr Stolz, die Unerbittlichkeit...der Rothaarige schlug sich mit der Faust gegen die Brust, um den sich darin ausbreiteten Schmerz zu überdecken und seufzte. "Meinst du, wir müssen da hochklettern?", meinte er schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens und schaffte es sogar, wieder etwas breiter zu lächeln. Ein Arm wies auf die Steilwand vor ihnen. Ihm selbst war das Besteigen einer Felswand kein Hindernis, und auch für Kabane dürfte es keines sein, sofern sie es denn billigte, was sein Plan war...Beinahe soetwas wie ein Schmunzeln zog sich über sein Gesicht. Sicher nicht, aber sie konnte nichts dagegen tun, wenn sie die Quest nicht aufhalten wollte. Hrhr.

„Natürlich müssen wir da hoch. Was denkst du denn? Dass wir hier warten, bis die Hexe von selbst zu uns runterkommt oder das die Wand in sich zusammenfällt?“ , murrte Yureiko. Ja, es war ziemlich gemein, ihn so anzufahren, aber ihre Laune war mittlerweile eben wieder schlecht geworden und wenn Souta dumme Fragen stellte, dann sollte er auch ihr Echo vertragen. Dabei war es egal, ob er sie gerettet hatte, auch wenn sie es ihm hoch anrechnete, aber das würde er während dieser Aufgabe noch nicht zu spüren bekommen. Alleine schon aus dem Grund, dass es ihr vollkommen auf die Nerven ging, dass sie sich überhaupt die Blöße gegeben hatte, von ihm gerettet werden zu müssen. Einfach nur ekelhaft war das, jawohl. Ekelhaft!
Bevor es an den Aufstieg ging, reckte sie selbst ihr Kinn nach oben, um an der Felswand entlang nach oben sehen zu können. Dies würde eindeutig der schwierigste Teil ihres Weges werden, denn immerhin konnte man hier wirklich verdammt tief fallen. Außerdem begann es schon dunkel zu werden und das wiederrum bedeutete, sie mussten die nächste Höhle, den nächsten Felsvorsprung oder sonstigen windstillen und sicheren Ort aufsuchen, der ihnen unter die Nase kam und dafür erst morgen bis ganz nach oben gelangen. Nach diesen Überlegungen senkte sie ihr Haupt wieder und bemerkte dabei Soutas Schmunzeln – irgendwie beunruhigend, aber sie wusste nicht wirklich, wieso.
„Was ist denn lustig, hm?“ , fragte die Magierin, wobei sie den giftigen Unterton nur schwer vermeiden konnte. Eigentlich war es auch egal, was lustig war. Sie mussten weiter, so oder so, und das so bald als möglich, denn sonst würden sie erfrieren oder in der Dunkelheit abstürzen, wenn sie kletterten und nochmals abzustürzen war wohl das Letztes, was sie nun brauchte. Also seufzte die junge Frau leise, dehnte und streckte kurz ihre Glieder und machte sich daran, sich auch psychisch für den härtesten Teil ihrer Reise bereit zu machen.

Beim Anblick einer sich dehnenden Kabane-sama wurde Soutas Gehirn beinahe schon wieder reingewaschen von seinem Plan, wie sie etwas leichter vorankommen würden. Wie konnte sie sich auch einfach direkt vor ihm strecken und dadurch zeigen, dass sie gelenkiger war, als es auf der Ebene den Anschein gemacht hatte? Also wirklich. Der Rotschopf grinste sie unverhohlen an, während er an der Felswand hochsah und versuchte, einen guten Anfangspunkt für seine Taktik zu finden. Die rauhe, von Schneestürmen zerfurchte Wand war ein Paradies für Kletterer, doch leider ebenso gefährlich und so hoch, dass er das obere Ende nicht mehr sehen konnte. In solchen Gesteinsformationen musste es einige Höhlen geben und wenn sie Glück hatten, war diese unbewohnt. Der Blick des grünen Auges fixierte sich auf einen stabil aussehenden Steinbrocken. Einen kurzen Moment überlegte Souta, ob das Teil auch halten würde, dann kicherte er in sich hinein und wandte sich zu Kabane um. "Kabane-sama, ich werde unsere Klettertour jetzt verkürzen. Allerdings muss ich mich dabei konzentrieren und kann nicht auf die Umgebung achten. Wenn du also so nett wärst und mich zu einer Höhle lotst..." Kaum hatte er seine Erklärung beendet, lachte er leise auf und zog seine Chefin bevor sie bemerkte, wie ihr geschah auf seinen Rücken. Er wartete, bis sie sich einigermaßen festhielt und streckte dann den Arm nach dem Fels aus. Souta spürte die Magie in seinen Arm kribbeln, wie er leicht leuchtende und sich dann transformierte. Kaum eine Sekunde später schoss zielsicher eine Kette aus seinem Schultergelenk und verhakte sich mit dem Stein, wie geplant. Der Zauber wurde wieder gelöst und die beiden machten einen Satz nach oben, bis sich Soutas Beine auf dem Fels befanden und er leise keuchend den nächsten Stein anivisierte. Er war nicht wirklich gut darin, viel Mana einzuteilen, doch mehr als zwei weiteren Chaingrabs konnte die nächste Höhle doch nicht entfernt sein...und wenn, dann hatte er ja immerhin noch seine Peitsche.

Wenn Souta grinste, dann war immer etwas im Busch, so viel hatte die Blondine schon gelernt und dabei musste sie ihn noch nicht mal ungerecht verurteilen. So war er eben und das musste man akzeptieren - aber vor allem musste man einen Weg finden bestmöglich darauf zu reagieren, zum Beispiel indem man ihm direkt einen Schlag verpasste. Oder so ähnlich, denn nachdem der Magier sie gerettet hatte und sie ein Stück gegangen waren hatte sie sich doch vorgenommen ihm während dieser Quest keine Gewalt mehr anzutun, zumindest vorerst.
Mit dem, was darauf folgte, hätte sie nach diesen Gedankengängen eigentlich rechnen müssen, gerade nach seiner Erklärung über die Verkürzung der Kletterei, der die Magierin furchtbar gerne zugestimmt hätte. Bis sie von ihrem Begleiter gepackt wurde und irgendwie auf dessen Rücken landete, an dem sie sich verkrampft festhielt. Was hatte er sich dabei schon wieder gedacht? "Ich hoffe, dir ist klar, dass ich dich dafür noch töten werde" , zischte Yureiko ihm aus ihrer eher ungemütlichen Position aus zu. Das war also sein toller Plan, er wollte sie tragen. Zugegeben, wenn er das konnte, dann gab es mit Sicherheit schlechtere Ideen. WENN er es konnte, was durch die reine Idee ja noch nicht bestätigt wurde. Dennoch machte sie sich daran sich anständig an ihrem Träger festzuhalten und als sie damit fertig war ging es auch schon los. Der junge Mann verwandelte seine Arme in Ketten, verhakte sie ein gutes Stück weiter oben und zog sie beide dann nach oben. Kettenmagie also, das machte wirklich vieles einfacher. Hatte er das im Zug erwähnt? "Keine Ahnung, aber wen interessiert's? Er meinte, er müsse sich konzentrieren. Also sollte ich wohl besser lenken..."
Aufmerksam sah die Magierin sich um. Sie musste nicht nur etwas finden, dass zumindest so aussah, als würde es ihnen Schutz für die Nacht bieten, sondern auch einen möglichst sicheren Weg dorthin. Nach einigen Augenblicken hatte sie ihr Ziel ausgemacht, ein Felsvorsprung schräg über ihnen, der Wind und Wetter hoffentlich abhalten würde. "Schräg rechts nach oben. Und pass auf den Wind auf!" , brüllte sie gegen eben jenen, der ihre Worte beinahe verschluckt hätte. Hier an der Steilwand war das Wetter noch übler als auf der Ebene unter ihnen - hoffentlich passte der verdammte Rotschopf auf. Mit einem Ruck ging es weiter nach oben, wieder brüllte die Kabane ihre Kommandos. Zwei Kettenzüge später hatten sie den schützenden Vorsprung endlich erreicht, der sich immerhin als vier mal vier mal zwei Meter große Höhle erwies. Für eine Nacht war das bei weitem genug.
So stellte sie also ihren Rucksack ab und bereitete ihr Nachtlager vor, während es draußen schon beklemmend düster wurde.

Mit Sicherheit wäre diese Höhle ganz kuschelig gewesen und hätte auch ein Grinsen auf Soutas Gesicht gezaubert, doch leider hatte er sich bei der vorherigen Klettertour, die er schließlich mit doppeltem Gewicht ausgestanden hatte, etwas zu viel herausgenommen, deshalb verschwamm gerade seine Sicht zu undeutlichen Schemen. Damit dies jedoch nicht von Kabane-sama gesehen und als Motiv genommen wurde, um ihm irgendetwas vorzuwerfen, was ihr in ihrer schlechten Laune einfallen möge, beeilte er sich sie von sich herunterzulassen (obwohl er sich durchaus nicht so sehr damit beeilte, wie er hätte können...) und lehnte sich gegen die Höhlenwand, während sie mit ihrem Gepäck beschäftigt war. Solange sie nicht aufblickte, konnte er ja kurz die Augen schließen und das Drehen in seinem Kopf abstellen, welches der übermäßige Manaverbrauch bei ihm bewirkte. Souta fühlte, wie ihm der Boden entgleiste, er mit dem Rücken abrutschte und schließlich auf den Hintern sitzen blieb. Mit zwei Fingern seine Schläfe massierend, blinzelte er zu ihr hinüber. "Hey, Kabane-sama. Spare bloß keinen Platz, ja? Egal wo du dich hinlegst, ich quetsche mich schon rein..." Mit einem Grinsen und einem tiefen Durchatmen zog er sich an einem herausragenden Felsstück wieder hoch und ging zurück zum Felsvorsprung. Mit verschränkten Armen lehnte er sich nun weitaus lässiger an die harte Wand. Er wollte unbedingt den Sonnenuntergang von dieser Position sehen. Die große orange Scheibe, die sich langsam abwärts bewegte und dabei alles in ihr rotes Licht tauchte, brachte ihn zum Schweigen. Der Wind riss an seinen Kleidern und seinen Haaren, kämmte sie immer wieder willkürlich in verschiedene Richtungen. Das Grinsen in Soutas Gesicht schrumpfte zu einem zufriedenen Lächeln zusammen. Lange schaute er so unbewegt in die Sonne hinein, bis sie ganz verschwunden war und die Schwärze der Nacht alles andere verschluckte. Es gab wirklich nicht viel, was schöner war als der Sonnenuntergang. Genausowenig gab es, was er lieber betrachtete, ruhig und völlig ohne Unterbrechungen. Verstohlen lugte er über die Schulter in die Höhle hinein, wo Kabane schon schlafen musste. Kichernd wandte der Rotschopf dem Ausblick den Rücken zu und betrachtete das ruhige, entspannte Gesicht der Transformationsmagierin. Tja, viel gab es nicht. Aber zumindest eine Sache.