cf - Lamia Scale Gildenhaus

Argeon Twon war eigentlich eine bemerkenswerte kleine Stadt, welche über einige Tausend Bewohner verfügt. Sie befand sich im Westen des Landes, was bedeutete, dass die beiden Magier eine mehrstündige Zugfahrt hinter sich hatten. Yuukis Hinterteil schmerzte immer noch von dem ganzen Sitzen im Zug. Wie üblich hatte ihm Aurora nicht wirklich Gesellschaft leisten können, denn dank ihrer Phobie war die Hälfte ihres Körpers stets im Freien gewesen. Dies hatte unter anderem einen Fahrgast verschreckt, welcher in dem Abteil der beiden Magier hatte Platz nehmen wollen, und beinahe mit einem Hinterteil zusammengestoßen wäre. Der Rotschopf erinnerte sich, dass er ziemlich gelacht hatte, worauf der Fahrgast hin ziemlich rot geworden war und sich wieder verdrückt hatte. Ansonsten hatte er nur ein Schläfchen gehalten, sich dann und wann nach dem Wohlbefinden seiner Partnerin erkundigt und pünktlich seine Mahlzeiten eingenommen. Da sie früh am Morgen abgereist waren, waren sie nun am späten Nachmittag in dem belebten Städtchen angekommen und konnten sie der schönen Landschaft erfreuen. Viel schöner als der Besuch beim letzten Mal in diesem Dörfchen, bei dem es kaum zwanzig Häuser und niemanden auf den Straßen gegeben hatte. Im Gegensatz dazu befanden sich viele Leute auf den Straßen und unterhielten sich miteinander oder gingen ihres Weges. Kurz streckte sich der Grynder noch, ehe er sich wieder seiner Partnerin zuwandte, um ihre weiteren Schritte zu besprechen. "Mein Vorschlag wäre, zuerst einmal den Auftraggeber der Quest aufzusuchen, um Näheres zu erfahren. Soweit ich das erkennen kann, sollte das der Bürgermeister dieses Städtchens sein. Was meinst du?" Das war die Frage, was würde sie wohl von der ganzen Sache halten? Je mehr Informationen sie hatten, desto einfacher und glatter würde der Auftrag ablaufen. Dann konnten sie sich auch um diese besagten Aktivitäten auf dem Friedhof kümmern.

Züge waren eine verdammt enge Angelegenheit, hatte sie das schon einmal erwähnt? Und dummerweise hasst Aurora enge Angelegenheiten. Da das Mädchen schon seit langem an Engeangst litt, konnte sie es überhaupt nicht haben, wenn ihre Umgebung nicht ihren Wünschen entsprechend weit und ausladend war. Ihre eigene Wohnung hatte sie deswegen so gestaltet, dass da nun genug Platz für sie war, auch wenn man meinen könnte, dass das etwas übertrieben sei, so brauchte sie es einfach. Die Zugfahrt hatte sie also (wieder) zur Hälfte im, zur Hälfte außerhalb des Zuges verbracht. Solange ihr Kopf nicht mittten im Getümmel war, ging es ihr noch einigermaßen gut. Das einzig nervige daran war die Tatsache, dass sie so auf den Rest ihres Körpers eher weniger Acht geben konnte, was manchmal in recht peinlichen Situationen enden konnte, wie zum Beispiel, dass jemand mit ihrem Hinterteil zusammstieß. Damals, als sie den verletzten Yuuki nach Hause eskortiert hatte, war ihr diese Zugfahrt nicht halb so schwer gefallen, wie normalerweise, aber heute... war alles wieder normal.
Als sie endlich in Argeon Town angekommen waren, sprintete das Mädchen erst einmal aus dem Zug heraus und streckte sich, genoss die plötzliche Bewegungsfreiheit ihrer Glieder. Warum konnte man denn nicht so etwas wie einen Open-Air-Zug erfinden, sie würde sich persönlich daran beteiligen. Aber was würde dann passieren, wenn es regnete? Den meisten Passagieren war da ein Dach über dem Kopf lieber, als die Freiheit der Sinne, oder? Vielleicht sollte man sie umerziehen, bis sie es zu schätzen wussten, dass ihnen der Himmel nicht auf den Kopf fiel. Dazu müsste man sie nur längere Zeit in eine Höhle eingraben und darauf warten, dass sie halb den Verstand verloren vor Angst. Aber wahrscheinlich ließe sich eine solche Methodik nicht durchsetzen, dazu war die Menschheit zu lieb und nett und verweichlicht.
Yuuki währenddessen schien ganz anderen Gedanken nachzuhängen, die eindeutig näher am Geschehen waren, als die ihren. Er schien alles durchgeplant zu haben und schlug vor, sich zum Bürgermeister, dem Auftraggeber, zu begeben. Gute Idee, was sollten sie hier sonst tun, außer irgendwelche gemeinen Pläne auszuhecken? Also nickte das Mädchen und sah sich um. Wohin genau? Ins Rathaus? Sie war noch nie in Argeon Town gewesen, also wusste sie nicht wohin des Wegs.

Das Nicken seiner Partnerin nahm der Rotschopf einfach mal als Zustimmung hin, weshalb es seiner Meinung nach nun losgehen konnte. Der Bahnhof befand sich auf einem Hügel, weshalb es zuerst eine mittellange Treppe hinunter zur Stadt zu überwinden gab. Von hier oben hatte man eine prächtige Aussicht auf die aufstrebende Kleinstadt, weshalb der junge Mann zunächst einmal stehen blieb und den Blick genoss. Wären sie nicht in einer ernsten Angelegenheit hier, so hätte man sich durchaus ein Zimmer nehmen können und einige Tage hier verbringen. Gewiss gab es die eine oder andere Vergnügungsmöglichkeit, die man aufsuchen konnte. Noch einmal tief Ein- und Ausatmen, und schon ging es weiter. Hoffentlich störte sein Verhalten Aurora nicht. Andererseits kannten sie sich schon ziemlich lange, weshalb sie wohl genug über ihn wusste, um zu wissen, wie er sich in solchen Momenten verhielt.
Den Hauptbahnhof also langsam hinter sich lassend, liefen die beiden Magier durch die Straßen der kleinen Stadt und bewegten sich – zumindest hoffte Yuuki das – in Richtung Innenstadt, in der er den Stand des Rathauses vermutete. Grund dafür war, dass er, so clever wie er nun manchmal war, vergessen hatte einen Stadtplan von Argeon Town einzupacken, und da er noch nie davor hier gewesen war, kannte er sich nun mal nicht aus. Dann würde er eben bei Gelegenheit jemanden nach dem Weg fragen müssen.
Im Grunde genommen ähnelte die Stadt vom Aufbau und der Infrastruktur ziemlich Hosenka Town, weshalb er sich sofort wohlfühlte. Solche Orte konnte man doch mal öfter besuchen, anstatt sich in so Orten wie Kumamoto herumschlagen zu müssen. Vielleicht konnte er sich nach Beenden der Quest wirklich ein Zimmer nehmen? Trotz all dieser Ähnlichkeiten und Parallelen, die er ziehen konnte, hat der junge Magier so langsam das Gefühl, das er sich verlaufen hatte, weshalb er sich vornahm, die nächstbeste Person nach dem Weg zu fragen. Und da war sie schon: In diesem Augenblick kam ihnen ein alter Mann mit Krückstock entgegen, der etwas gebückt zu laufen schien, was wahrscheinlich vom hohen Alter kam. Seine Haut war gegerbt und vernarbt und er besaß einen schlurfenden Schritt. Na was solls, so schlimm wirds schon nicht sein, schoss es dem Jungen durch den Kopf. "Entschuldigen Sie, könnten sie uns vielleicht den Weg zum Rathaus erklären? Wir sind nämlich die beauftragten Magier von Lamia Scale und sind wegen der Angelegenheit des verschwundenen Wachmanns hier." Bei diesen Worten zeigte er auf Aurora und sich, um seine Aussage zu verdeutlichen. Der alte Mann trat etwas näher an sie beide heran, anscheinend um sie genauer zu betrachten und glotzte sie aus dem rechten Auge an. Anzumerken war, dass sein Gesicht etwas deformiert zu sein schien, weshalb das linke Auge viel kleiner war, da sich die Knochen verschoben zu haben schienen. "Ahhh, eine hübsche Freundin hast du da mein Junge. Ihr wollt also ein romantisches Wochenende in der Stadt verbringen? Schön, schön." Moment mal, was war das denn bitte? Yuuki war sichtlich verdutzt und fragte sich gerade, ob der ältere Herr vor ihnen wohl etwas schwerhörig war und ihn nicht richtig verstanden hatte. Ein kurzes Kopfschütteln und ein ratloser Blick zu Aurora, dann versuchte er es erneut. "Nein, wir beide sind Magier und müssen mit dem Bürgermeister sprechen, wegen des verschwundenen Wachmanns." Dieses Mal redete er besonders laut, betonte jede Silbe seiner Worte extra deutlich und unterstrich jedes wichtige Wort mit einer entsprechenden Geste, damit ihr Gegenüber sein Anliegen auch dieses Mal wirklich verstand. Natürlich drehten sich einige nahe Passanten zu ihnen herum und glucksten aufgrund der frustrierenden Versuche des Jugendlichen, doch das war ihm egal. In dem Augenblick trat eine junge Frau lächelnd zu ihnen und sprach die beiden Magier an. "Ach, das ist der alte Coby. Er ist schon etwas schwerhörig und verwirrt im Kopf, doch trotzdem geht er immer noch seiner Arbeit nach." Anschließend setzte sie einen nachdenklichen Gesichtsausdruck auf, ehe sie weitersprach. "Ihr seid also die bestellten Magier, die sich um den Fall kümmern sollen?" Bei dieser Frage begutachtete sie vor allem Aurora und zog bestimmt wegen ihres knappen Outfits eine Augenbraue hoch. "Seid ihr auch sicher, dass ihr die Richtigen für den Job seid? Hier geht es immerhin um das Leben einer Person, nichts, was man Kindern anvertrauen sollte. Auch wenn ihr wohl Magier seid.", fügte sie rasch hinzu.
Aurora hatte indes mit anderen Problemen zu kämpfen, denn der alte Mann, der nicht nur schwerhörig und wohl etwas verwirrt war, schien auch ziemlich vergesslich zu sein. Er stupste sie mit seinem Krückstock an und berührte dabei ihre langen Beine, während er auf sie einredete. "Und wer bist du? Eine Konkubine? Ich kannte mal einen, der kannte einen, der wiederum eine Schwester hatte, dessen Sohn ..."

Sie hatte sich ja eigentlich schon gewundert, dass Yuuki so zielstrebig los ging, da sie selbst noch nie hier gewesen war. Dass die Erklärung dieser Handlung allerdings so negativ ausfallen würde, hatte sie eigentlich nicht erwartet. Er hatte sich verlaufen, war also auf gut Glück losgewatschelt, ohne eine Ahnung zu haben, wo sie eigentlich hin mussten. Das war eine Vorgehensweise, die sie von einigen hirnloseren Magiern erwartet hatte, aber eigentlich wirklich nicht von Yuuki, der ihr bisher doch immer als Theoretiker vorgekommen war. Und nun standen sie hier in einem Gewirr aus größeren und kleineren Gassen und waren darauf angewiesen, dass ihnen die Stadtbewohner den Weg wiesen. Das Nach-dem-Weg-Fragen war ja eigentlich eine typisch weibliche Angewohnheit, da es Männern meist zu peinlich war, ihre Unwissenheit so unter Beweis zu stellen. Im Falle dieses Magierteams schien es aber umgekehrt zu laufen: Aurora hatte keinerlei Intention, sich selbst für dumm zu erklären, während Yuuki einfach den nächst besten Opa ansprach. Die Wahl dieser Person war auch eher in die Hose gegangen, denn der Alte war dank alzheimerzerfressenem Verstand und halbtauben Ohren kaum mehr in der Lage, eine richtige Auskunft zu erteilen.
Aurora is not amused.
Lag es eigentlich an ihren Kleidern, dass vor allem alte Menschen immer wieder darauf kamen, Yuuki und sie seien in irgendeiner tiefer schürfenden Weise miteinander liiert, als das Magier von Lamia Scale generell waren? Oder sollte sie dazu übergehen, den Jungen zu schlagen, damit die anderen bemerkten, dass das ganze wirklich rein freundschaftlich war? Obwohl... nun gut, diese Frage konnte sie dem Alten noch verzeihen, schließlich war die Vermutung recht naheliegend. Die Blicke der Frau, die dem Alten dann jedoch zur Hilfe kam, weil er wirklich schwerhörig war, gefielen ihr weit weniger, da sie eine gewisse Geringschätzung beinhalteten, die das Mädchen nicht leiden konnte. Aber gut, sie schluckte es herunter. Was sich der Alte dann jedoch leistete, brachte das Fass wirklich zum Überlaufen. Konkubine?
Not at all.
Anstatt den Alten allerdings auseinander zu nehmen, seinen Kopf auf einen Speer zu stecken und sein Blut über die Straßen zu verteilen, lächelte sie nur, aber dieses Lächeln wirkte eher bedrohlich. "Nein, das einzige scharfe, mit dem ich mich auskenne sind Waffen. Wussten Sie beispielsweise, wie einfach es mit nötigem Kraftaufwand ist, einen Kopf von dem dazugehörigen Hals zu trennen, wenn man das passende Werkzeug dazu hat?" Dann wandte sie sich an die Frau und hakte nach:"Da mein werter Kollege offenbar nicht klar genug gesprochen hat: Wo geht es hier zum Rathaus und nein, wir sind keine kleinen Kinder, also würden sie gut daran tun, uns einfach den Weg zu sagen. Alle zufrieden?", wandte sie sich zum Schluss an all die Gaffer, "Dann können Sie ja jetzt weiter gehen."

Es schien ganz so, als ob die Ilia in ihrem Element zu sein schien, so wie sie da gerade auf der Straße aufdrehte. Das kann ja mal was werden, dachte der junge Grynder resigniert. Dennoch ließ er sie einfach machen, schließlich konnte er eingreifen, sollte es zu Handgreiflichkeiten kommen. Trotz dem Fakt, dass sie Blut gewittert hatte, wusste er, dass sie immer noch eine respektable Magierin aus Lamia Scale war, die wusste, wie sie sich zu kontrollieren hatte. Immerhin konnte er sich an keinen einzigen Fall erinnern, bei dem sie ihren Auftrag nicht mit äußerster Perfektion erledigt hatte. Der alte Coby schien keineswegs von ihrer kleinen Drohung und Rede beeindruckt zu sein, doch das lag keineswegs daran, dass er keine Angst vor ihr hatte. Vielmehr hatte sich der verwirrte alte Knacker von den beiden Magiern abgewandt und richtete seine Aufmerksamkeit auf einige spielende Kinder, die sich in seiner Nähe befanden. "Heee, ihr da. Was faulenzt ihr hier so rum? Macht euch doch mal nützlich für eure Stadt und unternehmt etwas Anständiges. Damals, zu meiner Jugend, war das folgendermaßen ..."
So viel also dazu. Der kleine emotionale Ausbruch seitens Auroras zeigte jedoch seine Wirkung bei den gaffenden Passanten. Die meisten zuckten kurz zusammen, als sie dermaßen von der jungen Frau angemacht wurden, und widmeten sich wieder ganz schnell ihren eigenen Angelegenheiten. Manch einer stolperte sogar bei dem Versuch, sich zu schnell aus dem Staub machen zu wollen. Tja, man sollte sich halt wirklich nicht mit einer wütenden Frau anlegen. Yuuki fand die Gesamtsituation gelinde gesagt ziemlich amüsant und er hatte das Gefühl, dass Aurora ziemlich gut wusste, wie man sich Freunde machte. Die andere Frau, welche sie so abschätzig angeschaut hatte, war nicht ganz so verschreckt wie all die anderen, jedoch begann sie, ebenfalls unsicher zu werden. Ob das wohl mit der Drohung zusammenlag, die sie gegen den alten Mann ausgesprochen hatte? "Kein Grund wütend über den alten Coby zu werden, er kann doch schließlich nichts dafür." In ihren Augen zeigte das Mal wieder, wie arrogant und undankbar Magier waren, generell wurden sie ja überbewertet. Seufzend gab sie schließlich der harschen Bitte des Mädchens nach. "Du brauchst auch nicht so unfreundlich zu sein, ich wollte euch ja gerade erklären, wie man am Besten dahin gelangt. Lauft einfach diese Straße weiter, die Nächste dann links und ganz am Ende wieder nach rechts, dann seid ihr auch da. Schönen Tag auch." Dass die beiden Magier auf diesem Weg den Umzug kreuzen würden, der durch die halbe Stadt verlief, erwähnte sie nicht. Vielmehr dachte sie daran, sich ebenfalls schnell aus dem Staub zu machen, um ja nicht Ziel des Zornes von Aurora zu werden, sollten sie schließlich herausfinden, wohin sie geschickt worden waren.
Trotz allem bedankte sich Yuuki für die erhaltenen Informationen, ehe er sich schließlich wieder auf den Weg machte. Kurz davor wurde er jedoch noch einmal von dem alten Mann mit dem Stock angestoßen, der irgendwie seine Aufmerksamkeit erringen wollte. Langsam drehte er sich um und schaute den Herrn etwas verwirrt an. "Viel Glück an der Front und richtet meinem Sohn schöne Grüße aus. Sagt ihm, dass ihn seine Mutter und ich ihn sehr vermissen." Anschließend salutierte er noch, so gut er eben mit seinem Buckel konnte und drehte sich um. Was für eine bizarre Szene und was für ein verrückter alter Kauz. Kopfschüttelnd wandte er sich an Aurora. "Können wir dann oder willst du noch einige Leute einschüchtern?" Ein kleines Lächeln begleitete diese Frage, hoffentlich nahm sie ihm diesen Humor nicht übel.

Zufrieden blickte Aurora sich um. Sie hatte sich beherrscht und eben nicht den Kerl zusammen geschlagen, auch wenn sie größte Lust darauf gehabt hätte. Stattdessen hatte sie sich auf eine verbale Drohung beschränkt und dem Alten hoffentlich klar gemacht, dass mit ihr nicht gut Kirschen essen war, wenn man sie als etwas sexuell eher anstößiges bezeichnete. Die Frau hatte sie auch nicht besonders schlimm angefahren und immerhin hatte sie ihnen nun Auskunft gegeben. Also alles prima. Mit einem Lächeln auf den Lippen antwortete sie dem Rothaarigen deswegen: "Ja, bin fertig mit Leute einschüchtern. Jetzt geh ich noch schnell kleine Kinder jagen und dann können wir essen." Kruder gegen schiefen Humor, so war die Ilia nun einmal. Jedenfalls hatten sie nun die Wegbeschreibung und das Mädchen setzte sich sofort in Bewegung, schließlich hatte sie keine Lust auf einen weiteren Wegverlust a la Yuuki. Sie hätte sich bestimmt nicht verlaufen, aber der Grynder schien mit einem relativ schlechten Orientierungssinn gesegnet zu sein. Nun ja, das würde ihr ganz bestimmt nicht passieren! Deswegen zog sie das Tempo an und war schon bald so nah am Rathaus, dass sie es schon sehen konnte... bloß... was war das?!
Ein Umzug? Versperrte ihnen da tatsächlich ein bescheuerter Umzug den Weg zu ihrem Auftraggeber? Och man... heute war eindeutig nicht ihr Tag, oder? Aurora seufzte und blickte den bunt geschmückten Festwagen hinterher, die die Krezung überquerten, die sie wohl auch passieren mussten. "Und nun? Durch die Wand, drüber oder drunter?" Vielleicht gab es ja eine Untertunnelung des ganzen, ansonsten könnten sie vielleicht über die Dächer klettern oder sich einfach da durch quetschen. Was sagte der Grynder dazu?

Trotz all der geschehenen Dinge und der vergangenen Gespräche schien Aurora guter Dinge zu sein, denn sie scherzte einfach weiter – gleichwohl waren die Scherze etwas makaber, aber so was das Mädchen nun mal – und tat die Situation von vorhin einfach ab. Besser so fand Yuuki, immerhin waren sie professionelle Magier aus Fiores bester Gilde, und sie hatten einen Ruf, der besagte, dass sie eben rational und nicht etwa emotional handelten. Irgendein Magier aus Fairy Tail hätte sich bestimmt zu irgendeiner dummen Aktion oder Handlung hinreißen lassen und wäre womöglich auf die Passanten losgegangen. Tja, so war das nun Mal mit den weniger professionellen Gilden.
Nachdem sie also die Wegbeschreibung von der jungen Frau erhalten hatten, setzten sie ihren Weg wieder fort, wobei die Ilia dieses Mal die Führung übernahm. Ob sie wohl fürchtete, dass er sich erneut verirren würde? Hoffentlich nicht, denn immerhin geschah dies nur selten. Also, was solls, dachte er und verwarf diese Gedanken auch schnell wieder. Sie liefen einige Zeit einfach weiter und folgten der Beschreibung, doch je weiter sie gingen, desto lauter wurde es seltsamerweiße. Den Grund dafür erkannten die beiden jungen Magier recht schnell, sobald sie um die Ecke bogen: Die Hauptstraße wurde komplett von einem Umzug blockiert. Aus seiner Position heraus konnte er die verschiedenen Festwägen sehen, die sich gemächlich voranbewegten und die Passanten mit Konfekt, Musik oder einem Schauspiel erfreuten. Ganz so erfreulich war dies allerdings für sie beide nicht, da ihr Weg zum Rathaus blockiert war, weshalb sich Yuuki an die nächstbeste Person wandte, die er sah, um mal nach dem Rechten zu fragen. "Entschuldigen Sie bitte, was ist denn hier los?" Die angesprochene Person, ein Mann in den Dreißigern, der ein kleines Mädchen auf seinen Schultern trug, drehte sich zu ihm herum und schaute ihn seltsam verwirrt an. "Na, das sind doch die alljährlichen Feste von Argeon Town, bei dem der Siegeszug unseres Generals gegen die niederträchtigen Rebellen gefeiert wird. Das weiß doch jeder hier in Argeon Town." Und damit drehte er sich wieder herum, damit er das Schauspiel weiter betrachten konnte. So viel also dazu. Ob sie absichtlich hierher geschickt wurden, konnte der Grynder spontan nicht sagen. Das Seltsame war, dass sich die Bewohner der Stadt scheinbar nicht mal durch das Verschwinden des Wachmannes aus ihrer Feierlaune zu bringen waren. Komisches Völkchen.
Als Erstes versuchte er es mit grober Kraft und versuchte durch die Reihen der Leute zu brechen, wurde jedoch ganz schnell zurückgedrängt, bedachte man den Fakt, dass die meisten Leute hier erwachsen und um einiges schwerer und stärker waren als er selbst. Deshalb gab er nach kurzer Zeit frustriert auf und wandte sich an Aurora. Gerade als er sie fragen wollte, ob sie nicht doch eine Idee hätte, hatte er eine. "Hey Aurora, was hältst du davon, wenn ich dich mithilfe meiner Kräfte auf das Dach eines nahe gelegenen Hauses befördere und du mich mit einem Seil hochziehst?" Wenn sei einverstanden wäre, dann könnten sie ja sofort loslegen und dieses dumme Hindernis einfach passieren.

Mithilfe seiner Kräfte? Yuuki war ein Magier, der sich die Kräfte des Magnetismus zu Nutze machen konnte, so viel wusste Aurora, ebenso wie sie ihn auch schon in Aktion erlebt hatte. Das waren sicherlich interessante Kräfte, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sie selbst ihm gegenüber realtiv gekniffen war, konnte er doch das, was sie zumeist als Schutz benutzte, einfach von ihr weg ziehen. Wahrscheinlich hatte er deswegen auch vor, sie einfach auf eines der Dächer zu katapultieren: Das Mädchen hatte in voller Kampfmontur nun einmal einen Haufen Metall an sich. So vorteilhaft diese Kräfte auch scheinen mochten, Aurora fand ebenso Schwachstellen: Er war nur dazu in der Lage, andere Gegenstände zu manipulieren, war also auf das Vorhandensein dieser angewiesen, ganz im Gegenteil zu ihr, die ja nicht besonders viel brauchte, um zu kämpfen - und das wenige konnte sie aus einer praktischen Taschendimension beschwören. In der Wüste war Yuuki aufgeschmissen, sie wiederum nicht. Aber zurück zum eigentlichen Thema: Er wollte sie also wegschleudern, ja? Abschätzend blickte sie den Rotschopf an und überlegte, ob er das überhaupt schaffen konnte. Sie war zwar nicht schwer, aber müsste in diesem Falle noch etwas metallisches - eine Rüstung wahrscheinlich - anlegen, damit sein Vorhaben überhaupt die Chance auf Erfolg hätte. Aber mit einer solchen Panzerung war sie schwerer, deutlich schwerer. Wenn sie schätzen müsste, würde sie seine magnetische Kraft mit ihrer körperlichen gleichsetzen, aber selbst sie, die für ein Mädchen ihres Formats eher stärker war, konnte keine siebzig Kilogramm werfen. Und auf eine ähnliche Zahl würde sie wahrscheinlich kommen. Aber vielleicht verschätzte sie sich auch und der Junge hatte mehr drauf, als sie ihm zutraute...
"Und du bist dir hundertprozentig sicher, dass du mich da hoch kriegst? Rüstungen sind nicht gerade leicht. Ansonsten kletter ich nämlich lieber und ziehe dich hoch." Nichts gegen dich, aber das wird nicht gerade leicht... Sie blickte zu der Hauswand neben den beiden Jugendlichen und bemerkte schnell, dass einige Kletterpflanzen ihren Weg nach oben gesucht hatten, die eigentlich recht stabil aussahen. Klettern konnte die Ilia überaus gut, da sie sich locker hochziehen konnte- sie selber wog eben keine Tonnen.

Als Aurora plötzlich ihre Bedenken hinsichtlich seines kleinen Planes äußerste, brachte das den Grynder dazu, seine Planung noch mal komplett infrage zu stellen. Auf einmal war er sich gar nicht mehr so sicher, ob er das Mädchen auch bis zu zehn Meter abstoßen konnte. Es war nämlich selbstverständlich eine Sache, einen fünfzehn Kilogramm schweren Metallblock herumschweben zu lassen, eine ganz andere Sache war, eine fast ausgewachsene Person in voller Montur auf ein Dach schweben zu lassen. War das nicht ein Problem? So was Dummes aber auch, warum zum Teufel war er nicht stärker?
Wie dem auch sei, dass sie ihn hochzog, kam überhaupt nicht infrage. Er war keineswegs ein Macho, der sich nicht von einer Frau helfen lassen wollte, noch war er zu stolz ihre Hilfe anzunehmen. Das Problem war – und es hatte durchaus mit Stolz zu tun – , dass er Lamia Scale Magier war und damit eine Art professionellen Stolz besaß. Und solange er nicht wirklich und ausdrücklich auf die Hilfe andere angewiesen war, würde er sie dankend ablehnen und sich selbst um das Problem kümmern.
Yuuki folgte dem Blick des Mädchens und bemerkte ebenfalls die Kletterpflanzen. Na, siehst du? Du benötigst keine Hilfe von Aurora, das schaffst du ganz alleine. Ja, so sollte das gehen. "Hey Aurora, schau mal die Kletterpflanzen da an der Wand. Wie wärs, wenn wir einfach an denen hochklettern? Dann brauchst du mich auch nicht hochzuziehen." Da dies eine gute Idee war, nahm er einfach mal an, dass ihm Aurora folgen würde, weshalb er sich schon an die Kletterpartie machte, ungeachtet dessen was das Mädchen tat. Das Klettern stellte sich jedoch, als schwieriger heraus als er zunächst angenommen hatte, denn er rutschte alle paar Meter etwas ab und stürzte beinahe zu Boden. Völlig erschöpft und verschwitzt kam er auf dem Dach an, und konnte einen guten Ausblick auf lange, unverhüllte Beine werfen. Moment Mal, das kam ihm doch sehr bekannt vor. Das Gesicht nach oben wandte sich etwas in die Höhe und erblickte wie erwartet das Gesicht der Ilia. Tja, sie hatte halt eben mehr Kraft in den Oberarmen was? Etwas außer Atem stand er auf und stellte sich neben ihr, den Blick auf die Umgebung und den unter ihnen ablaufenden Umzug genießend. "Und wie kommen wir jetzt weiter? Schon nen Plan?"

Ja, da hatte Yuuki recht. Natürlich war auch sie auf die Idee mit den Kletterpflanzen gekommen, schließlich hatte sie sie ja zuerst entdeckt, nicht wahr? Ebenso schien auch er begriffen zu haben, dass das Mädchen vielleicht einen Hauch zu schwer für ihn war. Nicht dass sie sich selbst als schwer bezeichnen würde, das wäre erstens gelogen und zweitens nicht in ihrem Interesse, aber die Rüstung würde das wohl ausgleichen. Sie war also, nachdem Yuuki den Plan verkündete, den sie selbst vor einigen Sekunden geschmiedet hatte, ebenfalls zu den Ranken gegangen und hatte sich daran hochgezogen. Dabei war sie deutlich eleganter vorgegangen als der Rotschopf, was einfach daran lag, dass sie kein Problem damit hatte, sich an ihren Armen hochzuziehen, da sie selbst wirklich nicht viel wog und recht gut im Training stand. Jedenfalls besser als auf der Quest, bei der sie gegen die Wölfe fast schlapp gemacht hätte. Eine fatale Ausdauerschwäche, die sie nun allerdings im Griff haben sollte, zumindest gegen ein paar lausige Wölfe. Was sie jedoch auf dieser Quest erwarten würde, darüber war sich das einäugige Mädchen nicht so ganz im Klaren, schließlich ging es um einen verschwundenen Mann und einen rumorenden Friedhof. Jedenfalls war Aurora recht schnell und unkompliziert oben und blickte auf einen sich abmühenden Rotschopf herab, der sich wahrscheinlich alle Mühe gab, das Hindernis zu bezwingen. Das war nun einmal die Schwäche vieler Magier - ihre Kondition und Kraft, Dinge, die Aurora besaß. Einen Moment überlegte sie noch, ihm zu helfen, aber blieb dann doch untätig und leicht feixend stehen und ließ den Jungen sich abmühen. So war die Welt, niemand half den Schwachen, es sei denn sie halfen sich selbst. Also sollte man darauf hinarbeiten, einer der Starken zu werden, auf diese oder eine andere, abstraktere Art. Als er endlich oben angekommen war, grinste Aurora und blickte ebenso über die Dächer der Stadt. Prima, nun standen sie hier oben... aber was nun? Mmh... sie mussten über eine der Häuserschluchten, richtig? Dann machten sie es doch auf einfache Art und Weise und... sie drehte sich um und schaute prüfend an den Ranken hinunter, nahm kurzerhand eine davon fest zwischen ihre Finger und riss daran, bis sie sich lösten. Dann band sie eine Schlaufe daraus, konzentrierte sich kurz und beschwor ein relativ kurzes Schwert, welches sie in besagte Schlaufe steckte. "Hier.", erklärte sie und drückte Yuuki die Waffe in die Hand, "Levitier das nach drüben und lass es sich irgendwo verhaken, inzwischen mach ich das Teil hier fest, dann können wir uns rüberhangeln." Oder ich hangel mich rüber und zieh dich nach, Streichholzärmchen.