"Ein echter Kavalier, was?" , meinte die Kabane, als Seraphim extra für sie den Stuhl zurückzog. Der Tonfall, in dem sie sprach, war irgendwo zwischen Dankbarkeit und doch ein wenig spöttischem Amüsement anzusiedeln. Obwohl sie wusste, dass ihr Gegenüber an und für sich sehr höflich mit ihr umging, so war sie doch ein wenig über diesen übertriebenen Beweis seines Respekts überrascht. Denn obwohl der Weißschopf immer höflich war, war er trotzdem nie über das nötige Maß hinaus respektvoll ihr gegenüber gewesen - und selbst dieses Maß hatte er nicht immer erreicht. Aber gut, das hatte die Magierin einfach schon akzeptiert, irgendwie hatte er einfach etwas an sich, das ihm erlaubte, sich so zu verhalten. Genau deuten konnte sie es nicht, aber es war eben da. Zumindest solange er es nicht übertrieb gab es also keinen Grund für die junge Dame, um eventuell anfallendem Zorn nachzugeben. Das hätte nicht nur den Abend ruiniert, sondern auch ihren Versuch, "Freundschaft" zu schließen. Außerdem versuchte sie ja insgesamt sich etwas mehr unter Kontrolle zu behalten. Wer wusste denn besser als die Zauberin selbst, was in ihr schlummerte? Sie war gefährlich. Nicht insgesamt und immer, aber in diesem kurzen Augenblicken immer wieder. Jeder dieser Ausbrüche war eine Gefahr. Nicht nur für ihre Umwelt, sondern auch für sie selbst. Bisher hatte sie zum Glück noch niemanden verletzt, der es nicht verdient gehabt hatte. Aber wie lange würde das noch dauern? Es machte ihr Angst. Der Gedanke macht ihr Angst, just in dem Moment, in dem er durch ihren Kopf schoss. Ließ Yureiko es sich anmerken? Ja. Wenn auch nur für einen winzigen Augenblick, so versetzte sie diese Idee doch ganz offensichtlich in Panik - die Augen schreckensweit, vor Furcht schlotternd und mit aschfahlem Gesicht saß sie da. Die Bilder in ihrem Kopf verdeutlichten sich für diese Sekunde: Verletzte Menschen, zerstörte Räume und schlussendlich sie selbst, im Wahn durch nichts mehr zu beschwichtigen, als den eigenen Tod. Ja, es machte ihr furchtbare Angst, genau in der Sekunde, in der sie sich gerade erst gesetzt hatte. Dann war es wieder vorbei. Die Bilder waren verdrängt, niedergekämpft von dem schier unendlichem Willen, sich nicht noch mehr in sich selbst zu verlieren. Alles war wieder so, wie es sein sollte. Nichts blieb übrig von dem Schrecken, den die Magierin Wimpernschläge zuvor noch durchlebt hatte, kein Zittern, keine Farblosigkeit, kein Blick.
An die Frage, ob Seraphim ihren Kampf bemerkt hatte, verschwendete sie keine Gedanken mehr. Einerseits würde sie es so oder so kaum erkennen können, andererseits bestand doch die Gefahr, dass sie ihren labilen Zustand damit nur noch prolongierte. Das war ganz eindeutig das Letzte, das die junge Frau nun brauchen konnte. Inzwischen hatte sich nämlich auch ihr Begleiter hingesetzt und zuvor noch seine Jacke über die Stuhllehne gehängt, nur um nun das Gespräch von vorhin wieder aufzugreifen. Wie sollte sie darauf antworten? Sicher, sie sollte nicht zu viel von sich preisgeben. Andererseits wollte die Formwandlerin auch nicht allzu verschlossen wirken. Geheimnisvoll schon, das konnte interessant machen, aber verschlossene Personen waren selten beliebt und fanden nicht leicht Freunde und Verbündete. Sie würde wohl einen Mittelweg gehen: "Was denkst du denn, womit ich meine sonstige Zeit verbringe, Seraphim-san?" Das war nach Meinung der Kabane ein ganz geschickter Griff. Sie würde gleichzeitig erfahren, wie er sie bisher einschätzte und damit auf indirekte Art auch ein wenig Kritik über ihr Auftreten erfahren, als auch nichts konkretes sagen und dabei die Möglichkeit auf mehr Informationen offen lassen. Geradezu genial, mochte man meinen, zumindest wenn man Kabane Yureiko hieß. Ansonsten hatte der Plan wahrscheinlich Schwächen, zum Beispiel nur mal den Fall genommen, wenn der Drachenzögling kaum antwortete und ihr damit genauso viel sagte, wie sie ihm. Aber auch daran wurden keine Gedanken verschwendet - dafür war ihr eigenes Genie einfach zu groß.

Seraphim war kein Kavalier, er war einfach immer das, was er glaubte, sein zu müssen, damit die Damenwelt auf ihn hereinfiel. Manche Frauen wurden nicht von Höflichkeit und Stil angezogen, sondern von Grobheit und Rücksichtslosigkeit, wieder andere standen auf schüchterne Typen: Es war das große Talent des Dragonslayers, all das werden zu können, in Sekunden von der einen Rolle in die andere schlüpfen zu können, wie ein besonders begabter Schauspieler. Wie schon einer seiner Gildengenossen festgestellt hatte, er hätte auch eine schauspielerische Karriere in Betracht ziehen können, nur wäre das sicherlich die Verschwendung einer so starken und seltenen Magie gewesen. Kabane Yureiko konnte man allerdings sicherlich eher nicht als Draufgänger imponieren, sondern eher als jemand, den man als angenehme, wenn auch nicht langweilige Gesellschaft bezeichnen konnte. Es war ihm auch sehr viel lieber, denn diese Rolle fiel ihm um vieles leichter als seine Intelligenz verbergen zu müssen. Immerhin kam er sowieso mit kultivierteren Menschen besser aus als mit Bauerntrampeln, das passte doch recht gut zusammen. Deswegen hatte er ihr wohl auch den Stuhl zurückgezogen, allerdings mit einem Lächeln, dem man ansehen konnte, dass der Schalk nicht vollkommen fern war. Ein schelmisches Funkeln in seinen violetten Augen, ein Schmunzeln, kurzes Hochziehen der Mundwinkel und ein dennoch konnte man nicht behaupten, er sei nicht höflich. Er war eben etwas eigen, das war wohl vor allem das, was alle seine Darbietungen wie ein roter Faden durchzog. Ob er nun einen Kleinkriminellen oder einen Künstler mimte, ganz in den Durchschnitt passte er nicht; es war immer etwas an ihm, was ihn von anderen erhob und sei es sei Lächeln. Die junge Blondine bekam ein kehliges Kichern als Antwort, ehe er sich hinsetzte, es war eindeutig gewesen, dass sie das selbst nicht so ganz ernst gemeint hatte, also würde sie damit schon zurecht kommen. Dadurch, dass er den Tisch allerdings auch erst einmal umrunden musste, bevor er ihr wieder in die gelblichen Augen blicken konnte, bekam er nicht mit, wie sie plötzlich vollkommen versteift da saß; was auch nicht viel änderte, denn er hätte sie sowieso nicht darauf angesprochen. Allerdings hätte es ihm zu denken gegeben, denn wenn die Frau gänzlich gestört war, dann sollte er sich vielleicht wirklich überlegen, ob er seinen Plan durchziehen wollte. Da er es aber nicht sah, war seine Intention klar und einfach wie immer. Stattdessen hatte er etwas anderes, auf das er sich konzentrieren musste: Sie antwortete mit einer Gegenfrage, eine Taktik, die er selbst sehr gerne anwandte. Einmal konnte man das bringen, beim zweiten Mal kam es komisch, denn niemand wollte sich auf längere Zeit mit jemandem unterhalten, der nicht auf Fragen antwortete. Zum Inhalt der Frage selbst... gefährlich. Er könnte es sich bestimmt mit ihr verscherzen, wenn er nun leichtfertig darauf antwortete, denn er wollte nicht zu offensichtlich lügen und um ihre Gunst buhlen, indem er nun irgendetwas entweder typisch weibliches oder normales anbrachte; ebenso wenig wollte er sie auch nicht als absoluten Freak darstellen, der sie vielleicht gar nicht war. Was traute er ihr eigentlich so als Hobbys zu? Nun gut, sie spielte Orgel. Also wohnte sie in einem großen, prächtigen Haus, einer Villa, irgendwo vor Hosenka Town. Und sie schien einen eigenartigen Geschmack zu haben, was Getränke anging, denn nach dem Geruch zu schließen, hatte es sich um eine wilde Zusammensetzung aus allen möglichen und unmöglichen Pflanzen gehandelt. Schlummerte vielleicht ein Öko in ihr? Hm... einen besonders aufregenden Kleidungsstil hatte sie wahrhaft nicht, also würde sie sicherlich kein Hobby in diese Richtung haben... der Blick seiner violetten Augen wischte einmal über das, was er von ihr sehen konnte, blieb kurz an ihren Händen hängen, deren Nägel schwarz lackiert waren. Ob diese Hände überhaupt irgendwann mal irgendwelche körperliche Arbeit verrichtet hatten? Schwer zu sagen, denn sicherlich hätte sie sich vorm Weggehen mögliche Risse zugekleistert. Schließlich seufzte er "Ich darf doch...?" und langte über den Tisch nach ihrer Hand, um sie mit größtmöglicher Sanftheit auf Augenhöhe zu heben, umzudrehen und in ihre Handfläche zu blicken. Er hatte zwar keineswegs vor, nun zum Hellseher zu werden, aber die Hände eines Menschen waren seine natürlichen Visitenkarten. Immer noch leicht ratlos blickte er auf ihre Fingerspitzen, den Übergang zwischen Fingern und Handfläche. Sie waren nicht gerade so fragil, wie viele andere Frauenhände, aber auch nicht abgearbeitet. Kompliziert. Er seufzte erneut und legte den Kopf ein wenig schief. "Du machst es mir wirklich schwer, Kabane-san, ich kann tatsächlich nur raten. Du... hast einen gewissen Draht zur Natur oder besser gesagt zu Kulturpflanzen, nicht wahr?" Das war voll ins Blaue geschossen, da er sich an dem einzigen festgeklammert hatte, das er sicher wusste - und von dem sie nicht wusste, dass er es wusste: Der ungefähren Zusammensetzung ihres Getränks. Einen vorzüglichen Geruchssinn zu haben, hatte so seine Vorteile. Ihre Hand hatte er zwar sanft, aber dennoch einigermaßen fest im Griff, sodass sie sie, wenn sie sie nicht dort lassen wollte, wohl mit mehr Kraft, als er aufbringen konnte, herausziehen müsste.

Nie hätte Yureiko erwartet, dass er so recht haben würde. Nie hätte sie erwartet, auch nur annähernd Wirkung zu erzielen, die irgendjemanden in diese Richtung führte. Und am allerwenigsten hatte sie erwartet, dass die Tatsache, dass es zumindest einen Menschen gab, der darauf gekommen war, sie so sehr erzürnen würde. Klar, es war nur ein Blindschuss gewesen, ohne nennenswert zu zielen, aber erraten hatte Seraphim es trotzdem - direkt beim ersten Versuch. Die Blondine war sich absolut sicher, dass sie sich nicht allzu offensichtlich verraten hatte, irgendetwas an ihr musste ihm einen Anstoß gegeben haben, in dieser Richtung zu suchen. Aber was war es? Ihr Äußeres war es nicht, denn sie sah weder wie eine Bäuerin noch wie eine Gärtnerin aus. Die Lebensumstände konnten es auch nur wenig gewesen sein, denn davon wusste er nicht genug, um darauf zu schließen. Was zum Teufel war es dann gewesen? Ihr Getränk? Möglich, aber unwahrscheinlich, immerhin hatte nicht mal sie selbst gewusst, was darin enthalten war. Ja, das alles zusammen machte sie tatsächlich sauer wie eine (goldgelbblonde) Zitrone. Seine Situation hatte der Dragonslayer auch dadurch nicht verbessert, dass er einfach die Hand der Magierin genommen hatte. "Anfassen verboten", "Bitte nicht füttern" und "Vorsicht, bissiger Hund" waren allesamt Warnhinweise, die man bei der Kabene immer beachten sollte - und zwei davon waren gerade missachtet worden, einer nur allzu offensichtlich, der andere eher indirekt. Alles zusammen sorgte nun dafür, dass sich, nur ganz, ganz langsam und auch nur ganz, ganz wenig, die rechte Augenbraue der Zauberin hob. Zu seinem Pech würde der Drachenzögling das Zeichen wohl kaum rechtzeitig deuten können, denn im gleichen Moment drehte die Wandlerin auch ihre Hand herum, so dass sie direkt in seiner lag, und fasste zu. Von außen mochte es anfangs noch so wirken, als würden die beiden Magier Händchen halten, für Seraphim sollte es sich schon nach weit mehr anfühlen. Da die kräftige junge Frau nämlich zudrückte, auch ihr bestes gab, ihren "Kollegen" die Hand nicht einfach wieder wegziehen zu lassen, und dabei den Druck langsam erhöhte, wäre der Vergleich mit einer Schraubstock wohl nur allzu passend. "Du bist ein wirklich kluger Junge, Seraphim-san", säuselte die Dame mit einem Unterton, der der Ruhe vor einem drohenden Sturm gleichkam, nur noch ein wenig gefährlicher und unterschwelliger, "Aber fasse mich nie wieder an, ohne davor um Erlaubnis gefragt zu haben, ja?" Dabei lächelte sie so zuckersüß und freundlich, dass es für jeden umstehenden wohl tatsächlich den Eindruck erweckte, den der Drachenjunge erwecken wollte - auch oder gerade weil Yureiko davon nichts wusste. "Wolltest du nicht meine Magie kennen lernen, Seraphim-san?" , fragte sie, während sie die Hand des unverschämt glücklichen Drachenbalgs weiter fest im Griff hielt.

Das unsterbliche Lächeln auf seinen Lippen verkrampfte sich ein wenig, als sich seine Kiefer fester aufeinander drückten, die Muskulatur seines Armes und seiner Schulter sich automatisch anspannte. Aber dennoch verzog er ansonsten nicht die Miene, als Kabane seine Hand umschlang, als würde er sich viel mehr für das Gelb ihrer Augen interessieren, denn für die Tatsache, dass sie gerade dabei war, die Anatomie seiner Hand zu revolutionieren. Scheinbar war sie für radikale Veränderungen, was seine Blutzufuhr und sein Skelett anging, da sie den Druck um seine Hand so stetig steigerte, dass er immer mehr das Gefühl bekam, sie wolle testen, wie schnell sie schwarz wurde und abstarb. Zudem breitete sich ein zunächst dumpfer und dann immer stechender werdender Schmerz in seiner Hand aus, der schnell seinen ebenso verkrampften Arm hoch wanderte und ihn mit aller Macht dazu treiben wollte, ihm Luft zu machen, zum Beispiel, indem er laut aufschrie oder gar in Tränen ausbrach. Die Wahrscheinlichkeit, dass Yureiko ähnliches erwirken wollte, war hoch, aber leider konnte sie ja nicht wissen, dass Cyrus - egal, wie ungezügelt und ungehemmt seine Lieblingsbeschäftigung doch war - ein sehr kontrollierter Mensch war. Auch wenn es weh tat, wenn jemand mit ihrer Kraft seine Hand im Griff hatte, wenn sein Körper nach Erlösung schrie, er würde ihm nicht den Vortritt lassen und sich damit blamieren, sondern im Gegenteil nur zeigen, dass ihn so eine lächerliche Bemühung nur peripher tangierte. Kabane hatte ja auch nicht wissen können, dass Cyrus selbst dann nicht weinte, wenn ein haushoher Drache ihm Knochen um Knochen brach, nicht wahr? Da wurde er schneller bewusstlos, als dass er heulte. Er konnte schreien, winseln, stöhnen... aber zum Weinen hatte ihn noch niemand durch bloße körperliche Gewalt gebracht. Wenn man eine Sekunde vielleicht die Anspannung etwas deutlicher auf seinem Gesicht gesehen hatte, entspannte er sich mit einem Mal wieder, zog die Mundwinkel katzenhaft in die Höhe und erwiderte Kabanes künstliches Lächeln ebenso zuckersüß, während es in ihm vor Schmerzen schrie. "Man könnte beinahe meinen, du habest weder mit einem Volltreffer gerechnet, noch wärst du besonders davon angetan, Kabane-sa-aan~", säuselte er in bemüht spielerischer Tonlage, auch wenn man gen Ende wohl ein leichtes Zittern darin bemerken konnte. Offenbar konnte sie es nicht leiden, wenn man seltsamerweise Dinge wusste, die sie nicht nachvollziehen konnte, vielleicht war ihr das zu unsicher? Fühlte sie sich schlecht, wenn sie durchschaubar war? "Ich schließe ebenso, dass du eher dem Nahkampf frönst...", meinte er weiterhin, dieses mal mit einem Hauch Erklärung in seinem Ton, während er unter dem Tisch sein rechtes Bein anspannte, um sich von dem stärker werdenden Druck abzulenken, seine linke Hand blieb jedoch weitestgehend ruhig, "...und recht dominant im Umgang mit Anderen bist, dich selbst, deine Motive und Hintergründe aber lieber im Dunkeln belässt." Er schloss kurz die Augen, atmete langsam aus und öffnete sie wieder, neigte aber danach lächelnd, als würde seine Hand gerade nicht sterben, den Kopf. "Natürlich interessiert mich deine Magie nach wie vor, Kabane-san." Dieses Mal war seine Stimme förmlicher, nüchterner und beinahe ein wenig reserviert. Er war ihr wohl zu nah gekommen und nun meinte sie, es ihm körperlich heimzahlen zu müssen. Nein, es deprimierte ihn nicht, dass sie scheinbar deutlich stärker als er war, er war ja auch ein Fernkämpfer, der einzige Grund, warum er nicht wie der totale Waschlappen herumlaufen wollte, war, dass es nicht besonders attraktiv wäre. Sein Mundwinkel zuckte leicht. Würde sie nun bitte mal zu Potte kommen, ehe sie ihm wirklich noch die Knochen brach? Die würde er nämlich nicht heilen können - wobei sie von seinen Fähigkeiten ja nun auch wenig wusste und zur Debatte stand, ob sie jemandem, den sie gerade kennen gelernt hatte, aus so banalen Gründen etwas brechen würde.

Ob sie wohl langsam loslassen sollte? Eigentlich gab es noch genügend Gründe, die Hand des weißhaarigen Magiers wie einen dürren Ast einfach zerbrechen zu lassen. Er war noch immer respektlos, vielleicht sogar noch mehr als vorher. Außerdem hatte er schon wieder Recht. Manche Dinge davon störten sie gar nicht, wie zum Beispiel ihre Affinität zum Nahkampf oder die Tatsache, dass sie ganz gerne das Sagen hatte. Die waren ja auch offensichtlich. Unangenehmer waren der Kabane dafür die Passagen über ihre Reaktion und ihre Persönlichkeit. Er war wirklich klug, vielleicht sogar zu klug. Allerdings waren Menschen, die ihren Kopf nur hatten, weil sie ohne ihn einfach unförmig wären, keine, auf deren Gesellschaft sie wirklich Wert gelegt hätte. Im Gegenteil, von solchen Individuen suchte sie so viel Abstand, wie nur möglich. Außer natürlich, es bestand die Chance, dass jene Person sich durch seine Dummheit selbst das Leben nahm und damit ein hervorragendes Versuchsobjekt abgeben würde. Dann wäre Yureiko natürlich zur Stelle gewesen, ganz klar. Hier verhielt es sich aber anders. Seraphim wäre auch ein gutes Versuchsobjekt, keine Frage, aber bei ihm rechnete sie nicht, dass ihn Unbesonnenheit das Leben kosten würde. Nein, es war etwas anderes. Einerseits eine soziale Studie mit Selbstversuch, andererseits das brennende Verlangen nach mehr Wissen über den Drachenzögling, seine Magie und ihren eventuellen Nutzen für sie. Er würde es nicht verraten, niemals. Keine Gewalt würde ihn dazu bringen, genauso wie kein Schmerz ihn dazu gebracht hatte, wirklich zu reagieren. Es war zwar ein schönes Gefühl, ihn so in der Mangel zu haben, aber im Endeffekt würde es rein gar nichts bringen. Trotzdem war da dieser Wunsch, ihm noch etwas mehr weh zu tun. Sie könnte ja noch fester zudrücken oder einfach das Handgelenk ganz langsam herum drehen, bis sie das wundervolle Knacken seiner Knochen hören würde. Dennoch verabschiedete sich die Magierin von diesen Vorstellungen. So würde sie nicht weiterkommen - und man musste sich nicht dringend mit einem Drachensprössling oder gar dessen Erzieher anlegen. Das hätte vielleicht wirklich gefährlich werden können - auch wenn sie anderen Leuten, die sie noch viel weniger kannte, für viel weniger schwere "Vergehen" viel schlimmere Dinge angetan hatte. Irgendwann mal. Unter Umständen.
Aber wie sollte die Magiekriegerin sonst auf seine weiteren Anmaßungen reagieren? Im Ignorieren war sie nicht besonders begabt, auch wenn sie es immer öfter schaffte. Sie musste wohl darauf eingehen, aber ohne ihm dabei noch weiter weh zu tun. Also entließ sie die Hand des Reptiliensohns langsam aus dem schraubstockgleichen Druck ihrer eigenen und zog sie zurück. Den Oberkörper leicht nach vorne geneigt stützte sie sich auf die Unterarme und kehrte wieder zu ihrem anfänglichen Gesichtsausdrucks zurück. Was sollte sie nun sagen? Für Yureiko gab es hier tatsächlich nur eine Alternative, die sinnvoll klang: Ein kleines Stückchen Wahrheit. "Du hast wohl Recht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Sehe ich denn so aus?" , warf die Hobbygärtnerin ein. Eigentlich eine Gemeinheit, eine Fangfrage, wenn so wollte. Würde ihr Gegenüber ja sagen, hieße das, er würde sie mit einer Bediensteten vergleichen. Wenn die Antwort aber nein wäre, könnte man es ihm so auslegen, als würde er ihr nicht zutrauen, sich auch mal schmutzig zu machen. Egal wie er antwortete, er würde sich erklären müssen - am besten ohne danach gefragt zu werden. "Wie auch immer", fuhr die Blondine fort, "gut, dass wir das geklärt haben, nicht? Ich frage mich nur, ob ich das hier wirklich vorzeigen sollte, ich möchte ja wirklich niemandem Angst machen. Und es einfach auszusprechen wäre doch ziemlich langweilig, findest du nicht?" Eigentlich mochte die Kabane es, anderen Angst zu machen, aber das hier einfach so auszusprechen, wäre vielleicht nicht vernünftig gewesen. Außerdem war es eine schöne Anspielung auf das, was sie gerade mit ihm versucht hatte - auch wenn es wohl gescheitert war.

Augenblicklich entspannte sich sein vor allem unter dem Tisch bereits deutlich verkrampfter Körper, als der Druck um seine Hand langsam nachließ. Puh... egal wie kühl und gelassen er nach außen auf Schmerz reagieren konnte, es war ja wahrhaftig nicht so, als sei er in irgendeiner Weise resistenter als ein normaler Mensch. Gerade er versuchte Schmerz eigentlich aus dem Weg zu gehen, ihm auszuweichen, da er wusste, dass er für ihn selbst schlecht war. Und was dieses Prädikat trug, wurde im Allgemeinen irgendwie umgangen oder vernichtet, je nachdem, was sich gerade anbot. Er war auch nicht tapfer, er war bloß stolz und das zu sehr, als dass er zeigen würde, dass sie ihm tatsächlich weh getan hatte. Dennoch merkte man an einem langsamen, beinahe genussvollem Ausatmen, dass er durchaus genoss, wie seine Hand langsam wieder benutzbar wurde, selbst wenn das Blut beinahe schmerzhaft wieder durch seine Adern zu pulsieren begann. Dennoch widerstand er dem Drang, seine Hand schnell in Sicherheit zu bringen, sondern stützte den Ellbogen erst auf, als Kabane ihre eigene Hand zurückzog - man wollte ja das Schauspiel zum Schluss nicht noch versemmeln. Allerdings umschloss seine linke Hand sofort die Rechte, während er vordergründig das Kinn auf die gefalteten Hände stützte, um Kabane unnötig tief in die Augen zu blicken. Sie hatte das Spielchen doch begonnen, indem sie ihre Hand so in die seine gelegt hatte, oder? Nun ja, sie hatte ihm weh tun wollen, aber war sich doch bestimmt bewusst gewesen, wie das wirken würde, oder? Immerhin dachte sicherlich auch sie an etwas ganz bestimmtes, wenn sie eine Frau und einen Mann an einem Cafétisch sitzen sah, die rein zufällig Händchen hielten, nicht wahr? Das war vollkommen natürlich... Hätte sie in seine linke Handfläche blicken können, dann hätte sie sich sicherlich gewundert, dass diese leicht grünlich leuchtete, als habe man fluoreszierende Farbe darauf gesprüht. Tatsächlich war er gerade dabei, die unangenehm pochende Quetschung seiner Hand zu kurieren, noch während er sie anlächelte. Diese Frau war stark... vielleicht sogar ein wenig zu stark für seinen Geschmack. Man musste immerhin bedenken, dass er kein Schachspiel mit ihr anstrebte, sondern eher an etwas ein wenig körperlicheres gedacht hatte... und dabei ungerne mit gebrochenen Knochen oder anderen Dingen enden wollte, die er nicht beheben konnte. Hey, nichts gegen Kratzer oder ähnliches, aber Kabane schien dazu in der Lage, ihm mit einem gut gezielten Schlag das Genick zu brechen, was sicherlich nicht halb so interessant wie das andere war. Egal. Er hatte es begonnen, nun würde er es auch beenden, eine Niederlage war ausgeschlossen! Ob sie so aussehe, als würde sie sich im Garten wälzen? "Nein." Er pausierte, ehe sein Lächeln zu einem schelmischen Grinsen wurde, während er die heilende Hand etwas weiter bewegte, so tat, als wolle er durch leichtes Reiben die Durchblutung wieder anregen, "Aber was du vorhin getrunken hast, ging doch ziemlich in die Richtung, nicht wahr?" Mit leicht gelangweiltem Blick entließ er die inzwischen nicht mehr schmerzende Hand aus seinem Griff und malte mit dem Zeigefinger kleine Kreise auf das Holz der Tischplatte. "Tomate, Orange, Mango, Papaya... und wenn ich mich nicht irre, dann auch noch Traubensaft und Apfel oder Birne, du hast einen interessanten Geschmack, Kabane-san~", meinte er, als sei es das normalste der Welt, die Zusammensetzung des Getränks zu kennen, welches die Dame getrunken hatte. Ehrlich gesagt konnte er sich nicht recht vorstellen, dass diese Mixtur auch nur annähernd gut schmecken könnte, aber das konnte er ihr schwerlich unter die Nase reiben. Bei ihren nächsten Worten lehnte er sich ein wenig zurück und kicherte mit sanftem Spott in der Stimme, ehe er sich wieder vorneigte und das Kinn in seine Hand bettete. "Wem willst du etwas vorlügen, Kabane-san? Mir, nachdem du gerade beinahe meine Hand gebrochen hättest? Ich glaube kaum, dass du es nicht verkraften könntest, die anderen Gäste zu verschrecken~" Er neigte den Kopf noch ein wenig mehr und räusperte sich leise, ehe er gedehnt fortfuhr: "Wenn ich mich allerdings irren sollte und es dir etwas ausmacht, dann könnten wir uns auch ein nicht ganz so belebtes Plätzchen suchen..." Aber sie sollte wissen, wie das wirken würde, vor allem auf den Wirt, der ähnliches von ihm gewohnt war. "Nun hast du mich richtig neugierig gemacht, Kabane-san~ Also lass mich nicht in der Luft hängen."

Wie oft hatte die blonde Alchemistin nun schon über den Mangel an Respekt nachgedacht, den ihr Gesprächspartner sich anmaßte zu besitzen? Sicherlich mehr als ein Mal und damit auch öfter, als sie es für gewöhnlich tat. Es war schon verwunderlich, wie lange Seraphim damit unbeschadet durchgekommen war und an ein tatsächliches Wunder grenzte die Tatsache, dass die Kabane ihn wieder gehen hatte lassen, nachdem sie ihn doch so gut im Griff gehabt hatte. Dennoch hatte er scheinbar nichts gelernt und seine Art kein Bisschen geändert. Eigentlich hätte man damit rechnen müssen - hatte sie ja eigentlich auch. Eigentlich war aber leider auch eines der Wörter, das darauf hinwies, dass etwas eben auch nur eigentlich so war und es in Wirklichkeit zumindest teilweise doch ganz anders war. Ja, eigentlich war das so. Gerade in diesem Fall war eigentlich auch von anderem Standpunkt her ein gutes Wort, denn Yureiko begann langsam aber sicher an sich zu zweifeln. Hätte sie die Hand brechen sollen? Vielleicht sogar den Arm oder gar das Handgelenk - oder noch schlimmeres? Möglicherweise wäre es aber auch von Anfang an am Klügsten gewesen, seine kleinen Frechheiten einfach zu ignorieren, manche Leute sprachen ja sogar davon, dass das dann wahre Größe wäre. Zum Verzweifeln - eigentlich. Denn eigentlich war der Zweifel nur eine Vorstufe von dem, was dann folgen würde, wie die Ruhe vor dem Sturm. Gegensätzlich ihr Blick: Gar nicht mehr ruhig, durch irgendetwas eindeutig aus dem Konzept gebracht, ein wenig so, als würde Yureiko nachdenken, ob sie das Bügeleisen vielleicht doch angelassen hatte. So hatte sich ihre Mimik schlagartig verändert, doch der Wandel, der nun folgen sollte, ging nicht so schnell und anfangs weniger leicht bemerkbar vor sich.
Die Unsicherheit sollte nämlich nur die Tore zu etwas tieferliegendem öffnen, etwas, vor dem die Blondine sich mittlerweile fast so sehr fürchtete, wie vor ihrem eigenen Tod - eigentlich. Denn nun war sie weg, die Angst vor dem, was in ihr schlummerte, vor ihrem zweiten ich, dass immer dann darauf brannte, hervorzukommen, wenn seiner bedachteren Hälfte das Ruder zu entgleiten drohte. Aber es war keine Hilfe, im Gegenteil, es entriss ihr Ruder und Kontrolle endgültig. Was es war? Das Tier im Menschen, der Hass auf alles und jeden, die selbstzerstörerische Kraft im Inneren: Der Wahnsinn! Genau der entkam langsam seinem Gefängnis. Es dauerte, bis er wirklich sichtbar wurde, erst beeinflusste er nur die Augen, die wieder das verlangende Flackern annahmen, dass der Drachensohn schon kennen gelernt hatte. Erst im weiteren Gesprächsverlauf folgten die Gesichtszüge, aus dem für kurze Zeit noch verunsicherten Gesicht formte sich eine breit grinsende Maske. Ja, er hatte Recht, so verdammt Recht! Es war ihr gerade scheißegal, wer sich vor ihr fürchtete. Im Gegenteil, am liebsten hätte sie das ganze Etablissement einfach kurz und klein geschlagen, samt aller Gäste. Aber so weit war sie zu ihrem eigenen Glück noch nicht, da fehlte noch etwas, eine kleine Sprosse auf dem Weg in den endgültigen Selbstverlust. Sollte dieser nun folgen? "Oh, eigentlich," , eigentlich, da war es schon wieder, "eigentlich hast du Recht, Seraphim-san. Im Gegenteil. Es würde mir unheimlichen Spaß machen. Gib mir nochmal deine Hand, damit ich dir angemessen zeigen kann, welche wundervollen Fähigkeiten ich mir angeeignet habe..." Die Kabane hatte noch gar nicht fertig gesprochen, als sie schon nach der Hand des Dragonslayers gefasst hatte. Nicht brutal aber doch bestimmte würde sie gehalten werden, mehr wie Handschellen als wie der Schraubstockgriff zuvor. Ein kurzes, hohes Kichern entwich den Lippen der Formwandlerin, ehe ihr Zauber zu wirken begann. Doch wider erwarten waren es nicht ihre Hände, die die Wandlung vollzogen, sondern ihre Eckzähne. Diese wuchsen in die Länge, bis sie groß genug waren, um unangenehme Wunden zu schlagen. Während des Zaubers führte sie die gefangene Hand langsam an ihren Mund, nur um Augenblicke später eben jenen zu öffnen und ihre neugewonnen Reißzähne im Rücken der ihr so bereitwillig dargebotenen Hand zu versenken.

"Ich habe verstanden.", die Worte kamen immer noch erstaunlich ruhig dafür über die schmalen Lippen des Magiers, auch wenn sie gepresst waren und der Körper des Weißhaarigen nur noch verkrümmt auf dem Stuhl saß, verspannt und mit leicht zuckenden Fingern, die sich so nah am Gesicht der Blondine befanden, wie sie wohl selten wieder sein würden. Sein Kopf war so weit nach vorne geneigt, dass die wuscheligen Haare seine weit aufgerissenen Augen überschatteten und sie gnädigerweise vor der Dame abschirmte, die ihn soeben tatsächlich gebissen hatte. Ganz allgemein wäre es falsch zu behaupten, er wäre noch nie gebissen worden, schließlich hatte er eine recht unzivilisierte Vergangenheit hinter sich und lebte recht bewegt, sodass er nicht nur von Tieren gewohnt war, dass sie ihre Zähne einsetzten, sondern manchmal auch von Menschen, aber das dann in gänzlich anderen Situationen mit einem anderen Gedanken im Kopf. Nur war das weder ein Liebesbiss, noch war die junge Frau seines Erachtens geistig auf einem Level, das mt Hunden vergleichbar war, sodass er das hier nie erwartet hätte. So befremdlich er ihr Verhalten also fand, er konnte es dieses Mal nicht halb so gut ignorieren wie zuvor noch das Zerquetschen eben der Hand, die nun unwillkürlich zitternd ihrem Griff schlackerte und sich dagegen sträubte, dass sich die mittels Magie verlängerten Zähne der Frau in ihren Rücken bohrten. Es tat einfach zu sehr weh und egal wie kontrolliert er war und wie ungerne er zugab, dass er Schmerzen hatte - irgendwo war Schluss. Eigentlich hätte er nun mit aller Kraft versucht, seine Hand aus ihrem Mund zu reißen und sie postwendend anzugreifen, aber er hatte Sorge, dass sie einfach nur noch fester zubeißen und seine Hand ernsthaft verletzen könnte. Er konnte noch keine Knochen reparieren, wenn sie seine Handwurzelknochen zersplitterte, dann war er unter Umständen für Wochen verkrüppelt, bis er seine Mutter aufsuchen konnte, um sie zu bequatschen, das für ihn zu richten. Das musste nicht sein, zudem Menschenspeichel ungewöhnlich infektiös war. Zumindest im Allgemeinen, denn da Menschen als Allesfresser galten, hatten sie eine nicht zu verachtende Mundfauna und wenn sich das auch noch entzünden würde, dann... nicht gut. Vor allem zitterte seine dumme Hand so sehr, dass sie es nur noch zusätzlich schmerzte, er hätte sich dafür schlagen mögen, aber seine eine Hand war ja bereits von Kabane sehr lieblos in Anspruch genommen, während die sauber geschnittenen Fingernägel der anderen sich in das Fleisch seiner Handfläche gruben. Er atmete so kontrolliert wie möglich durch, ehe sich seine Augen kurz schlossen und sich dann erneut öffnete, dieses Mal jedoch in normaler Größe, ehe er zu Kabane hinüber blickte, in den Augen eine Mischung aus Kälte, Zorn, Schmerz... aber auch Resignation und Einsicht. Je mehr Zeit verstrich, desto mehr schien es zu letzterem zu tendieren, bis er die Augen niederschlug und seinen verkrampften Körper mit aller Gewalt entspannte, sich räusperte und das Lächeln, welches die ganze Zeit auf den Lippen als verspanntes Hochziehen der Mundwinkel erhalten geblieben war, erneuerte. "Bitte lass meine Hand los.", meinte er in neutralem Ton, während durch seine Gedanken ein *Und zwar pronto, dumme Schlampe~* wehte, ohne dass man ihm diese Gedanken hätte ansehen können. Alles klar, er durfte sie scheinbar nicht kritisieren... das würde er sich in jedem Falle merken.

War Kabane Yureiko eine Sadistin? Unter normalen Umständen nicht. Nein, sie ergötzte sich nicht am körperlichen Schmerz anderer, das war einfach nicht wahr. Die Folgen mochten der Magierin vielleicht gefallen, wie etwa Unterwürfigkeit und Demütigung, das Kränken eines übergroßen Egos. Aber der Schmerz selbst war ihr normalerweise egal. Normalerweise. Denn nun war sie nicht normal. Sie war eine Gefangene in sich selbst, in ihrem eigenen Körper, zur Seite getreten, um ihrem inneren Wahn Platz zu machen. Genau dieser innere Wahn war es auch, der sich nun eben doch an den Qualen anderer weidete, auch gerade in diesem Moment. Er war ein Spielkind, wenn man es so sagen wollte, ein geborener Kämpfer, gnadenlos - leider fehlte ihm der so wichtige Killerinstikt, um einen Gegner schnell auszuschalten. Das war aber nun nebensächlich. Zu diesem speziellen Zeitpunkt war das nützlicher, immerhin wäre es ziemlich ungünstig, wenn sie dem weißhaarigen Kerl einfach die Hand abbeißen würde. Anstatt dessen hatte die Blondine ihren Spaß daran, das Zittern seiner Hand zu fühlen und ihm zuzusehen, wie er sich in Schmerzen wandte - bildlich gesprochen. Denn im Grunde genommen saß er nur ruhig da, von außen würde keiner auf die Idee kommen, welche Schmerzen er gerade erdulden musste. Das mit anzusehen war wirklich noch viel schöner als die Pein alleine es gewesen sein könnte. Nein, da kamen noch andere Sachen dazu, wie zum Beispiel das gekränkte Ego, dessen die Kabane sich sicher war. Nicht nur das, sie war sich auch noch sicher quasi riechen zu können, wie unangenehm ihm das Ganze war. Nicht peinlich, dafür wussten die anderen Gäste zu wenig, aber immerhin für seinen eigenen Stolz ein herber Schlag. Aber noch würde das Spiel nicht enden. Noch keine Erlösung! Ob sie ihn vielleicht noch dazu bekommen würde, vor Angst zu zittern? Einen Versuch war es allemal wert. Außerdem hatte sie Hunger bekommen, den sie nun stillen wollte... an ihm stillen wollte, zumindest ein wenig. Oh, wie wunderschön die Wunden aussehen mussten. Wie wohl das Blut eines Dragonslayers schmeckte? Oder: Wie wohl das Blut genau dieses Dragonslayers schmeckte? Die Alchimisten würde es in wenigen Augenblicken erfahren, denn mit leichtem Zug begann sie einen dünnen, aber stetigen Strahl von Blut aus den beiden einstichartigen Verletzungen zu saugen. Erst passierte es ihre Unterlippe, dann streichelte es sanft über ihre Zunge - ah, wie unglaublich dieser Geschmack war, eine Sensation sondergleichen - ehe es die Kehle der Vampirdame hinab rann. Als die ersten Tropfen diesen Ort passierten, lösten sie den zweiten Effekt des Verwandlungszaubers aus. Langsam aber stetig nahmen Yureikos Augen eine rötliche Farbe an, anfangs nur leicht, wie ein Schatten, der sich um die Iris ausbreitet, später dann, nachdem die Magierin etwas mehr Blut getrunken hatte, sahen sie aus, als wären sie blutunterlaufen, bis sie zu guter Letzt das ganze Auge von der roten Farbe ausgefüllt war. Gerade genug um diesen Effekt trank die gefährliche Schönheit, ehe sie der Bitte des Drachenzöglings nachkam und von der zitternden Hand abließ. Mit der vom Blut geröteten Zungenspitze leckte sie sich über die Lippen, die vom auf ihnen nun verteilten Blut auch ein wenig mehr Farbe annahmen. Wie herrlich!
"Freut mich, dass du verstanden hast, mein lieber Seraphim-san", säuselte die Alchimistin leise, gerade laut genug, um es ihn auch verstehen zu lassen, "Ich hoffe aber doch, dass ich dir nicht allzu sehr weh getan habe. Das wäre doch schade um die schöne Hand, nicht wahr? Ich meine... uh... Ich meine, dass... ugh..." War das nicht doch zu viel gewesen? Ja, absolut. Genau das sagte die vernünftige Stimme im Hinterkopf der Kabane auch gerade. Sie zerrte am Wahnsinn, der ihren Körper in Beschlag genommen hatte, focht einen innerlichen Kampf aus, der auch gut zu sehen war. Mittel- und Zeigefinger der linken Hand waren auf die gleichseitige Schläfe gepresst, die andere Hand zitterte leicht. Das war nicht gut, gar nicht gut! Diese Situation war aus dem Ruder gelaufen, ihr eindeutig entglitten. Das hätte doch niemals passieren dürfen. Sie musste wieder zu sich finden. Irgendwie! Doch was konnte helfen? Instinktiv hob die Formwandlerin auch die zweite Hand, allerdings nicht an die Schläfe, sondern an den Mund. Nur leicht geöffnet war dieser, als das mittlere Glied des rechten Zeigefingers dazwischen geschoben wurde und sofort zwischen Ober- und Unterkiefer eingeklemmt wurde, angebohrt von ihren eigenen Eckzähnen. Der Schmerz würde helfen, würde sie wieder zu Besinnung rufen, so dachte sie. Das Zittern wurde noch etwas stärker, aber schlussendlich sollte sie recht behalten. Während die Augen wieder ihre natürliche Farbe annahmen und sich die Eckzähne zurückbildeten, ließ auch das Zittern nach. Vorsichtig senkte Yureiko die linke Hand von der Schläfe und zog den blutenden Finger aus dem Mund, nur um beide Hände daraufhin schlaff fallen zu lassen. Ein wenig schnaufte sie, leicht außer Atem von dem Kampf, den sie in ihrem Inneren gefochten hatte. "Das war zu viel... ganz eindeutig zu viel..." , flüsterte die junge Frau, als wolle sie sich entschuldigen. Und die anderen Gäste, die das vielleicht mit angesehen hatten? An die dachte sie nicht mehr. Dafür war sie in diesem Augenblick ganz einfach zu erschöpft. Aber was ihr Gesprächspartner nun von ihr halten würde?

Ob sie sein Ego angegriffen hatte war wohl keine Frage, aber ob sie damit auch nur den geringsten Erfolg erzielt hatte, blieb zur Diskussion. Man konnte zwar mit Fug und Recht behaupten, dass er sie von nun an wie ein zu lange in hypotonischer Umgebung gelegenes rohes Ei behandeln würde, aber das auch nur zum Selbstschutz vor weiteren körperlichen Übergriffen. Es kam gar nicht in Frage, dass er sie nun wirklich respektieren würde, nur weil sie demonstriert hatte, dass sie stärker war. War es nicht sogar ein Zeichen von Schwäche, wenn man sich von Schwächeren provozieren ließ und ihnen nur so ihre Schranken aufzeigen konnte? Wenn sie nicht zufälligerweise noch mit anderen, etwas weniger körperlichen Qualitäten aufwartete, die er vielleicht so nicht erwartet hätte, dann sah er dunkelgrau für das, was sie bei ihm erreichen wollte. So hatte er auch nicht etwa ängstlich darauf reagiert, dass ihre Augen auf einmal rot angelaufen waren, denn da er gleichzeitig gespürt hatte, dass sie scheinbar das Blut aus ihm sog (Mal im Ernst, sie konnte ja gerne an ihm herumlutschen, aber warum gerade an seiner Hand...?), nahm er an, dass das eben ein Nebeneffekt des Zaubers sein musste. Apropos Zauber, es musste eine Unterart der Transformationsmagie sein, schätzungsweise sogar ein Take Over. Im Gegensatz zu seiner Magie und denen, die die Menschheit auch schon fast verschlampt hatten, waren solche Magien nämlich allgemein bekannt, da durfte man nicht damit rechnen, dass man nicht drauf kam. Was für eines genau, war ihm allerdings natürlich nicht klar, denn Fangzähne hatte wahrscheinlich durchgängig jedes einzelne im Repertoire. Dass sie in seinem Handrücken steckten, fand er allerdings deutlich weniger lustig, dass sie sein Blut trank, sorgte eher dafür, dass ihm *Was zur Hölle, Mädchen? Übertreibst du es nun nicht etwas?* durch den Kopf schoss. Während ihn doch die Gewissheit, dass sie nicht so dumm sein würde, ihn mitten in der Gesellschaft anderer ernsthaft zu verletzen, stützte und ihm Mut machte, schlich sich immer mehr der Gedanke in seinem Kopf, dass es vielleicht nicht die beste aller Ideen war, diese Frau tatsächlich zu dem zu bringen, was er vorhatte... es konnte ja sehr reizvoll sein, mit jemandem mit solchen Vorlieben das Bett zu teilen, aber bei Kabane musste er sich eher die Frage stellen, ob sie ihn erst nachher oder schon dabei umbringen würde - und eigentlich hing er doch sehr an seinem Leben, das musste er nicht wegen so etwas banalem aus dem Fenster werfen. Tatsächlich hatte sie es also zwar nicht geschafft, ihm Respekt einzubläuen, aber dafür hatte sie ihn zum Grübeln gebracht, ob er sie wirklich immer noch flachlegen wollte - auch ein netter Effekt, wenn man so wollte. So blieb von der erwarteten Furcht auf seinem Gesicht vor allem Interesse zurück, das Interesse, was man unwillkürlich an zwei Schnecken hat, die sich gerade paaren, ein Zwischending zwischen leicht ungläubigem Starren und der Frage, warum man sich das eigentlich antat. Als sie dann endlich seine Hand losließ, zog er sie allerdings deutlich schneller als noch am Anfang zu sich zurück, um die andere Hand darüber zu legen und die zwei Bisslöcher zu verbergen. Das hatte zweierlei Nutzen: Zum einen würden die anderen Gäste nicht bemerken, dass er blutete - er hoffte im Grunde genommen eigentlich immer noch, dass sie hier wenigstens einen etwas unterhaltsameren Abend verbringen konnten, in dessen Verlauf er nicht noch einmal beinahe verstümmelt wurde - zum Anderen konnte er sich daran machen, die Wunde langsam zu heilen. Da es praktischerweise auch noch die halb zerquetschte Hand war, würde er somit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Aber gerade, als das Mana in seiner Hand zu zirkulieren begann, geschah etwas äußerst merkwürdiges mit Kabane.
Mit einem Mal schien etwas mit ihr nicht mehr zu stimmen. Die Hand an die Schläfe gepresst, die Augen starr, als hätte eine bohrende Migräne sie auf einmal auf eiskaltem Fuß erwischt, saß sie stocksteif ihm gegenüber und zitterte leicht. Jeder andere hätte nun wohl etwas unternommen, gefragt, ob alles in Ordnung sei, sich zu ihr hinüber gebeugt, auf sie eingeredet, sich erschrocken. Doch der Dragonslayer saß einfach nur da und stützte nach einer halben Minute, die er zum Heilen des Handrückens benötigte, die Wange in besagte Hand, blickte sie an und wartete mit dem Lächeln auf den Lippen, bis sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte. Allerdings war er nur außen so ruhig, während innerlich Ideen, Einfälle und Fragen Ringelreih tanzten und sich munter abwechselten. Was war da mit ihr los? Hatte sie das öfter? War es tatsächlich Migräne oder was Psychisches? (Würde ihn nicht wundern, bei der nicht...) Wovon wurde es ausgelöst? Von der Verwandlung? Konnte man gegen Magie allergisch sein? Man konnte psychische Probleme medikamentös behandeln, wie stand es da mit seiner Magie, wirkte die da unterstützend? Würde sie ein gutes Versuchsobjekt abgeben? Sollte er es riskieren, auf das Risiko hin, dass sie ihm tatsächlich was brechen würde? Als sie den blutenden Finger zwischen den Lippen hervorzog, kippte er das Kinn in beide Hände und sah sie an. Sie wirkte ja wirklich ein wenig fertig... da würde sie ihm schon nichts tun - und dennoch musste er sich irgendwas einfallen lassen, damit sie nicht von den Kräften erfuhr, die in ihm schlummerten und die sie nichts angingen. Zwar wirkte sie nun auch nicht, wie die Weltverbesserin schlechthin, aber nichtsdestotrotz musste sie ja nicht wissen, dass es Magier gab, die heilen konnten - pardon, das gehörte in den Singular. "Kommt das öfter vor, Kabane-san?~", fragte er und betrachtete ihren blutenden Finger, den er so leicht würde heilen können...