-> Gildenhaus

Keine Fragen sind gute Fragen. Mit zufriedener Miene machte sich Lia gerade auf den Heimweg, um umgehend ihre Sachen zu packen. Hoffentlich würden ihre Eltern nicht allzu enttäuscht sein, dass sie sie für mehrere Tage verlassen würde. Aber das musste nun mal sein, sonst wären die Jahre bei Ingeel in ihrer Kindheit ja auch umsonst gewesen. Zuhause angekommen, begab sie sich als erstes in ihr Zimmer, kramte ihren großen Rucksack heraus und suchte ihre Klamotten raus. Und nun zu dir, lieber Magnus. Glaubst du allein ernstes, dass ein selbstverliebtes, narzisstisches, egozentrisches und pingeliges Mädchen von sechzehn Jahren wirklich nur eine Unterhose mitnehmen würde? Im Grunde kann der blonde Mann ja denken, was er will. Nur wenn es darum geht, nachzufragen und seine Gedanken vor Lia laut auszusprechen, sollte er doch vorsichtig sein. Aber noch bestand ja kein Grund zur Panik, schließlich hatte der Pinkschopf ja keinen blassen Schimmer davon, was in dem Möchtegern-Professor so vorging. So weit, so gut. Nun musste sie nur noch ihre Eltern und ihren Bruder einweihen, Zeit war ja noch genug. Alle waren im kleinen Garten versammelt, Mutter Delia kümmerte sich um ihre Rosen, Vater Lucero döste vor sich hin und Bruder Natanael untersuchte seine Arme nach Neurodermitis ab. Allein bei diesem Anblick musste Lia die Augen verdrehen, dieser Spinner! Als sie sich alle verabschiedet haben, und Natanael sie noch darauf hingewiesen hatte, bloß keine Türgriffe auf dem Bahnhof zu berühren, da die Keime so aggressiv seien, konnte es auch losgehen. Ein Blick auf die Uhr verriet dem Mädchen jedoch, dass sie viel zu spät war, um als erste, geschweige denn pünktlich anzukommen. Warum also beeilen? Sie waren die Männer und hatten gefälligst zu warten, nicht umgedreht.
Gerade als Lia um die Ecke bog, um am besagten Ort anzukommen, so hörte sie schon die Stimme ihres Lieblingsmagnus. Was war so überraschend daran, dass sie zu spät kam? Doch in seiner Aussage konnte man vernehmen, dass auch er zu spät. Sie stapfte zwar schon auf ihn zu, beließ es aber bei einem: „Hallo Gale! ..Magnus.“ Wobei der Unterschied der Begrüßungen vorhanden war. Denn während sich Gale über ein freundliches Hallo freuen durfte, bekam Magnus nur seinen Namen in genervtem Ausdruck zu hören. Aber genug jetzt davon, schließlich ging es nun um eine Quest. „Oh, ich sehe gerade, dass unser Zug eintrifft. Sobald wie ein Abteil für uns beansprucht haben, erkläre ich euch den heutigen Tagesablauf.“ Als die Lok mit grausam kreischendem Geräusch vor den dreien und einigen anderen Passanten stehen blieb, stiegen alle Anlieger ein. Glücklicherweise war heute nicht allzu viel los, denn schnell hatten die Magier ein ganzes Abteil nur für sich gefunden. Lia hätte nur ungern in Anwesenheit anderer Menschen über die Quest gesprochen, warum auch immer. Als alle Platz genommen hatten, legte sie auch gleich los: „Wie ihr ja bereits wisst, sollen wir einigen Handwerkern dabei helfen, ein altes Haus zu renovieren. Natürlich ist das bei weitem unter unserem Niveau, aber da sich diese einfachen Leute einbilden, dass es dort spuken soll, wird es für uns interessant.“ Die Magierin mit den langen, pinken Haaren merkte eigentlich nie, wie abwertend sie über andere Menschen sprach, daher scherte sie sich auf nicht viel darum. Nach dieser kurzen Pause redete sie sofort weiter: „Jedenfalls, werden wir gegen Mittag in dem Dorf in der Nähe des besagten Hauses angekommen. Dort suchen wir zuerst eine Bleibe für die paar Nächte, die wir dort verbringen werden. Ist dann alles erledigt machen wir uns sofort auf den Weg zum Haus, um uns einmal umzusehen. Die Handwerker sollten ja bereits dort sein.“
Schweigen machte sich breit und Lia blickte verträumt aus dem Fenster. Was würde wohl an dem Märchen dran sein, dass es dort spukte? Sicherlich nicht viel. Sie waren bereits eine Weile gefahren, als ihr etwas einfiel. Wie auf jeder bisherigen Quest wollte Lia genau Bescheid wissen, mit wem sie es hier nun eigentlich zu tun hatte. Denn nur so konnte sie die Fähigkeiten der Jungs einschätzen. Sie durchbrach die Stille: „So, dann erzählt doch mal. Eure wievielte Quest ist das? Welche Magie nutzt ihr?“ Das Mädchen hielt kurz inne, ehe sie die beiden verschmitzt angrinste: „Und wenn wir schon bei dieser gemütlichen Vorstellungsrunde sind.. habt ihr auch Hobbies?“

Noch ehe Gale dazu kam Magnus zu beruhigen, dass es ihm nichts ausmachte zu warten und das Lia offensichtlich auch zu spät war, erschien der aufgedrehte Pinkschopf und lies ihm gar keine Gelegenheit zu antworten, also schwieg Gale, was er genauso gern tat, wie den Mund aufzumachen und sich mitzuteilen. Und im nächsten Moment fuhr der Zug mit einem kreischenden Bremsgeräusch in den Bahnhof ein. ~Grässlich, vor allem im Vergleich zu dem schönen, stampfenden Rhythmus der Kolben, der diese Art von Lokomotiven sonst auszeichnet.~ dachte der Windmagier und bestieg hinter Lia und Magnus die Lok, folgte ihnen in ein leeres Abteil und lies sich auf die stoffbezogene Sitzbank fallen, wobei er versuchte soviel Zwischenraum zwischen sich und Lia und Magnus zu bringen, wie in dem kleinen 4-Mann Abteil eben möglich war. Also stellte er seinen Rucksack neben sich auf die Bank, sodass er wie eine Barriere den Raum zwischen ihm und Magnus trennte. Eine Maßnahme, damit sich ihre Schultern oder Hände erst gar nicht berühren konnten. Nebenbei hörte er Lia zu, die noch ehe sie sich richtig gesetzt hatte damit begonnen hatte über die Quest zu reden und den Plan zu erläutern. Natürlich entging dem aufmerksamen Verstand des Magiers nicht der abwertende Seitenhieb gegen die Handwerker, besser gesagt gegen alle 'einfachen' Leute und für einen Moment zogen sich die Augenbrauen des Magiers kurz zusammen, um die Dragonslayerin, er wusste natürlich noch nicht, dass sie eine war, zu fixieren. Allerdings war diese Gefühlsregung, wenn man sie denn so nennen konnte zu gering, als dass einer von den anderen beiden sie bemerkt haben dürfte, danach war Gales Miene sofort wieder wie versteinert, fast schon emotionslos und die einzige Bewegung, die sein Körper macht war ein unhörbares Klopfen seiner Zunge gegen die vordere Zahnreihe, natürlich im selben Rhythmus wie das Zungenschnalzen, das Fusstippen und das Tippen des Zeigefingers. Nachdem sich die einzige weibliche Person im Abteil dazu entschlossen hatte zu schweigen, entstand war für eine Weile Ruhe, denn Gale antwortete sowieso nur, wenn er gefragt wurde oder er etwas wissen wollte, einen Smalltalk fing er in den seltensten Fällen an und Magnus schien ebenfalls nicht darin interessiert zu sein etwas zu sagen. Daher hatte Gale seine Augen halb geschlossen und lauschte auf den stampfenden Rhythmus der Lok, die wie eine Elefantenherde durch die Landschaft fuhr, ihre Route festgelegt durch metallene Schienen. Doch auch wenn es so wirken mochte, als ob er sich nun völlig verabschiedet hätte und sein Körper zwar noch in dieser Welt weilte, aber sein Geist irgendwo an fernen Orten schwebte, bekam er die Fragen Lias sofort mit, was für Gale nicht unbedingt selbstverständlich war, denn manch ein Rhyhtmus oder Naturschauspiel konnte ihn so sehr in den Bann ziehen, dass er nichts mehr um sich herum mitbekam. Jetzt aber drangen die Worte wie durch Wasser an sein Ohr, versetzten sein Trommelfell in Schwingungen, die sein Gehirn in Worte umsetzte. ~Quest, Magie, Hobbies.....~ fingen seine Gedanken langsam an wieder schneller zu fließen und als er die Augen wieder ganz aufschlug und er im Augenwinkel bemerkte, dass Magnus noch nicht am Antworten war und auch keine Anstalten dazu machte setzte er zu einer Antwort an. "Das ist meine 2.Quest, ich nutze Elementmagie und meine Hobbies sind Mediation, das Lauschen von Rhythmen und das Beobachten der Natur." Wie immer änderte sich seine Tonlage während des Sprechens nicht ein bisschen und auch die Informationen waren zwar vollkommen korrekt, aber enthielten auch nur das nötigste, und eigentlich hatte er nicht vorgehabt die Informationen weiter auszuführen, doch da fiel ihm ein, wie Dian beim ersten Mal, als er ihr das erzählt hatte in ziemlich fragendes Gesicht gemacht hatte und schloss daraus, dass seine beiden jetzigen Gegenüber dieser Aussage auch nicht viel entnehmen konnten. Innerlich seufzte Gale auf, denn eigentlich hatte er eher weniger Lust weiterzureden, aber um den Fragen der anderen beiden vorzubeugen beschloss er doch wenigstens die Rhythmusgeschichte zu erklären. Von all diesen Emotionen drang aber nichts durch das Steingesicht des Emotionslosen und so setzte er erneut zu einer Antwort an. " Es ist nicht ganz so wie Musik hören. Ich lausche nicht dem 'Beat'..." diese Wort betonte er absichtlich etwas abwertend. "von einem Musikstück sondern ich lausche den Rhythmen der Natur, einer Menschenmenge, einem Baum, einer Wiese. Dieser Zug beispielsweise hat einen ganz eigenen Rhyhtmus, der massgeblich auf dem Stampfen der Kolben beruht, aber auch das Rattern der Räder und das gelegentliche Pfeifen der Pfeife gehört dazu. All das zusammen ist der Rhythmus dieses Zuges und solchen Rhythmen lausche ich." beendete er genauso ruhig, wie er angefangen hatte und blickte auffordern zu Magnus in der Hoffnung, dass er in dieser Vorstellungsrunde das Heft in die Hand nehmen würde, während sein rechter Zeh anfing auf und ab zu wippen.

Kaum hatte er die Frage gestellt, hörte er auch Lia schon hinter sich. Na, die Begrüßung fiel heute aber freundlich aus. Aber eigentlich hatte er auch gar nichts anderes erwartet, er war schon glücklich, dass sie ihn überhaupt erwähnte und nicht einfach ignorierte, wie es die meisten Leute sonst sehr oft taten. Deswegen klang Magnus’ Begrüßung wohl ein bisschen überschwänglicher aus als beabsichtigt. Noch bevor er sie nach dem Grund für ihre Verspätung fragen konnte, traf der Zug mit einem lauten Donnern ein, welches wohl alle anderen Geräusche verschluckt hätte. Bestimmend, wie Lia wohl war, schritt sie natürlich gleich Magnus voran durch die Zugtür und schließlich in ein leeres Abteil. Gale schien die Platzwahl wohl ziemlich egal zu sein, so emotionslos wie er schaute. Jedenfalls war das die Schlussfolgerung von Magnus, als er kurz in Gales Gesicht blickte, um vielleicht diesmal einen verräterischen Ausdruck in Gales Augen zu erkennen. Da er sich allerdings nur flüchtig umsah, konnte er wieder nichts sehen. „Egal, dafür hab ich noch ein paar Tage Zeit…“, dachte er ernsthaft nach und ließ sich dann auf einer gepolsterten Sitzbank nieder. Gale setzte sich neben ihn und stelle eine Tasche zwischen sich und Magnus. „Die Tasche gehört sich in die Fächer über den Sitzen…“, murmelte Magnus unverständlich vor sich hin, erwartete aber auch nicht, dass er gehört wurde. Kaum hatte sich die Lok dann in Bewegung gesetzt begann Lia über die anstehende Quest zu reden. Toll, dass sie die Aufgabe noch einmal erläuterte. Als ob sie dachte, dass er und Gale noch nicht kapiert hätten um was es ging. Na gut, Gale konnte er noch nicht so richtig einschätzen, immerhin wusste er rein gar nichts über den Magier, aber sie hatten doch alle die Beschreibung gelesen und nur ein Wurm würde den Inhalt nun schon wieder vergessen haben. Auch die Bemerkung mit der Bleibe hätte sie sich eigentlich, wenn es nach Magnus ginge, sparen können. Aber herzallerliebst, wie Magnus dachte, wie er war, ließ er Lia natürlich ausreden und hörte ihr schon fast zu interessiert zu. Als Lia mit ihren Instruktionen fertig war, breitete sich ein Schweigen im Zugabteil der Magier aus. Für Magnus nach einer Weile sogar schon fast etwas unangenehm. Fieberhaft zermartete er also sein Gehirn nach irgendwelchen Themen, von denen er zuletzt etwas erfahren hatte und auch die anderen beiden interessieren könnten. Hah, genau! Er könnte über die lange Tradition des Handwerks sprechen, schließlich waren sie ja gerade auf dem Weg zu Vertretern davon, doch ehe er seinen liebevoll zurecht gelegten Einleitungssatz aussprechen konnte, begann Lia wieder das Gespräch aufzunehmen. Oh, sie sollten sich also vorstellen! Noch nie hatte jemand nach seinen Hobbies gefragt! Was sollte er nur sagen? „Erstmal Hobby definieren, damit die beiden auch keine falschen Informationen von mir erhalten…“, während Magnus also noch nachgrübelte übernahm Gale nun das Sprechen. Es war also erst seine 2. Quest. „Gut, dann ist er ja auch noch relativ unerfahren“, stellte Magnus erleichtert fest. Er dachte schon er musste sich hier mit zwei lang erprobten Profis beweisen. Sonst war Gale wohl eher der Naturbursche. „Ob er wohl oft im Dreck wühlt…?“, überlegte sich Magnus und betrachtete Gale, der wie immer ganz ruhig sprach und keine Mine verzog. Sonst sah er ja ganz ordentlich aus und ein paar „Dreckkeime“ waren ja immerhin eher Gesundheitsfördernd. Außerdem konnte er Magnus ja vielleicht noch ein paar interessante Sachen über die Natur oder diese Rhythmengeschichte beibringen. Bei Gelegenheit würde er noch einmal darauf zurückkommen. Nun war wohl Magnus an der Reihe etwas von sich preis zu geben. „Also dies ist dann wohl meine 1. Quest. Ich bin also noch ziemlich jungfräulich was das angeht.“, erklärte er, „jedoch fühle ich mich gut vorbereitet!“, fügte Magnus noch schnell mit an, nicht dass sie noch dachten er wäre nun ein Klotz am Bein. Und das wollte Magnus nun wirklich nicht sein, niemals! „Anders als Gale benutze ich eine elementlose Magie, obwohl ich sonst schon eher auf der Seite der Natur stehe, fand ich es doch einmal ganz interessant, etwas eher gegenteiliges zu benutzen.“, fügte er mit einem belesenen Gesichtsausdruck hinzu. So, nun der Teil mit den Hobbies. Durch das ganze Zuhören kam Magnus gar nicht richtig dazu selbst nachzudenken. Also erwähnte einfach die erste Sache, die ihm gerade in den Sinn kam: „Und ich äh… ich liebe Bücher!“ Rückwirkend schämte er sich nun ein wenig über diese wirklich leidenschaftlich ausgedrückte Aussage. „Was ist mit dir Lia?“, fragte er nun schnell, um von sich abzulenken und setze noch nach: „Und wieso habt ihr euch für eure Magie entschieden?“

Elementmagie also. Naja, schade dass er sich nicht genauer ausdrücken konnte, vielleicht wollte er auch nur Spannung bewahren? Wie auch immer, lange interessierte sich Lia sowieso nicht dafür, denn was er danach erzählte, grenze aus ihrer engstirnigen Sichtweise schon fast an Quatsch. Rhythmus der Natur? Mochte ja sein, dass es so etwas gibt, aber wie lauscht man denn dem Rhythmus eines Baumes? Vielleicht war das eher eine Aufgabe der menschlichen Phantasie als des Gehörs und der Wahrnehmung. Mit jedem seiner Worte gingen Lia’s Augenbrauen ein Stückchen weiter nach oben. Anscheinend hatte sie sich doch geirrt, Gale war kein stinknormaler Durchschnittsmensch. Auch er schien in einer gewissen Weise eine Vollmeise zu haben. Genauso wie Magnus, Dalish und Riku. Waren sie und Melanie denn die einzigen der Gilde, die völlig in Ordnung waren? Trauriges Fairy Tail. Aber diesmal nahm sich Lia vor, einmal nichts zu meckern und stattdessen ruhig zu bleiben. Mittlerweile hatte sie nämlich mitbekommen, dass das Niedermachen der Hobbies anderer nicht gerade Beziehungsfördernd war. Als Magnus dann anfing, über seine Sachbücher zu sprechen, konnte Lia gar nicht mehr viel darüber nörgeln, schließlich wusste sie ja bereits, dass er ein einsamer Bücherwurm war. Aber dass auch der Blonde nur sagte, welcher Kategorie seine Magie angehörte, statt sich klar auszudrücken, nervte dann schon etwas. Was hatten denn alle? Dachten sie etwa, ihre Willenskraft würde sinken, wenn alle Welt Bescheid wüsste, welche Magieart sie beherrschten? Obwohl.. Lia selbst sollte bei diesem Thema nichts sagen. Denn auch sie verschwieg jedem ihre Magie, solange es nur ging. Die Angst davor, nicht aufgenommen oder als Anders gesehen zu werden, war immer zu groß. Aber jemand hatte ihr diese Angst genommen und ihr die ganze Sache aus einem anderen Blickwinkel gezeigt. So gut es ging versuchte die Dragonslayerin dazu zu stehen, denn Seraphim hatte Recht. Endlich, endlich war sie nun an der Reihe, über sich zu erzählen, daher fackelte sie auch nicht lange, denn kaum hatte Magnus sein letztes Wort ausgesprochen, fing sie auch schon an: „Bei mir handelt es sich um meine dritte Quest und meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit meiner Familie.“ Eine kurze Redepause, ein Blick aus dem Fenster und sie fügte noch hinzu: „Um auf deine Frage zurückzukommen, Magnus, ich bin ein Dragonslayer und wurde daher in meiner Entscheidung mehr oder weniger beeinflusst.“ So. Das hatten die jetzt davon! Wenn die beiden Jungs schon nicht sagen, welche Magie sie denn nun genau nutzten, dann durften sie auch nicht wissen, welcher Dragonslayer sie war, pah! Nach einer Weile war auch wieder Ruhe eingekehrt und die letzten Kilometer wurden hinter die drei gebracht.

Als der Zug endlich zum Stehen kam, schwangen sich die drei Magier aus dem Abteil und befanden sich auf einem sehr kleinen, einsamen Bahnhof. Sie waren die einzigen, die ausgestiegen waren und nur ein kleines Bahnhofsgebäude zierte ihr Umfeld. Denn ansonsten gab es nichts als Grüb. Weite Wiesen, saftige Felder und in Richtung Dorf war ein Wald zu sehen. In diesen müssten sie nachher gehen, wenn sie das vermeintliche Geisterhaus besuchen wollten. „Lasst uns gleich ins Dorf gehen, damit wir keine Zeit mehr verlieren.“, meinte Lia bloß und ging voraus. Nach einem kleinen Feldweg, ein Marsch von etwa sieben Minuten, konnte man bereits die ersten Hütten des Dorfes erkennen. Ein wahrhaft ruhiges Fleckchen Erde war das hier. Das einzige, was man hören konnte, waren Grillen, Vögel und spielende Kinder in der Ferne. Wer so etwas mochte, würde sich hier bestimmt für den Rest seines Lebens niederlassen. Als sich die drei Magier auf dem Dorfplatz befanden, fragte Lia einen Bürger nach einer Herberge und bekam sofort Auskunft. Glücklicherweise war hier nie sonderlich viel los, weswegen auch jeder ein kleines Minizimmer für sich beanspruchen konnte. Zufrieden und mit einer plötzlich total guten Laune wandte sich Lia den beiden Jungs zu, gab ihnen ihre Schlüssel und meinte: „Bringen wir kurz unsere Sachen nach oben und treffen uns dann gleich wieder hier, dann werden wir uns mal dieses Spukhaus ansehen!“

~Er konnte sich seine Magie aussuchen, so etwas ist möglich? Gale war verdutzt, war er doch immer der Meinung gewesen, dass Magie niemals so etwas wie ein Gegenstand ist, den man einfach so benutzen konnte. Magie war etwas, wofür man eine Veranlagung brauchte, man benötigte magische Kraft, Verständnis und muss den Rhythmus seiner Magie begreifen, um sie nutzen zu können. Man konnte sie sich nicht einfach aussuchen. Er war so verblüfft über diese Erkenntnis, dass er für einen kurzen Moment vergas sein Zungenklopfen fortzusetzen und die Augenbrauen hochzog. Das ganze dauerte aber nur wenige zehntelsekunden, dann hatte er sich wieder gefangen. ~Ansonsten scheint er aber ganz in Ordnung zu sein. Immerhin achtet er die Natur.~ Wobei sich Gale diesbezüglich schwer vorstellen konnte, dass er die Natur stärker achten würde, als er selbst es tat, was schon allein daran lag, dass Magnus sicherlich nicht dieselbe Wahrnehmung bezüglich der Natur hatte, wie er selbst.
Bei Lias Aussage zu ihrer Magie wurde Gale erneut an diesem Tag überrascht. Sie war also eine Dragonslayerin, das war interessant, äußerlich interessant, schade das sie nicht mehr Informationen preisgab, aber damit hatte er ja, so wie es aussah angefangen, immerhin hätte er ja auch sagen können, dass er Windmagier war, aber das hatte er ja auch nicht getan. Jetzt war die Chance vertan und da sowohl Magnus, als auch Lia keine Anstalten machten weiter zu reden, verschränkte er die Arme vor die Brust, starrte mit leeren Augen die ihm gegenüberliegende Sitzlehne an und konzentrierte sich wieder auf das gleichmäßige Stampfen des Zuges. Einige Kilometer später, das Dampfen und Stampfen wurde erst weniger und wich dann dem quietschenden Geräuch der Bremsen, was Gale gar nicht behagte, kam der Zug schließlich zum stehen und sie mussten aussteigenn.

Kaum waren sie aus dem Zug, sahen sie... gar nichts. Jedenfalls nichts besonderes, es war ein Minibahnhof, im Vergleich zu dem in Magnolia Town, ansonsten gab es viel Grün, Wiesen, Felder, einen Wald und viele Blumen, die natürlich nicht grün waren. Tief atmete Gale die frische Luft an diesem Ort ein, sie roch nach Sommer, Gras, Blumen, Wald und schon nach den ersten Minuten, die er brauchte, um sich auf den Rhythmus dieses beschaulichen Ortes einzustellen, gefiel es ihm außerordenltlich gut hier. Ein frischer Wind lies das hohe Gras singen, die Blätter der Bäume rauschen und trieb die himmlischen Gerüche von den Felder und Wiesen übers Land. Genau wie die Gegend war auch das Dorf einfach wunderschön, in den Augen des Magiers, die nicht unbedingt auf die Äußerlichkeiten achteten, sondern Orte viel eher nach dem Rhythmus, ihrer Stimmung, beurteilten und diese abgeschieden Dorf mit spielenden Kinder, singenden Vögeln, zirpenden Grillen, herumtollenden Hunden und herumschleichenden Katzen war einfach himmlisch. Schnell brachte er seinen Sachen auf das kleine Zimmer, schwang sich dann aus dem Fenster und war mit dem nächsten Sprung auf dem Dach der kleinen Herberge. Sofort schloss er die Augen und vertraute auf seine anderen Sinne, er wollte wenigstens für ein paar Augenblicke den Rhythmus dieses Ortes genießen. So stand er regungslos dar und lies den Wind seine Jacke aufblähen und mit seinem Zopf spielen. Als der Vogelruf ihn aufschreckte konnte er nicht sagen, wie lange er schon hier oben stand, er hoffte, dass es lediglich einige Sekunden waren, so wie er sich aber kannte, konnten es auch einige lange Minuten sein. ~Verdammt, ich bin doch verabredet, sie warten sicher schon auf mich.~ schoss es ihm durch den Kopf und so schnell es ihm möglich war, hängte er sich an die Dachkante und lies sich dann herunterfallen von der niedrigen Herberge. Sofort marschierte er durch die Vordertür hinein und steuerte auf Magnus und Lia zu, die schon wartend genau an der Stelle standen, wo sie sie wiedertreffen wollten, was zweifellos bedeutete, dass sein Ausflug aufs Dach zu viel Zeit in Anspruch genommen hatte. "Tut mir Leid, ich war gefesselt, der Rhythmus dieses Ortes ist einfach einzigartig, ich könnte ihm Stunden lauschen. Ich hoffe ich habe euch nicht zu lange warten lassen." entschuldigte er sich und verbeugte sich kurz, um zu zeigen, dass er es ernst meinte, denn an seiner Stimme, die wie immer ruhig klang, schwang wenn überhaupt nur eine feine Announce dessen mit, was normalerweise mitschwingt, wenn etwas einer Person wirklich aufrichtig Leid. Hätte einer der beiden ihn so gut gekannt, dass diese Announce ihm erstens aufgefallen wäre und zweitens er sie zu deuten gewusst hätte, dann hätte er sich zusammen mit der Verbeugung zusammenreimen können, dass es Gale wirklich Leid tat, denn diese Aktion war für Gale schon so etwas wie ein Gefühlsausbruch.

Endlich waren sie da. Der Bahnhof war sehr typisch für ein solch kleines Dorf wie dieses. Ein Wunder, dass hier überhaupt ein Zug hielt. Gerade noch im lärmenden Magnolia Town gewesen, fanden sich die drei nun also in einer sehr idyllischen Gegend wieder. Magnus konnte sich kaum richtig umsehen, da marschierte Lia auch schon Richtung Dorf los. „Oh, ein Staudenknöterich!“, bemerkte Magnus nach einer Weile, als die drei Magier gerade einen Feldweg entlang wanderten. „Für Imker eine sehr wichtige Pflanze!“, plapperte er weiter, um die herrschende Stille ein wenig zu füllen.
Es dauerte nicht lange, ehe Magnus dann, im Dorf angekommen, sein Zimmer beziehen konnte. Gott sei Dank hatten sie alle getrennte Zimmer bekommen. Nicht, dass Lia ihn noch im Schlaf erstickte oder so was. Der würde er wirklich alles zutrauen! Magnus stellte seine Tasche aufs Bett, welches schon fast die ganze Kammer einnahm und öffnete sie, um den Inhalt in den kleinen, in die Ecke gezwängten Schrank zu räumen. Wie erwartet passte aber gerade die Hälfte von Magnus’ Hab und Gut hinein. „Saftladen…“, entwich es ihm als er das Platzproblem feststellte und seine nun noch zur Hälfte gefüllte Tasche auf den Boden stellte. Für mehr blieb sowieso keine Zeit, da Lia sich doch schon wieder mit allen treffen wollte, um das muffelige Haus aufzusuchen. So wechselte Magnus nur noch schnell sein Hemd, das andere war ja bestimmt schon ganz verdreckt von der langen Zugfahrt, und ging dann wieder zu der verabredeten Stelle, wo Lia auch schon wartete. „Ganz schön kleine Zimmer haben die hier!“, begrüßte er sie. Ja, das musste einfach noch einmal gesagt werden. „Bin ja schon gespannt auf das Haus...“, fing er dann weiter an. „… das Gespensterhaus…“, wobei er das Wort Gespensterhaus mit einer gespielt Furcht erregenden Stimme aussprach. „Ich denke es ist einfach nur schlecht gebaut und weil die Handwerker das nicht zugeben wollen behaupten sie nun es würde spuken, was meinst du?!“, Magnus schüttelte kurz den Kopf und lehnte sich dann gegen die Wand. Und wo blieb Gale eigentlich? Naja, da Magnus heute selbst schon einmal zu spät gekommen ist, hatte Gale auch noch einmal ein zu spätes Erscheinen bei ihm gut. Den Gedanken kaum fertig gedacht, spazierte Gale auch schon zur Vordertür herein und entschuldigte sich. Wie aufmerksam…Moment… Vordertür? „Wo kommst du denn her?“, verwirrt blickte er den jungen Mann an.

->Geisterhaus-Sanierung

Magnus war an diesem Tag relativ glücklich. Er lag im Bett und es schwirrten ihm noch immer viele Gedanken durch den Kopf. Die Zeit vor dem Einschlafen nutze Magnus eigentlich fast immer, um noch mal über den Tag nachzudenken und seine Gedanken überhaupt zu sammeln. Morgen würde er endlich wieder etwas erleben, seine zweite Quest stand an und er war schon gespannt, was diesmal auf die Magier wartete. Das mit dem Pizza austragen klang zwar wirklich simpel, jedoch musste irgendetwas faul sein, sonst würden diese Leute doch keine Magier engagieren. Diesen letzten Gedanken im Kopf schlief er schließlich ein.
Magnus war am Tag der Verabredung sehr früh dran. Er hatte die letzte Nacht wunderbar geschlafen und war schon zeitig aufgestanden, auch, um noch seine Taschen zu packen. Aber er hatte mal wieder viel zu viel Zeit dafür eingeplant, die er definitiv nicht brauchte und nun wanderte er trotzdem schon mal zum Bahnhof, auch wenn er wusste, dass er dort wohl warten müsste bis Minato ankam. Seiner unglaublich guten Laune tat dies aber nichts an und so schritt er beschwingten Ganges und laut pfeifend die Straßen durch Magnolia Town entlang. Seine wirklich berauschender Gemütszustand ging sogar so weit, dass er fast jeden Passanten mit einem freudigen „Morgen!“ begrüßt hätte, aber da Magnus nun mal Magnus ist, unterließ er diesen emotionalen Drang lieber. Mit der alt bewährten Reisetasche über der Schulter erreichte er schließlich den Bahnhof, der an diesem Tag eher ein wenig ausgestorben aussah. Wieder freute sich der blonde Kerl innerlich, denn er mochte es, wenn kein Gedränge herrschte. Die Chancen standen groß, einen ruhigen Platz im Zug zu finden, ja, das versprach eine angenehme Zugfahrt zu werden! Das heißt, wenn Minato sich auch weiterhin als angenehmer Begleiter erwies. Der junge Mann nahm auf einer Sitzbank platz und wartete dort auf seinen Kollegen.

Nachdem er sich mit Magnus für den nächsten Morgen verabredet hatte, ging Minato erst mal etwas Essen. Das Gerede über Pizza hatte ihn hungrig gemacht, also machte er sich auf zur nächsten Pizzeria, bestellte sich etwas zum Mittnehmen und machte sich auf nach Hause. Nachdem er sein Abendessen verputzt hatte, dachte er über die bevorstehende Quest nach. Es wird seine Erste sein und deshalb war er etwas aufgeregt. Auch war er gespannt, wie die Zusammenarbeit mit Magnus verlaufen würde. Bisher fand er, dass man mit Magnus ganz gut auskommen kann, aber das konnte sich ja noch ändern. Minato hing noch eine Weile seinen Gedanken nach, während er seinen schwarzen Rucksack, mit allem nötigen packte, was er brauchte. Danach legte er sich schlafen, um für den nächsten Morgen fit zu sein.
Am nächsten Morgen wachte er etwas später, als beabsichtigt auf, was daran lag, dass er vergessen hatte, seinen Wecker zu stellen. Also zog er sich schnell an, schulterte seinen Rucksack, schnappte sich noch den Rest vom Abendessen und machte sich auf dem Weg zum Bahnhof. Mit schnellen Schritten ging er durch die Stadt und schlang das letzte Stück Pizza hinunter, das vom Essen am Abend noch übrig geblieben war. Nach kurzer Zeit kam er am Bahnhof an und sah sich nach Magnus um, denn er auch sehr schnell auf einer der vielen Sitzbänke erspähte, da am Bahnhof noch nicht so viel los war. Sofort ging er auf ihn zu und meinte dann, etwas außer Atem, "Da bin ich, es tut mir leid, wenn du warten musstest, mein Wecker hat gestreikt."

Nun saß er da schon eine ganze Weile und wartete vor sich hin. Der verabredete Zeitpunkt war sicher schon verstrichen, was ihm ein Blick auf die Uhr auch bestätigte. Wo blieb Minato nur? Der Zug würde noch kommen und Magnus müsse ohne Minato fahren, oder sollte er einfach den Zug weiterfahren lassen und dann mit Minato auf den nächsten warten? Aber dann würden sie so spät ankommen! Aber vielleicht hatte der Zug ja auch Verspätung und Minato würde es noch schaffen oder… die Entschuldigung von Minato riss Magnus aus seinen Gedanken. Erst sah er den jungen Mann etwas verwirrt an, ehe er sich wieder gefangen hatte. „Oh, Minato!“, sein ganzer Gedankengang war wohl umsonst gewesen. Sie würden den Zug nicht verpassen, denn Minato war ja jetzt da und das wirklich noch in der Zeit. Gott sei Dank. Und er hatte sich auch entschuldigt, ja, so wie sich das gehört. „Schon gut.“, kommentierte Magnus dann nur und das war wirklich freundlich gemeint, denn er war ganz froh sich keine Gedanken mehr über wegfahrende Züge machen zu müssen und wie schon erwähnt war seine Laune wirklich prächtig. „Dann können wir uns ja schon mal an das richtige Gleis stellen, der Zug müsste bald eintreffen!“, Magnus erhob sich von seiner Bank, warf sich wieder die Tasche um und gab Minato ein Zeichen, ihm zu folgen. Noch immer war der Bahnhof fast leer, genauso wie er sich das gewünscht hatte. Seine schnellen Schritte hallten durch das wenig gefüllte Gebäude, bis er das Gleis erreicht hatte. Als der Zug kam suchte Magnus sofort einen Wagen aus und betrat ihn, ohne lange nach Minato zu schauen. Er würde ihm schon nachkommen! In dem wirklich nur mäßig gefüllten Zug war es auch kein Problem ein passendes Abteil zu finden, das auch sauber genug für Magnus war und so ließ er sich auf einen der Sitze nieder, ohne Minato zu fragen, ob es auch für ihn passend war. „Und, bist du schon aufgeregt? Ist das deine erste Quest?“, richtete er das Wort an seinen Begleiter, um eine eventuelle unangenehme Stille zu vermeiden, obwohl die beiden ja erst im Zug angekommen waren. Smalltalk und das richtige Timing dazu waren eben nicht wirklich Magnus’ Stärke, aber er wusste ja noch nicht wirklich viel über Minato und die Zugfahrt könnte ihm dabei behilflich sein, noch einige Details über den Jungen zu erfahren.