Als Gale den Handwerkerchef Rob gefesselt hatte und nach draußen auf die Veranda verfrachtet hatte, ging Lia ihm wortlos nach. Ihrem Vater war es auch schon mal sehr schlecht ergangen, nämlich als Igneel, ihr Ziehvater, sie mit sich genommen hatte, um sie auszubilden. Er hatte es zwar nie offen ausgesprochen, aber ihre Mutter hatte Lia anvertraut, dass er monatelang am Boden zerstört war. Sicher würde er es nachvollziehen können, was Rob dazu verleitet hatte, auch wenn er selbst nicht so gehandelt hätte. Sicherlich würde Lia zuhause nachfragen. Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Überrascht weiteten sich die grünen Augen und ihr Kopf wand sich um. So blickte Lia direkt in Gale’s Augen, welche in diesem Moment mehr sprachen als er selbst die letzten drei Tage. Als würde ein Ruck durch ihn gehen, zog er die Hand schnell wieder zurück und wich einige Schritte zurück, um sich wieder im Hintergrund aufzuhalten. Damit hätte Lia nicht gerechnet. Eigentlich kannte sie Gale ja kaum, er ließ auch nicht wenig Spielraum zu, um ihn überhaupt kennen- und einschätzen zu lernen. Das einzige, was sie wusste war, dass er ein relativ feines Gespür dafür besaß, nach welchem „Rhythmus“ alles so abläuft. Für dieses Wort mit R hatte er sicher eine eigene Definition. Den Satz, den er danach von sich gab, war eher das, was Lia von ihm kannte. Noch immer überrascht nickte sie bloß, ehe sie sich wieder abwandte. In der Ferne konnten sie bereits Magnus erkennen, der ein paar der Handwerker bei sich hatte. Alle wollten von Rob wissen, was denn los war, er solle doch endlich mit der Sprache rausrücken. Doch Lia war sich sicher, so unverzeihlich seine Tat auch war, das war nicht der richtige Augenblick. War er nicht schon genug ab Boden? „Hey!“, schrie Lia laut in die Nacht, um für Ruhe unter den tuschelnden Handwerkern zu sorgen. „Ihr begleitet uns zurück ins Dorf und zeigt uns das kleine Gefängnisgebäude.“ Jedes Dorf hatte so was, zudem hatte Lia sich zu Beginn der Quest informiert, selbst dieses Kuhkaff hatte eine Zelle. Hier wurden Verbrecher festgehalten, bis sie in eine der großen Städte überführt wurden. „Du da!“, rief Lia dem kräftigsten Handwerker zu. „Gib Acht, dass er nicht flieht.“ Mit ihrem Blick deutete sie zu Rob und dann konnte es losgehen.

Noch in derselben Nacht erklärte Lia Magnus genau, was Rob gesagt hatte, damit auch er Bescheid wusste. Niemanden sonst ging das etwas an, außer den Richtern oder anderem Personal dieser Art. Die ganze Sache mit dem Spuk war geklärt, die Renovierungsarbeiten würden weiterlaufen, sobald die Leichenteile sichergestellt waren. Ob die Handwerker dann besser arbeiten würden, war zwar fraglich, aber das würde Gale, Magnus und Lia nichts mehr angehen. Ihre Arbeit hier war getan, denn schon am nächsten Tag, am frühen Morgen, traten sie die Heimreise an. Die Zugfahrt konnten die drei noch gemeinsam genießen, ehe sie sich auf den Weg zur Gilde machten und alles abklärten. Danach trennten sich die Wege der Kleingruppe fürs erste, aber sicherlich würden sie bald wieder aufeinander treffen.

Ende