Cf: Blue Pegasus Gildenhaus

Jede Stadt hat ihre Gerüche und diejenigen von Magnolia Town, dem Nest der Gilde Fairy Tail, waren ihm wohl bekannt. Er war schon öfter hier gewesen und hatte sich einige Theaterstücke angesehen, auch für einen kleinen Bummel durch die Stadt an sich hatte die Zeit noch gereicht. Dennoch war er noch lange nicht so oft hier gewesen, wie die Stadt es verdient hatte... auch wenn ihre Architektur ihm nicht ganz so zusagte, wie die von Oshibana Town. Magnolia Town war ihm zu wenig... antik. Er mochte die drachenlastige Architektur der Stadt sehr gerne, aber auch diese hier hatte etwas, so an und für sich. Auch wenn sie ihm manchmal beinahe zu primitiv war. Egal, er war nicht gekommen, um einen Vortrag über Architektur zu halten, sondern um eine Quest zu erfüllen... mit seinem kleinen Freund, der hoffentlich nicht verschlafen hatte, wie er ausgestiegen war. Wäre doch schade um die Möglichkeit, diese Zara kennen zu lernen!
Mit beschwingten Schritten machte er sich auf, vom Bahnhof weg und blieb erst auf dem Platz vor diesem stehen, ungefähr auf der Mitte dessen, schön viel freie Luft um sich herum. Es war gutes Wetter, könnte man sagen, leicht windig, aber dennoch sonnig, nicht zu kalt und nicht zu warm. Auch wenn es Cyrus lieber gewesen wäre, es hätte gestürmt, denn dann wäre seine Kraft deutlich angestiegen. Nun egal, das bisschen Wind würde ausreichend, ging es hier doch schließlich nur um einen entlaufenen Jungen. Er drehte sich um und blickte zu Maenor hinunter, während er den Zettel, auf dem die Quest notiert worden war, aus der Tasche kramte und noch einmal die darauf gedruckte Adresse mit derjenigen in seiner Erinnerung abglich. Stimmte. "Ich würde sagen, wir kümmern uns erst einmal um die besorgten Eltern des Jungen, da die wahrscheinlich wissen müssten, warum und wohin der Kleine entlaufen ist, einverstanden?" Höflichkeitsfloskel, es war nicht etwa so, als würde ihn Maenors Meinung auch nur die Bohne interessieren. Und weiter ging es, die Eltern des Jungen wohnten recht zentral, wenig Geld konnten sie also nicht haben.

Nein, wenn man ganz ehrlich war, hätte Maenor niemals erwartet, dass Seraphim solch eine hohe Lektüre erfolgreich las. Und das konnte man ihm noch nicht mal verübeln, immerhin hatte der weißhaarige junge Mann nicht unbedingt das beste Verhalten an den Tag gelegt. Zwar hielt ihn der Junge keinesfalls für einen Analphabeten, aber in seiner Vorstellung sah er Seraphim eher als eine etwas simpler denkende Person an. Von wegen, eingleisiges und nicht sonderlich breites Gleis, auf dem sich seine Gedanken voranbewegten. Also nur auf sich selbst fixiert, selbstverliebt eben. Wahrscheinlich hatte er sogar den größten Narzissten von ganz Blue Pegasus abbekommen. Oh, die letzte Aussage musste er leider noch korrigieren, der Gute schien ja auch ein gewaltiges Interesse an Frauen zu haben, wie man ja an seinem Interesse an Zara hatte erkennen können. Der Fice hoffte wirklich von ganzem Herzen, dass dies nur ein Versuch gewesen war, um ihn zu ärgern, und es sich nicht gar um einen charakterlichen Wesenszug des Mannes handelte. Wie sehr er sich irrte, doch das konnte er zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht wissen. Er würde es auf die langsame und harte Tour lernen.
Während der gesamten Zugfahrt studierte er aufmerksam und fleißig die Schriften des Ordens weiter, was ihn beinahe die Anwesenheit Seraphims vergessen ließ. Einige der dort niedergeschriebenen Techniken vermochte er womöglich heute noch einzusetzen, je nachdem mit wem oder was sie es zu tun bekamen. Auf keinen Fall durfte er zu gefordert werden oder dies in einer gefährlichen Situation einsetzen, da er sie ja noch nicht gemeistert hatte. Das Beste, was ihnen passieren konnte, wären ungebildete Straßenräuber, die sich als die perfekte Trainingseinheit herausstellen könnten.
Nach einigen Minuten kündigte schließlich eine helle Frauenstimme an, dass sie Magnolia Town erreicht hatten, weshalb er seinen Reiserucksack und sein Katana aus dem Gepäckabteil heraushievte und in Richtung Türen ging. Es hatte ihn noch nie in diese große Stadt verschlagen, dennoch wusste er aber, dass es sich hierbei um die Heimatstadt einer der größten Gilden Fiores handelte: Fairy Tail. Die Gilde, die eher für Chaos anstatt für Professionalität bekannt war, hatte hier ihren Hauptsitz. Warum die Familie wohl nicht ihre stadteigene Gilde mit der Wiederbeschaffung ihres Sohnes beauftragt hatte, konnte er auch nicht sagen. Möglich war natürlich immer, dass Fairy Tails Ruf ihren Magiern vorauseilte, weshalb man sich in Zeiten ärgster Not lieber an kompetentere Gilden wendete. Aber das war ja auch ziemlich egal, er und Seraphim waren hier und das allein zählte. Des Weiteren benötigte er das Geld wirklich, weshalb er sich mal nicht zu beschweren hatte, es war halt sein Glück, dass seine Gilde den Auftrag erhalten hatte. "Alles klar, da wäre ich ebenfalls dafür. Dann mal nach dir." Und damit ließ ihm Maenor den Vortritt, immerhin kannte er sich nicht in der Stadt aus. Und sich aufgrund seines Verschuldens zu verirren hätte nur noch mehr Nörgelei ausgelöst.

War Maenor wohl wirklich derselben Meinung wie Cyrus oder hatte er den simpleren Weg gewählt, indem er sich dem Willen des Dragonslayers einfach nicht mehr widersetzte? Das konnte durchaus auch ein Weg zum Erfolg sein, denn selbst wenn der weißhaarige junge Mann kein besonders angenehmer Zeitgenosse war – auf den Erfolg der Quest war auch er aus. Nicht weil er das Geld so dringend benötigte oder weil es seinem Ego schaden würde, mal eine Niederlage einzubüßen, sondern weil das den Ruf seiner heiß geliebten Gilde nachhaltig schädigen könnte, ein Szenario, das er sicherlich nicht herbeisehnte. Warum auch immer das Schwertkämpferlein sich so entschieden hatte, die beiden Magier hatten ihre erste Station festgelegt: Das Elternhaus des jungen Long, des entlaufenen Sohnes. Entlaufen. Schon wieder einer dieser Momente, an denen man am Vokabular Cyrus Gedanken ablesen konnte, benutzte er doch eine Beschreibung, die für ein Tier gebräuchlicher war, um einen Menschen damit zu betiteln. Apropos Long… bedeutete das denn nicht „Drache“? Die Eltern sollten vielleicht das nächste mal einen passenderen Namen suchen, denn ein bloßes Menschenkind nach diesen heiligen Wesen zu benennen grenzte irgendwie an Häresie. Sagte derjenige, dessen Nachname „Engel“ bedeutete… aber wen wunderte es?
Das Haus der Familie war schnell gefunden, das typisches Domizil einer Familie, die man wohl im gehobenen Mittelstand einzuordnen hatte, nicht gerade klein, aber auch nicht extravagant gewaltig. Was sie wohl von Beruf waren? Magier sicher nicht, denn dann würden sie ihren Sohn erstens selber suchen, zweitens hätten sie dann nicht ganz so viel Schotter… Und natürlich wusste er, wovon er sprach. Wenn man Geld anhäufen wollte, sollte man nicht seinen Beruf ergreifen, mit dem man zwar gut über die Runden kam, wenn man denn genügend Quests absolvierte, der aber dann doch nicht genügend abwarf, um sich so etwas leisten zu können. Wobei das auch nicht unbedingt stimmen musste, viel mehr traf es auf Magier ihres Grades zu, die sich noch nicht an den gefährlicheren, aber dafür auch besser bezahlten, Quests, versuchen konnten. Die Sephirot hatten vielleicht eher die Chance auf so eine Hütte… Mit leichten Schritten ging Cyrus auf die Eingangstür zu, vergewisserte sich noch einmal, ob auch schön der richtige Name am Schild stand und klingelte dann. Das metallene Scheppern der Glocke – sie schien einen Sprung oder so etwas zu haben – schien durchs ganze Haus zu hallen, ehe Schritte hörbar wurden, schnelle, hastige, die nicht so klangen, als stecke besonders viel Gewicht dahinter. Und schon wurde die schwarze Holztür geöffnet… von einer Frau mit türkis farbenen Haaren, die sie zu einem Dutt hochgebunden hatte. Dennoch umrahmten einige Strähnen zu beiden Seiten das ovalen Gesicht vorteilhaft, was ihr ein beinahe jugendliches Aussehen verlieh, obwohl sie sicher mindestens doppelt so alt wie Cyrus war. Bezaubernd. Sie blickte kurz unschlüssig, dann klärten sich ihre Züge jedoch zu einem freundlichen Lächeln und sie bat die beiden jungen Männer hinein. Ebenso wie die Weste der Frau, wirkte auch die Inneneinrichtung des Hauses leicht asiatisch angehaucht, worauf man von den Namen her schon hatte schließen können. „Willkommen in unserem bescheidenen Heim.“, begrüßte sie nun die Hausherrin und verbeugte sich leicht, "Ich gehe doch richtig in der Annahme, dass Sie die Magier aus Blue Pegasus sind?" Ha, wie er das liebte. Er bekam öfter mit, dass andere Gruppen, bestehend aus jugendlichen Magiern, ohne viel Federlesens geduzt wurden und nichts dagegen anrichten konnten, da ihr Alter es Erwachsenen schwer machte, sich diese Angwohnheit zu verkneifen. Ihm passierte das selten. "Richtig~ Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.", bestätigte Cyrus, dessen Lächeln wie immer nicht von seinem Gesicht wich. Er wartete eigentlich nur darauf, dass die Frau sich umdrehen würde und sie zu ihrem Mann geleiten würde. Er war nicht etwa ungeduldig, nein, aber wenn sie sich abwandte hatte er vielleicht eher die Möglichkeit, sie genauer zu mustern, ohne dass es ihr sofort ins Auge fiel. "Sehr schön! Folgen Sie mir bitte..." Und auf einmal hatte Cyrus einen herrlichen Ausblick auf die Kehrseite der Frau... allerdings riss er sich sofort wieder los und folgte ihr in ein gemütlich, aber dennoch stilvoll eingerichtetes Wohnzimmer, in dem ein Mann saß, der ganz offenbar der Vater von Long war. Phuong und seine Frau Yue also. "Guten Tag, werte Magier.", begrüßte nun auch der Hausherr die beiden. Innerlich hoffte der Weißhaarige inständig, dass sein kleines Anhängsel sich zu benehmen wusste, anderenfalls würde er ihn bitten müssen, draußen zu warten. Schlechtes Benehmen vor "wichtigen" Menschen war einfach nur peinlich. Wichtig in dem Sinne, dass sie ihre Auftarggeber waren, natürlich. "Wollen wir uns nicht setzen? Ich koche uns einen Tee.", schlug Yue vor und wuselte davon, nachdem sie auf einen flachen, gläsernen Tiscch gewiesen hatte. "Aber natürlich, Schatz.", stimmte Phuong ihr zu und stand aus dem Sessel auf, in dem aufrecht gesessen hatte. Er führte Maenor und Cyrus zu zwei Sitzkissen und der Dragonslayer pflanzte sich sofort auf das eine, die Beine überschlagen, aber dennoch gerade. Nichts erinnerte mehr an das Gefläze im Zug - da hatte ihn ja auch niemand beobachtet. Außer Maenor, aber wen kümmerte der schon? "Wir hatten gehofft, dass Sie uns einige Informationen über ihren verschwundenen Sohn geben könnten.", kam er sofort zur Sache, nachdem Phuong sich gesetzt hatte. Hatte Maenor noch etwas zu fragen, ehe der Vater erzählte? Dann solte er jetzt losschießen.

Dann wäre das ja geklärt und die Reise zum besagten Hause von Long konnte nun beginnen. Übrigens, ein wirklich exotischer Name, der seines Wissens nach nicht oft in Fiores anzutreffen war. Zumindest war ihm ein ähnlicher Name noch nie zu Ohren gekommen, aber das hatte nichts zu sagen, denn er war nicht wirklich oft unter Menschen gewesen, um sich dieser Aussage wirklich hundertprozentig sicher zu sein. Er tippte mal auf ein östliches Land, jenseits der Grenzen Fiores, doch sie mussten nicht unbedingt daraus stammen. Es konnte selbstverständlich sein, dass seine Vorfahren vor einigen Generationen oder aufgrund der Kriege nach Fiore gekommen waren, um hier zu leben. Sollte sich die Gelegenheit finden, so würde er einfach mal danach fragen, immerhin interessierte ihn die Frage schon etwas.
Seraphim ging voran und Maenor lief langsam und links von ihm hinterher, sodass er selbst Zeit hatte, die Stadt und ihre Bewohner zu betrachten. Diese Stadt sah ganz anders aus als Oshibana Town, die über und über mit Drachenskulpturen und Verzierungen war, die an diese mächtigen Wesen erinnerte. Mit der Zeit stellte er fest, dass sie immer weiter in Stadtmitte zu gehen schienen, anscheinend wusste Seraphim ganz genau, wo sie hinmussten. Damit sparten sie einiges an Zeit, denn er hätte zunächst einmal Leute nach dem Weg fragen müssen, was den arroganten Kerl bestimmt noch ungeduldig und damit noch unerträglicher gemacht hätte. Zum Glück herrschte gerade eine wahrlich angenehme Stille zwischen ihnen, die von ihm aus auch gerne die ganze Reise lang andauern konnte. Warum handelte es sich bei dem weißhaarigen Magier nicht um einen Taubstummen, der sich nur mithilfe der Gebärdensprache zu verständigen wusste? Das hätte ihn einerseits noch interessanter, andererseits weniger nervtötend gemacht, was seiner Meinung nach eine gute Kombination gewesen wäre.
Die Stille dauerte aber nicht wie erhofft, sondern erwartet nicht bis in die Unendlichkeit an, denn schließlich kamen sie am Haus ihrer Auftraggeber an. Und mit denen würden sie selbstverständlich reden müssen. Auf den ersten Blick staunte der Fice über das Haus, die Eigentümer musste wirklich nicht schlecht verdienen, wenn sie hier wohnten. Sie mussten keineswegs Superreiche sein, aber wohlhabend waren sie auf jeden Fall. Hier bekam der entflohene Junge auch bestimmt alles, was sein Herz begehrte, was wiederum die Frage aufrief, warum er überhaupt von zu Hause weggelaufen war. Waren vielleicht die Eltern schuld daran? Womöglich vernachlässigten sie ihren Sohn oder malträtierten ihn, dann hätte er Verständnis für die Aktion des Jungen gehabt. Nun, gleich würde er einen genaueren Blick auf die Eltern werfen können, denn sein Partner hatte soeben an der Tür geklingelt und es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, ehe sie schließlich aufging. Anders als erwartet, kam keine grimmig schauende Frau an die Tür, welcher man praktisch Misshandlung ansehen konnte. Vielmehr handelte es sich um eine junge Frau mit türkisfarbenen Haaren, welche sie kurz ausdruckslos anschaute, ehe sich ein herzliches Lächeln auf den Lippen bildete. Und wenn man genauer hinsah, konnte man auch sehen, dass es sich hierbei keinesfalls um ein junges Geschöpf handelte, wahrscheinlich hatten sie gerade Frau Long vor sich. Gut gehalten hat sie sich auf jeden Fall, das muss man ihr lassen. Ob sie wohl diese sündhaft teuren magischen Pflegeprodukte benutzte, die bei der Elite Fiores zurzeit der letzte Schrei waren?
Kurz darauf wurden die Magier herzlich hereingebeten, sodass sie sich einige Momente darauf in einem üppig eingerichteten Wohnzimmer befanden, in dem eine männliche Person auf sie wartete. Hierbei handelte es sich unmissverständlich um Herrn Long, der im Gegensatz zu seiner Frau eine gewisse Reife statt Jugendlichkeit ausstrahlte. Oh oh, dachte der Fice mit einem Blick auf den Dragonslayer. Hoffentlich weiß sich dieser Rüpel zu benehmen, sonst wird das hier eine verdammt peinliche Angelegenheit. Sie hatten es hier mit Kunden zu tun, da galt es sich zu benehmen! Hoffentlich schätzte der Andere die Situation ebenso ein, schoss es ihm durch den Kopf, während er kurz die Arme verschränkte, und begann sich umzusehen. Irgendwie kam ihm das alles ziemlich edel vor, was ihn an das Leben erinnerte, was er vor seiner Flucht geführt hatte. Dort hatte sich auch alles nur um Etiquette, Reichtum und gutes Benehmen gedreht, welche Stellung man hatte und aus welchem Zweig man kam, welchen Beruf man nachging. Das kam ihm alles schon so lange vor, ganz so, als wäre er bereits zwanzig anstatt zwei Jahre weg. "Guten Tag.", wünschte der junge Mann zurück, während er den Kopf senkte. Auch er setzte sich auf einen der ihnen angebotenen Sitzkissen, während er es dem anderen Magier gleich machte und eine gerade Sitzposition einnahm. Im Grunde genommen war ihm das alles ins Blut gegangen, so sehr war es ihm von seinen Eltern und all den anderen eingetrichtert worden. Schließlich mussten sich Clanmitglieder von den ganzen Normalsterblichen und Armen unterscheiden, und dazu gehörte nun mal gutes Benehmen. Seine Hände ruhten nun zusammengefaltet auf seinem Schoß, während er gespannt der Konversation lauschte, die langsam in Fahrt kam.

Eigentlich war es doch ein lustiger Zufall, dass beide Magier genau dasselbe dachten und dem jeweils anderen schlechtes Benehmen andichten wollten, oder? Dabei erschien es tatsächlich logischer, dass Cyrus unter Umständen keine Manieren hätte besitzen können: Während Maenor bis vor zwei Jahren bei seinem hoch angesehenen Clan gelebt hatte und wahrscheinlich eingetrichtert bekommen hatte, wie er sich zu verhalten hatte, hatte der Dragonslayer bis etwa zur selben Zeit in der Wildnis gelebt und wahrscheinlich nie wirklich gewusst, was Manieren überhaupt bedeuteten. Allerdings hatte er sich diese ganz schnell antrainiert, als er herausfand, dass man bei den Menschen ohne solche wohl kaum durchkommen würde. Zudem standen sie ihm eindeutig gut - Kaninchen ausweiden konnte er trotzdem. Es stimmte, was Maenor dachte, das Ehepaar, dessen Sohn Long verschwunden war, wirkte überhaupt nicht so, als könne es der Grund sein, dass der Junge abgehauen war. So freundlich und aufgeschlossen... unmöglich! Damit hatte sich der erste Verdacht wohl als falsch herausgestellt und sie mussten nach einem anderen Grund suchen. Ein kurzer Seitenblick zeigte, dass Maenor sich offenbar nicht so schlimm wie erwartet anstellte, gut.
Die türkishaarige Frau kam nach kurzer Zeit mit einem kleinen Tablett samt vier Teetassen und einer Kanne zurück, aus der es herrlich duftete. Tee war nicht gerade unangenehm, auch wenn es nicht gerade sein Lieblingsgetränk war. Sie stellte zwei Tassen vor Maenor und Cyrus ab und schenkte ihnen von der heißen Flüssigkeit ein. "Danke sehr.~", lächelte er und wartete kurz, ehe er seine Tasse vorsichtig in die Hand nahm und leicht auf die Oberfläche der heißen Flüssigkeit blies, sodass sich leichte Wellen darauf bildeten. Eigentlich ein ganz schöner Anblick. Aber deswegen war er nicht hier. "Unser Sohn Long... ist vor etwa einer Woche einfach über Nacht verschwunden und nicht mehr wieder aufgetaucht. Vollkommen aus heiterem Himmel.", setzte der Hausherr an und nahm sich ebenfalls seine Tasse. "Wir machen uns schreckliche Sorgen um ihn! Was ihm dort draußen alles passieren kann, ist schier unendlich!", warf Yue ein, die ihre Tasse fast ein wenig verzweifelt umklammerte. Niedlich, wie sie so verzweifelte, fand Cyrus, wirklich. Wenn sie nun nicht ganz so alt wäre... dabei sah sie nichtmal so alt aus. Aber vielleicht war sie auch nur eine Magierin, die Transformationsmagie beherrschte und in Wahrheit wie eine Schildkröte aussah? Außerdem... war sie verheiratet. Gut, anderer Gedanke! "Mit wem...", fragte er statt sich noch weiter Gedanken zu machen, "...hatte Ihr Sohn denn in der Zeit vor seinem Verschwinden am meisten Kontakt? Hatte er eine Freundin? Kameraden? Eine Clique? Irgendso etwas?" Nun ja, er war ein Jugendlicher, das würde doch passen. "Hatten Sie in letzter Streit mit Long?" Es war ja nun nicht sicher, ob dieses Ehepaar wirklich so freundlich war, wie er das glaubte. Mit einer behutsamen Bewegung hob er die Tasse zu seinen Lippen und trank einen kleinen Schluck.
"Ja... natürlich hatte er Freunde, wenn auch keine Freundin.", begann Yue vorsichtig zu antworten und auf Cyrus' Lippen wurde das Lächeln etwas breiter. *Okay, jetzt weiß ich, worauf ich mich einzustellen habe.* "Sein bester Freund heißt Zhang, wenn ich mich nicht irre. Ich kann Ihnen seine Adresse geben." "Wäre freundlich." "Aber gestritten haben wir uns eigentlich nicht mit ihm, nicht wahr, Schatz?", warf Phuong ein und nahm noch einen Schluck Tee. "Wir lieben unseren Sohn doch von ganzen Herzen!" Cyrus lächelte dazu nur. Innerlich schnitt er eine Grimasse, das war ja wirklich rührend... "Gut, wenn Sie uns die Adresse geben, wäre es das von mir, hast du noch Fragen..." Ach verdammt. Er sollte Maenors Namen nicht nennen... "...Kleiner?" Besser als Chibi-chan war das allemal, wenn man ihn fragte.

Auch er empfing eine Tasse herrlich duftenden Tee von Longs Mutter, für welchen er sich herzlich bedankte. "Vielen Dank, das riecht ja herrlich." Nun aber genug geredet, der Tee wollte nicht länger auf sich warten lassen, weshalb ihn der junge Mann in die Hand nahm und begann zu pusten. Er schien wirklich heiß zu sein, ob es eine gute Idee war, ihn jetzt schon zu trinken? Vielleicht sollte er ja noch einige Minuten abwarten, damit er abkühlen konnte, nicht dass er einen großen Schluck nahm und sich den ganzen Mundbereich verbrannte. Das würde eine Szene geben und solch einer Blamage wollte er sich vor seinem arroganten Partner nicht wirklich geben. Das hätte ihm nämlich Gesprächs- und Hänseleistoff für die nächsten paar Stunden gegeben, einen Fakt, auf den Maenor gut und gerne verzichten konnte. Schließlich rang er sich dazu und legte die Tasse wieder sanft vor sich ab, um sich mit voller Konzentration wieder dem Gespräch zuzuwenden, was gerade von statten ging. Eines musste man so einem wie dem arroganten Dragonslayer lassen, er stellte sich tatsächlich ziemlich kompetent an und klapperte all jene Fragen ab, die er selbst hatte stellen wollen. Eine nach der anderen konnte er in seinem Verstand durchstreichen, sodass am Ende keine Einzige mehr übrig blieb.
Und trotz all der gestellten Fragen schien es ein riesiges Rätsel zu sein. Warum war denn Long aus heiterem Himmel einfach verschwunden, wenn er weder noch Streit mit seinen Eltern noch mit seinen Freunden gehabt hatte? Wie man heraushörte, hatte der Junge anscheinend sogar ein relativ gutes Verhältnis zu seinen Eltern, was nicht unbedingt an der Tagesordnung war. Jugendliche in seinem Alter rebellierten gerne mal gegen ihre Eltern und überspannten den Bogen, um ihre Grenzen festzustellen und ähnliche Sachen. Moment mal, schoss es ihm durch den Kopf. Es gab durchaus einen Aspekt bezüglich Long, der noch nicht abgefragt worden war. Das war seine Chance, sich ebenfalls an der Konversation zu beteiligen. Und das würde er auch tun, sobald er die Chance dazu erhielt. Wie es schien, sollte diese auch nicht lange auf sich warten lassen, denn Seraphim schien keine Fragen mehr zu haben und wartete stattdessen auf die Herausgabe der Adresse von Longs bestem Freund – dem sie wohl als Nächstes einen Besuch abstatten würden, mal schauen, ob dieser genau so freundlich auf die beiden Magier reagieren würde wie Longs Eltern? - sodass er ihn fragte, ob er ebenfalls noch etwas fragen wollte. Dass er ihn Kleiner nannte, begeisterte Maenor nicht unbedingt, doch da er sich langsam aber sicher an Seraphims Art gewöhnte, machte es ihm nicht wirklich viel aus. Immerhin besser als Maenor genannt zu werden, er schien es endlich kapiert zu haben.
Langsam nahm er wieder die Tasse Tee in die Hand und nippte kurz mehrere Male daran, wahrlich ein guter Tee. "Haben sie in letzter Zeit irgendwelche Veränderungen an ihrem Sohn gemerkt? Dass er sich vielleicht etwas anders als gewöhnlich verhalten hat? Ob ihn möglicherweise etwas bedrückt hat?" Es konnte nämlich durchaus sein, dass er in schwere Probleme geraten und von zu Hause weggelaufen war, um seine lieben Eltern nicht mit reinzuziehen.

Wie einseitig von Maenor, nur diese Seite an Cyrus zu sehen. Vielleicht wollte er aber auch nur nicht wahrhaben, dass der junge Mann - trotz seiner durchaus arroganten Art - auch zu weitaus mehr fähig war. Wahrscheinlich würden ihm die Augen übergehen, wenn er sehen würde, wie charmant das Weißhaar sein konnte. Nur leider verschwendete Cyrus solches Benehmen nicht auf unästhetische Kleingeister wie den Jungen, den er sich nur für diese Quest herangezogen hatte, sondern auf Menschen, von denen er etwas wollte - sei es Zuwendung, Anerkennung oder Materielles, wobei letzteres eher selten war. Die Antworten stellten für ihn völlig außerfrage, dass diese Eltern etwas mit Longs Verschwinden zu tun haben könnten, die Familie schien wie aus dem Bilderbuch geschnitten zu sein, furchtbar klischeehaft, schrecklich fürsorglich und übertrieben ekelig. Vielleicht dachte er das nur, weil er ein wenig neidisch auf Long war? Vielleicht auch nicht. Schließlich hatte er die beste Mutter, die sich ein Mensch wünschen konnte - seine echte interessierte ihn da keinen Deut.
Und da meldete sich Chibi-chan wieder zu Wort, nachdem er sich so vorsorglich nicht an seinem Tee verbrannt hatte. Es stimmte übrigens nicht, dass Cyrus ihn damit aufgezogen hätte, er hätte allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit jedes Mal ein Grinsen geerntet, wenn er ihn mit etwas heißen in Verbindung gesehen hätte. Und natürlich einen vernichtenden Blick, der ihm gezeigt hätte, was für ein peinliches Baby er doch war... aber er hatte sich nicht verbrannt. Gute Entscheidung. Ob er sich ungewöhnlich verhalten hatte? Tatsächlich, die Frage hatte er versäumt, was wohl wahrscheinlich daran lag, dass es ihm egal war, wie sich andere fühlten, mit denen er nichts zu tun hatte. Wieso sollten ihn also die Gefühle eines pubertierenden Teenagers interessieren? Aber gut, unter Umständen würde ihnen diese Information weiter helfen. "Anders als gewöhnlich...?", fragte Yue und machte ein ratloses Gesicht, "Ich glaube, ich muss auch hier verneinen..." "Long hat sich auch nicht anders als sonst benommen.", sekundierte Phuong und nahm einen weiteren Schluck Tee. Okay. *Fassen wir zusammen: Laut der Eltern war alles wie sonst auch, nur dass der Sohn auf einmal verschwunden war. Na dann auf zu diesem besten Freund, ich wette, dass der mehr weiß.* "Gut, das wars auch schon an Fragen, wenn Sie mir bitte die Adresse seines Freundes gaben würden, dann belästigen wir Sie auch nicht weiter.", beendete er das Gespräch, schließlich schien diese Quelle erschöpft. Mit einem schnellen Zug war die Teetasse geleert - welch ein Glück, dass man dieses Zeug auf ex trinken konnte, ohne danach acht geben zu müssen, wo man landete - und er stand auf, während sich Phuong erhob und den Zettel, den er zuvor mit der Adresse beschriftet hatte, an ihn weitergab. "Bitte finden Sie unseren Sohn, werte Magier, er hat noch viel vor.", bat er, bevor Cyrus nicken konnte und sich mit einem "Wir versuchen es, nicht wahr, Kleiner?" umdrehte und zur Haustür schritt. Es galt, keine Zeit zu verlieren, außerdem hatte er nicht vor, den Rest seines Lebens auf der Suche nach einem kleinen Jungen zu verschwenden.

Long schien sich also überhaupt nicht verändert zu haben. Weder benahm er sich komisch, noch hatte er Streit mit seinen Eltern gehabt. Alles in allem deutete also nichts daraufhin, dass es einen guten Grund gab, um abzuhauen. Und trotzdem war er einfach verschwunden. Dies warf wiederum die Frage auf, ob er diese Entscheidung nicht von sich aus getroffen hatte, sondern vielmehr entführt worden war. Sicherlich war dies immerhin. Aber dann aus welchem Grund? Die Eltern schienen keine Lösegeldforderung erhalten zu haben, die auf eine Entführung hingedeutet hätte. Das bedeutete also, dass die beiden jungen Magier aus Lamia Scale im Moment völlig im Dunkeln tappten. Doch was war das? Phuong behauptete gerade, dass sein Sohn noch viel vor hatte. Vielleicht war der Junge ja abgehauen, weil ihm der Druck seitens der Eltern zu groß wurde und generell zu viel von ihm erwartet wurde. Doch Maenor war sich sicher, dass die beiden fürsorglichen Eltern dies abgestritten hätten, weshalb er sich kurz verbeugte, ehe er es seinem Partner gleichmachte und sich zum Gehen wandte. "Verlassen sie sich auf uns, wir werden ihren Sohn schon finden." Und damit gingen die beiden raus und befanden sich auf dem Weg zum besten Freund des Vermissten, dessen Adresse sie vor einigen Momenten erhalten hatten.

Da sich der junge Fice nicht in Magnolia Town auskannte, ließ er wieder dem Dragonslayer dem Vortritt, der sowieso gerade den Zettel mit der Adresse in der Hand hielt, damit jener sie zum besagten Ort führte. Und so kam es, dass sie sich nach einigen Minuten wieder vor einem recht großen Haus befanden und klingelten. Nach einigen Sekunden hört man ein näher kommendes Aufstapfen, ehe schließlich die Tür aufging, welche anscheinend von einem kleinen Mädchen geöffnet wurde. Freundlich lächelnd sprach sie der junge Mann an. "Entschuldigung Kleine, kannst du mir vielleicht sagen, ob hier jemand namens Zhang lebt?" Das Mädchen schaute sie kurz mit großen, verwirrten Augen an, ehe sie schließlich zu nicken begann. Ziemlich schüchtern die Kleine, was? "Wir beide sind Magier und würden uns gerne mit ihm unterhalten, könntest du ihm vielleicht Bescheid sagen?" Als er das Wort Magier in den Mund nahm, wurden die Augen des Mädchens noch größer und ihr Gesicht begann zu strahlen. "Jaaaa, kommt rein. Er ist oben in seinem Zimmer, ich werde ihn rufen." Und damit trabte sie fröhlich ins Haus, während ihr die beiden Magier folgten. Das kleine Mädchen befand sich nun an der Treppe zum nächsten Stockwerk und hatte ihre Hände am Mund, sodass sie besser zu hören war. "Nii-saaaaan, da sind zwei Magier unten, die dich sprechen wollen. Kommst du bitte herunter?" Maenor verschränkte die Arme hinter dem Rücken, während er sich mal im Haus umsah. Dieses hier war genauso üppig eingerichtet wie das zuvor, anscheinend mussten Zhangs Eltern ebenfalls nicht schlecht verdienen. "Er sollte gleich kommen.", sagte sie fröhlich während sie sich langsam, aber sicher den beiden Magiern näherte. Ganz so, als ob sie etwas Besonderes und Gefährliches wären, das man mit Vorsicht genießen müsste. Anschließend fixierte sie den Dragonslayer, der sie besonders zu interessieren schien, sodass ihr die Fragen sofort aus dem Mund sprudelten. "Heeey, sag mal, kannst du zaubern? Erlebst du oft Abenteuer? Was muss ich werden, um auch Magier zu werden?" Und so ging das eine Minute lang, und Zhang kam nicht. Hatte er das Mädchen nicht gehört? Es kam und kam einfach keine Reaktion oder irgendwelche Geräusche aus dem oberen Stockwerk, weshalb sich der junge Magier einfach entschloss, nach oben zu gehen, um den besten Freund des Vermissten persönlich aufzusuchen. Die Treppe war schnell hinter sich gebracht, und als er oben ankam, hörte er plötzlich ein polterndes Geräusch im Zimmer zu seiner Rechten, gefolgt von einer unnatürlichen Stille. Alarmiert sprang er vor und riss die Tür auf ... nur um ein offen stehendes Fenster vorzufinden. Langsam, immer auf mögliche Fallen und Gefahren achtend, bewegte sich der Fice zum Fenster vor. Dort angekommen konnte er sehen, dass mehrere Bettlaken dazu benutzt worden waren, um jemandem einen sicheren Abstieg zu ermöglichen. Und dieser jemand lief rannte gerade mit höchster Geschwindigkeit die Straße entlang. "Verdammt!"

Und schon wieder standen sie vor einem Haus, dieses Mal zwar vor einem, das darauf schließen ließ, dass diese Familie nicht ganz so gut situiert war, wie die von Long, aber immer noch nicht schlecht. Der Weg war entsprechend kurz gewesen, gute Freunde wohnten ja oft nah beieinander. Obwohl er das eigentlich gar nicht beurteilen konnte, er hatte nicht gerade viele Freunde, beinahe nur oberflächliche Bekanntschaften. Maenor klingelte und nach kurzer Zeit öffnete ihnen ein kleines Mädchen, vielleicht die Schwester des Jungen. Oh Gott. Cyrus hasste Kinder, es war das letzte was er brauchte, sich auch noch mit einem kleinen Balg herumzuärgern. Aber zum Glück übernahm Chibi-chan das Reden, sodass er sich im Hintergrund halten konnte. Die Kleine rief nach ihrem Bruder - es war also ihr Bruder gewesen - und bat die beiden Magier hinein. Und kaum waren sie drinnen, begann die Hölle über Cyrus herein zu brechen, in Gestalt des kleinen, blonden Mädchens mit den zwei niedlichen Zöpfen zu beiden Seiten des Kopfes. Dieses kleine, ach so süße Wesen begann nämlich aus dem Blauen heraus, ihn mit Fragen zu überschütten, nachdem sie die beiden ein wenig wie Tiere im Zoo betrachtet hatte. Wurde nicht schon einmal erwähnt, dass Cyrus kleine Kinder hasste? Ihr Geist war unreif, ihr Körper interessierte ihn nicht und dieses Gelabere... raubte ihm einfach nur den letzten Nerv, wie konnte es sein, dass dieses nervige Kind ausgerechnet ihn ansprach und nicht Maenor, der doch so viel liebenswürdiger war? Und diese Fragen erst...! Es kostete ihn wirklich alle Beherrschung, dem Mädchen nicht einfach einen über die Rübe zu ziehen und gut wäre. Aber das würde man dann wohl als Körperverletzung quittieren und auf eine Anzeige hatte er wahrlich keine Lust. Also lächelte er sie kurz an, um sie dann konsequent zu ignorieren. *Der braucht aber lang, was macht der denn da oben?* Es stimmte, der Junge brauchte verdammt lang... verdammt, vielleicht hätte das Mädchen nicht erwähnen sollen, wer die beiden waren! Denn wahrscheinlich konnte Zhang eins und eins zusammen zählen und... da rauschte Maenor auch schon die Treppe hoch, offenbar hatte er gerade denselben Einfall gehabt. Er selbst musste erst einmal die Göre abschütteln, die sich ungefragterweise an seinen Arm geklammert hatte, danach rannte er dem Jungen nach, die Treppe hinauf, nach rechts und in das Zimmer Zhangs. Das musste es wohl sein... Maenor stand vor dem offenen Fenster und blickte hinunter. Aber auch Cyrus konnte eins und eins zusammen zählen, so langsam von Begriff war er nun auch wieder nicht. Stattdessen lief er zu dem Jungen, der immer noch - nun aber fluchend - vor der Öffnung stand und schlang ungefragt beide Arme um seine Taille. "Anschnallen nicht vergessen~", flötete er, ehe er den Jungen auf die - zum Glück niedrige - Fensterbank hob und sich mitsamt dem Jüngeren aus dem Fenster stürzte. Zweiter Stock, wohlbemerkt.
Mit einem Grinsen auf dem Gesicht festigte Cyrus seinen Griff um Maenor und konzentrierte anschließend seine Magie an den Narben auf seinem Rücken. Er hatte festgestellt, dass die >Sky Dragon's Wings< auf dieser Position am effektivsten waren, sodass die beiden nach etwa eineinhalb Metern freiem Fall beinahe in die Waagerechte gezogen wurden und durch die Luft glitten. Natürlich dem Jungen hinterher, der seinen Abstieg sicherlich weder so schnell, noch so elegant hingelegt hatte.

Verdammter Mist, wie hatte das nur passieren können? In seiner Gleichung hätten sie den Jungen oben auf dem Zimmer gefunden und anschließend eine Konversation geführt, bei dem sie vielleicht mehr über Long und sein Verschwinden herausgefunden hätten. Bestimmt wusste Zhang nämlich, was seinem besten Freund durch den Kopf ging, sodass sie einen Schritt weiter gewesen wären. Doch stattdessen hatte er ein leeres Zimmer mit offenem Fenster gefunden, aus dem sich jemand heruntergeklettert war. Warum war der Junge weggelaufen? Sie hatten weder eine Bedrohung oder irgendetwas Gefährliches in der Art dargestellt, einzig und allein seine kleine Schwester hatte ihn gerufen und verkündet, dass ihn zwei Magier sprechen wollten. Das war doch nichts Schlimmes, oder? Außer ...
Bevor Maenor diesen Gedankengang fortführen konnte, spürte er plötzlich, wie sich zwei Arme um seine Taille schlangen und ihn gut festhielten. Ehh, Moment Mal, was ist das denn? Bevor er jedoch irgendetwas sagen konnte, sprang auch schon Seraphim – der ihn von hinten gepackt hatte – auf die Fensterbank und anschließend in die Luft, weshalb sie nun gen Boden fielen. Der Schreck, der in diesem Moment durch den überraschten jungen Magier fuhr, war einfach viel zu groß, als dass er schreien und sich gegen diesen Suizidversuch wehren konnte. In dem Moment, als er sah, wie der Boden immer näher kam, blieb sein Herz einfach stehen und lähmte seinen Körper. Im Nachhinein war er ziemlich froh über diesen Fakt, da er sonst gewiss ängstlich und laut geschrien hätte und er wollte sich keinesfalls so eine Blamage vor dem Dragonslayer geben. Dieser hätte dann nur noch mehr Munition gehabt, um auf ihn zu feuern und ihn weiter zu ärgern. Nach einigen Sekunden des Schreckens und der Todesangst merkte er jedoch, wie sie langsam auf den Boden zuglitten. Die Geschwindigkeit war viel zu gering für einen Fall, und dafür konnte es lediglich einen einzigen Grund geben: Seraphim. Ob dies wohl eine seiner vielen Fähigkeiten war? Passen würde es zumindest, da er ja selbst behauptet hatte, dass er über das Element des Himmels gebot. Man, hatte er ihm einen Schrecken eingejagt und Maenor wusste nicht, warum, aber er hätte, bestimmt eine seiner Hände darauf verwettet, dass der junge Mann das absichtlich gemacht hatte. Wie dem auch sei, darum konnten sie sich später kümmern, jetzt galt es erst einmal den flüchtenden Zhang einzuholen und zur Rede zu stellen.
Endlich auf dem Boden angekommen, riss er sich sofort von dem größeren Magier los und begann in höchstem Tempo dem Flüchtenden hinterher zu rennen. Zwar hatte dieser mittlerweile einen recht großen Vorsprung, doch Maenor war sich hinsichtlich seiner Geschwindigkeit recht sicher, was er mal angemerkt seinem Training zu verdanken hatte, und holte deshalb langsam aber stetig auf. Zusätzlich zur höheren Geschwindigkeit gesellte sich noch der Fakt, dass er bestimmt einiges mehr an Ausdauer als der Junge besaß, weshalb er auf lange Sicht gewinnen sollte. Wäre da nicht ebenfalls eine Stärke gewesen, die der Flüchtende für sich verbuchen konnte. Dies war seine Heimatstadt, weshalb anzunehmen war, dass er sich hier besonders gut auskannte. Im Gegensatz dazu hatte Maenor nicht die leiseste Ahnung über Magnolia Town, sodass es gut sein konnte, dass er, sollte er den Jungen aus den Augen verlieren, nicht mehr so schnell wieder sehen würde. Während des Rennens beschäftigten ihn mehrere Fragen, unter anderem, warum Zhang vor ihnen geflüchtet war. Wusste er vielleicht wirklich irgendetwas Wichtiges über den verschwundenen Long? Seine Reaktion schien auf jeden Fall ziemlich panisch und schuldhaft zu sein, wenn man bedachte, dass sich der Junge aus dem zweiten Stock geseilt hatte, nur um einem Gespräch mit den beiden Magiern aus dem Weg zu gehen. Na das würden sie eben sehen, sobald sie ihn eingeholt und zur Rede gestellt hatten.