Konnte man gerade behaupten, Souta hätte Cyrus angesprungen? Wahrscheinlich schon, war er doch über den Tisch gesprungen und hatte versucht, den Älteren relativ unsanft auf den Boden zu befördern. Alles was er zuvor durch den Zuckerschleier in seinem Kopf bemerkenswert schnell kombiniert hatte, entsprach der Wahrheit, einschließlich der Tatsache, dass der Weißhaarige versuchte, ihn in die weibliche Rolle des ganzen Spiels zu drängen. Natürlich, denn das war er schließlich auch gewöhnt, außerdem hatte der Einäugige es ihm nicht gerade schwer gemacht, stattdessen hatte seine theatralische Seite dies beinahe provoziert. Nie, aber auch nie ließ sich Cyrus von sich aus zum weiblichen Part degradieren und er würde auch jetzt nicht damit anfangen. Allerdings befand er sich gerade im wahrsten Sinne des Wortes in einer Lage, die wenig Spielraum für große Entscheidungen ließ: Nämlich direkt unter Souta, der es sich gerade auf ihm bequem gemacht hatte. Zwar hatte er den Sturz der beiden mithilfe der >Sky Dragon’s Wings< abfedern können, sodass sie eher zu Boden geglitten als gefallen waren, aber das änderte nichts daran, dass er nun auf dem Caféboden lag. Er lag. Er. Nicht Souta, sondern er selber. Und allein schon dieser Positionswechsel ging dem jungen Mann tierisch gegen den Strich, da er ungerne die Kontrolle aus der Hand gab. Bisher hatte er sie noch recht gut bewahren können, da Souta in seinem koffein- und zuckerumnebelten Zustand sehr durchschaubar war, aber diese Entwicklung gefiel ihm nun wirklich nicht mehr. Aber aufgeben? Oh nein, dafür war er dann doch zu Stolz, ebenso wie es ihm langsam Spaß zu machen begann, was die beiden Magier hier taten – auf eine wahrscheinlich ungesunde Art und Weise. *Bis zum bitteren Ende also? Vielleicht wird es ja eher süß...* Noch immer haftete sein Grinsen auf den Lippen, die Souta beinahe mit den seinen berührte, als er sie öffnete und hauchte "Aber Souta-chan~ Nur wegen so einer Kleinigkeit werde ich doch nicht aufgeben." bevor er mit aller Kraft an seiner rechten Hand zog, bis er sie Soutas Klammergriff entwunden hatte und sie sofort in dessen Nacken legte, um ihn noch ein Stückchen weiter herunter zu ziehen. Sein Anblick hatte wirklich etwas ästhetisches, wie ihm die Haare so ins Gesicht fielen... nichtsdestotrotz gefiel ihm diese Stellung immer noch nicht. Viel besser würde sich der Rothaarige doch sicherlich auf dem Boden liegend machen, die Haare wirr auf der Stirn klebend, einen Ausdruck von... Ah genau, nicht zu sehr ins Detail gehen, am Ende passsierte doch nichts und er hätte sich auf irgendetwas Hoffnungen gemacht. "Warum sollte ich auch aufgeben, momentan... läuft doch alles sehr interessant ab~", flüsterte er mit nun eindeutig rauer Stimme, ehe er seine freie Hand zum Kragen von Soutas Hemd gleiten ließ. "Wie... zuvorkommend, dass ich beginnen darf~", kommentierte er Soutas Ansage, dass er doch den ersten Schritt machen solle und friemelte den obersten noch geschlossenen Knopf seines Hemdes auf, dann den zweiten, ehe er mit der Hand über die vollkommen glatte Haut seiner Brust strich, vorsichtig, beinahe wie ein Lufthauch, während er seine Lippen erneut auf Soutas legte. Dass die Gäste um sie herum eindeutig vergessen hatten, dass da noch Eis und Kaffe und anderes süßes vor ihnen stand, bemerkte er gar nicht, da seine Konzentration gerade ganz wo anders lag. Die Chance, die Rollen wieder zu tauschen, würde schon noch kommen.

Das Anspringen hatte ja schonmal gut geklappt. Er saß oben, Seraphim war unten. Somit lief alles wieder in geregelten Bahnen, zumindest halbwegs, denn der Rotschopf saß immernoch rittlings auf einen Kerl und hatte die Lippen direkt neben seinem, während er eine seiner Hände auf den Boden presste. Moment - eine Hand?! Wie hatte er es geschafft...oh, da war sie auch schon. Riss seinen Nacken mit sanfter Gewalt zu sich nach unten, so dass der Atem des Kettenmagiers über das Gesicht seines neuen Freundes strich, leicht keuchend wegen der vorhergegangenen Akrobatik und der Antwort Seraphims. Der würde nicht aufgeben. Somit war er mehr oder weniger komplett verloren. Es war ihm prinzipiell ja egal, wie weit er es nun mit ihm trieb und ob überhaupt, doch so langsam begann das fehlende Kleingeld an seinem Gewissen zu nagen. Die Besitzerin des Cafès war so nett gewesen - und im Endeffekt betrog er sie ja. Es stimmte: Souta war egal, was andere Menschen von ihm hielten. Aber andere Menschen an sich waren ihm überhaupt nicht egal. Der junge Mann würde sich für jeden in diesem Café ohne zu zögern vor eine Kugel werfen, egal, ob er sie kannte oder nicht. Das war ein Prinzip. Souta war der strahlende Held und große Macht bedeutet nun einmal auch Verantwortung. Es war seine Aufgabe Normalsterbliche zu beschützen und genau deshalb mochte er die Rolle der Frau, die Weißhaar ihm aufschwatzte, so überhaupt nicht leiden. Sie drängte ihn in eine Hilflosigkeit zurück, mit der er nicht umgehen konnte. Er war nur einmal in seinem Leben hilflos gewesen, damals als...
Finger strichen über seine glattrasierte Brust! Irritiert hielt er inne, bemerkte, plötzlich aus seinen Gedanken gerissen, dass er - der alte Weiberheld - völlig reflexartig und ohne es überhaupt mitzubekommen Seraphims Geknutsche erwiderte. Altbekannte Handgriffe wollte der Magier nun abrufen, Dinge, die er schon beherrschte seit er noch ein zarter Teenager war. Eigentlich war er ja nie wirklich unschuldig gewesen. Sobald Klein-Souta Mädchen nicht mehr eklig fand, hatte er sich auch schon daran gemacht sich seinen Ruf aufzubauen. Daran war doch überhaupt nichts Verwerfliches, schließlich hatte es bisher allen gefallen. Warum sollte man auch nicht etwas tun, was man gut kann? Was war schlecht daran, Freude zu verbreiten? Ganz Recht: Gar nichts! Deshalb zogen sich auch die Mundwinkel des Rothaarigen in die Höhe, während er seine Hand am Körper des Jungen herabbewegte. Hm. Eigentlich könnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn er es schlau anstellte. Leider war Seraphim vermutlich intelligenter als er, aber man konnte es ja trotzdem versuchen. Er selbst hatte auch einige Tricks auf Lager..."Seraphim...ich muss dir etwas gestehen...", raunte der Magier also demütig, beinahe etwas weinerlich, während er auch dessen zweite Hand losließ und sich mit dem Kinn auf die Brust seines Unterliegers legte, so dass er ihm aus nächster Nähe aus großen Augen ansehen konnte - seine Hände lagen dabei direkt unter seinem Gesicht, was ihm wohl ein wenig das Aussehen einer lauernden Katze gab, bereit zu spielen - oder zuzuschlagen. "Ich habe keinen Jewel mehr in der Tasche....würdest du vielleicht aushelfen? Keine Sorge..." Von der Stimme, die den jungen Mann direkt wieder in die weibliche Rolle dieser 'Beziehung' bugsierte (manchmal muss man eben Opfer bringen...), unterstützt, streichelte er an Seraphims Seite hinab und umschloss schließlich mit seinen Fingern seinen Gürtel, während sich das unschuldige Lächeln zu einem breiten Grinsen entwickelte. "Ich tue auch wirklich alles für dich, um diesen Gefallen zu erwidern..." Nuuun - was würde er dazu sagen? Wenn er 'Nein' sagte war er verloren, aber das war er wohl auch, wenn er 'Ja' sagte. Leider fiehl das erst ein, nachdem es schon gesagt wurde. Tja, Pech.

Soutas Alarmglocken hätten weitaus früher läuten sollen, nicht erst, nachdem er dieses Angebot unterbreitet hatte. Er hätte wahrscheinlich von Anfang an ein wenig vorsichtiger sein müssen, aber er hatte schließlich auch nicht wissen können, dass Cyrus zwar ebenso spielerisch an die ganze Sache gegangen war, wie der Rotschopf selbst, aber so im Allgemeinen durchaus ein Interesse an Souta hätte entwickeln können. Man hätte ja kaum erahnen können, dass der weißhaarige junge Mann, der doch relativ viel Interesse am weiblichen Geschlecht zu haben schien, auch dem eigenen nicht besonders abgeneigt war, oder? Zuvor war Soutas Versuch, ihn zum aufgeben zu bewegen, fehlgeschlagen, hatte er doch statt klein beizugeben, ihr Spiel unbeirrt fortgesetzt. Nun aber schien der Einäugige einen Punkt gelandet zu haben, nur leider war dieser Sieg eine sehr, sehr zweischneidige Klinge. Um es noch einmal zu wiederholen, er bat ihn darum, für ihn zu bezahlen (An diesem Punkt hatte ihn das gehauchte "Nein" schon auf der Zungenspitze gekitzelt) und erklärte, er würde wirklich alles dafür tun. *Wirklich alles?* Das "Nein" schmolz innerhalb der wenigen Sekunden, die sein Hirn zum registrieren dieser vollkommen neuen Möglichkeiten brauchte, zu einer Trockenheit, die ihn zum Schlucken brachte. Als sei seine gesamte Speichelproduktion rückläufig oder zum Stillstand gekommen, dabei würde doch die Umschreibung, dass ihm das Wasser im Mund zusammen lief, so viel besser passen. Aber nein, Cyrus Lippen fühlten sich mit einem Mal staubtrocken an. Knochenstaubtrocken. Er kannte dieses Gefühl, auch wenn er es nicht halb so oft selbst spürte, wie er es wahrscheinlich auslöste, aber in einem war er sich beinahe sicher: Souta war sich wahrscheinlich dem vollen Ausmaß seines Handelns gar nicht bewusst, mochte er noch so erfahren im Umgang mit seinen Spielkameradinnen sein.
Das Lächeln, das für diesen einen Schockmoment aus seinem Gesicht gewichen war, schlich sich langsam zurück auf seine Lippen, aber dieses Mal hatte es eindeutig etwas animalisches an sich, ein zähnebleckendes Grinsen, das vor allem eines andeutete: Ja, der Rotschopf hatte sich gerade ziemlich in die Scheiße geritten. Beinahe wortwörtlich zu sehen, saß er – oder lag schon beinahe – immer noch auf Cyrus, obwohl die Rollenverteilung gerade eindeutig festgelegt worden war – zuungunsten Soutas selbstverständlich. “Souta-chan...~“, schnurrte er und legte die Hand langsam auf die Hüfte des Jungen, während er die andere wieder in dessen Nacken wandern ließ, die Finger in dessen widerspenstigen Haaren vergrub. "Ich glaube dieses Angebot kann ich gar nicht ausschlagen... wo es doch so wenig differenziert formuliert ist~" Genau. Das was Souta da gerade angeboten hatte war wie eine Art Blankocheck, der ihm jede Möglichkeit offen ließ. Und momentan verlangte es seinen Körper nach ein wenig mehr Berührungen des Rothaarigen, ein bisschen weniger Publikum und vor allem eine Offenlegung der Tatsachen. Das hier war kein Spiel mehr. Zumindest für ihn hatte sich das anfänglich gekünstelte flirten zu etwas routiniertem, beinahe geschäftlichem entwickelt, das Souta sicherlich auch gut genug kannte. Leider bisher nur aus der anderen Perspektive.
Mit einem gleichzeitigen Ziehen an Soutas Körper, der durch die interessante Position, die er da eingenommen hatte sowieso eher instabil geworden war, und einem Herumdrehen seines eigenen wurde der Spieß in wahrsten Sinne des Wortes umgedreht. Durch die vorherige Platzierung Soutas brauchte Cyrus nicht einmal seine Hände zu benutzen, um den Rothaarigen nun seinerseits am Boden festzuhalten - seine Knie auf den Oberarmen des Kettenmagiers reichten da wohl vollkommen aus. Langsam senkte er den Kopf, bis seine Lippen nahe genug an Soutas Ohr angekommen waren, dass das, was er nun hineinraunte, von keinem anderen vernommen werden konnte.
"In Ordnung, Souta-chan. Aber dafür..."
Sollte man erwähnen, dass Cyrus nicht besonders weit von diesem Café entfernt wohnte und dass er beabsichtigte, Souta dorthin einzuladen?

Es war einer dieser besonderen Tage, die Naomi mit Masaru unterwegs war. Nun offiziell zumindest war dies die Aussage des Tages, wenn Gideon danach fragte. Sicher verließen die Zwei gerne zusammen das Haus und blieben auch eine Weile zusammen, doch dann trennten sich meinst ihre Wege. Naomi war manchmal ganz dankbar für diese Freizeit von ihrem Wächter, auch wenn dieser noch eine der nettesten Personen in ihrem Umfeld war. Den Tag verbrachte sie meist damit sich in Oshinbana umzusehen, Plätze neu zu entdecken oder an bekannten Orten die Zeit zu genießen, wie sie vorbeiflog. Freizeit, die als wirklich freie Zeit gewertet werden konnte, dass sie diese nicht mit ihrer Familie verbringen musste. Heute verschlug es das Mädchen an einen Ort, den sie sonst nur aufsuchte, um einen Gildenkollegen zu treffen, der ganz in der Nähe wohnte. Heute jedoch war es mehr der Hunger auf etwas Süßes, etwas Leckeres und dafür war Hanabis Café genau der richtige Ort. Naomi hatte sich also vor dem Café von Masaru verabschiedet und hatte es betreten. Da war die hübsche Frau, Naomi hatte sie bereits einmal gesehen, aber sie wusste es wahrscheinlich nicht. Es war damals gewesen, als sie Seraphim abgeholt hatte, weil sie ihn auf eine Quest mitschleppen wollte. Nun brachte sie verschiedenen Menschen im Raum ihre Bestellungen. Es war in der Tat recht voll, scheinbar ein guter Tag.
Naomi näherte sich einem Tisch mit einer älteren Dame, die gerade ihre Tasche nahm: "Dürfte ich diesen Platz nehmen?" Sie richtete sich auf und nickte: "Nimm nur Liebes, ich wollte sowieso gerade gehen." Das blonde Mädchen dankte und nahm am Tisch Platz. Man hatte eine gute Sicht auf den Raum und auf die Tür, ein wunderbarer Platz, wenn man plante, länger zu bleiben und sich die Leute ein wenig anzusehen. Als die Dame verschwunden war, kam auch schon die Kellnerin, um die Tasse und den Teller der Dame zu entfernen. "Kann ich dir schon etwas bringen?", fragte sie und blickte Naomi an. Diese sah die Kellnerin neugierig an, es war etwas ganz anderes sie hier so vor sich zu sehen, als hab in Kissen und Decke verschwunden. Beinahe hätte sie sogar ein wenig gelacht, aber das konnte sie sich gerade noch verkneifen. Fakt war, dass diese Frau hatte, was sie nicht hatte und der Neid in ihr war eigentlich schon Grund genug sofort wieder zu gehen, aber man musste sich damit nicht den Tag vermiesen. Naomi war Gast und würde nun von ihr bedient werden mehr gab es zwischen ihnen nicht, weil die Unwissende wahrscheinlich nicht wusste, dass das Mädchen sie gesehen hatte.
"Ich hätte gerne eine heiße Schokolade und ein Stück Apfelstrudel", als sie eingetreten war, hatte es wunderbar nach diesem Gebäck gerochen, weshalb Naomi einfach darauf geschlossen hatte, dass es sich dabei um etwas wirklich Gutes handeln musste. Ein Hauch von Zimt hatte darüber geschwebt. Weihnachten war zwar schon etwas her, aber dieses Jahr war es sowieso kein schönes Fest gewesen, von daher war dies eine kleine Entschädigung für eine öde Weihnachtszeit. Auf einem Block wurde die Bestellung des Mädchens notiert und schon war sie weg.

Souta und Hanibis Café hatten eine etwas eigentümliche Beziehung. Eigentlich versuchte der Rothaarige den Laden so gut es eben ging zu vermeiden, was daran lag, dass er eine etwas peinliche Geschichte damit hatte, welche die Wurzeln seines "bisexuellen" Daseins gelegt hatten. Im Prinzip war das Gebäude wie eine unliebsame Exfreundin, die man wirklich nicht mehr sehen wollte, einfach, weil es ihm dezent peinlich war, was sich in den vier Wänden abgespielt hatte – andererseits schätzte er die Erinnerungen als durchweg positiv ein, was er natürlich niemals zugeben würde, wenn man ihn danach fragen würde. Seit Souta in Oshibana Town lebte, hatte es ihn des Öfteren zu diesem kleinen Etablissement getrieben, weil er den Kaffee und die Eisbecher dort mochte und weil die Bedienungen ihn irgendwie außerordentlich nett behandelten. Anfangs hatte Souta gedacht, das läge an seinem Charme, aber er hatte schon mehrere gutaussehende Typen hier essen sehen, und keiner hatte es geschafft, ein intensives Gespräch mit einer gewissen Kaori zu führen, welche sich öfter im selben Haus wie er aufzuhalten schien und dabei zufällig seine sich formende Wohnung bemerkt hatte, um anschließend Designtipps auszutauschen. Im Grunde genommen war das Gespräch trotz Einschränkungen seiner Männlichkeit recht zufriedenstellend verlaufen, da Souta dadurch eine ziemlich coole Smileyuhr an der Wand hängen hatte, gleich neben einem etwas kitschigem Foto von ...
Ja, der Kettenmagier war gerade dabei, sich einen Kaffee zu holen, weil er plante, sich heute einen schönen Tag zu machen, ein bisschen durch die Stadt zu bummeln vielleicht, und was war da passender, als ein leckeres Heißgetränk für unterwegs? Nun, da er Souta war, wurde es aus dem unterwegs natürlich nichts, denn als er durch die Tür ins Innere des wie immer eigentlich überfüllten Ladens trat, stieg ihm der verführerische Geruch von Apfelstrudel in die Nase, der sich irgendwo auf dem Weg zu einem Must-Have-Nao entwickelte, das er seinem Bauch nicht verweigern konnte, denn dieser grummelte bereits sehnsüchtig. Das letzte Mal, als es so voll gewesen war, hatte ihn eine hübsche junge Dame mit kochend heißem Kaffee übergossen und er hoffte, dass das diesmal nicht passierte, weil er gerade ein beiges T-Shirt unter einem wirklich sehr weißen Hemd trug, das ihm etwas zu groß war und solch helle Farben besser nicht dreckig werden sollten. Seiner dunklen Jeans waren natürlich eher egal. Allerdings musste er erst einmal einen Platz finden, an dem er sich niederlassen konnte, was gar nicht so leicht war. Beinahe überall waren sämtliche Stühle besetzt und er sah auch momentan kein hübsches Fräulein, dem er direkt anbieten könnte, auf seinem Schoß Platz zu nehmen, das war natürlich etwas heikel für ihn. Auf den Zehenspitzeln stehend schaute er über die Köpfe der Leute hinweg, die kamen und gingen, entdeckte aber keinen Sitzplatz, den er ... Oh, da hinten war noch etwas frei, da saß nur ein kleines blondes Mädchen. Im Grunde genommen galten diese Leute ja als eher ungefährlich, also bezweifelte er, dass sie ihn auffressen würde, wenn er sie um einen ihrer Stühle bat. Andererseits hielt man ihn vielleicht für einen Perversling, wenn er die Kleine da ansprach, aber ... Apfelstrudel ...
Souta schlängelte sich letztendlich doch durch den Raum, damit er vor dem Tisch stehen bleiben konnte, ein Lächeln aufgesetzt, das freundlicher nicht sein konnte. Das grüne Auge schaute fragend in das hübsche Gesicht des Mädchens, die weißen Zähne blitzten wunderschön und er hob eine Hand, um sich eine verirrte Haarsträhne hinter das beringte Ohr zu streichen, als wäre er verlegen, was er natürlich nicht war. "Entschuldigung ... Hier ist es wirklich voll – kann ich mich vielleicht zu dir setzen?" Er wies überflüssigerweise auf den freien Stuhl und zuckte entschuldigend mit den Achseln, während er sich noch einmal im Laden umsah, wie um ihr zu zeigen, dass wirklich nichts Anderes frei war und ihm dieser Umstand aufrichtig Leid tat. Eigentlich war es ihm ja ganz recht, einen Gesprächspartner zu haben, und wenn er einem kleinen Mädchen ein bisschen Gesellschaft spenden konnte, war das doch auch eine gute Tat. Angesehen davon lief er so definitiv nicht Gefahr, dass dieser Besuch im Café irgendwie dem ersten ähnelte ... DAS wäre merkwürdig.

Naomi hatte gerade ihre Bestellung aufgegeben, als ihr jemand auffiel. Ein junger Mann mit roten Haaren schien in dem überfüllten Café einen Platz zu suchen. Normalerweise wäre sie die Erste gewesen, die ihre Hand gehoben und gewunken hätte, um ihm den Platz bei sich anzubieten, doch in diesem Fall stockte sie. Seraphims Wohnung war quasi nebenan und sie hatte bei ihrem letzten Abenteuer gesehen, wie er von so einem Mann Abschied genommen hatte. Ganz egal ob er es wirklich war oder nicht, in diesem Moment, wo sie den Mann sah, tat ihr die Erinnerung schrecklich weh. Eigentlich betete sie gerade dafür, dass er nicht in ihre Richtung kam, doch wie es mit Dingen war, die man nicht wollte, sie geschahen. Kurz blickte die kleine Blonde an ihm hoch. Dieses Hemd, das sah doch fast so aus als ..., nein er hatte sicher nur zufällig dasselbe Kleidungsstück gekauft, ganz sicher. Dennoch stand da vor ihr der Mensch, der ihr den größten Schmerz bereiten würde, den sie je gefühlt hatte. Noch war Naomi nicht sicher, auch wenn sie bereits alles Schlechte, was ihr einfiel, auf ihn projizierte klammerte sie sich an die kleine Stimme in ihrem Kopf die ihr predigte, Leute nicht einfach so abzustempeln. Deshalb schenkte sie dem Rotschopf ein liebevolles Lächeln.
Er wollte also bei ihr sitzen? Kein Problem: "Natürlich, ich freue mich immer über ein wenig Gesellschaft." Das war nicht gelogen, aber dennoch fühlte Naomi sich etwas schlecht, denn vielleicht war es doch nicht so wahr, wie sie es sich wünschte. Gut, dass sie in diesem Moment ihre Bestellung bekam. Eine volle Tasse heiße Schokolade, und verführerisch duftender Apfelstrudel mit Vanillesoße übergossen. Herrlich, wie es duftete und es stimmte sie sofort etwas glücklicher. Neugierig probierte sie ein Stück von ihrem Apfelstrudel und freute sich, er schmeckte hervorragend. Dann allerdings fiel ihr etwas ein, wenn dieser Kerl kein Magier war, dann konnte er an dem Tag nicht dort gewesen sein, und wenn er nicht dort gewesen war, dann war er nicht Seraphims Liebling. "Sagen Sie, Sie sind nicht zufällig Magier der Gilde Blue Pegasus?" Wie sie innerlich darum bettelte, dass er Nein sagte.

Die Freude über die Gastfreundschaft des kleinen Mädchens verebbte in dem Moment, in dem er sich gesetzt hatte, um Platz für eine deutlich andere Emotion zu machen. Noch konnte er nicht beurteilen, ob das nun positiv oder negativ war, aber Souta war definitiv überrascht von der Frage. Er dachte keine Sekunde lang darüber nach, zu lügen oder nicht ehrlich zu antworten, aber dennoch brauchte er eine Weile, um über die Worte nachzudenken. Natürlich war es recht naheliegend: Er war groß, seine Unterarme waren muskulös, sichtbar und vernarbt, abgesehen davon hatte er nur ein Auge und bewegte sich nicht, als wäre er ein einfacher Passant, sondern eher, als habe er sich schon öfter mit unangenehmen Umgebungen arrangieren müssen. Kurz schaute Souta nach unten, strich sein Shirt glatt und überprüfte, ob man vielleicht sein Gildenzeichen hatte sehen können, denn bewaffnet war er ja nicht. Blue Pegasus war selbstverständlich der naheliegenste Arbeitsplatz für einen Magier, schließlich war das die hier heimische Gilde, aber es kam ihm schon ein wenig zufällig vor, dass dieses Mädchen ihn sofort als Magier erkannte. Noch ließ er sich Zeit mit der Antwort, weil er damit beschäftigt war, den Apfelstrudel der Kleinen anzustarren und sich dann daselbe mit Kaffee zu bestellen. Kaori nahm seinen Wunsch mit einem freundlichen Lächeln entgegen und Souta erwiderte es herzlich, ehe er sich wieder zu Naomi umdrehte und eine Augenbraue hob, als müsse er sich erinnern, worum es eigentlich gerade ging. "Tatsächlich bin ich das", sagte er nach einer Weile und lehnte sich nach vorne, damit er ihr über den Tisch hinweg die sonnengebräunte Hand anbieten konnte. Es störte ihn, dass sie ihn gesiezt hatte, weil er das generell nicht abkonnte, deshalb würde er ihr das Du anbieten, sobald sich die Gelegenheit dazu bot ... Ach, wer brauchte schon passende Gelegenheiten, wenn man der großartigste Mensch Fiores war, hm? Der Stuhl hibbelte ein Stück nach vorne und repräsentierte so seine gespannte Haltung, als er sich mit einer Hand auf der Tischplatte abstützte, perfekt balanciert eben. "Du kannst mich duzen. Ich bin Souta, schön, dich zu treffen. Tut mir Leid, wenn das jetzt unhöflich klingt, aber ... Woher kam denn die Frage? Kennen wir uns?" Es wäre natürlich peinlich, wenn das nun die Tochter einer seiner Bettgeschichten war, die er spontan verdrängt hatte, aber damit musste er dann leben. Hrm ... würde so eine ihn dann überhaupt bei sich sitzen lassen? Auf jeden Fall war diese Blondine ihm schon jetzt ein Rätsel, dem er dringend Aufmerksamkeit schenken musste – zumindest bis er seinen Apfelstrudel bekommen hatte.

Scheinbar gefiel ihm, was sie da auf ihrem Teller hatte. Wie sie darauf kam? Nun er stierte ganz schön gierig auf das Essen auf ihrem Teller, sie konnte das verstehen, es war unglaublich lecker und als er sich dasselbe bestellte. Scheinbar auch ein Süßschnabel, wie sie es war. Ein gutes Zeichen. Dann allerdings offenbarte er ihr, dass er in der Tat zu ihrer Gilde gehörte. Verdammt, wieso musste das passieren, aber immerhin war dies eine Gelegenheit ihn kennenzulernen. Die kleine helle Hand in seine legend lächelte sie ihn an. Scheinbar war er ein wenig angespannt, wieso nur die Unruhe. Nun bisher wusste Naomi auch noch nicht, dass er sich in Sachen Liebschaften mit ihrem Seraphim oder eher seinem Seraphim ein Wettrennen liefern könnte. Allerdings bot er ihr nun das Du an und nannte seinen Namen, Souta. "Ein wirklich schöner Name, ich bin Naomi und nein es ist keines Falls unhöflich, immerhin ist es schon merkwürdig, wenn man sich zu jemand fremden gesellt und der trifft mit einer Frage gleich mitten ins Schwarze, nicht wahr? Allerdings freut mich sehr einen Gildenkollegen zu treffen", sagte sie, drehte ihren Arm herum und offenbarte ihm das Gildenzeichen auf ihrem Unterarm. Das war wahrscheinlich die beste Erklärung, wie sie darauf gekommen war, ihn ebenfalls in diese Richtung einzuordnen.
Naomi nahm noch ein Stück ihres Apfelstrudels und genoss es gemütlich vor sich hin kauend. Er sah so nett aus und dennoch stand diese Begegnung unter keinem guten Stern, dennoch war Naomis Dickkopf gerade darauf umgesprungen, dass sie den Rotschopf unbedingt näher kennenlernen wollte. Dann blickte sie in sein Gesicht, es gab viele Dinge, die sie fragen wollte, aber nicht fragen konnte, um den Moment nicht zu zerstören. Dann heftete sich ihr Blick auf seine Augen, was war wohl mit dem anderen passiert? Wahrscheinlich auch etwas, was man nicht so einfach fragen wollte, also musste sie etwas anderes finden: "Und noch weitere Pläne für den heutigen Tag?" Hoffentlich klang das nicht zu neugierig, aber vielleicht ließ er sich so zu etwas überreden.

Ein Gildenkollege also ... das machte das Ganze natürlich schon weniger gruseliger, schließlich konnte die Kleine ihn ja ohne Weiteres im Gildenhaus rumlaufen gesehen haben, obwohl er das eigentlich nur im Schlepptau gewisser Personen betrat, aber möglich war es natürlich trotzdem. Souta achtete nicht immer auf alle Menschen in seiner Umgebung, da konnte es passieren, dass er eben nicht auf Jugendliche aufpasste, die ihn beobachteten. Zumal ihm dieses Mädchen ja irgendwie recht jung für eine Magierin vorkam. Blue Pegasus, wer konnte diese Gilde schon verstehen? Alles merkwürdige Drachenheinis und er war mittendrin, weil er Geld brauchte. Reich müsste man sein, dann könnte man sich beispielsweise in Vanillesoße baden und das Haus mit Apfelstrudel pflastern lassen ... Wo blieb eigentlich sein Essen? Nach dem Händedruck setzte sich der Rothaarige wieder auf seinen Platz und lächelte vor sich hin, da das Mysterium nun aus dem Weg war und alles darauf hindeutete, dass man sich doch höflich und fröhlich miteinander unterhalten könnte, was noch dadurch untermauert wurde, dass sich die Kleine – Naomi war ihr Name, den sollte er sich merken, zumindest für heute – an seinem Tagesablauf interessiert zeigte. Souta war ja generell ein Mensch, der viel laberte und es gerne mochte, wenn man an seinen Lippen hing. Er hätte ihr die ganze Leier also vermutlich auch so erzählt, so wurde es nur bedeutend besser, da er ihre Aufmerksamkeit somit sicher für sich beansprucht hatte. "Mal sehen", begann er also und trippelte mit der Fußspitze auf dem Boden herum, weil er sich einfach irgendwie ständig in Bewegung versetzen musste, was wahrscheinlich noch schlimmer wurde, wenn er seinen Kaffee getrunken hatte. "Ich habe nichts Konkretes geplant, eigentlich ... Ich werde wohl ein bisschen durch die Stadt bummeln und dann Zuhause faulenzen. Vielleicht kann ich heute Abend meinen Freund dazu überreden, um die Häuser zu ziehen, aber das bezweifle ich ... Wie sieht es bei dir aus?" Natürlich brauchte ein Gespräch immer zwei Seiten, daher war er auch scharf darauf, Naomis Version des Tages zu hören. Zum Beispiel wüsste er ja gerne, wieso sie hier ganz alleine herumsaß und ob man ihr nicht irgendwie Gesellschaft leisten konnte, wo sie doch ein wenig wie eine Person aussah, die Souta nur ungerne alleine in die Wildnis entlassen hätte ... Vaterkomplex, anyone?

Während Naomi weiterhin entspannt an ihrem Apfelstrudel weiter naschte, hatte Souta angefangen von seinen Plänen für den Tag zu sprechen, welche irgendwie nach ihrer Tagesplanung wirkten zumindest anfangs. Ein kleiner Bummel war nicht verkehrt, aber sie würde erst dann nach Hause gehen, wenn es wirklich notwendig war. Dann sprach er davon, dass er mit seinem Freund um die Häuser ziehen wollte. Da war es wieder, das Schwert mitten ins Herz und noch einmal gründlich nachgebohrt. Glücklicherweise konnte nur das kleine Mädchen die imaginäre Fleischwunde sehen, die eifrig vor sich hin blutete, aber man musste über den Phantomschmerz hinwegsehen und weiterhin das zarte Lächeln auf dem Gesicht behalten, damit man dem Gegenüber nicht unangenehm wurde, immerhin galt es zu prüfen, ob er es wert war. Es wert war, ihr den einzige Menschen wegzunehmen, für den sie dieses trostlose Leben noch führte. Nun gut, ganz stimmte es nicht, es gab da ja immer noch den komatösen Vater, der vielleicht irgendwann noch einmal die Augen aufschlug. "Nun wir scheinen einen ähnlichen Tagesablauf zu haben. Ich habe heute meinen freien Tag und den werde ich genießen. Vielleicht kann ich dir bei deinem Tag Gesellschaft leisten, zumindest ein wenig", sie lächelte ihm entgegen, "Ich habe Freizeit bist etwa acht Uhr abends, wenn es dir nichts ausmacht, würde ich dir so lange gerne etwas auf die Nerven gehen."
Leicht schmunzelte sie, weil er ihr wohlmöglich gleich versichern würde, dass dies ein doch recht schwieriges Unterfangen sein könnte. Es war aber auch nur so dahingesagt. Naomi plante nicht ihm auf den Keks zu gehen, sondern ihm auf den Zahn zu fühlen, auch wenn sie die Antwort ihrer Untersuchungen wahrscheinlich schon kannte. Sie nahm einen Schluck aus ihrer Tasse mit der heißen Schokolade und schmunzelte: "Einfach lecker, du wirst den Apfelstrudel lieben, da bin ich mir sehr sicher, er ist wundervoll. Ich gehe oft an diesem Café vorbei und bereue immer wieder nicht öfter hineinzugehen, aber ich habe leider selten die Gelegenheit."