Geküsst zu werden, andere Leute zu küssen, das war nichts Neues für Souta und nicht einmal halb so intim, wie man das normalerweise denken wollte. Er hatte schon Wildfremde mit einem Zungenkuss überrascht, um sie für die Nacht einzusacken und er knutschte so ziemlich alle in seinem Bekanntenkreis mindestens einmal, weil das in seinen Augen einfach nichts war, wofür man sich schämen musste. Es gab Menschen, die einen Kuss schon als halbes Ja zu einer Beziehung auslegten, aber jemand, der damit dermaßen freigiebig war, sah das eben ganz anders. Wobei in Soutas Augen auch Miteinanderschlafen noch kein Grund dafür war, aber das war ja sowieso ein wenig kompliziert. Es überraschte ihn dennoch, dass sein Magen sich einmal kräftig ausdehnte und dann rapide zusammenschnorchelte, als er plötzlich die Kontrolle über seinen Arm verlor und dem Gesicht des Anderen deutlich zu nahe kam. Für einen kurzen, harmlosen Augenblick hatte sich Seraphim einen noch viel harmloseren Kuss gestohlen, aber da sein Körper gerade ein Miststück sein wollte, reichte das schon aus, um eine ganze Kette an Erinnerungen zu triggern, die nicht so prüde waren wie dieses flüchtige Aufeinandertreffen ihrer Münder. Kartoffelsackartig rollte Souta vom Älteren auf die weiche Matratze und blinzelte der Decke entgegen, glaubte, dass ihn eines der Astlöcher dort hämisch angrinste. Was zur Hölle … hatte er mit seinem Arm gemacht? Seit wann konnte er das? Souta war ziemlich vertraut mit seinem Körper, weil er ihn genauso penibel pflegte wie seine Waffe, und er hatte in letzter Zeit keine spontanen Muskelentspannungen bemerkt, also musste das nicht-natürlichen Ursprungs sein. Außerdem hatte es so komisch gekribbelt, bevor sein Arm nachgegeben hatte – also war der Weißschopf Schuld, der etwas von Kotzen und Badewannen faselte und sich aufrichtete. Der Rothaarige tat es ihm gleich, rieb sich das doch ein wenig schläfrige Auge und kratzte sich an einem Flecken Haut, den sein verrutschtes Top großzügig der Allgemeinheit entblößte, machte aber keine Anstalten, irgendetwas an seiner zerknautschten Erscheinung wieder in Ordnung zu bringen. „Aber ich hab Hunger“, meinte er schließlich doch, schleppend, als Argument für Frühstück. Allerdings hatte er immer Hunger und würde auch mit einem ausgiebigem Frühstück nur ein paar Stunden überleben, von daher … Viel interessanter war da eigentlich, was mit dem Anderen los war, wie er sich fühlte und seit wann er denn Muskeln schwach werden lassen konnte! Souta hoppste ein wenig auf dem Bett, zog die Beine nebeneinander, damit er sich auf seine Fersen hocken konnte, und legte den Kopf schief. Es war schon eine Weile her, dass er sich in dieser Umgebung mit einem Mann unterhalten hatte – irgendwie unangenehm. „Ich dachte eigentlich, dass deine Berührung Dinge hart machen sollte, Seraphim ...“ Okay, das war ziemlich direkt, aber seit wann konnte er sich langsam in unsichere Gewässer tasten? War er nicht generell dafür bekannt, mit dem Kopf durch Wände zu rasen? „Du darfst meine Badewanne benutzen ...“ Da war ihm doch glatt eine tolle Idee gekommen, immerhin war er hier kein Mönch und auch keine Krankenschwester und sie hatten sich ja irgendwie versöhnt … Darüber sollte man vielleicht irgendwann noch einmal reden, aber man konnte sich auch auf die stärker werdenden Arme fallen lassen und ihn aus einem hübschem, grünem Auge anstarren, oder? „...wenn du mich mitnimmst~“

Normalerweise waren Bedingungen nichts, was Seraphim besonders schätzte. Nicht nur Liebe war, in den ganz besonders kitschigen Momenten, bedingungslos, sondern auch viele andere Vorteile, die er vom Leben genoss. Bedingungen bedeuteten im Allgemeinen Einschränkungen, unangenehme Dornen an wunderschönen Rosen, doch das, was Souta ihm da vorsetzte, hatte eher etwas von Schokoladenstreuseln auf einem Eis. Man konnte richtig nachvollziehen, wie seine Gesichtsmuskulatur leicht erschlaffte, als er den Blick des grünen Auges auf sich spürte, wie sein Kinn eine Nuance abrutschte, ehe er sich fing und seine Lippen zu einem breiten Grinsen verzog. "Knie kann ich in regelmäßigen Abständen weich machen, Souta-chan~", säuselte er und betrachtete den Rothaarigen, wie er da auf dem Bett saß. Wie könnte er nur nein zu so etwas Verlockendem sagen, wenn es sich ihm sogar noch beinahe aufdrängte? Natürlich musste Souta wissen, wie der Weißhaarige auf dieses Angebot reagieren würde, denn in dieser Hinsicht war Seraphim unglaublich leicht zu durchschauen. Die Tatsache, dass er es dennoch unterbreitet hatte, bedeutete also, dass er es wirklich selbst wollte und dieser Gedanke schien ihm Flügel zu verleihen. Noch vor 24 Stunden hätte er es niemals für möglich gehalten, dass Souta ihn so lange Zeit in seiner Wohnung ertragen würde und momentan sah es beinahe so aus, als sei die Trennung von seinem Nachbarn endlich wieder aufgehoben. Beinahe so, als sei diese blöde Quest mit dem Dschinn nie geschehen, als hätte man ihm niemals die Worte aufs Gesicht geschrieben, die sein Herz Tag für Tag schrie. Es kam ihm wie eine Zeitreise vor, die ihn die Zeit ohne den Rothaarigen sicherlich schnell würde vergessen lassen, die Stunden, in denen ihm irgendwie ein Teil seiner selbst gefehlt hatte. Auch wenn er eigentlich davon ausgegangen war, dass sich manche Dinge eben nicht rückgängig machen ließen, schien das Schicksal ihm nun das Gegenteil beweisen zu wollen, indem es ihm eine neue Chance gab. Er lehnte sich nach vorne und streichelte mit den Fingerspitzen sanft durch rotes Haar. Eigentlich hatte er wirklich nichts dagegen, wenn Souta sich mit irgendwelchen unwichtigen Frauen vergnügte, denn das hatte er als sein Nachbar und privater Stalker durchaus mehrfach mitbekommen, aber gerade in diesem Augenblick durchfuhr ihn ein eifersüchtiger Blitz. Er neigte überhaupt nicht zu solcherlei Gefühlen, aber immerhin hatte er selbst den Einäugigen in der Trennungszeit nicht einmal zu Gesicht bekommen, während andere... das musste er wohl nachholen.
"Das wird eng werden~", säuselte Seraphim, beugte sich zu Souta hinunter und strich seinen Unterkiefer entlang. Immerhin war dessen Badewanne auch nicht über die Maßen groß, wie er sehr gut wusste. Natürlich handelte es sich hierbei keinesfalls um einen negativen Faktor, denn bei wenig Platz musste man effizient stapeln, was ihm persönlich nur zugute kam. Außerdem hatte das durchaus etwas, zumal er ja nun zauberhafterweise mit Zaubern bestückt war, die dem ganzen die Probleme nehmen würden. "Es sei denn, du hast in der Zwischenzeit... umgebaut." Manchmal tat man so etwas immerhin, auch ihn überkam manchmal der Drang, etwas an der alten Umgebung zugunsten einer vollkommen neuen zu ändern. Dann wurden ganze Möbel herausgerissen und verschrottet und als Ergebnis erhielt man etwas, das den tristen Alltag ein wenig erhellte, bis auch dieses Detail alt wurde.

Gerade wenn man so sprunghaft und spontan wie Souta war, musste man eigentlich immer mit einem Umbau rechnen. Er war nicht einmal jemand, der sich da Handwerker kommen lassen musste! Sein übermenschliches Geschick breitete sich generell auf allen Lebenslagen aus, weshalb er eigentlich alles reparieren konnte, das ihn störte, ohne die ganze Sache am Ende noch schlimmer zu machen. Wenn er Lust hatte, konnte er seine Wände streichen oder sich ein Regal zimmern, damit seine Bücher vielleicht endlich aus den Umzugskartons kamen, die überall herumstanden, aber das war zuviel Aufwand. Vor seiner längeren Residenz in Hosenka Town hatte Souta seine Wohnungen wie Unterhosen gewechselt, deshalb brauchte er eine Weile, bis er sich heimisch fühlen konnte. Irgendwie saß immernoch die Gewissheit im Nacken, dass er vielleicht bald abhauen musste, also packte er nicht richtig aus und kam auch nicht auf die Idee, sein Badezimmer umzubauen, denn das hatte ja alles, was man so brauchte und sogar eine hübsche Wanne, die zum Beispiel der Bewohner über ihm nicht besaß. Zwar war sie wirklich nicht besonders groß, aber er selbst war ja nun auch nicht der fetteste Mensch Fiores – eher das Gegenteil – außerdem machte gerade dieser Umstand diese Sache umso kuscheliger, wenn man ihn fragte. Der Kettenmagier hob den Kopf, als Seraphim seinen Unterkiefer streichelte, wie eine gekraulte Katze, doch er griff nach der blassen Hand und unterband weitere Bewegungen, die am Ende noch etwas an seinem Bekleidungszustand geändert hätten. Soetwas konnte er jetzt nicht brauchen. Stattdessen fanden die dunkleren Finger des Rotschopfes die Zwischenräume ihrer blasseren Freunde und drückten den ganzen Arm mit natürlicher Kraft ein Stück zurück, nur um einen gewissen Punkt zu unterstreichen, sein Körper richtete sich auf und seine freie Hand kraulte einmal spielerisch durch den weißen Wattekopf des Älteren, der selbst durch Schlaf nichts von seiner Stacheligkeit verloren hatte, aber dennoch geradezu schmeichelzart war. Schon seltsam, wie Seraphim die Gesetze der Physik außer Kraft setzte, aber vielleicht musste man ja so windzerzauste Haare haben, wenn man der Herr dieses Elements war? Vielleicht hatte er dann ja ganz besonders viel Talent in der Feuermagie? Nicht, dass er irgendwelche Ambitionen hätte, auf seine betagten Jahre jetzt noch eine Umschulung durchzukloppen, dafür fehlte ihm eindeutig die Geduld. "Dann kann ich deiner Wuschelbirne ja endlich die Aufmerksamkeit widmen, die sie verdient", säuselte Souta mit einem frechem Grinsen, hatte sich jedoch schon vom Bett erhoben, bevor die letzte Silbe gesprochen war und ließ im Umdrehen die Hand los, die er die ganze Zeit gehalten hatte. "Ich kümmere mich um das Bad. Bleib währenddessen dein sexy, kotzfreies Ich, ja? Was Wechselklamotten angeht, passt dir wahrscheinlich keine meiner Hosen, aber ich müsste noch ein Oberteil von dir rumliegen haben ... Ich denke es ist ..." Seine Hand griff den Türrahmen und er hielt kurz inne, um sich am Hinterkopf zu kratzen und einen plötzlich aufgetauchtem Kloß im Hals herunterzuräuspern. "Eh ... unterm Kopfkissen. Ich bin dann drüben." Mit schnellen, militärischen Schritten entfernte sich der Kettenmagier vom Schlafzimmer, schloss die Tür hinter sich und stürzte ins Bad, wo er erst einmal seinem Spiegelbild den Vogel zeigte und dann das Wasser für die Badewanne aufdrehte. Mit einem schwachem Lächeln warf er zwei der rosaroten Kugeln in die größer werdende Pfütze, die ihn an Hafenwasser und Tsunamis erinnerte. Solche Naturkatastrophen sollte es diesmal allerdings nicht geben, wenn sie sich nicht vermeiden ließen, also hockte er sich erst einmal mit dem Rücken zur Tür auf die Kante der Wanne und schaute dem Wasser dabei zu, wie es schäumende Blubberblasen warf, die, nach Homosexualität und Vergebung durftend, langsam eine hübsche Decke auf der Oberfläche bildeten. Weich und flauschig, aber vollkommen undurchsichtig.

Es war nicht normal, anderer Leute Kleidungsstücke unter seinem Kopfkissen aufzubewahren, oder? Seraphim war sich nicht immer sicher, was die Menschheit noch als durchschnittliches Verhalten bezeichnete und ab wann es für sie schon seltsam wurde, aber wenn er fremder Menschen Gegenstände oder Kleidung bei sich Zuhause fand (was gar nicht mal so selten vorkam), schmiss er sie entweder weg, brachte sie zurück oder recycelte sie auf die passende Art. Manches behielt er auch einfach nur als eine Art Trophäe, aber Shirts von anderen Kerlen gehörten weniger in diese Kategorie, als zum Beispiel die Unterwäsche der Damenwelt. Zudem war der Platz unter seinem Kopfkissen sicherlich nichts, wo er unbedeutende Gegenstände lagerte, denn immerhin schlief er drauf... ganz im Gegenteil klang es danach, als ob Souta das Shirt mit etwas schönem verband. Seraphim schlenderte geistesabwesend zum Kopfkissen des Bettes und lugte darunter, um dort tatsächlich ein beiges, langärmliges Shirt zu finden. Wahrscheinlich roch es sogar noch nach ihm... Blasse Finger strichen über den Stoff, ehe sie auf das Kissen übersprangen und er sich herunterbeugte, um den Geruch in sich aufzunehmen. Es roch nach Souta, nach seinen roten Haaren, so erinnerungsschwer, dass ihm kurz schwindelig wurde. Wenn er dieses Kissen oder auch nur einen Teil des Stoffs gehabt hätte, was hätte er damit gemacht? Wahrscheinlich hätte er es niemals losgelassen, es im Schlaf umklammert und sich vorgestellt, dass die Quelle des schwindenden Geruches neben ihm lag. Das war furchtbar kitschig und schrecklich romantisch, aber dennoch sehr realistisch, was ihn betraf. Bedeutete die Positionierung unter dem Kopfkissen des Augenklappenträgers etwa, dass er ihn vermisst hatte? Dass er ihn sich über sein Fehlen mit so etwas tokenhaftem hinweghelfen musste, obwohl er selbst ihn doch verstoßen hatte? Seraphim gab ich Mühe, das zu verstehen, aber der Versuch wurde nur durch stechenden Schädelschmerz belohnt, also ließ er es bleiben und tappte hinter Souta her, der neben der Badewanne stand, die sich langsam mit duftendem, schäumenden Wasser füllte. War das das Schaumbad, welches er aus einem Hotel in Hargeon Town entwendet hatte oder hatte er ähnliches nachgekauft? Auch wenn das sicherlich eine interessante Frage war, gerade jetzt hatte sie keinen Platz in Seraphims Kopf.
"Souta-chan?~", fragte er, während er hinter ihn trat und ihm die Arme von dort aus um den Hals schlang, ganz sanft, und die Nasenspitze in rotem Haar vergrub. Das hier hatte er vermisst, gar keine Frage und hätte er eine Strähne des wunderschönen, satt roten Farbtons besessen, hätte er sie sicherlich als Einschlafhilfe verwendet, wenn keine lebende bei ihm war. "Wenn du mich vermisst hast, warum hast du mich dann von dir weg gestoßen?" Wahrscheinlich war das nicht die angenehmste Weise, diese Frage zu stellen, aber es bedrückte ihn gerade mehr, als er zugeben wollte und so einladend dieses Wasser auch aussah... Souta war ihm wichtiger. Vielleicht hätte er damit warten sollen, bis Souta zwischen kühler Außentemperatur und warmem Bad hätte entscheiden müssen, aber da er sowieso nicht dafür sorgen konnte, dass der Einäugige dablieb, wenn er es nicht wollte, war es im Grunde egal. Die Nasenspitze wanderte etwas tiefer und wurde durch Lippen ersetzt, die einen warmen Kuss auf Soutas Nacken drückten. "Ich habe dich sehr vermisst, weißt du?" Tatsächlich hatte er keine Ahnung, ob er das schon einmal gestern gesagt hatte, aber selbst wenn, war es wichtig genug, um wiederholt zu werden.

Warum hatte Souta seinen besten Freund von sich gestoßen? War das nicht offenkundig? Wenn eine gut befreundete Person, mit der man eine äußerst freie Beziehung führte und die selbst auf Nachfrage nicht mit der Tatsache herauszurücken gedachte, dass sie sich rein zufällig in den anderen Part dieses Arrangements verliebt hatte, plötzlich aufflog und man erfuhr, dass man nicht nur ein flüchtiger Schwarm war, sondern, dass einer ihrer tiefsten Wünsche die Erwiderung jener romantischen Gefühle war – wer würde sich dabei schon merkwürdig vorkommen? Zunächst war da mal die bohrende Frage, warum in aller Welt diese Person nicht von vorneherein damit herausgerückt war, woraufhin man als jemand, der unter dem rotem Schopf auch soetwas wie ein Hirn trug, recht schnell auf die Antwort kam: Er hatte Angst vor einem vorzeitigem Ende der Beziehung. Warum? Man spule auf sämtliche angefangene Liebschaften Soutas zurück, analysiere das Gesagte. Sätze wie "Ich liebe dich" stehen auffällig oft im Zusammenhang mit rätselhaftem Verschwinden, niemals gehaltenen Versprechen und unangenehmen Gesprächen. Demnach konnte man es Seraphim kaum verübeln, dass er mit der Sache so lange gewartet hatte. Das Problem blieb aber immernoch. Man gestand ihm seine unsterbliche Liebe und Souta lief davon. Sein Fluchtreflex war quasi mit diesem Satz verbunden, er stand schon auf und verabschiedete sich, wenn jemand seine Aussagen mit "Ich liebe" begann, ohne das Ende zu hören. In seinem Hirn legte sich ein Schalter um, wenn man das sagte. Das war auch gut so. Seien wir mal ehrlich, was genau sollte Souta auch für die Zukunft qualifizieren? Er war ein dauerhaft in Geldnöten befindlicher Mann, der sich als besserer Söldner verdingte, weil er nichts Anderes gelernt hatte. Er hatte eine unabgeschlossene Schulausbildung und ein kaputtes Auge vorzuweisen, sowie keinerlei Referenzen, aber ziemlich viele Einträge in Sparten wie "Erregung öffentlichen Ärgernisses". Seine Zukunftsplanung war schon weit fortgeschritten, wenn er am Anfang der Woche wusste, was er an deren Ende essen würde, für alles Andere eignete er sich einfach nicht. Doch das machte sein Leben auch sehr einfach. Wenn sich niemand auf ihn verließ, dann konnte er auch niemanden enttäuschen und er ersparte sich selbst und anderen viele Tränen und Bitterkeit. Da war es doch ganz natürlich, dass er mit Angst reagierte, wenn sich der ungebundene und freie Zustand seines Lebens plötzlich zu ändern drohte. Er haute ab, weil er sehr gut darin war, vor unangenehmen Konfrontationen wegzulaufen. Im Prinzip hatte er das sogar jetzt noch gemacht, obwohl die Ursache für seine Probleme bei ihm geschlafen hatte und ihm nun die Arme um den Körper geschlungen hatte. Indem er alles wieder auf eine rein körperliche Ebene lenkte, verdrängte er die Emotionen dahinter, aber das war gar nicht so einfach, wenn der Mitspieler nicht in der Rolle war. Seraphim hatte der notgeile Typ zu sein, der er normalerweise war, wenn er nun emotional wurde und in sein Ohr säuselte, wie sehr er ihn vermisst hatte, klappte sein ganzer Plan nicht und weckte wieder seinen Fluchtreflex. Blöd nur, dass er gerade nicht wegkonnte, ohne den Himmelsmagier auf den Boden zu slamen, aber das war so eine Sache, die er erst im Notfall tun würde. Vorerst war er still, dachte über eine richtige Antwort nach und überlegte, ob es vielleicht etwas bringen würde, einfach nach hinten zu greifen und ihm die Hose runterzuziehen, sozusagen als Entspannung der Situation. Allerdings sollte er sich auch seiner eigenen Erkenntnis stellen, die er gestern ironischerweise an derselben Stelle getätigt hatte. "Wollen wir von nun an immer auf meinem Klo über tiefschürfende Dinge reden?" Er lächelte, griff eine der blassen Hände und küsste sie, um für ein paar Sekunden nicht sprechen zu müssen. "Ich hatte Angst, dass sich dadurch Dinge ändern und ich hasse Veränderungen. Und es werden sich Dinge ändern müssen, oder?" Natürlich mussten sie das. Wenn er Seraphim damit verletzte, würde er ganz sicher nicht so weitermachen wie bisher, das konnte er gar nicht. Bloß wie wollte man denn sonst weitermachen? "Wenn ich mir ansehe, was du alles für mich gemacht hast, kann man kaum glauben, dass ich nicht gesehen habe, dass du mich liebst. Und dann denke ich darüber nach, dass ich fast genau dieselben Dinge für dich gemacht habe und das bereitet mir Kopfschmerzen. Wärst du eine Frau, würde ich dir irgendeine produktive Lösung vorschlagen, aber du bist ein Kerl und ich bin ein Kerl. Wir sind Kerle, und im Moment ist es einfacher für mich, mit dir zu baden, als dir in die Augen zu schauen und mit dir über diese Sache zu sprechen, aber wenn du darüber reden willst, dann werden wir das jetzt tun, denn ich führe keine emotionalen Gespräche zwischen deinen Beinen in der Wanne."

Seraphim hasste so etwas. Sicherlich, so konnte mal argumentieren, war er selbst Schuld daran, weil er auf die grandiose Idee gekommen war, Souta eine solche Frage zu stellen, statt ihn möglichst schnell und unbekleidet in die Badewanne zu verfrachten, doch er hatte nicht erwartet, dass es gleich auf solche Grundsätze herauslaufen würde. Die Wahrheit war nämlich, dass Seraphim vollkommen in Souta vernarrt war, aber er eben doch nicht aus seiner Haut herauskonnte. Er mochte den anderen Mann lieben wie er wollte, es änderte doch nichts daran, dass Seraphim vermutlich der untreuste Mensch Fiores war, selbst im Vergleich zu dem Einäugigen vor ihm. Dieser besaß ja immerhin noch den Anstand, sich zu verkrümeln, wenn jemand ihm seine Liebe gestand, der Dragonslayer machte das im Allgemeinen abhängig von der Situation. Es war ein offenes Geheimnis, dass einige seiner Langzeitbekannten sicherlich schon längst den Kontakt abgebrochen hätten, wenn sie nicht etwas an ihm finden würden, aber solange sie ihn damit nicht bedrängten, ließ er diese fruchtlosen Gefühle zu, weil er von ihnen profitieren konnte. Es war ja auch nicht so, dass er sie schlecht behandeln würde oder so, er machte nur sehr offen, dass er nicht das von ihnen wollte, was sie gerne hätten - denn der Weißhaarige war in zwischenmenschlicher Hinsicht unglaublich sprunghaft. Zwischen körperlicher und geistiger Zuneigung bestand bei ihm sowohl eine klare Grenze, als auch eine seltsame Verschiebung: Für ihn bedeutete körperliche Liebe wenig, weil sie normal war, sie bildete nicht seine Gefühle ab und war deswegen kein Indiz für irgendetwas. Gleichzeitig war er aber, wie Souta sehr wohl wusste, in dieser Hinsicht sehr umtriebig und konnte sich auch gar nicht vorstellen, dies einzustellen, nur, weil er eine Person ganz besonders mochte. Liebe, wie er sie für den Rothaarigen empfand, war eine Emotion, ein Stückchen seines Herzens, aber nichts, was ihn in irgendeiner Weise davon abhalten würde, weiterhin körperlich den Menschen nachzustellen, die er als attraktiv einstufte. Das waren zwar verschiedene Paar Schuhe und seiner Meinung nach nichts, was man vermischen musste. Selbstverständlich war Seraphim absolut beziehungsunfähig, das wusste er und wollte auch gar nicht, dass man ihm eine Entscheidung dieser Qualität aufdrängt - und doch schien sich gerade alles in diese Richtung zu bewegen. Er mochte diese Entwicklung nicht und war eigentlich davon ausgegangen, dass auch Souta sie nicht gerade toll fand. Wenn es nach ihm ging, konnten sie das Gespräch hier beenden, weil er nun nämlich wusste, was er hatte wissen wollen und sehr glücklich über die Antwort war, also gab es doch keinen Grund... oder keine Notwendigkeit... musste sich wirklich etwas verändern? Ja, Souta sollte ihn nicht mehr meiden, aber das hatten sie doch schon festgehalten, nicht wahr? Mehr wollte er gar nicht, nur eine ähnliche Verbindung zu dem Rothaarigen, wie er das vor der Quest mit dem Dschinn getan hatte. Ihm wurde mulmig zumute, als er auf die dunklen Hände herabsah, die die seinen hielten.
*Was erwartet er?* Das war die Frage, die ihm Sorgen bereitete. Die Worte des Einäugigen waren auf seltsame Weise bedrückend gewesen, auch wenn sie ihn sicherlich gefreut hatten, denn die Entwicklung dieser Sache machte ihm Angst. Da half weder der Verweis auf den wenig romantischen Ort dieser Gespräche, noch die Cremetube, die am Rande der Wanne stand und den hübschen Namen Penosan trug, weiter. "Ich war..." Es war irgendwie schwerer, Mund und Lippen zu koordinieren, als gedacht. Lag das vielleicht an den roten Haaren, die ihm ins Gesicht drückten? "...eigentlich sehr zufrieden, bevor diese Quest mit dem Dschinn das kaputt machte." Die Bitte, dass doch alles wieder beim Alten sein sollte, schloss er nicht an, aber wahrscheinlich wurde sie durch das folgende Schweigen deutlich genug impliziert werden. Es wäre so viel einfacher gewesen, Seraphim sofort von der emotionalen Tour herunter zu holen, wenn Souta sein Überlegen in die Tat umgesetzt hätte... wenn er nun nicht darauf bestand, zu reden, würde er das nämlich auch nicht mehr wollen. Die Wanne füllte sich langsam und ehrlich gesagt war die Aussicht auf warme Nässe einladender als unangenehme Gesprächsthemen...

Souta erwartete im Allgemeinen nichts von anderen Menschen, was wahrscheinlich einer der Vorteile war, wenn man utopisch hohe Erwartungen in sich selbst setzte; niemand Anderes hatte noch Platz in der eigenen, egozentrischen Welt. Gerade bei Seraphim war dem Kettenmagier eigentlich schon von der ersten Sekunde an klargewesen, dass man von ihm nicht zwingend romantische Liebesschwüre und Eheringe bekommen würde, weil er eine ganz ähnliche Lebensphilosophie wie der Rothaarige verfolgte, die sich nun einmal von solchen Dingen distanzierte. Der Dragonslayer war mit Sicherheit nicht der vertrauenserweckendste Mann in Fiore, oder vertraute generell anderen, aber das war ja okay, weil der Jüngere genauso war. Deshalb verstanden sie sich doch so gut, denn charakterlich waren sie total verschieden. Während Souta Gerechtigkeit und Moral predigte und um unschuldige Todesopfer weinte, war Seraphim im Extremfall eher derjenige, der für solche sorgte und damit mit einem Achselzucken fertig wurde. Sie waren der Typ, der sich am liebsten alle Schuld der Welt aufladen würde und der, den nicht einmal seine eigene Schuld auch nur in geringster Weise kratzte. Ungleiche Pole zogen sich ja bekanntlich an, und sie waren nicht nur Norden und Süden, sondern Erde und Pluto oder Wasser und Feuer, wobei sie beide eigentlich recht viele Attribute des Elements der Luft besaßen und Seraphim ironischerweise sogar bodenständiger als Souta war ... Aber das tat in diesem Fall nichts zur Sache. Im Grunde war der Rothaarige unter all den komplizierten Schichten unglaublich praktisch zu handhaben, aber er war nun einmal ehrlich. Wenn sein bester Freund in Wirklichkeit um seine Hand anhalten wollte, dann würde er sich das durch den Kopf gehen lassen, so seltsam das für ihn auch war, aber er kam nicht damit klar, wenn sie ihre Probleme nicht an den Mann brachten und er aus Versehen jemanden dabei verletzte. Was Souta wollte, waren keine Versprechungen und er wollte auch nicht Seraphims exklusiver Freund sein – er wollte Ehrlichkeit. Dauernd hatte er das Gefühl, dass er immer nur nahm, aber wenn man sich das so ansah, war das ja auch gar kein Wunder, weil der Weißhaarige nur so schwer damit herausrückte, was ihm wichtig war und was er nun wollte. Souta hatte ihn nun immerhin soweit, dass er gestand, dass er zufrieden mit ihrer Art von Beziehung gewesen war, wie sie vor der letzten gemeinsamen Quest gewesen war, was schon einmal ein konkreter Ansatz war, mit dem man arbeiten konnte. Er wusste nicht, ob er es schaffen würde, diese bohrende Tatsache mit der Liebe zu ignorieren und einfach so weiterzumachen, aber man konnte immerhin versuchen, den Ball wieder aufzunehmen, den sie irgendwann fallen gelassen hatten. Man musste ja nicht sofort einen Slamdunk machen, ein wenig dribbeln war ja allemale drin. Emotional betrachtet war Souta noch nicht ganz zufrieden mit dieser Situation, aber er hatte noch nie wirklich Emotionen mit dem hier verbunden, also würde er auch diesmal davon absehen. Vielleicht musste er sich auch einfach an ein paar Dinge erinnern und der Rest kam von alleine, wie beim Fahrradfahren. Und zur Not konnte man ja immernoch unangenehme Dinge verdrängen und wegignorieren, darin war er schließlich ein Meister. Der Kettenmagier beugte sich ein Stück nach vorne, löste sich damit von dem Armkäfig und prüfte mit einer Hand im Wasser, ob es die richtige Temperatur hatte, nickte und drehte die Zufuhr ab. Nun begann die Nervosität. Da neben ihm befand sich die einladende, mit Schaum und warmen Wasser gefüllte Wanne, und in direkter Nähe war sein bester Freund, der seinen Anblick wahrscheinlich mehr genoss als das Bad an sich ... Wieso war er aufgeregt? Er war Souta! Wenn er sich auszog, würde Seraphim wahrscheinlich mit allen Kleidungsstücken in die Wanne krachen, weil er ihn aus den Latschen kippte! Er musste sich nicht anstellen, weil er perfekt war, daran hatte sich im Gegensatz zu vielem Anderem nun wirklich gar nichts geändert. Dennoch konnte er nicht umhin, einen kurzen Blick auf den sich langsam immer mehr beschlagenden Badezimmerspiegel zu werfen, als sein Top auf den Fliesen aufgekommen war, den Arm zu heben, um die Makel an seinem Oberkörper zu betrachten, den dünnen weißen Strich auf der einen Seite, der entstanden war, weil ein Pirat ihn geschnitten hatte, den dickeren auf der anderen, wo er sich durch einen behinderten Illusionisten selbst erdolcht hatte. Die Narben auf seinen Unterarmen, die sich anklagend von seiner gebräunten Haut abhoben. Aber da waren auch perfekte Muskeln, ein glatter, flacher Bauch, auf dem das Wappen seiner Gilde prangte, eine schlanke Hüfte, deren Knochen man nicht nur erfühlen, sondern auch sehen konnte ... Der Teint, der ihn aussehen ließ, als käme er gerade aus den sonnendurchfluteten Stränden Süd-Fiores. Kein Grund also, unsicher über sein Aussehen zu werden. Aber die Vollkommenheit seines Anblickes weilte ohnehin nur kurz, weil es nach ein oder zwei Sekunden schon ein wenig kühl wurde und er sich beeilte, in das Badewasser zu steigen, das ihn augenblicklich mit entspannender Wärme umspülte und ihm ein wohliges Seufzen entlockte. Normalerweise war er viel zu ungeduldig, um ein langes Bad einzulegen ... Das hier überzeugte jedoch, dass er es durchaus öfter tun sollte. Eigentlich hatte er schon nach ein paar Momenten in schaumiger Pracht überhaupt keine Lust mehr, diese Wanne mit Seraphim zu teilen, aber er hatte sich ja vorgenommen, nett zu dem verkatertem Himmelsmagier zu sein, also rutschte er nur kurz nach unten, bis nur noch seine Nase aus dem Wasser lugte und tauchte dann mit rosa Schaum und roten, an seinem Nacken klebenden Haaren wieder auf, um Platz zu machen. "Dann sollten wir etwaige Dschinns vergessen und dafür sorgen, dass du wieder zufrieden bist, was denkst du?" Natürlich, Souta erwartete nichts von seinen Mitmenschen ... Aber ein wenig Wertschätzung seiner Großartigkeit war doch dennoch nie verkehrt, oder?

Wertschätzung traf nicht ganz das, was Seraphim gegenüber dem Anblick, der sich ihm bot, empfand. Dieses Wort war aber auch eine schlechte Beschreibung, weil sie sich meist auf ein Synonym von Respekt belief und dieser war bekanntlich nicht ganz Seraphims Stärke. Der Teil "Schatz" beschrieb den Ausdruck in den violetten Augen dagegen deutlich besser, das abwesende Starren, das kurzzeitig einsetzte, als der Stoffhaufen auf dem Boden komplettiert wurde oder die leicht nach vorne zuckenden Fingerkuppen, die nach wenigen Millimetern jedoch bereits wieder abgebremst wurden. Sie würden später noch austesten können, ob sich die gebräunte Haut so anfühlte, wie sie aussah, also musste er sich nicht hasten. Viel besser war es sowieso, einfach mit der Mobilität eines Kartoffelsacks hinter Souta zu stehen und seine Bewegungen zu verfolgen. Das einzige, was fehlte, war eine Kamera, um den Moment auf Film zu bannen, in dem er langsam in die Wanne kletterte und sich darin niederließ, auch wenn der Schaum leider viel zu viel verbarg. Rosa stand ihm nicht allzu gut, selbst wenn es Schaum war, doch die glänzende Nässe des Wassers verlieh seiner Haut etwas durchaus anziehendes, als ob sie es vorher nicht schon genug gewesen wäre. Nach wie vor paralysiert beobachtete er das Eintauchen und nach vorne Rücken des Kettenmagiers und brauchte eine Sekunde, bis er bemerkte, dass es sich dabei wohl um eine Aufforderung oder Einladung gehandelt hatte. So gesehen wäre es auch äußerst klug, sich jetzt möglichst schnell in die Wanne zu bewegen, weil seiner Körperbeherrschung leider biologische Grenzen gesetzt waren. Er mochte seine Gesichtsmuskulatur wie ein Ass stillhalten können, wenn er nicht wollte, dass man ihn durchschaute, er konnte jedes Lächeln fälschen, aber andere Dinge passierten leider einfach so und wären sicherlich dezent peinlich. Nicht, dass er sich in irgendeiner Weise für seinen Körper schämte, aber im Allgemeinen versuchte er stets, nicht ganz verzweifelt zu wirken. Und wie würde es schon aussehen, wenn er nicht einmal warten konnte, bis er im wohlig warmen Wasser saß.
Ohne den Blick von Soutas nassem Gesicht zu wenden, griff er über die Schulter, raffte sein Shirt am Rücken hoch und zog es sich vorsichtig über den Kopf. Es war angenehmer, wenn er diesen nicht allzu heftig bewegte, denn auch wenn er die Kopfschmerzen gerade nur allzu gut verdrängen konnte, musste er es ja nicht herausfordern. Schnell beugte er sich nach vorne und pflanzte einen Kuss auf nasse Lippen, einen Arm am Badewannenrand abgestützt, weil es ihn abnervte, warten zu müssen. Das Stechen in seinem Kopf, das aus dieser Aktion folgte, erschien ihm dumpfer als zuvor, kroch in eine andere Richtung, die ihm anzeigte, dass er sich beeilen sollte. Einige Momente später rutschte er hinter Souta in den Schaum und schob seine Beine langsam an ihm vorbei, um sich nicht ganz so beengt zu fühlen. Außerdem war Körperkontakt gleich viel schöner, wenn ihn nicht nur seine Schienbeine genießen konnten. "Manchmal ist vergessen eine feine Sache...", murmelte er in den Nacken des Kettenmagiers, ehe seine Hände Schaummaulwurf spielten und prüften, wie die Narben an seinen Seiten verheilt waren. Er war einfach nicht stark genug gewesen, diese Wunden zu heilen, sonst wären sie heute nicht da - ein deutliches Signal, dass er sich auf dem Gebiet der Heilmagie noch zu schlecht auskannte. Seine Finger verweilten dort allerdings nur kurz, weil sie das seichte auf und ab fester Muskeln viel schöner fanden als den Beweis seiner eigenen Unfähigkeit. Kam es ihm nur so vor, oder war Souta kräftiger geworden? "Hast du trainiert oder so?", fragte er und es würde wohl nicht ganz leicht werden, seinen Worten Sinn zuzuordnen, weil seine Lippen nur wenig Platz zwischen sich und Soutas rechter Schulter ließen. Er war sich nicht sicher, wie er das beurteilen sollte, also würde er sich keine Gedanken darüber machen. Es war nämlich so, dass Seraphim es eigentlich gar nicht mochte, wenn die Leute stärker als er waren. In Soutas Fall sah er dadurch aber immerhin schonmal nicht schlechter aus, auch wenn er etwas gegen allzu ausgeprägte Muskelpartien hatte. Da der Rothaarige trotz allem aber noch recht schlank wirkte, ging das wohl noch in Ordnung. Und wer wusste, vielleicht war er ja gar nicht so viel stärker als er! Seraphim war zwar ein Magier, aber aus purer Eitelkeit achtete er ebenso darauf, seinen Körper nicht absolut zu vernachlässigen, immerhin war es immer von Vorteil, bei der Damenwelt mit einer gewissen Stärke punkten zu können. Davon abgesehen sahen männliche Körper nun einmal besser aus, wenn sie nicht wirkten, als habe man sie aus Gummi gefertigt...

Irgendetwas an dieser Situation war vor dem Hintergrund ihrer Vorgeschichte ein wenig seltsam, doch wenn man das einmal außer Acht ließ, konnte man sich hier durchaus gut entspannen. Souta hatte ja schon vorher gewusst, dass Seraphim sich besonders gut als Unterlage für alle möglichen Dinge eignete, und nun machte er diesen Badematten alle Ehre, die sich manche in ihre Wanne hängten, um bequemer zu sitzen, auch wenn er durch seine Beine ein wenig eingeengt war. Außerdem fühlte sich die Haut an seinem Kreuz dezent komisch an, aber das konnte man ausblenden, wenn man sich zurücklehnte und den rot behaarten Kopf gegen die Brust des Älteren legte, die sich sanft hob und wieder senkte. Dennoch gab es einige strukturelle Probleme an dieser ganzen Sache. Zum Beispiel der Boden der Wanne, der extrem glatt war, so dass er plötzlich irgendwie immer tiefer rutschte, obwohl er eigentlich gerade keine Reibung erzeugen wollte. Kurz machte Souta den Versuch, seine Füße am Rand ihres temporären Gefängnisses anzuspreizen, doch er verwarf diese Bewegungen nach ein paar Minuten wieder, da das nicht nur merkwürdig aussah, sondern sicher auch nicht gerade zur Entspannung beitragen würde, wenn er hier einen halben Spagat hinlegte. Stirnrunzelnd schob er sich auf dem flutschigem Boden wieder zurück, wobei er Schaum in alle Richtungen verteilte, wippte hin und her. Hrm. Irgendwie ging das als der hintere Part des Ganzen irgendwie leichter, konnte das sein? Apropos ... Ein triumphierendes Grinsen zog sich über Soutas Gesicht, er fischte ein wenig mit den Händen herum und faltete dann ganz einfach blasse Hände um seinen Körper, immerhin konnte man diese auch wunderbar als Haltegriff verwenden, so flutschte er auch nicht in der Wanne herum und sein bester Freund war nicht in Versuchung gebracht, damit war also allen geholfen ... Perfekt. Der Kettenmagier lehnte sich abermals zurück, rieb die Nase an der Kehle des Älteren und betrachtete erst seinen Oberkörper mit dem Gildenzeichen. Dann die Decke. Dann die violetten Augen. Dann wieder die Decke. Irgendwie hatte er hier nicht wirklich etwas zu sehen ... Das war ja wirklich entspannend, aber hatten sie nicht gerade geschlafen? In einem Versuch, diese romantische Kuschelstimmung nicht zu zerstören, begann er, mit den Händen durch den Schaum zu fahren, kleine Burgen zu bauen, Türme, die ein wenig an den Regierungsturm von Marokkasu erinnerten ... Aber halt. Hatte Seraphim nicht etwas gefragt? Irgendwie war doch klar, dass er trainiert hatte – immerhin wollte er auch von der Stelle kommen und wenn man der schnellste Magier Fiores war, dann lief man eben auch längere Strecken, weil sich diese so fix überbrücken ließen. Abgesehen davon war er tatsächlich kräftiger geworden, was sowohl ehrgeizige als auch komplett ästethische Gründe hatte. "Warum, findest du Muskeln nicht sexy?", fragte er dennoch, obwohl er den gegenteiligen Beweis quasi unterm Nacken sitzen hatte, allerdings konnte er diese Frage ja vielleicht als Angebot rechnen, sich hier zu beschäftigen, oder? Quietscheentchen besaß er ja leider nicht, also musste er eben etwas Anderes finden, mit dem man spielen konnte. In diesem Fall würde diese Aufgabe auch seiner Unterlage zukommen, die wirklich angenehm multifunktionsfähig war, wenn das mal ganz objektiv betrachtete. Obwohl das bei jedem Anderem sicherlich wie der Akt einer sich wendenden Schildkröte ausgesehen hätte, schaffte es Souta irgendwie, sich mit einer aprubten Drehbewegung im Wasser zu wenden, elegant wie eine Nixe, so dass der Schaum an den Rändern der Wanne überzuschwappen drohte, während er sich an den Rändern abstützte und ein Knie nur ganz knapp zwischen den Beinen Seraphims auf den Wannenboden krachen ließ. Das hier war viel interessanter, weil er so aus einem Vorhang an nassen Haaren in violette Augen aufgucken konnte, die nur kurz nach unten gehuscht waren. "Ich trainiere allgemein viel, aber es ist wirklich mehr geworden, weil ich auch ein wenig mehr esse als sonst", meinte er zur Erklärung und leckte sich mit der Zunge über die Lippen, da er gerade keine Hand frei hatte, um anderweitig symbolisch auf die Erwähnung von Speisen zu reagieren. Die er übrigens gerade auch gerne hätte, immerhin hatten sie bisher das Frühstück ausgelassen und das war eigentlich nicht so toll, aber egal. In der Wanne konnte man wohl kaum etwas Genießbares finden, also drückte er Seraphim einfach die flache Hand auf die Brust, demonstrierte einen Bruchteil seiner neugewonnenen Kraft, die aber dennoch ausreichen sollte, um ihn gegen die Rückwand zu pinnen, ehe sein Körper folgte und er ihn küsste, mit offenem Mund und offenem Auge. Eine seiner Hände tauchte ab, doch die andere griff hinter den Weißhaarigen, umschloss etwas. "Was sagst du, wenn wir uns jetzt ... dem Wichtigem zuwenden ... Seraphim?", atmete er gegen den Hals des Himmelsmagiers, ehe er ganz langsam den Kopf hob, wobei er mit den Zähnen die Haut bis zu seinem Kinn verfolgte und erst kurz vor der Unterlippe zurückwich, ein kleines Lächeln auf den feucht schimmernden Lippen. "Ich denke du weißt, wovon ich spreche ..." Er zog den vorher nach hinten verschwunden Arm unter der Schaumdecke hervor und förderte mit verführerischem Blick eine Shampooflasche zu Tage, die er, auf den gegen die Wannenwände gedrückten Knien sitzend, lässig an seine Brust lehnte.
"Körperhygiene."

Seraphim litt. Zu erkennen war das äußerlich nur an einem leicht zuckenden Mundwinkel, denn aufgrund des Wasserdampfs war in diesem Zimmer sowieso jede glatte Oberfläche beschlagen und auch seine Haut leicht gerötet und feucht, sodass man nicht darauf kommen konnte, dass der Schweiß, der sich in seinem Nacken bildete, nichts mit der Temperatur zu tun hatte. Selbst ein unabhängiger Betrachter sollte allerdings bemerken, dass der Dragonslayer reichlich angespannt wirkte, wenn man bedachte, das solche Bäder eigentlich das Gegenteil bewirken sollten. Anfangs hatte das auch noch recht gut geklappt, als er einfach, die Augen auf wunderbar rotes Haar gerichtet, in der Wanne liegen durfte, die Arme um Souta gelegt und nichts denkend. Gedanken konnten so viel Stress verursachen, dass es gut tat, sie eine Weile ruhen zu lassen und noch dazu in solch einer wunderbaren Umgebung... da konnte er wirklich nicht klagen. Der Körper des Kettenmagiers hatte sich wie ein Kuscheltier angefühlt, wenn auch ein lebendiges und beinahe hätte er die Augen geschlossen und wäre weggedöst, doch der Andere war nun einmal nicht ganz so ruhig wie er. Es war für ihn wahrscheinlich unmöglich, einfach dazuliegen und die Ruhe zu genießen, auch wenn Seraphim dies gerade im Hinblick auf seinen Kopf gerne getan hätte. Keine Minute blieb er still, ehe er den Schaum als Werkstoff missbrauchte und sich dann doch noch herabließ, auf die schon vor gefühlten Ewigkeiten gestellte Frage zu antworten, mit einer Feststellung, die ihn eigentlich nicht weiter überraschte. Sicherlich musste er mehr trainiert haben, denn ansonsten würde er sicherlich nicht muskulöser werden. Dünner oder fetter konnte man ohne Arbeitsaufwand werden, aber Muskeln hatten eben ihren Preis. So gesehen hatten Frauen es durchaus leichter, gut auszusehen als Männer, denn wirklich arbeiten mussten sie dafür eben nicht. Mit der fehlenden Ruhe hätte Seraphim aber gut leben können, denn er war recht begabt darin, seine Umgebung zugunsten seiner eigenen, inneren Ruhe zu ignorieren. Hätte es andere Umstände gegeben, hätte er vielleicht sogar zum Mönch getaugt, mit einer Mutter wie seiner, aber auch ohne diese Berufung half dies zumindest beim Poker. Leider brauchte Souta immer mehr Beschäftigung, sodass es ihm nach einer Weile nicht mehr reichte, nur den Schaum zu verbiegen. Mit der Gewandtheit eines Aals drehte er sich einmal in der Badewanne und spritzte dabei nicht nur mit Wasser, sondern ertränkte Seraphims Gelassenheit gleich mit.
Man konnte ihm wirklich nicht alles zumuten, fand er. Es war sogar einfacher, Souta in einen dieser unsäglichen Läden zu folgen, in denen man Waffen und alles was dazugehörte kaufen konnte und nicht ungeduldig zu werden, während dieser mit der Faszination eines Kindes alles anfasste und an ihm herumspielte. Man mochte es kaum glauben, dass gerade er, der so schmerzempfindlich war, solch einen Spaß an derartigen Dingen fand, aber leider war dem so... denn Seraphim konnte damit nichts anfangen. Er beschränkte sich meist darauf, Souta zuzusehen und sich vorzustellen, dass dessen Kleidung einfach so verschwand. Durch Zufall. Das hier allerdings war auf ganz andere Weise nervlich belastend und ließ ihn schwer schlucken. Soutas Haare waren durch die Nässe noch ein wenig dunkler geworden und klebten nun an dem hübschen Gesicht, das gerade zu nah war, um cool darüber zu stehen - aber er war Seraphim, verdammt. Er war der gelassene, kühle, distanzierte Engelsgleiche, er musste sowas können, sonst würde er nur noch mehr von seinem Gesicht verlieren, das er Souta gegenüber sowieso schon eingebüßt hatte. So. Das musste ja wohl zu schaffen sein. "Solange es nicht unästhetisch viel wird, habe ich nichts gegen Muskeln, Souta~ah?"
So wiederum hatte er sich das nicht vorgestellt. Sein Körper rutschte unter dem bloßen Druck einer von Soutas Händen nach hinten und stieß an die Rückwand der Wanne, ohne dass seine eilig aufgebaute Gegenwehr irgendetwas dagegen tun konnte. Das gefiel ihm nicht...! Allein das Wissen, das Souta stärker als er war, machte ihm zu schaffen, aber dann auch noch tätlich daran erinnert zu werden, ärgerte ihn wirklich ungemein. "Lass das!", fauchte er beinahe, in einer deutlich zu heftigen Reaktion für eine so kleine Geste und bereute es sofort danach. Der Kettenmagier wollte ihm immerhin nichts böses, das bemerkte er gleich darauf, denn auch die letzte Spur Ärger verschwand so schnell aus seinem Gesicht und wurde von einer Spur Röte abgelöst, dass er das Gefühl hatte, sein Kopf würde vielleicht gleich explodieren. Vielleicht hatte es am Ende doch noch etwas Gutes, dass Souta so ungeduldig war, denn die momentane Entwicklung gefiel ihm wirklich gut... zumindest, bis Souta die Shampooflasche vor ihn stellte und ihn auf unschuldige Weise anlächelte, die ihn beinahe in den Wahnsinn trieb. Nein, nein, er hatte nun keine Lust darauf, sich zu waschen, auch wenn das sicherlich gute Resultate erzielen würde, warum konnte Souta nicht wenigstens einmal beim Thema bleiben? Ein missmutiges Brummen entsprang seiner Kehle und er ließ den Kopf zurückfallen, ehe ihm ein neuer Gedanke kam.
Er schnappte sich die Shampooflasche und verteilte ein wenig auf seinen Händen, ehe er nach Soutas Kopf griff und damit begann, den Schaum in seine Haare einzureiben. Verdient hatte er das allemal! Außerdem konnte man sicherlich irgendwann den Ort wechseln, immerhin waren nur saubere Haare auf einem dreckigen Körper sicherlich auch nicht das Nonplusultra. "Mhh~ Vanille!", schnurrte er und schnupperte begeistert, "Das bedeutet ja, dass du wieder zu einem Kipferl wirst!" Zum Anbeißen?