Natürlich war Soutas Frage vollkommen überflüssig, weil er sich praktisch von Luft ernähren konnte. Dennoch machte er ihn nicht auf diesen Logikfehler aufmerksam, weil er die Frage an sich viel zu sehr genoss. Eigentlich machte er sich nichts aus solchen Dingen, aber es tat irgendwie extrem gut, zu hören, dass sich Souta um ihn sorgte. Er würde das allein schon nicht infrage stellen, weil er sich viel zu gerne darin sonnte. Selbst wenn es eine Lüge wäre, würde er sie ungerne entlarven, weil es sich wunderschön darin lebte. Seraphim lächelte einen Moment und lehnte seine Stirn gegen die Soutas. Er würde sich dringend nach der Quest, wenn er sich wieder komplett gefangen hatte, für sein albernes Verhalten entschuldigen müssen, weil er sich vorstellen konnte, dass das auch für den Kettenmagier recht belastend war. Dieser konnte jedoch nichts dafür, dass der Dragonslayer sich so verhielt, also sollte er auch nicht darunter leiden müssen. Gerade jetzt ließ sich allerdings schlecht etwas daran ändern, also musste er damit noch warten. Verschoben war nicht aufgehoben und er wusste immerhin recht zuverlässig, womit man dem Kettenmagier eine Freude machen konnte. Leider musste er natürlich einige Abstriche machen, weil er eben nicht dem Geschlecht angehörte, welches das noch einfacher vermochte, aber auch er hatte da doch einiges in Petto - und sei es nur eine extra große Portion Pudding. Violette Augen fixierten ihr einzelnes, smaragdenes Ebenbild und versuchten darin zu lesen, was ihm momentan komplizierter erschien, als das sonst so der Fall war. Wie er es hasste, wenn er selbst neben der Spur war, weil er ohne sich selbst als Konstante wirklich Probleme hatte... "Ich mach' das wieder gut, erinner‘ mich dran, wenn wir wieder Zuha-", begann er mit einem leisen Hauchen, auch wenn er ahnte, dass er das gar nicht sagen müsste. Es half ihm allerdings, weil er damit das Problem auf eine andere Ebene verschieben konnte, die ihm weniger fremd war.
Bevor er den Satz jedoch beenden konnte, fiel auf einmal das Licht aus und Seraphim brach ab. Einen Moment hörte er nur seinen eigenen Atem und denjenigen Soutas, ehe er etwas zerbrechen hören, splittern, wie von Glas auf teurem Parkett. Seine Augen weiteten sich, ehe er sie zusammenkniff und wenige Sekunden später weit aufriss. Die Dunkelheit war weniger düster geworden, durchsichtiger und nicht mehr ganz so vollkommen und er sollte besser etwas unternehmen... Er verkniff sich einen warnenden Kommentar in Richtung Souta, weil dieser sicher wusste, wie er darauf zu reagieren hatte und drehte sich stattdessen langsam um, sodass er mit dem Rücken zu Souta stand. Angestrengt lauschend starrte er in die Dunkelheit, wartete auf Schritte oder ähnliches und war doch überrascht, als auf einmal dünne, rote Lichtstrahlen den Raum in einen unheimlichen Schimmer tauchten. *Was zur...?*, dümpelte es durch seinen Kopf, ehe ein blendender Lichtblitz den Raum spontan überbelichtete und etwas auf ihn zuraste, dem er gerade noch ausweichen konnte, in dem Wissen, dass Souta wohl allem entgehen konnte. Mit was hatte man da auf ihn geschossen? Waren ihre Gegner dieses Mal Magier oder hatten sie am Ende noch irgendwelche seltsamen Waffen, wie sie die Puristen getragen hatten?

Als von Grund auf sehr friedliebender und aufgeschlossener Mensch kannte Souta nicht viele Ärgernisse im Leben. Wo er hinging, nahm man ihn schnell unter sich auf, man freute sich über seine erfrischende Gesellschaft und genoss seinen Humor. Er konnte sich gut in Opfer hineinfühlen und fand wegen seiner eigenen Vergangenheit auch zu Kriminellen leicht einen Draht. Es gab vielleicht fünf Dinge in Fiore, die der Kettenmagier mit dem umwerfendsten Lächeln der Welt nicht mochte – und eines davon war es, wenn sich sein Freund vor ihn stellte. Normalerweise war er es, der mit seinem Körper reflexartig den seines Partners bedeckte, was nicht einmal den süßen und liebevollen Grund hatte, aus dem Seraphim das vermutlich tat. Fakt war, dass Souta nun einmal schneller war, wenn es darum ging, sich zu prügeln, während der Himmelsmagier eher großflächige Vernichtung anstrebte und obwohl eine Vernichtung des Gartens ihres Auftraggebers sicher noch sehr gut erklärbar war, konnte man selbst als Dragonslayer den Kelch an sich vorüberziehen lassen, wenn man das halbe Haus auseinandernahm? Souta bezweifelte es. Außerdem war er nutzlos, sobald man ihn blockierte ... Und das taten schließlich die Umgebungsumstände schon genug. Zum Einen war es erst extrem dunkel und dann extrem hell geworden, weswegen jeder Mensch momentan bunte Flunsel durch die Luft gleiten sah, die etwas hinderlich waren, wenn man sich zeitgleich unter Beschuss befand. Eine Vase neben ihm zerdepperte mit einem Knall und einem gläsernem Poltern, weswegen der Rothaarige sich eilig hinter den Sockel duckte und für eine Sekunde dort hockte, um seine Wahrnehmung wieder ins Lot zu rücken. Wie waren diese Typen hier hereingekommen? Er war sich sicher, dass er irgendwelche Eindringlinge bemerkt hätte, zumal Loire doch selbst Leute postiert hatte, die sich um ihre Garteneinbrecher gekümmert hatten ... Es gefiel ihm nicht, wenn jemand unbemerkt an ihnen vorbeigekommen war und es dann auch noch geschafft hatte, sich an sie heranzuschleichen. Für gewöhnlich passierte das nicht. So sehr es ihm auch widerstrebte mit Seraphim anzugeben, weil seine eigenen Erfolge da gerne einmal kleiner wirkten, hatte der Geruchssinn eines Dragonslayers ihn in dieser Hinsicht eigentlich noch nie enttäuscht. Die logischte Erklärung war, dass der Weißhaarige tatsächlich vollkommen durch den Wind war und deshalb alles ausgeblendet hatte, was mit ihrer Quest zutun hatte, um nicht auszuflippen. Doch daran durfte der Rothaarige nun nicht denken, denn Sorgen waren in einer bedrohlichen Situation vollkommen unangebracht und würden ihn nur lähmen. Die Fakten waren bedeutend und diese beliefen sich momentan auf eine unbekannte Anzahl an Gegnern mit ebenso unbekannten Geschützen und Einfluss auf die Beleuchtung des Hauses. Da sie die Dunkelheit genutzt hatten, um sie zu überfallen, mussten sie entweder von ihrer Existenz wissen oder ihnen aufgelauert haben und die Attacke sprach selbstverständlich dafür, dass die Finsternis für sie kein Handicap darstellte, was bedeutete, dass er hinter diesem Sims absolut nicht sicher war ... Souta hatte gerade noch Zeit, um seinen Gedanken zu Ende zu führen, als er einen roten Punkt auf seinem Fuß auftauchen sah – kurz darauf wurde es heiß und einen Momet später war er weg, so wie ein Stück des Bodens, auf dem er gerade noch gewesen war. Er kam kaum dazu, sich umzudrehen und nach dem Schützen zu blicken, als auch schon ein weiterer Schuss abgefeuert wurde. Keine Kugeln und keine Pfeile – nichts, was man leicht ablenken könnte, sondern irgendwelches kompromiertes Licht. Magisch, vermutlich ... und erschreckend präzise. Das Amulett rutschte aus seinem Kragen und wippte auf seiner Brust, während sich der junge Mann duckte und nach dem Schwertgriff auf seinen Rücken fasste, ihn dann jedoch wieder losließ und stattdessen mit schnellen Schritten etwas mehr Nähe zwischen sich und die noch unentdeckten Schützen brachte. In einem dunkle Flur wollte er nicht mit seiner abnormal langen Waffe herumschlagen, zumal diese nicht nur durch diese Wände, sondern auch sehr sauber durch alle möglichen organischen Materialien schnitt ... In Ermangelung einer besseren Strategie schnappte sich Souta mit einem Sprung also eine der Lampen an der Decke und schwang sich in Richtung der Geschosse, zog im Flug die Waffe und wirbelte einmal als tödlicher Klingensturm durch die Gegend - traf aber keine Menschenseele. Was? Woher waren die Schüsse gekommen ... Erstaunlich präzise Schüsse, die sogar jemanden seines Kalibers verfolgen zu können schienen. Womit hatten sie es hier nur zu tun?

Diese Quest schien ihren Buchstaben durchaus verdient zu haben, wenn man bedachte, was auf ihr bereits alles geschehen war, das man in die Schublade "unwahrscheinlich" oder "ungewöhnlich" stecken musste. Erst verhielt sich Seraphim wie ein verängstigtes Kleinkind, danach verpasste er den Geruch sich nähernder Eindringlinge und wieder danach schoss man mit etwas auf Souta, das eine echte Herausforderung an den Geschwindigkeitsweltmeister darstellte. Vielleicht war das negativ zu betrachten, aber immerhin hatte es den Vorteil, dass die ganze Chose nicht so schnell langweilig werden würde. Seraphim sah das freilich nicht so: Er hätte es gerne einfach und schnell gehabt, damit er Souta das Amulett vom Körper reißen konnte, aus der Villa verschwinden und sich heulend in eine Ecke wiegen konnte, aber dem Wunsch des Weißhaarigen wurde augenscheinlich nicht entsprochen. Es lag noch im Bereich des Erklärbaren, dass Seraphim die Eindringlinge nicht gerochen hatte. Wenn Menschen frische, dichte und allumschließende Kleidung trugen und sich die ganze Zeit eine Glaswand (wie beispielsweise ein Fenster) zwischen ihnen und dem Dragonslayer befand, so war es kein Wunder, dass er sie erst dann bemerkte, wenn auch alle anderen das unverkennbare Klirren vernahmen. Offenbar hatte man irgendwo ein Fenster zerschlagen und war so ins Gebäude eingedrungen. Sein Tipp wäre auf jenen Raum gegangen, in dem sich bis vor einigen Stunden noch Soutas neuer Halsschmuck befand, aber das war nichts, was er in diesem Moment wissen wollte oder nachprüfen musste.
Kaum waren die ersten Schüsse gefallen, sprang der Dragonslayer in die Luft, in einer Bewegung, die man ohne magische Hilfe wahrscheinlich nur als verkappter Akrobat schaffen würde, und landete scheinbar an der Decke. Selbstverständlich schwebte er weiterhin, aber von hier hatte er wenigstens kurz einen guten Ausblick auf das Geschehen - oder zumindest hatte er das gehofft. Dummerweise gab es nichts zu sehen, mit Ausnahme einiger Lichtblitze, von denen einer in seine Richtung gezischt war und nur deswegen wohl nicht getroffen hatte, weil der Schütze sicherlich nicht erwartet hatte, dass sein Ziel nach oben ausweichen würde. Das hier, wurde ihm sofort klar, musste der Grund sein, warum man Magier auf ihrem Niveau herbestellt hatte. Das hier war die eigentliche Bedrohung, nicht die schwächlichen Räuber von zuvor. Er könnte sich sogar vorstellen, dass diese Banditen engagiert worden waren, um entweder ihre Stärke zu testen oder um sie in falscher Sicherheit zu wiegen. Was auch immer der Grund war, es hatte funktioniert: Seraphim war überrascht - aber sicherlich nicht unvorbereitet. Souta hatte das Amulett um den Hals hängen, um das es hier gehen würde. Wenn etwas anderes das Ziel war, so hätte ihnen Loire das sicherlich nicht verschwiegen, selbst wenn es irgendwie geheim sein sollte, denn etwas anderes als den Kettenmagier würde Seraphim nun unter Garantie nicht beschützen. Diese Schüsse wirkten, als könnten sie den jungen Mann pulverisieren, könnten sie ihn treffen und diese Aussicht war keine, mit der er gut leben könnte.
Die Luft um ihn her schlug Wellen, als er sich von der Decke abstieß und in einem einzigen Wirbel aus Wind und Kleidung an Souta vorbei in die Dunkelheit des Ganges schoss. Flammende Hitze schoss Millimeter an seinem Gesicht vorbei, aber immerhin hatte er nun gesehen, wo sich zumindest einer der Schützen befand. Dieser hatte sich gerade ihm zugewandt, also könnte Souta den Moment nutzen, um ihn auszuschalten... der Dragonslayer hob die Hand und ballerte einen Hagel aus Windkugeln den Gang hinunter, um den Rothaarigen einen Moment Feuerschutz zu geben. Mehr als diesen würde der Peitschenschwinger sicherlich nicht brauchen, immerhin redeten sie hier von einem Mann, der gefühlt mit Blitzen um die Wette laufen konnte... hätte er ihn nicht schon einmal dabei beobachtet, hätte man nun sicherlich mutmaßen können, inwiefern er auch in anderen Belangen seines Lebens so schnell war.

Ein Laie würde Soutas Vorgehensweise sicherlich als dumm bezeichnen – wer rannte schon direkt auf seine Angreifer zu, wenn er noch Sekunden zuvor von ihnen beschossen worden war? Aber nein, der Rotschopf mit der Augenklappe war nicht blöd oder hatte Todessehnsucht, er handelte nach dem Credo eines Gildenmagiers. Ihr Auftrag lautete, dass sie das Amulett beschützen mussten, was indirekt auch bedeutete, dass sie Bedrohungen für das Schmuckstück ausschalten mussten. Der einfachste Weg, um einen Schützen zu finden war natürlich, seinen Schüssen zu folgen und diese führten den Kettenmagier direkt zu einer Gruppe Unsichtbarer. Da er sie von seinem Standpunkt aus nicht erkennen konnte, musste er sich weiterhin auf die Laserpointer verlassen und um Daten zu bekommen, brauchte er Schüsse, also spielte er Zielscheibe. Souta wollte gar nicht wissen, wie Seraphim diesen Gedankengang wohl kommentiert hätte, doch solange er ihm nicht in die Quere kam, sondern im Gegenteil dafür sorgte, dass er sich unbehelligt vorwärts bewegen konnte, war alles in Butter. Die flinken Füße des Magiers trugen ihn über den Boden des Ganges, wobei er abenteuerliche Haken schlug, um den extrem gut gezielten Feuern der ihm unbekannten Waffen zu entgehen und nicht zu einer Staubwolke zu verglühen. Sich von einer dieser magischen Kugeln treffen zu lassen, würde sicherlich unglaublich schmerzen, worauf der Kettenmagier selbsterklärend keine allzu große Lust hatte. Dennoch musste er den Windkugeln hinterher, dorthin, wo die Strahlen hergekommen waren. Die ersten Zauber schlugen ein, als er sich nach vorne hechtete und – obwohl er es nicht sehen konnte – gegen etwas hartes knallte, was sich als den Schaft einer Waffe herausstellte, der von einer Person gehalten wurde, die im ersten Moment überrascht aussah, aber gleich wieder anlegte. Einen Treffer aus nächster Nähe wollte der Rotschopf nicht riskieren, also schnellte seine Faust nach vorne und schickte den Schützen ins Land der Träume. Gerade, als er die Identität ihres Bedrohers herausfinden wollte, spürte er, wie sich etwas von hinten um seinen Hals legte und verfluchte sich zugleich, dass er die übrigen Einbrecher nicht im Auge behalten hatte. Mit seinem Handicap konnte man nicht alles verfolgen, doch das war keine Entschuldigung, also stolperte er zurück und rammte seinen Würger gegen die Wand, wobei sich ein Gemälde löste und mit lautem Poltern zu Boden glitt. Es war keine Zeit, den Verlust zu bedauern, weil er damit beschäftigt war, seinen Angreifer auszuknocken. Als auch dieser zu Boden glitt, konnte er sich endlich dem verbleibenden „Nest“ zuwenden, aus dem Schüsse gekommen waren. Leider war dieser kurze Sturmangriff mittlerweile bemerkt worden, weswegen auch nur etwa einen Sekundenbruchteil, nachdem er den Gang durchquert hatte, etwas brennend heißes seinen Oberschenkel entlangpfiff und den Stoff seiner Jeans durchkokelte. Die Wand hinter ihm splitterte in einem kleinen Loch, den der Laser gestanzt hatte – und Souta dankte allen Göttern, dass der Stoff seiner Hose dick genug war, dass er lediglich ein unangenehmes Ziehen spürte, das bestenfalls ein Kratzer oder eine kleine Fleischwunde sein konnte. Mit einem letzten langen Schritt war er bei den Attentätern und bekam erst einmal eine Art Gewehrlauf in den Magen. An sich unangenehm, doch bevor sein letztes Stündlein geschlagen hatte und der Schütze abdrücken konnte, entwand er seinem Feind die Waffe und zog sie ihm über den Kopf. Diese Quest hatte wahrlich ihren Titel verdient, wenn es diese Einbrecher schafften, ihn ganze zweimal zu erwischen, doch Souta zeigte sich zur Abwechslung einmal nicht von seiner wehleidigen Seite und hob das im Fallen gelassene Schwert mit vielleicht etwas weniger Grazie als sonst auf, nur um sich gleich wieder in Kampfposition zu begeben und nach Überresten zu suchen. Das Adrenalin pumpte durch seine Adern und verhinderte, dass er allzu sehr über andere Dinge als sein momentanes Ziel nachdachte, was dem Erfolg der Quest sicherlich zuträglich war. Nachdem er nun einmal gewütet hatte, brauchte er nur noch auf Seraphims Antwort zu warten und konnte dann die Reste einsammeln - sollte doch nicht weiter schwer sein, hm?

Seraphim hatte grundsätzlich ein paar Probleme damit, Souta auf eine Quest zu begleiten. Sicherlich war er froh, wenn er mit ihm Zeit verbringen konnte und wenn es mal gerade nicht ins Nest eines Schreckens aus seiner Jugend ging, fand sich immer wieder die Möglichkeit, seine Anwesenheit zu feiern, aber mit ihm zu questen bedeutete auch, ihn Gefahren ausgesetzt zu sehen. Ihre Arbeit war natürlich mit Risiko verbunden, immerhin stellten sie so eine Art magische Eingreiftruppe für die Probleme ihrer Klienten dar und obwohl Souta stark und schnell genug war, um dem meisten Schaden zu entgehen, machte allein die Vorstellung, ihn verletzt oder gar schlimmeres zu sehen, ganz kirre. Da half es kaum, dass sie es mit dank Dunkelheit gut versteckten Gegnern mit tödlich präzisen Waffen zu tun hatten, die es sogar noch schafften, dem Kettenmagier einen Streifschuss zu verpassen… nein. Seraphim hätte den Rothaarigen gerne aus dieser Situation gewünscht, auch wenn es dann für ihn deutlich schwerer geworden wäre. Das aber durfte kein Problem sein, immerhin war er hier der Sephirot… der gerade beinahe gegen eine Wand geflogen wäre, weil er leider nur einen überdurchschnittlich guten Geruchssinn besaß, aber keinen Radar. So ein Kampf war schwer zu gewinnen, wenn man sich nicht einmal vernünftig fortbewegen konnte, ohne sich selbst zu gefährden, aber auch wenn fliegen in einem Gebäude immer ein wenig riskant war, die Alternative war nicht besser. Außerdem hielt er es für nicht angebracht, einen Tornado in einer Villa zu entfachen, egal wie sehr ihm ihr Besitzer zuwider war. Glücklicherweise schien Souta jedoch besser mit seinem Gegner zurecht zu kommen, als es zuerst den Anschein hatte, da er sich ihm entledigte und weiter lief. Der Dragonslayer selbst wollte sich eigentlich auf niemanden fixieren, bis er sich einen Überblick verschafft hatte, weil er ungerne von einem im Hinterhalt liegenden Feind gegrillt werden wollte, während er sich mit seinem Kumpan herumschlug. Allerdings blieb ihm wenig anderes übrig, weil er nach einem Schlenker nach links nämlich unerwartet beinahe in eine Gestalt reingerast wäre, die in dunkle Tarnfarben gekleidet auf dem Boden kauerte und etwas in der Hand hatte, das stark nach einem Gewehr aussah. Also hatte er recht gehabt, diese Leute waren wahrscheinlich mit ähnlichen Waffen bestückt wie die Puristen damals. Schon diese Fanatiker hatten mit ihren magisch verstärkten Gewehren und Schilden großes Chaos unter den Magiern veranstaltet, die den Auftrag gehabt hatten, die Proteste zu überwachen, aber ansonsten hatten sie nicht wie wirklich ausgebildete Kämpfer gewirkt. Diese Leute schienen genau zu wissen, was sie taten und ebenso, was sie haben wollten. Das brachte den Rothaarigen in Gefahr und machte im Umkehrschluss den Dragonslayer wütend. Die Schilde der Puristen hatten Dragonslayermagie nicht standhalten können, also war es vielleicht keine allzu gute Idee, den Freund des fliegenden Weißhaars anzugreifen. Nur schade, dass diese Männer das nicht wussten.
Kaum bemerkte Seraphim sein Gegenüber, tat er das einzig in dieser Situation noch mögliche: Er zog die Beine an und trat sie der Gestalt mit aller Kraft gegen die Brust, als er in die hinein raste. Man konnte förmlich spüren, wie die Luft aus gequetschten Lungen wich und er hatte Zeit, die Waffe des Angreifers aus seinen Händen zu treten, auch wenn er durch den Aufprall auf dem Boden gelandet war und sein Flug somit unterbrochen worden war. Er duckte sich, als er einen weiteren Strahl heranzischen hörte und spähte nach dem nächsten Angreifer, konnte aber nichts durch die Dunkelheit erkennen. Er atmete ruhig ein und konzentrierte sich, wohl wissend, dass er nicht allzu viel Zeit haben würde, sobald das nächste Geschoss auf ihn traf: Dieses würde sein nächstes Ziel verraten, ihn aber auch in unmittelbare Gefahr bringen. Eine Sekunde verstrich, in der sich die Härchen in seinem Nacken aufrichteten. Ein greller Lichtblitz erhellte den Gang, ein Silhouette wurde erkennbar, etwas rotes schoss auf ihn zu, Seraphim ließ sich zur Seite kippen, riss seine Hand nach vorne, fühlte einen brennenden Schmerz an seiner linken Schulter und feuerte fünf Windklingen in Richtung des Schützens. Mit einem dumpfen Aufprall fiel er zu Boden und drückte sofort seine Hand auf seine Schulter, von der ein verbrannter Geruch ausging. Noch war er unsicher, ob er seinen Gegner seinerseits getroffen hatte, aber da weitere Schüsse ausblieben, konnte er wohl davon ausgehen.

Aus genau dem Grund, aus dem Seraphim so seine Probleme hatte, Souta auf Quests zu begleiten, pochte der Rothaarige vehement darauf, mitgenommen zu werden. Vermutlich lag das irgendwo in ihrem Charakter verborgen, der doch ziemlich unterschiedlich war, selbst wenn sie einige Hobbies und das Bett miteinander teilen konnten. Während der Himmelsmagier seinen Freund wohl am liebsten in einen Glaskasten gesperrt hätte, wo er sicher und behütet war, um ihn dann und wann zu seinem Vergnügen herauszuholen und mit ihm zu spielen, war Souta eher der Typ, der seine Schutzbefohlenen an sich kettete und sich heldenhaft in die Schussbahn ihrer Feinde warf … Was wahrscheinlich nicht gerade dabei half, ihn zu beschützen. Wie sollte man auch jemanden behüten, der erst dann aufging, wenn er sich für andere in Gefahr begeben konnte? Das war eine nicht zu unterschätzende Differenz zwischen ihnen, die sich sicherlich nicht einfach so klären würde. Seraphim fand die Vorstellung schrecklich, dass er in seiner Gegenwart verletzt wurde, doch für Souta gab es nur eine einzige Sache, die schlimmer wäre, als den Tod seines besten Freundes mitansehen zu müssen: Von irgendjemand anderen zu erfahren, dass er auf einer Quest gestorben war. Und wenn man mal ehrlich war, konnte das durchaus passieren. Der Weißhaarige war zwar sehr stark, doch dementsprechend schwierig gestalteten sich auch seine Missionen. Souta wusste natürlich, dass er kein Gott war, aber es genügte schon, wenn er einfach nur den Arm ausstrecken konnte, um sich der Sicherheit seines geheimen Lebensmittelpunktes vergewissert zu sehen. Die Leute mochten ihn einen feigen Weiberschwarm nennen, der immer dann abhaute, wenn es brenzlig wurde, aber seinen Freunden gegenüber war Souta nun wirklich loyal bis zum Äußersten, was eine der wenigen positiven Eigenschaften war, die man ihm zuschreiben konnte, ohne zu übertreiben. Dementsprechend kam es selbstverständlich nicht in die Tüte, dass irgendwelche dahergelaufenen Typen auf seinen Freund schossen, aber leider konnte er nicht überall sein. Die roten Blitze der Angreifer feuerten durch den Raum, und er verfolgte sie nicht minder blitzartig, um einen nach dem anderen auszuschalten, aber was sollte er schon gegen den Vorteil der Dunkelheit anrichten, außer immer wieder den Kurs zu wechseln, um auszuweichen? Während er sich gerade duckte, wuschte etwas über ihn hinweg, was sich als Seraphim herausstellte, kurz darauf war ein Stöhnen zu hören und ein Aufprall, der Souta herumwirbeln ließ. Mit schnellen Schritten näherte er sich dem Dragonslayer, schreckte allerdings zurück, als ein weiterer Schuss durch die Dunkelheit brannte und für einen Moment auch den Rückzugsort des Himmelsmagiers erhellte. Sein Herz setzte fast aus und die Luft blieb in seinem Hals stecken, während sich sein Auge panisch auf die Finsternis fixierte, um irgendetwas darin zu erkennen. Etwas kam auf dem Boden auf, was hoffentlich keine Leiche war, und er sprintete in die Richtung, aus der er den Schuss gesehen hatte. Bevor er dazu kam, den Schützen mit zorniger Gerechtigkeit zu Filet zu verarbeiten, zischte etwas anderes durch die Luft und erzeugte ein spritzendes Geräusch, kurz darauf war sein Gesicht von etwas Warmen bedeckt, doch da das unmöglich ihm gehören konnte, beließ er es bei einer eher angeekelten Miene, die in der Dunkelheit sowieso niemand sehen würde. Apropos Dunkelheit … Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch tastete er sich nach vorne und leitete Feuermana in seine Hände, bis diese leucht glühten, Da er weder die Wände noch irgendetwas anderes abfackeln wollte, musste das reichen, bis sich der Zauber durch seine hektische Bewegung verflüchtigte, weil er vor dem Himmelsmagier auf die Knie rutschte und ihn mit schreckensgeweitetem Auge ansah. „S-Seraphim...?“

Seraphim war paradoxerweise ganz eindeutig der Typ, der Souta am liebsten von allen Gefahren fernhalten wollte und ihn in Sicherheit wiegen wollte, weit entfernt von allem, das ihm schaden könnte. Seltsam war das schon allein, weil er normalerweise keine Gewissensbisse hatte, wenn er andere in Tod und Verderben schickte, aber im Falle des Kettenmagiers hätte er es wohl wirklich lieber gehabt, wenn dieser in einer sicheren Umgebung residieren würde. Ein Glaskäfig wäre vielleicht eine gute Idee, auch wenn Seraphims Kopf sofort vorschlug, ihm dabei jegliche Kleidung zu verweigern... und das würde auf Dauer nicht gut gehen. Der Dragonslayer hatte nicht halb so viel Angst davor, selbst verletzt zu werden, als den Rothaarigen leiden zu sehen, also wäre es für ihn einfacher, durch eine Quest zu gehen, wenn er seinen verwundbarsten Punkt sicher wissen würde... andererseits wusste man bei Souta nie, was er als nächstes anstellen würde, sodass es unter Umtsänden die klügere Idee war, ihn immer scharf im Auge zu behalten. Aus genannten Gründen war Seraphim so erleichtert, als er Souta über sich erkannte, dass die Schmerzen in seiner Schulter für den Moment vergessen waren. Noch durchzuckten keine weiteren Schüsse die Dunkelheit, also konnte man vielleicht davon ausgehen, dass sie bereits alle Gegner erledigt hatten. Während er sich langsam aufrichtete, fuhren seine Augen Soutas Körper ab, um sicher zu gehen, dass er auch nicht verletzt war, doch leider konnte man das nicht sagen. Beinahe magisch wurde sein Blick von dem durchbrannten Loch in seiner Hose angezogen und er streckte die Hand aus, um vorsichtig darüber zu streichen. Wenn er sich anstrengte, konnte er einen leicht verbrannten Geruch ausmachen, der ihm auf beinahe brutale Weise den Magen umdrehte. Er wusste, wie unglaublich schmerzempfindlich der junge Mann war und dennoch hatte er es zugelassen, dass er verletzt wurde... und diese Tatsache hatte sich sogar noch vor den glühenden Händen in seinen Kopf geschlichen, vor denen er nun erst im Nachhinein zurückschreckte. Gut, dass sie ihm doch noch aufgefallen waren, denn am Ende hätte er sich sonst an ihnen verbrannt, worauf er sicherlich nicht allzu gut reagiert hätte. „Mach die… weg…“, murmelte er und drückte seine Handgelenke von sich weg, um ihm im nächsten Moment einen Kuss auf die Wange zu drücken und sich zu seiner Verletzung herunter zu beugen. Die Tatsache, dass sich diese auf der Oberseite seines Oberschenkels befand und er sich damit in von außen betrachtet sicherlich interessanter Weise positionierte, wurde gar nicht beachtet und er dachte sogar einen Moment darüber nach, ob er die Stelle nun nicht besser freilegen sollte, ehe sich noch Stoff darin verfing und sie aufscheuerte. „Aber ansonsten geht es dir gut, oder?“, fragte er und friemelte das Loch in seiner Hose ein bisschen weiter auseinander. Vorsichtig legte er die Handfläche auf die verbrannte Haut und konzentrierte sich. Früher hätte so etwas ihn wahrscheinlich überfordert, aber genau deswegen hatte er immerhin geübt: Er war es satt gewesen, dass Souta sich ständig so verletzte, dass er ihm dabei nicht helfen konnte. Vielleicht konnte er was das betraf gleich weitermachen, immerhin wusste er von ein paar Narben, die an unschöne Begebenheiten erinnerten. Allen voran waren da welche an seinen Handgelenken, die den Dragonslayer jedes mal schmerzlich daran erinnerten, dass er den Kettenmagier beinahe verloren hätte, ohne dass er etwas daran hätte ändern können. Es war seine größte Furcht, dass so etwas noch einmal geschah, dass Souta eines Tages einfach verschwand und nie wieder zurückkehrte. Er spürte, wie die Haut unter seiner Hand zu heilen begann, sich zusammenfügte und hoffte, dass der Schmerz bereits verschwunden war. Er hob sie leicht an und spähte drunter, bemerkte, dass der Heilungsprozess wohl abgeschlossen war und beugte sich vor, um der unversehrten Haut einen leichten Kuss zu geben. Natürlich – wie hätte es auch anders sein können – gingen in diesem Moment die Lichter wieder an und er blinzelte geblendet. Da er Schritte nahen hörte, richtete er sich hastig auf – denn er konnte sich wirklich schöneres vorstellen, als in seltsamen Positionen in genau diesem Haus erwischt zu werden. Wäre dies ein anderes Anwesen, bitte… aber nicht hier.

Im ersten Moment konnte sich Souta nicht bewegen. Vollkommen widersprüchliche Emotionen wirbelten in seinem Inneren herum wie ein aufgestachelter Wespenschwarm und ließen selbst einfache Dinge, das Formen von Worten, das Entgegenneigen seiner Wange oder das Abbrechen eines Zaubers, zu Unmöglichkeiten werden. Die kurze, intensive und erschreckend packende Angst, dass Seraphim nicht aufstehen würde, nicht auf seinen geflüsterten Namen reagieren konnte, weil er tot oder schwer verletzt war, hatte ihn so sehr in ihrem Griff gehabt, dass die Erleichterung sich für einen Augenblick anfühlte, als hätte man kochendes Wasser in einem Eimer mit Eiswürfeln geschüttet. Er hatte einen Kurzschluss, seine Festplatte hängte sich auf und er saß einfach nur da, versteinert und mit stockendem Atem. Erst Sekunden nachdem die blassen Finger des Älteren bereits über seine Wunde fuhren und er den ziehenden, brennenden Schmerz durch die Betäubung seiner Sinne hämmern spürte, schnappte er nach Luft und hatte den Eindruck, die kurz stehen gebliebene Welt würde sich erneut in Bewegung versetzen. Plötzlich sah er alles, blickte auf den stachelig weißen Kopf unter sich herab und senkte die Arme zu Boden, wo der Zauber seinen Effekt verlor und die Dunkelheit zurückkehrte. Er war taub wie ein eingeschlafener Fuß und schaffte es nicht einmal, die Position seines Freundes angemessen zu kommentieren, was er in jeder anderen Situation sicherlich kaum unerwähnt gelassen hätte. Unter Umständen hätte sein Körper sogar dementsprechend darauf reagiert, doch das Adrenalin und der Schock, der immernoch in seinen Gliedern saß war zuviel für seine biologischen Funktionen. Eigentlich hätte es ihn nicht einmal gewundert, wenn er nun ohnmächtig geworden wäre, denn der Geruch nach verbranntem Fleisch war auch ihm nicht entgangen, aber sein Körper war nicht so gnädig. Oder gnädig genug, schließlich wollte er nicht, dass sich Seraphim noch mehr Sorgen machte, als er es ohnehin schon so offensichtlich tat, dass Souta fast das Herz wegschmolz. So war es immer, wenn er sich verletzte ... Sofort waren da grüne Hände, die ihn heilten und vor weiteren Schmerzen bewahrten. Die Haut an seinem Bein fügte sich wieder zusammen, wodurch auch der Geist des Kettenmagiers sich wieder klärte und er immerhin damit aufhören konnte, dümmlich ins Nichts zu glotzen. Stattdessen hob er die Hand und berührte das Amulett um seinen Hals, um sich zu vergewissern, dass es noch da war und er die Quest zu allem Überfluss nicht gefährdet hatte. Eigentlich sollte er wohl damit aufhören, sich so einfach in Gefahr zu begeben, aber das konnte er nicht, weil es ein Teil seines Wesens war. Bisher hatte Seraphim ihn so akzeptiert und auch wenn es ihm schwerfiel, ihn jedes Mal mit diesem Gesichtsausdruck zu sehen, würde er sich nicht in dieser Beziehung nicht ändern können. Souta seufzte, um irgendwie alle momentanen Gefühle auf einmal in seine Reaktion zu packen und sah im nächsten Moment auch schon alles klarer, was allerdings daran lag, dass praktischerweise auch endlich das Licht anging. Mit einem leicht bedauernden Blick galt Soutas erste Reaktion den bewusstlosen Körpern ihrer Gegner, die im Gang verteilt lagen, doch dann wandte er sich wieder Seraphim zu und wollte etwas sagen, was allerdings dadurch durchkreuzt wurde, dass dieser hastig aufstand. Der Kettenmagier tat es ihm gleich und wankte nur ein kleines bisschen, weil es ihm vorkam, als würde ein Stein von der Größe des Mondes von seinen Schultern fallen – außerdem ebbte die Aufregung langsam ab und ließ ihn erstaunlich erschöpft zurück. „Guck dir deine Schulter an, mein Bruchpilot“, meinte er endlich, lachend, nachdem er seine Stimme wiedergefunden hatte und lehnte sich gegen die Wand, um seine Wackelpuddingknie geschickt zu kaschieren. Mit einer Hand rieb er über die leicht kribbelnde Stelle, an der er geheilt worden war. Leider konnte der Himmelsmagier seine eigenen Wunden nicht so einfach wegzaubern, was irgendwie unfair erschien, wenn man so darüber nachdachte ... „Aber mal im Ernst.“ Er blickte den Gang entlang und lauschte den näherkommenden Schritten. Für einen Augenblick hatte er das dringende Bedürfnis, seine unermessliche Freude über das Überleben seines besten Freundes kund zu tun, doch er rieb sich stattdessen nur die Nase und verschränkte die Hände vor der Brust. „Waren das nicht die coolsten Waffen aller Zeiten?"

Seraphims Schulter fiel diesem tatsächlich erst wieder ein, als Souta ihn darauf hinwies. Das war wahrscheinlich eine Mischung aus Adrenalin und seiner relativen Schmerzunempfindlichkeit, die ihm dabei geholfen hatte, die Tatsache zu verdrängen, dass auch er verletzt worden war. Es hatte eben nicht anders funktioniert, als sich selbst zur Zielscheibe zu machen und dafür hatte er sich eben die Finger - oder besser die Schulter - verbrannt. Er warf einen wenig gnädigen Blick auf die angesengte Stelle und stellte fest, dass er wohl noch Glück gehabt hatte: Er konnte eigentlich nur einen Streifschuss abbekommen haben, denn ansonsten wären diese Lichtblitze sicherlich tiefer eingedrungen oder hätten sonst etwas mit ihm angestellt. Vielleicht hätten sie ja auch das Potenzial gehabt, ihn zu schocken... denn Souta hatte durchaus recht, auch wenn er es mit Sicherheit anders formuliert hätte: Diese Waffen waren schon cool. Allerdings bedeutete das in diesem Fall, dass sie gefährlich waren, was, wenn sie gegen ihn eingesetzt wurden, überhaupt nicht positiv zu bewerten war. Insofern konnte er Soutas Enthusiasmus darüber nicht ganz so sehr teilen, zumal seine Schulter pochte und er davon nicht gerade begeistert war. "Sie erinnern mich an die Waffen der Puristen, weißt du noch...?", meinte er und blickte auf den Gang, aus dem die Schritte zu kommen schienen, "Ich hoffe, dass die nicht so langsam in die Mode kommen." Das Problem mit Fortschritt, was Waffen angelangte, war, dass er sich so schlecht steuern ließ… und Seraphim wollte nicht irgendwann von einem Lichtblitz getroffen sein Leben aushauchen müssen. Er war sowieso kein Fan von Waffen, weil er fand, dass sie echte Magier über den Tisch zogen: Diese mussten immerhin lange üben, damit sie ihre Talente entfalten konnten und solche Gegenstände machten es nicht magischen Personen so viel einfacher, ohne dass sie wirklich etwas können mussten. Abgesehen von Zielen, verstand sich, doch das musste er auch.
Wenige Sekunden später kam ihr Auftraggeber um die Ecke gestiefelt. Kurz blickte er auf die bewusstlosen (der Zustand von Seraphims letztem Gegner war wohl eher ungewiss…) Eindringlinge, danach auf die beiden Magier, Souta, der sich die Nase rieb und Seraphim, dessen Hand auf seiner Schulter lag und zum Schluss auf die Waffe, welche ihm am nächsten war. Mit einem Stirnrunzeln beugte er sich herunter und umfasste den Griff der Feuerwaffe, hob sie hoch und betrachtete sie mit düsterer Miene. Der Dragonslayer hatte den Eindruck, ein Funkeln des Wiedererkennens in den schwarzen Augen zu sehen, doch vielleicht bildete er sich das auch nur ein, weil er diesen Mann nicht leiden konnte… „Ich dachte es mir schon…“, murmelte Loire und drückte die Waffe einem der Angestellten in die Hand, der hinter ihm hinein gekommen war. Okay und wie war das hier nun zu verstehen? „Was dachten Sie sich?!“, fragte Seraphim mit Nachdruck in der Stimme, der Blick finsterer, als er beabsichtigt hatte. Er wollte den Riesen eigentlich gar nicht provozieren, es regte ihn nur ein wenig auf, dass er ihnen wohl noch immer Informationen vorenthielt und Souta damit in Gefahr gebracht hatte. Hätte Seraphim gewusst, dass die nächsten Eindringlinge mit etwas derart Potentem ausgerüstet sein würden, wäre er vorsichtiger gewesen und hätte dem Kettenmagier das Amulett garantiert nicht gegeben, sondern es lieber selbst getragen. Ihr Auftraggeber blickte zu ihnen herüber und schürzte einen Augenblick die Lippen, bevor er näher trat und Souta die Hand entgegen streckte. „Das Amulett, wenn ich bitten darf.“ Wollte er ihnen nun erklären, was es mit der ganzen Sache auf sich hatte oder wollte er sie lieber unwissend sterben lassen? Solange Seraphim hier nicht noch viel länger zubringen musste, war es ihm an sich relativ egal, auch wenn ihn spätestens die gute Ausbildung und Bewaffnung der Angreifer neugierig gemacht hatte. Solche Leute stiegen nicht in ein Haus ein, um Schmuck zu klauen und nahmen dabei Waffen mit, die man im Krieg einsetzte… diese Leute wirkten eher, als hätten sie vor, etwas vollständig anderes mitzunehmen, etwas gefährliches vielleicht oder etwas sehr wichtiges – aber garantiert kein blödes Amulett. Loire musste wissen, dass die beiden Magier sich das nicht vormachen lassen würden, also würde er doch nun bestimmt mit der Wahrheit herausrücken, nicht wahr? Zumindest in Teilen…

Loire wusste also mehr als sie, hatte es aber nicht für nötig befunden, sie davon in Kenntnis zu setzen. Wäre Souta nicht ohnehin schon schlecht auf den Schwarzhaarigen zu sprechen, wäre das hier der Moment, an dem er sich unter normalen Umständen zu leichter Unsympathie durchgerungen hätte. Für gewöhnlich kam der Rotschopf auch mit den größten Ärschen aus (man siehe das Beweisstück in weißen Haaren), aber das hier war fahrlässig und hätte durchaus den Tod seines Lieblingsarsches zur Folge haben können, was er eher weniger gut verkraften würde. Die dumpfe Ahnung, dass ihr Auftraggeber vielleicht sogar auf einen ähnlichen Ausgang der Ereignisse gehofft hatte, genügte Souta, um sich vielleicht etwas zu heftig für seine sonst so lässige Art von der Wand abzustoßen und das Amulett von seinem Kopf zu streifen. Er wickelte die Kette um einen der schlanken, gebräunten Finger und ließ das ach so kostbare Kleinod in der Luft zwischen ihnen baumeln, während er den glänzenden Stein betrachtete und sein Auge dabei einen seltsam monotonen Ausdruck hatte. Unvermittelt schaute er in die dunklen Augen seines Gegenübers, und obwohl er schon zuvor zur vollen Größe aufgerichtet war, schien er deutlich größer zu werden, weil sich seine Muskeln anspannten und man sehen konnte, wie sie sich an seinen Unterarmen und an seinem Hals verhärteten. Für einen sehr langen Augenblick starrte er Loire an, ohne dass sich das baumelnde Amulett bewegte. Wenn er wollte, konnte Souta durchaus unheimlich sein: Eine blutverschmierte Naturgewalt in zerrissener Kleidung, mit einer leeren Schwertscheide auf dem Rücken, da seine Waffe zu Boden gefallen war, als er nach Seraphim gesucht hatte. Schließlich fiel die Halskette in die fordernd geöffnete Hand Loires und Souta zog die seine zurück, stellte sich neben Seraphim und schien allein durch seine Präsenz die weißen Haare, Augenbrauen und die helle Haut einen Ton dunkler zu färben. Etwas Angepisstes, Ärgerliches strahlte von ihm aus, aber auch etwas Drohendes, wie bei einem Hund, der die Zähne fletscht. „Sagen Sie uns, was hier los ist.“ Er verzichtete auf Höflichkeit und ließ diese Aussage nicht zufällig wie einen Befehl klingen, denn sie war genau so gemeint. Von dem lächelnden Kettenmagier, der die Waffen bewunderte, mit denen man eben noch auf sie geschossen hatte, war nichts mehr zu sehen, dafür dünstete er umso mehr Abscheu aus, für Christophe und für all jene, die unter einem Scheusal wie ihn arbeiteten. Er hatte sie nicht nur dazu gebracht, sich zu streiten, eine emotionale Achterbahnfahrt zu durchleben und sie überheblich behandelt, sondern offensichtlich auch noch aufs Glatteis geführt und wissentlich in größere Gefahren laufen lassen, als sie angenommen hatten. Zusammen mit allen anderen Dingen war diese Person unverzeihlich. Er hatte große Lust, sie anzuspringen und sie zu verprügeln, bis von diesem selbstgerechtem Grinsen nur noch eine breiartige Masse übrig war, doch er beherrschte sich und sorgte stattdessen dafür, dass es im Zimmer noch ein paar Grad kälter wurde. „Ich sehe keinerlei Grund, wieso ich euch das erzählen sollte“, war die ebenso kühle Antwort, doch schließlich seufzte er und zuckte mit den Achseln. Seine Hand bewegte sich zur Waffe von vorhin und Souta wollte schon losspringen, aber er begnügte sich damit, auf sie zu zeigen und ein scheinbar bedauerndes Gesicht aufzusetzen, das vielleicht echt war, vielleicht nicht. „Das hier ist der etwas bessere Prototyp einer Waffe, welche die Regierung momentan entwickelt. Die Details gehen euch nichts an, doch ich kann euch sagen, dass die Pläne gestohlen wurden. Unterhalb dieses Anwesens befindet sich ein Labor, dessen genaue Inhalte euch – ebenfalls – nichts angehen. Dort werden Forschungen betrieben, welche solche Pläne hervorbringen. Aufgrund einer unglücklichen Sicherheitslücke war es unseren Widersachern möglich, sie zu stehlen. Selbstverständlich wäre es fatal, wenn weitere Waffen in die Hände derer fallen, die sie nicht besitzen sollen. Dieses Amulett enthält den Zugangsschlüssel für die Fakultät, daher war es besonders wichtig, es zu beschützen.“ Er steckte sich das Kleinod in die Jacke, nachdem er es mit einem zufriedenem Blick bedacht hatte und verschränkte dann die Arme. „Allerdings habt ihr diesen Teil ja ganz wunderbar geschafft.“ Täuschte sich Souta, oder konnte er eine Spur Sarkasmus in der Stimme hören, als die schwarzen Augen des Beamten über die Verwüstung im Gang schweiften? Vielleicht war er einfach zu abgespannt für diesen Tag ... Es kostete jeder Zelle seines Körpers unendliche Überwindung, nichts allzu Falsches auf diese Aussage zu antworten. Als die Worte ihres Auftraggebers verklungen waren, machte er einen Schritt nach vorne und hob sein Schwert auf, um es mit einer flinken Bewegung in die Scheide zurückzustecken. "Ich verstehe. Oh, übrigens ..." Er durchquerte den Raum und berührte Loire dann an der Schulter, um leicht auf die Zehenspitzen zu gehen und etwas in sein Ohr zu flüstern. Ohne auf die Reaktion des Regierungsbeamten zu achten, wie auch immer diese ausfallen mochte, stolzierte er an ihm vorbei und rempelte im Vorbeigehen den Diener an, der mit hektischen Armbewegungen zur Seite auswich und dabei fast die Waffe fallen ließ. Als er fast durch die Tür war, griff er plötzlich in die Potasche seiner Jeans und zog einen arg mitgenommenen, halb zerbröselten Keks aus der Tasche, den er im Verlauf der Quest total vergessen hatte. Mit einem Achselzucken schob er ihn sich in den Mund und schaute sich zu Seraphim um, dem er ein breites, freundliches und furchtbar soutahaftes Grinsen schenkte, ehe er die Hand nach ihm ausstreckte, ganz so, als sei überhaupt nichts gewesen.