Ciel wusste nicht warum, aber die Wahl ihres Buches enttäuschte und ernüchterte ihn zugleich. Nicht etwa, weil er sie für ihr Interesse an den mächtigsten Kreaturen der Welt verurteilte, sondern weil sich bei ihm mehr und mehr ein bestimmtes Bild von der Dame verfestigte, welches ihm nicht wirklich gefallen wollte. Ja, Sylvana war ein Dragonslayer, doch was für eine Person war sie neben dieser mächtigen und überragenden Magie? Für Menschen wie Ciel, welche mit ihrer eigenen Magie so schrecklich wenig anfangen konnten, war ein derartiges Bild etwas, dass ihn recht schnell verstimmte und ihn daran zweifeln ließ, wer die Brünette vor ihm wirklich war. Es musste doch Dinge geben, die sie neben ihrer Herkunft von einem Drachen speziell und besonders machten, oder? Was war sie noch, außer ein Dragonslayer? Es war eine dieser Fragen, die den Jungen beschäftigten, während er beobachtete, wie Sylvana sich aufrichtete und das Buch in ihrer Tasche verstaute. Beinahe fahrig glitten seine zitternden Finger über das kühle Metall, welches noch immer vorwitzig von seinem Handgelenk baumelte und kurz spielte er mit der Überlegung, bevor sie losgingen, seine rasenden Gedanken noch mit einer klitze kleinen Zigarette zu beruhigen. Andererseits hatte er kurz zuvor erst geraucht und gerade jetzt wollte er sich viel lieber auf Sylvana konzentrieren, auch wenn er damit eine nervliche Überspanntheit in Kauf nahm, bot sie doch momentan das weitaus interessantere Objekt. Vielleicht würde sich heute die Gelegenheit bieten, einmal mehr über die andere Sylvana Ferndandez zu erfahren, das Mädchen, das nicht nur von einem Drachen abstammte, sondern neben dieser Besonderheit auch noch über charakterliche Eigenheiten verfügte. Denn das war es, was ihn genauer interessierte und seine Informationsbasis füttern würde, wie ein erstklassiges Frühstück. Wo man gerade bei Frühstück war, ob Sylvana wohl schon gegessen hatte? Natürlich hatten sie sich eigentlich getroffen, um ihr eine neue Behausung in Oshibana zu beschaffen, doch das würde sie ja nicht daran hindern, vorher noch einen Happen zu essen, oder? Der Blick des Valentine wanderte kurz über die Cafés in der Umgebung, dann landeten seine blauen Augen auf einer kleinen Kaffeebude ganz in der Nähe. Kurz wurde die Luft mit der feinen Nase geprüft, dann bekannte er sich zufrieden mit dem Aroma und riss kurzerhand die Führung der kleinen Gruppe an sich. Mit seiner linken Hand fischte er sich Sylvanas Finger aus der Luft und zog sie dann mit einem leichten Gähnen relativ unbeeindruckt hinter sich her, völlig ohne daran zu denken, was das vielleicht für einen Eindruck bei der Magierin hinterlassen würde. Ihm kam nicht einmal in den Sinn, dass sie eine derart unerwartete Berührung eventuell in Verlegenheit oder Bedrängnis stürzen würde, viel zu sehr war er auf das Essen und den heißen Kaffee vor seiner Nase konzentriert. Frühstück und es war zum greifen nahe. "Sag mal Sylvana, was hältst du davon, wenn ich dich vorher auf einen Kaffee einlade? Nur um wach zu werden, meine ich. Außerdem habe ich noch nicht gefrühstückt und irgendwie kam mir eben der Gedanke, dass das hier eine längere Prozedur werden wird und da wollen wir doch sicherlich nicht unvorbereitet anfangen, oder?" Ja, in seinen Ohren klang das absolut logisch, vernünftig und einleuchtend, weshalb er auch keinerlei Protest von seiner Begleitung zulassen würde, schließlich war sie es doch gewesen, die ihn zu dieser kleinen Besichtigung eingeladen hatte. Nun würde sie auch mit seinen Eigenarten klar kommen müssen, ob ihr das nun gefiel oder nicht.
Der Mann am Stand begrüßte die Beiden mit einem sehr gut einstudierten Lächeln, welchem Ciel eine kurze Welle der Bewunderung gegenüber empfand, dann nahm er die Bestellung des Valentines ohne zu zögern auf und dieser ließ Sylvanas Hand fallen, während er nach einigen Jeweln fischte, welche er noch von seiner Quest mit Seraphim übrig hatte. Nachdem er bezahlt hatte, bekam Sylvana kurz darauf einen Becher heißen Kaffee in die Hand gedrückt und einen forschenden Blick von dem Metallmagier, welcher in eben jenem Moment geschickt mit Brötchentüte und Kaffeebecher hantierte, ohne irgendetwas zu verschütten. Welch Glück, dass diese Papierbehälter mittlerweile einen Deckel hatten, sonst hätte sich das Ganze mit Sicherheit als schwieriger herausgestellt. "Also, Dachgeschoss, Einfamilienhaus oder am Rande der Stadt?", summte er und trommelte dabei nachdenklich mit den beringten Fingern auf dem Pappbecher herum. "Ich finde wir sollten mit dem Dachgeschoss anfangen, dann das Haus und anschließend dann zum Rand der Stadt, das sollte doch ungefähr auf einem Weg liegen, oder?

Ciels Handlung traf Sylvana wahrlich auf dem falschen Fuß. Während ihre Gedanken noch immer über dem vorherigen Moment kreisten und ihr Verstand ihr Fragen über ihr merkwürdiges Verhalten in Gegenwart des Dragonslayers stellten, schnappte sich Ciel, ohne das leiseste Wort der Vorwarnung, ihre Hand und zog sie mit sich. Normalerweise war Sylvana nicht die Art von Person, die einfach das Steuer aus der Hand gab und sich mitreißen ließ. Sie hatte es doch schon lieber, wenn sie Herrin der Lage war und selbst bestimmte, in welche Himmelsrichtung sie segeln würde. Doch sah es in dieser Situation völlig anders aus. Ihr Unterbewusstsein schrie sie förmlich an, sie solle die Kontrolle zurückgewinnen und sich nicht einfach so wie ein Sack Mehl mitziehen lassen. Im Anbetracht der Tatsache, dass ihr Körper mal wieder den Gehorsam verweigerte und auch ihr Verstand, so stark wie er es nur konnte, die Stimme aus ihrem Inneren zu ignorieren versuchte, konnte man sich ja denken, wie es um Sylvana aussah. Die Wangen leicht gerötet, mit weit geöffneten Augen, ließ sie sich von Ciel mitziehen, ohne auch nur den kleinsten Funken Widerstand zu zeigen. Ihre Ohren lauschten wie gebannt seinen Worten. Er wollte sie zu einem Kaffee einladen? Wie zuvorkommend von ihm. Ein leichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. „Als ob ich da nein sagen könnte. Mir gefällt die Idee.“
Als sie schließlich am Stand standen und Ciel die Bestellungen abgab, fing Sylvana erst wirklich an, die Worte des Valentines zu lesen. Es war nicht so, als ob sich die Dragonslayerin nicht auch ein näheres Bild über den blauhaarigen Jungen machen wollte. Immerhin gab es garantiert mehr Besonderheiten als seine blauleuchtenden Augen, über die Sylvana jetzt, zu ihrer eigenen Sicherheits willen, bloß nicht philosophieren wollte. Neben den Eigenschaften, die man aus seinem Äußeren auf ihn ableiten konnte, gab es da eine Sache, die der Fernandez bei seinen Worten aufmerksam machte. An sich war es ja nichts Besonderes, wenn man einen Kaffee und Brötchen zum Frühstück verzehrte, um wach und gesättigt in den Tag zu starten. Nur hatte die Sonne bereits ihren Zenit überschritten, die Zeiger schrieben die Nachmittagszeit. Hatte Ciel wirklich bis vor kurzer Zeit noch geschlafen? Zumindest ließen seine Worte darauf schließen. Ein komischer Schlafrhythmus, wenn man die Dragonslayerin fragte. Aber sagte das was über Ciel aus? Ehrlich gesagt konnte Sylvana daraus noch keinen wirklichen Schluss ziehen. Immerhin konnte es ein Einzelfall sein, den sie hier heute erlebte. Auch wenn es sie schon ein wenig verwirrte, dass man erst am späten Nachmittag frühstückte.
Sylvana legte ihre Gedankengänge beiseite, als Ciel ihr den Becher in die Hand drückte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch nicht wirklich realisiert, dass er ihre Hand losgelassen hatte. Wenn sie so darüber nachdachte, hatte ihr dieser kurze Kontrollverlust eigentlich doch recht gefallen. Ungewöhnlich, vielleicht sollte sie sich später noch einmal damit auseinandersetzen. „Vielen Dank, Ciel.“ Lächelnd öffnete sie den Deckel des Papierbehälters, nahm einen tiefen Zug des aromatischen Dampfes, welcher in ihre Nase emporstieg. Man konnte sagen, was man wollte, aber Ciel hatte einen guten Geschmack, was Kaffee anging. Zumindest gefiel der Dragonslayerin das Aroma, welches sie in diesem Moment in ihrer Nase wahrnahm. War nur zu hoffen, dass der Kaffee geschmacklich an dieses Aroma anknüpfen konnte. „Von meiner Seite gibt es da keine Einwände. Wäre auch die gleiche Route, die mir im Kopf geschwebt hatte“, sagte die Dragonslayerin, nahm daraufhin erstmal einen kleinen Schluck aus dem Papierbecher und schloss genussvoll die Augen, während sich das Aroma in ihrem Mund entfaltete. Fast schon wie erwartet schmeckte der Kaffee fantastisch. Den Stand hier musste sie sich eindeutig für die Zukunft merken. Ein weiterer, etwas größerer Schluck des heißen Getränks folgte, ehe Sylvana wieder ihre Augen öffnete. „Folg mir einfach“, meinte die Fernandez lächelnd, verschloss ihren Becher wieder mit dem Deckel und setzte sich in Bewegung. Die Wohnung war nicht weit von ihrem jetzigen Standort entfernt, zwei, höchstens drei Straßen entfernt, sodass sie nach wenigen Minuten schließlich dort ankamen. Das erste Objekt war ein dreistöckiges Haus, mit weißer Fassade. Es war schlicht gehalten und stimmte mit der Beschreibung, welche der Dragonslayerin gegeben wurde, überein. Zumindest von außen machte es in Sachen Größe einen guten Eindruck, immerhin hatte Sylvana anfangs noch einige Zweifel gehabt, was diesen Punkt anging. Kurzerhand ließ Sylvana die rechte Hand in ihrer Tasche verschwinden, wühlte dort einige Augenblicke rum, ehe sie einen silbernen Schlüssel aus ihr heraus beförderte. Auf dem Schlüsselkopf waren einige Zeichen eingraviert, H7S3 stand dort in leserlichen Druckbuchstaben und Ziffern. Haus 7, Stockwerk 3. Ein schneller Blick an den Klingelkasten gab aufschluss darüber, dass sie auch den richtigen Schlüssel in der Hand hielt. „Dann mal los“, sagte Sylvana und öffnete sogleich die Tür mit ihrem Schlüssel. Während sie die Treppen hochstieg, trank sie hin und wieder noch einen großen Schluck ihres Kaffees, ehe der Becher schließlich leer war, als sie vor der Tür im dritten Stock stand. Erneut fand der Schlüssel seinen Weg ins Türschloss und öffnete ihnen den Weg in die Wohnung. „Wollen wir uns einmal umsehen?“

Normalerweise war Ciel niemand, der einem anderen Menschen einfach blind folgte und hinterher trottete. Daher widerstrebte es ihm auch, als die Dragonslayerin kurzerhand das Steuer an sich riss und die Richtung angab. Lediglich der Gedanke, dass in diesem Fall alles vorher abgesprochen war und er ganz genau wusste, wohin die Reise führte, hielt ihn davon ab nervös und unruhig zu werden oder gar die Nerven zu verlieren. Es war viel zu einfach den Blauhaarigen aus der Ruhe zu bringen und so sehr er sich diesem Fehler auch bewusst war, bisher war es ihm nicht gelungen, ihn zu überwinden oder einen Ausgleich zu finden. Natürlich schafften es die geliebten und gleichzeitig auch verhassten Zigaretten etwas Ordnung in sein chaotisches Leben zu bringen und auch der Kaffeebecher und die Brötchentüte, welche beide fest mit seinen schlanken Fingern umschlossen wurden, verhinderten jedes nervöse Zucken dieser Gliedmaßen. Daher war es unwahrscheinlich, dass seine Begleitung von der plötzlich aufkommenden Unruhe in seinem Herzen etwas mitbekam und er würde einen Teufel tun und sie darauf hinweisen.
Sie mussten gar nicht lange laufen, bis sie schließlich bei dem ersten Haus ankamen und am Rande seiner Gedanken registrierte der Valentine, dass sich das Gebäude nur wenige Straßen von seinem eigenen Zuhause entfernt befand und er sich daher in dieser Gegend mittlerweile relativ gut auskannte. In einer vorsichtigen Bewegung linste der Blauhaarige über die Schultern Sylvanas (von wo aus er unter anderen Umständen und mit anderer Kleidung in Verbindung einen ganz wunderbaren Ausblick in ihren Ausschnitt gehabt hätte) auf den Schlüssel in ihren Händen. Die Ziffern schimmerten im Licht, was es relativ einfach machte sie auf dem Metall zu erkennen und Ciel sprach vermutlich genau das aus, was seiner brünetten Begleitung gerade ebenfalls durch den Kopf ging. "Stockwerk drei, huh? Ich wohne übrigens ganz in der Nähe. Zwei Straßen weiter, Haus vier.", meinte er, ohne das es einen bestimmten Anlass gab, der nach dieser Information verlangte. Er war sich eigentlich nicht mal sicher, warum er Sylvana gerade seinen Wohnort preisgegeben hatte. Natürlich war es nicht so, als wären sie immer noch Fremde, doch konnte man sie auch nicht wirklich als Freunde bezeichnen und Ciel war ohnehin ein Mensch, der sich schwer tat, wenn es darum ging anderen Personen zu vertrauen. Menschen waren unzuverlässig und niemals konnte man sich sicher sein, das sie einem nicht doch letztendlich in den Rücken fielen. Daher war es auch ein gefährliches Unterfangen, jemandem seine Wohnort zu verraten und die Tatsache, dass er gerade eben jenes ohne zu zögern getan hatte, ließ den Achtzehnjährigen in seiner Bewegung verharren und einen Augenblick ins Nichts starren? War er denn vollkommen verrückt und leichtsinnig geworden? Er kannte Sylvana bei weitem nicht lange und gut genug, um ihr derart vertrauliche Informationen zukommen zu lassen. Wobei man auch beachten musste, dass sie ihn auf Wohnungssuche mitgenommen hatte und er daher ebenfalls bald ihren Wohnort kennen würde. Trotzdem...was war nur los mit ihm, dass er sich so wenig unter Kontrolle hatte? Das war doch sonst so gar nicht seine Art, war er es doch, der normalerweise so konzentriert und geordnet an Dinge heranging und Leichtsinn über alles andere verachtete.
Ciel nahm einen Schluck aus seinem Kaffeebecher, nur um zu verhindern, dass er noch eine weitere unbedachte Äußerung machte und folgte der Fernandez anschließend in das Gebäude. Das Treppenhaus war nett, nicht unbedingt hübsch, erfüllte aber seinen Zweck und war größtenteils sauber und ordentlich gehalten. Vielleicht ein wenig kalt und unpersönlich, aber es war nun einmal ein Haus, in dem mehrere Menschen lebten die nicht unbedingt miteinander zutun hatten und Ciel war ohnehin niemand, der besondere Intimität mit anderen Personen schätzte. Viel mehr setzte es ihn unter Druck und machte ihn nervös.
Die Wohnung machte auf den ersten Blick, nachdem Sylvana die Tür mit ihrem Schlüsse aufgeschlossen hatte, einen recht netten Eindruck. Helles Licht durchflutete den Eingangsbereich und schien die beiden nahezu willkommen zu heißen, als Ciel seiner Begleitung ein Zeichen gab vor ihm einzutreten. "Hast du ein preisliches Limit und weißt du was die Wohnung kostet?", fragte er und ließ seine blauen Augen prüfend über Boden und Wände wandern. "Gibt es eigentlich überhaupt irgendetwas, dass du dir speziell für deine Wohnung wünscht?" Das war schließlich ganz interessant zu wissen, wenn man das passende und gleichzeitig perfekte Heim für die Magierin finden wollte.

Der erste Eindruck an sich war durchaus recht positiv. Ein mit Licht gefluteter Hausflur, die Wände in einem warmen Beige gehalten. Ein großer Schrank zu ihrer Rechten, der wohl geräumig genug war, um einigen Schuhen und Jacken ein Zuhause bieten zu können. Dennoch gab es da etwas, was Sylvana kurz darauf verdutzte. Am Ende des Korridors befand sich eine kleine Überraschung, die sie ein wenig aus der Bahn warf. //Eine Treppe?// In der Zusammenfassung der Wohnung stand etwas von drei Zimmern, Bad und Küche und einer Terrasse – aber nichts von einer Treppe, die in ein höheres Stockwerk führte. War das etwa die falsche Wohnung? Nein, ausgeschlossen! Sie hatte genau für diese Immobilie den Schlüssel angefordert und vorher extra nochmals die Beschreibung durchgelesen. Es dauerte einige Augenblicke, bis Sylvana seufzend den Flur betrat und sich umschaute. Nur weil es nun irgendwie anders war, als sie es sich vorgestellt hatte, hieß dies ja noch lange nicht, dass die Wohnung an sich schlecht war.
„Nun, in Magnolia habe ich im Fairy Hills gewohnt und trotz der doch vergleichsweise geringen Questbelohnungen, die ich damals bekommen habe, die 100.000 Jewel Miete im Monat bezahlen können. Jetzt, wo ich höherrangige Aufträge annehmen kann, sollte ich mein preisliches Limit auch ein wenig hochschrauben können. Diese Wohnung hier soll 200.000 Jewel Warmmiete im Monat kosten.“ Fragte sich natürlich, ob diese Räumlichkeiten diesen Preis auch wirklich wert waren. Dafür müsste sie erst einmal sämtliche Räume inspizieren und anschließend schauen, was am anderen Ende der Treppe auf sie warten würde. „Hmmm… Eine große Badewanne, genug Platz für meinen doch relativ großen Kleiderschrank, eine Dachterrasse, ein geräumiges Wohnzimmer, eine schöne Küche. Wenn ich diese Liste noch um jede Kleinigkeit ergänzen würde, wären wir in einem Jahr nicht fertig. Zumal ich sicherlich nicht alles in einer Wohnung bekommen werde.“ Natürlich hatte Sylvana in dieser Liste schon einige Prioritäten, die sie anderen Wünschen hervorziehen würde. Im Endeffekt würde sie sowieso abschätzen müssen, welche Wohnung im Gesamtpaket die meisten dieser Wünsche erfüllte. „Dann schauen wir uns mal die Räumlichkeiten hier an.“
Das Erdgeschoss war schnell abgearbeitet. Hierbei beeindruckte die Küche Sylvana nicht wirklich. Zwar mochten die Schränke und Schubladen in der Lage sein ihr Geschirr zu verstauen und auch der Herd schien noch recht neu zu sein, dennoch war die Größe des Raums recht hinderlich. Viel Platz für mehr als eine Person war hier nicht gegeben. Als sie dann jedoch das Badezimmer betrat, stockte ihr der Atem. Der Raum war, verglichen mit der Küche, riesig. Hier war alles, was sich Sylvana für ein Badezimmer gewünscht hatte. Eine große Badewanne, weiße Fliesen, Oberlicht, ein großer Spiegelschrank, ein Handtuchheizkörper. All dies machte die negativen Eindrücke von der Küche schnell vergessen. Auch das Schlafzimmer gefiel der Fernandez. Der Boden war mit einem weißem Wollteppich bedeckt, das Zimmer war groß genug um wieder einen begehbaren Kleiderschrank einzurichten und das Bett… Ehrlich gesagt wollte Sylvana gar nicht mehr aufstehen, als sie sich auf die überaus bequeme Matratze fallen gelassen hatte. Nur widerwillig stand sie nach einigen Minuten wieder auf, immerhin standen noch ein weiterer Raum auf dem Plan: Das Gästezimmer. An sich ein nicht wirklich spektakulärer Raum, ein wenig kleiner als das Schlafzimmer, ausgestattet mit einer Schlafcouch und einem Schrank, in welchem man locker Wäsche für einige Tage lagern konnte. Auch hier war derselbe Teppich verlegt worden, wie im Schlafzimmer. Blieb anschließend nur noch der dritte Raum, welcher sich anscheinend ein Stockwerk über ihnen befand. Logischerweise musste es sich dabei um das Wohnzimmer handeln und auch die Dachterrasse musste sich da oben befinden. Vor der Holzwendeltreppe blieb Sylvana stehen, ließ ihre Finger über das helle Holz des Geländers streichen und atmete einmal tief durch, ehe sie die Stufen erklomm. Was sie dort oben erwartete ließ ihr Herz für einen Moment höher springen. Ein riesiges Wohnzimmer, mit einem Panoramafenster in Richtung der auch recht groß gehaltenen Dachterrasse. Der Boden war laminiert, in einer Ecke stand eine Couchgarnitur, während auf der anderen Seite des Raumes ein großes Esstisch mit einigen Stühlen stand. Nicht weit von der Couchgarnitur war die Tür, welche auf die Terrasse führte – welche Sylvana auch gleich ansteuerte und öffnete. Der Ausblick, den sie von hier oben hatte, war einfach herrlich. Sie konnte den Marktplatz und selbst das Gildenhaus entdecken. Ehrlich gesagt hatte sie zu diesem Zeitpunkt fast schon vergessen, dass ihr die Küche nicht wirklich gefallen hatte, während sie sich über das Geländer der Terrasse lehnte und auf die Straße schaute. Kurz ging ihr der Gedanke durch den Kopf, ob sie überhaupt noch die anderen Wohnungen anschauen sollte. Denn irgendwie hatte diese Wohnung der Dragonslayerin den Kopf verdreht.
Lächelnd drehte sich Sylvana um, schaute zu Ciel, der nun auch die Terrasse betreten hatte. Ihre Augen funkelten glücklich, aufgeregt. „Und? Was meinst du? Ist doch eine tolle Wohnung, nicht?“

Ciel mochte dich Wohnung, ja sie gefiel ihm sogar besser als seine Eigene. Gut, dass war im Grunde kein großartiges Kunststück, denn auch wenn seine vier Wände absolut wundervoll symmetrisch eingerichtet waren, so bemerkte man dennoch, dass dem Dragonslayer nicht annähernd das gleiche Budget wie Sylvana zur Verfügung stand und seine Wohnung daher bedeutend kleiner und unspektakulär war. Er hatte beispielsweise keine Dachterasse, sondern lediglich einen schimmeligen grauen Balkon, welcher von ihm zum Rauchen benutzt wurde, damit der Rest des Wohnbereiches nicht nach kaltem Rauch stank. Denn auch wenn Ciel auf die kleinen Glimmstängel angewiesen war, so musste er ihren Gestank dennoch nicht unbedingt permanent an den Möbeln und in den Wänden hängen haben. Doch zurück zum Thema, denn die Wohnung gefiel ihm wirklich und er sah keinen Grund, Sylvana diese Information vorzuenthalten. "Sie gefällt mir, ist schön geräumig und die Dachterasse praktisch. Nur an der Einrichtung müsste man ein wenig feilen, das ganze ein bisschen...strukturierter und ordentlicher designen." Oder in anderen Worten: Hau es alles in absoluter, wundervoller Symmetrie zu und tu mir damit einen der größten Gefallen, die du machen kannst. Nicht, dass er das sagte oder auch nur dachte. Es war schließlich die Wohnung der Braunhaarigen und da hatte er selbst ja immerhin wenig mit zu tun. So dachte der Valentine jedenfalls, doch eine fremde Stimme sollte ihn recht schnell auf andere Gedanken bringen und gleichzeitig ins nächste Abenteuer seines Lebens stürzen. "Wunderbar, dass Sie an der Wohnung Gefallen finden. Wissen Sie, für ein so junges Paar wie Sie, da bietet sich eine solche Immobilie doch wirklich an, oder? Immerhin liegt sie so wunderbar zentral und direkt in der Innenstadt und hat dafür doch einen ausgezeichneten Preis." Überrascht fuhr Ciel herum, das Mana schon in seiner linken Hand gesammelt und jederzeit zum Angriff bereit. Vor den beiden Magiern hatte sich eine ältere Frau mitte vierzig mit blonden Haaren und lebhaften braunen Augen aufgebaut, welche sie nun voller Freude und Wärme anlächelte. Die Falten um ihre Mundwinkel verrieten, dass sie offenbar viel und gerne lachte und noch bevor der Valentine die Chance hatte, die Dame über ihren Fehler aufzuklären hatte diese auch schon munter weiter geplappert. "Wissen Sie, nach der letzten Person die hier gewohnt hat, haben ich und mein Mann nämlich beschlossen ausschließlich an Pärchen zu vermitteln. Das ist ganz einfach besser für das Klima im Haus und erhöht außerdem die Chance darauf, bald Kinder durch das Treppenhaus laufen zu sehen.", flötete die Frau schamlos und hatte dann auch noch die Dreistigkeit, den Beiden beinahe verschwörerisch zu zuzwinkern. Kurz verspürte der Valentine das unglaubliche Verlangen der alten Schrulle ins Gesicht zu schleudern, dass sie sich tatsächlich geirrt hatte und Ciel und Sylvana alles andere als ein Paar waren, dann fiel ihm wieder der glückliche Gesichtsausdruck der Magierin ein, als diese von der Wohnung geschwärmt hatte. Wenn er die Vermieterin nun aufklären würde, dass er nicht ihr Freund war, dann würde sie die Immobilie nicht bekommen.
Ein kurze Pause, dann biss sich der Blauhaarige hart auf die Unterlippe, vergrub seine rechte Hand noch tiefer in seiner Jackentasche und legte schließlich beinahe mechanisch den Arm um Sylvana, ehe er sie mit einem Ruck an seine Seite zog. "Ja, wir sind...unglaublich glücklich...", meint er beinahe frostig und betete insgeheim, dass die Fernandez schnell schalten und die Situation verstehen würde, denn ansonsten konnte sie die Wohnung höchstwahrscheinlich abschreiben. Bei seinen Worten hatten sich die Augen der Frau mit einem Mal verengt und beinahe kritisch beäugte sie den Arm, welchen Ciel so wenig enthusiastisch um seine Begleitung geschlungen hatte. "Wirklich? Ihnen muss klar sein, dass ich ausschließlich an glückliche Paare vermiete, ja? Ich will keinen Streit und ausschließlich Harmonie in meinem Haus!", zischte sie mit einem Mal und das Lächeln war wie fortgespült, während sie auf einmal so aussah, als würde sie irgendetwas erwarten. Ciel dagegen musste sich unterdessen zusammenreißen, um die Frau nicht wenig unhöflich darauf hinzuweisen, dass ihr ein Haus gehörte und keine Partnervermittlung beziehungsweise Eheberatung. Andererseits mochte er die Wohnung und Sylvana schien wirklich gefallen an ihr gefunden zu haben, weshalb er sich ein weiteres Mal hart auf die Unterlippe biss und eine Zigarette herbei wünschte. Was wollte die Alte denn jetzt noch von ihnen?

Noch bevor Sylvana einatmen und auf Ciels Wunsch eingehen konnte, tauchte fast schon wie aus dem Nichts die Vermieterin auf. An sich, so dachte die Dragonslayerin, kein großes Problem, immerhin würde man sich in Zukunft wohl öfters begegnen, wenn sie denn hier einziehen sollte – was Sylvana eigentlich schon für sich beschlossen hatte. Jedoch, trotz ihres so freundlichen und unscheinbaren Äußeren, waren ihre Worte scharf wie ein frisch geschliffenes Messer. Nur an Pärchen… Für einen Moment fühlte es sich an, als hätte man ihr den Boden direkt unter den Füßen weggezogen. Nach außen hin versuchte sie gezwungenermaßen die Fassung zu behalten, während ihre Seele laut und verzweifelt schrie. Dieser eine Satz alleine hatte mit einem Schlag den Traum von dieser wunderschönen Wohnung zunichte gemacht. Das konnte doch nicht wahr sein! Das durfte einfach nicht wahr sein! Nur weil irgendein verfluchter Vormieter es sich irgendwie mit den Vermietern und Mietern verscherzt hatte. Schnell schwor die Fernandez sich, dass sie den Kerl ausfindig machen und den ganzen Frust an ihm entladen würde, sollte die Wohnung wegen ihm nicht an sie gehen – und die Chancen dafür standen im Moment ja zu ihrem Bedauern erstaunlich hoch.
Ein kurzer Ruck, der durch ihren Körper ging, brachte Sylvana kurzerhand auf andere Gedanken, als sie plötzlich einen Arm auf ihrem Rücken spürte. Irritation machte sich in ihr breit, als sie zur Seite schaute und erst jetzt richtig realisierte, dass Ciel sie an seine Seite gezogen hatte. Ihre Wangen tauchten sich in ein leicht schimmerndes Rot, während ihre Gedanken für einen Moment wild durcheinander wirbelten, nicht stehen bleiben wollten.
"Ja, wir sind...unglaublich glücklich..." Ihr Blick wechselte zwischen Ciel und der Vermieterin hin und her, während sich langsam die Zahnräder in ihrem Kopf in Bewegung setzten. Es gab noch eine Hoffnung, diese Wohnung zu bekommen. Ein letzter Funken, den sie einfach nur entfachen musste: Sie mussten der Vermieterin vorspielen, dass sie ein Pärchen waren. Allein der Gedanke ließ die Röte auf ihren Wangen einen Farbton dunkler werden. Aber blieb ihr etwas anderes übrig? Ciels Geste und Worte alleine schienen, wer hätte es auch anders gedacht, nicht sofort die überzeugende Wirkung zu haben – die Vermieterin schien jedenfalls nicht drauf reinzufallen.
Sylvana schluckte trocken, während in ihrem Kopf ein Gedanke rumschwirrte. Ein Plan, der vielleicht helfen könnte – und im schlimmsten Fall dafür sorgen würde, dass sie Ciel nicht mehr unter die Augen treten wollte. Eigentlich waren es diese Momente, wo die Dragonslayerin noch einmal alles gründlich überdachte, um nicht im Affekt handeln zu müssen. War diese Wohnung das alles überhaupt wert? Aber natürlich, ohne Frage! Sie wollte hier wohnen, das hier ihr Zuhause nennen und endlich vollständig in Oshibana Town ankommen. Dementsprechend blieb ihr nichts anderes übrig: Zeit für die Schauspielleistung ihres Lebens!
“Ach komm schon, Ciel! Das machst du doch jetzt nur, weil ich dir heute Nacht die Bettdecke geklaut habe.“ Unbedacht knuffte Sylvana ihn in die Seite, lächelte sanft zu ihm. “Dabei habe ich doch schon gesagt, dass ich mich dafür noch ausreichend entschuldigen werden. Also spiel jetzt nicht das beleidigte Drachenjunge.“ Ihre Lippen bewegten sich ohne eine Überlegung, ihren Körper ließ sie beinahe schon instinktiv handeln. Vermutlich lag es auch daran, dass sie sich plötzlich vor den Dragonslayer stellte, ihre Arme um seinen Nacken schlang und in seine Augen schaute. Ein Fehler, wie ein kleines Stimmchen tief in Sylvana ihr flüsterte, denn keinen Moment später verlor sie sich auch schon wieder in diesem unendlichen Blau, welches sie seit ihrer ersten Begegnung so faszinierte. “Okey, Ci-el~?“, hauchte sie leise und bemerkte nicht einmal, dass sie seinem Gesicht langsam gefährlich nahe kam – näher, als sie ursprünglich geplant hatte. Aber jetzt konnte sie nicht einfach zurückweichen oder anhalten, dass würde die Vermieterin sicherlich stutzig machen. //Alles oder Nichts…// Langsam schloss sie ihre Augen, als sie schließlich seine Lippen auf ihren spürte. Fast schon automatisch drückte sie sich enger an ihn und spürte kurz darauf, wie ein paar Schmetterlinge in ihrem Bauch anscheinend Spaß dabei hatten, eine wilde Party zu feiern.

Sylvanas plötzliche Berührung ließ den Dragonslayer beinahe erschrocken zusammenzucken, während er sich ein aufkeimendes Grinsen verkneifen musste. Er war an den Seiten schon immer ganz schrecklich kitzelig gewesen und dementsprechend hatte ihn das Zwicken eindeutig auf dem falschen Fuß erwischt. Dennoch vermochte es ihn nicht auf die Worte vorbereiten, welche der Berührung schließlich folgen sollten. Für einen Augenblick konnte Ciel die Braunhaarige nur vollkommen verwirrt und überfordert anstarren, bemerkte die geröteten Wangen und die blitzend blauen Augen, welche ihn beinahe herausfordernd zu mustern schienen. Hatte er richtig gehört? Es dauerte ein Weile, ehe der Valentine seine Überraschung niedergekämpft hatte und verstand, was die Magierin da gerade veranstaltete. Sie war ziemlich gelungen seiner stillen Aufforderung gefolgt und schloss sich dem schauspielerischen Kunststück an, welches er kurzerhand in ihrem Sinne aufgezogen hatte. Oh und wie sie das tat, denn über Sylvana ließ sich mit Sicherheit vieles sagen, doch in eine ihr vorgegebene Rolle schlüpfen konnte sie ganz ausgezeichnet.
Für einen sehr langen Augenblick konnte der Blauhaarige lediglich ihrer Stimme lauschen und versuchte die Worte zu erfassen, welche da ihren Mund verließen und gerade wollte er zu einer Erwiderung ansetzen, da tat die junge Frau etwas, dass seinen gesamten Körper erstarren ließ. Sylvana Rose Fernandez küsste ihn.
Er konnte ihre warmen Finger an seinem empfindlichen Hals und Nacken spüren, ihr Geruch schien mit einem Mal überall in der Luft zu hängen und um sie herum zu wirbeln, wie dichte Nebelschwaden und ihre Lippen, welche sich warm und fest auf die seinen pressten, ließen ihn unwillkürlich Grinsen. Ciel war niemand, der körperliche Annäherungen abweisend gegenüberstand, nur hatte er es normalerweise lieber, wenn sie von ihm selbst ausgingen. Daher war dies hier fast absolutes Neuland und für einen Augenblick blieb er nur starr an Ort und Stelle stehen und wusste nicht ganz, was er mit sich selbst anfangen sollte. Dann machte es leise Klick im Kopf des Dragonslayers und kurz darauf hatte er auch schon seine Arme um ihre Taille geschlungen und Sylvana noch ein Stück näher an sich heran gezogen. Die Fernandez wollte also soweit gehen, um diese Wohnung zu bekommen? Nun, dann würde er ihr ganz einfach zeigen müssen, was passierte, wenn man sich in die Höhle des Drachen wagte.
Eine Hand wanderte ihren Rücken hinauf, bis er schließlich bei ihrer weichen Haarpracht angekommen war und kurz darauf hatten sich seine schlanken Finger auch schon tief in den seidigen Strähnen vergraben und er hatte ihren Kopf in einer behutsamen Geste nach hinten gezogen, um sich einen besseren Zugang zu ihren Lippen zu verschaffen.
Er ließ sich Zeit, ehe er wieder von ihr abließ und schließlich nach Luft schnappend in ihre blauen Augen starrte, mit einem Mal nur noch entfernt die Vermieterin im Kopf, für die sie dieses Schauspiel ja eigentlich veranstalteten. Seltsamerweise schien es beinahe so, als hätten sich die Regeln geändert und sie hätten daraus eine andere Partie, mit anderen Regeln aufgezogen. Sylvana hatte ihn geküsst und damit die Linien neu bestimmt, nun war es an der Zeit ein wenig an ihnen entlang zu tänzeln. Seine Finger spielten mittlerweile mit dem Haargummi, welches er seiner Begleitung kurzerhand im Eifer des Gefechtes aus den Haaren gezupft hatte und er musste feststellen, dass sie noch ein wenig hübscher war, wenn ihr Gesicht von den braunen Strähnen umspielt wurde. "Mein Fehler...ich achte darauf, dass es nicht wieder vorkommt.", meinte er schließlich nach einer langen Pause, in welcher er nichts anders getan hatte, als sie zu mustern, und sein Grinsen hatte mittlerweile etwas listiges, dass beinahe teuflisch um seine Mundwinkel zu tänzeln schien. Wenn Wohnungsbesuchungen immer so liefen, dann würde er sich durchaus noch zu weiteren hinreißen lassen. Wer hätte den ahnen können, dass Sylvana ihn so zu überraschen vermochte. Seraphim hatte ihn schließlich auch schon auf relativ kaltem Fuß erwischt, doch das gerade eben war aus völlig heiterem Himmel und ohne jede Vorwarnung gekommen und ließ den Valentine daran zweifeln, ob er die Donnerdragonslayerin tatsächlich so gut kannte, wie er noch wenige Minuten zuvor gedacht hatte. Vielleicht hatte er sie ja völlig falsch eingeschätzt und es verbarg sich doch mehr hinter ihr, als nur der Titel "Dragonslayer"?
"Ohh wie wunderbar, es ist toll zu sehen, wie junge Liebe blüht und gedeiht. Wissen Sie, für einen Augenblick hatte ich ja so meine Zweifel, aber Sie haben mich ganz einfach überzeugt. Wirklich, wunderbar. Ganz einfach wunderbar." Er hatte es geschafft, die nervtötende Vermieterin für einen Augenblick aus seinem Gedächtnis zu löschen, doch leider schaffte es die Frau, sich mit ihrer schrecklichen Stimme kurzerhand wieder in sein Aufmerksamkeitsfeld zu schieben und kurzzeitig wünschte er sich, das Klappergestell würde einfach verschwinden. Nicht, dass er einen so unglaublichen Drang hatte mit Sylvana alleine zu sein, aber die Vermieterin ging ihm auf die Nerven und außerdem wollte er schauen, welche Reaktionen sich der Magierin sonst noch so im Affekt entlocken ließen...sie war aber auch eine faszinierende Frau, diese Fernandez, mit den Rätseln die sie dem Valentine aufgab.

So ganz konnte Sylvana die Situation, in welcher sie sich befand, nicht wirklich beschreiben. Viel zu viele Eindrücke überfluteten ihre Sinne, überforderten sie für einen kurzen Moment. Sie wollte verarbeiten, was gerade geschah, einen Schluss aus allem ziehen. Aber sie konnte es einfach nicht. Jeder Gedanke war so unglaublich schwer, dass sie nach kurzer Zeit einfach aufhörte zu denken und sich noch mehr diesem einen Kuss und der damit eingehenden Gefühlsflut hingab. Seine Gegenwart blendete alles um sie herum aus, es war schon beinahe so, als wären sie gerade in ein anderes Universum verfrachtet worden waren. Spätestens, als der Dragonslayer dann auch Eigeninitiative ergriff und sie ein wenig enger an sich zog, gingen sämtliche Lichter in ihrem Köpfchen aus. Ihre Hände ahmten seine Bewegungen nach, verfing sich eine ihrer Hände schließlich in seinen Haaren und krallte sich in es, während die andere Hand fast schon ganz von alleine ganz sachte seinen Nacken kraulte.
Die Fernandez musste all ihre Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht sofort hungrig über seine Lippen herzufallen, als Ciel sich von ihr löste. Atemlos starrte sie in seine Augen, vergaß für einen Augenblick zu atmen, ehe ihre Lungen fast schon nach einem tiefen Atemzug schrien, den sie ihnen gewährte. Sie war sich sicher, dass man ihr genau aus dem Ausdruck ihrer Augen ablesen konnte, wie sehr ihr dieser doch recht einfache Kuss gefallen hatte und dass sie eigentlich mehr wollte. Ein wenig verwunderte es die Dragonslayerin, wie einfach sie da doch die Kontrolle über sich verloren hatte. Als Kazuya sie einst geküsst hatte, war sie geschockt gewesen und konnte deswegen nicht reagieren. Diesmal war aber alles völlig anders gewesen. Vielleicht lag es daran, dass die Initiative von ihr ausgegangen war oder aber, dass Ciel auf den Kuss eingegangen war. Fakt war: Es hatte sich verboten gut angefühlt! Nicht umsonst war sie jetzt so atemlos und wollte eigentlich am liebsten wieder nach vorne schnellen und seine Lippen erobern. Trotzdem hielt sie sich zurück, versuchte langsam wieder Herr ihrer Sinne zu werden und die Gedankenleere in ihrem Kopf wieder zu füllen, was sich bei den derzeitigen Umständen doch schwerer als gedacht herausstellte. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch hatten wohl bereits das Stadium des Alkoholrauschs erreicht und schienen förmlich Amok zu laufen, während der Blick in seine blauen Augen auch keine positive Hilfe für sie war. Daher bemerkte sie wohl auch nicht, dass er ihr Haargummi gelöst hatte. Jetzt war sie es, die völlig überfordert war. „Gut…“, erwiderte sie dann schließlich, nachdem sie entschlossen hatte, dass sie für den Moment ja noch ein wenig die Situation genießen konnte. Es war immerhin doch auch mal ganz schön, nicht über alles nachdenken zu müssen und sich nur von den eigenen Instinkten leiten zu lassen. Vielleicht würde sie ja noch eine zweite Chance erhalten, seine Lippen für sich zu beanspruchen? Abgeneigt war sie da sicherlich nicht!
Alles hätte eigentlich so perfekt sein können, wenn nicht die Vermieterin sie aus ihrem kleinen Universum wieder in die Realität gezogen hätte. Fast schon augenblicklich zerplatzte die Wohlfühlblase, in welcher sie sich noch eben befunden hatte und ihr kam wieder in den Sinn, warum sie Ciel überhaupt geküsst hatte. Sylvana unterdrückte ein Seufzen, stellte sich neben Ciel und lehnte ihren Kopf leicht an seine Schulter. „Machen Sie sich da keine Vorwürfe. Eigentlich zeigen wir in der Öffentlichkeit nicht, wie sehr wir uns lieben. Zur Sicherheit, damit man unsere Gefühle nicht gegen uns nutzt. Berufsrisiko als Magier, wenn sie verstehen.“ Zufrieden nickte sie Ciel einmal zu. Ja, das klang doch perfekt! Damit hatte sie sogar eine Ausrede hergezaubert, wenn die Vermieterin sie einmal alleine in der Wohnung erwischen würde. „Daher… wäre es wirklich wundervoll, wenn sie dieses Geheimnis für sich behalten würden. Immerhin wollen wir nicht, dass dem anderen etwas passiert, weil jemand von unserer Beziehung erfährt.“ Ein breites Grinsen legte sich auf die Lippen der Vermieterin, ehe sie ihren Zeigefinger auf ihre Lippen legte und kurz zwinkerte. „Mit dem größten Vergnügen. Ihr erinnert mich an die Anfänge meiner Liebe zu meinem Mann. Unsere Eltern waren gegen unsere Beziehung und…“ Ab diesem Zeitpunkt hatte Sylvana abgeschaltet und hörte der Vermieterin nicht mehr zu. So wirklich interessiert für ihre Liebesgeschichten war sie nicht. Viel mehr überlegte sie sich, wie sie Ciel mehr entlocken konnte. Denn auch wenn das Gefühl seiner Lippen noch immer frisch in ihren Erinnerungen haftete, so wollte sie doch schon testen, wie weit der Dragonslayer bereit war zu gehen.

Normalerweise war Ciel jemand, der Frauen grundsätzlich mit Argwohn und Vorsicht gegenüber trat. Schon bei seiner ersten Begegnung mit der dunkelhäutigen Dragonslayerin hatte er keinen Hehl daraus gemacht, das er weiblicher Gesellschaft zwar nicht abneigend, aber dennoch zögerlich begegnete, was wohl vor allem seiner Stiefmutter und diverser Begleitungen in Casinonächten zu zuschreiben war. Diese hatten ihn gelehrt, dass sich hinter einem hübschen Gesicht oftmals tiefe Abgründe verbergen konnten und man in diesem Fall seine Gefühle lieber für sich behielt und Sicherheitsabstand wahrte. Nicht, dass der Blauhaarige das nicht schon ohnehin bei allen Menschen tat, denen er begegnete und dennoch konnte er nicht leugnen, dass ihn Sylvanas durchaus ansprechendes Erscheinungsbild zunächst misstrauisch gemacht hatte und diese Vorsicht auch jetzt noch nicht gänzlich verloren gegangen war. Andererseits konnte man es ihm auch nicht wirklich verübeln, wenn man doch die Umstände betrachtete, unter denen sich die beiden Magier mehr oder weniger angenehm kennen gelernt hatten und letztendlich hatte es in den Augen des Valentine eine durchaus interessante und willkommene Wendung genommen, das mit einem Mal auch noch eine körperliche Bindung Anschluss an ihre bisher platonische Beziehung fand. Das machte die Situation nicht nur für ihn einfacher und vertrauter, so erübrigten sich zu dem auch noch sämtliche gefühlvolle Debatten, mit welchen er eventuell konfrontiert werden würde. Das bedeutete im Umkehrschluss, kein Stress, keine verzwickten Situationen und weniger Händezittern, wenn alles so lief, wie er es sich vorstellte. Ganz einfach wunderbar und genauso, wie er es am liebsten hatte.
Dementsprechend zufrieden und auf der anderen Seite gutmütig konnte er auch über das Geschnatter der Vermieterin hinweg sehen, welche sich mit einem Mal tief in einer Erzählung über die unglaublich romantische erste Begegnung mit ihrem Mann befand und erst als sich der Magier schließlich grob räusperte brach sie von ihrem Wortschwall ab und konzentrierte sich wieder auf ihre beiden Besucher.
"Oh, da habe ich mich wohl verplappert, was? Nunja, ich werde dann mal wieder nach unten gehen und Sie hier alleine lassen. Sie haben sich nach dieser Besichtigung sicher sehr viel zu erzählen.", meinte sie und ihren Worten folgte ein Kichern, das nicht nur viel zu hoch in den Ohren des Dragonslayers klang, sondern auch noch bei weitem zu gespielt und affektiert. Was für eine unangenehme Person, der Valentine machte sich gedanklich eine Notiz ihr nach Möglichkeit kein zweites Mal über den Weg zu laufen. Während er die ältere Dame also durch die Tür verschwinden sah und sich vergewisserte, dass sie nicht doch mit einem Mal auf dem Absatz kehrt machte und die beiden Magier erneut bedrängte, spielten seine schlanken Finger mit dem Haargummi, welches er Sylvana zuvor aus den seidigen Strähnen gezupft hatte. Dann drehte er sich zu seiner Begleitung um und betrachtete sie intensiv, während er den Arm hob und ihr das elastische Gummi entgegen hielt. "Das gehört dir, schätze ich.", meinte er dann schlicht und schüttelte anschließend sein rechtes Handgelenk aus, woraufhin die Anhänger daran leise klimperten. "Tut mir leid wegen der Frisur.", das war gelogen, eigentlich tat es ihm kein bisschen leid, nur musste man ihr das ja nicht unbedingt auf die Nase binden. Wer wusste schon, wie viel Zeit sie am Morgen in ihre Haare investiert hatte, da wollte er das ganze nun nicht mit purer Nichtbeachtung strafen und wohl möglich ihren Zorn auf sich ziehen.

Im ersten Moment schaute sie völlig verdutzt auf ihr Haargummi, welches vor ihren Augen baumelte. Fast schon so, als sei es ein großes Naturwunder, welches sich gegen alle Gesetzte der Welt widersetzte und so völlig unnatürlich wirkte. Noch ganz waren ihre Gedanken wohl noch nicht aufgeklart. Zumindest nicht so sehr, wie sie gedacht hatte. Warum wohl hatte sie nicht direkt nachgefragt, ob sie die Wohnung nun haben könnte oder wann sie Bescheid bekommen würde. Schuld gab die Fernandez diesen verdammten Schmetterlingen im Bauch, denen langsam allem Anschein nach die Kräfte ausgingen. Wurde ja auch langsam mal Zeit.
Kurz räusperte sie sich, nahm dann ihr Haargummi an sich und fuhr sich einmal durch ihre Haare. „Ähm… Kein Problem. Nichts, was sich nicht schnell wieder hinbekommen lässt.“ Erneut war die Dragonslayerin erstaunt, diesmal über die Worte, die ihren Mund da verließen. Irgendwie passte das so überhaupt nicht zu ihr. Normalerweise hätte sie doch jetzt wütend ihre Hände gegen die Hüften gestemmt und hätte Ciel etwas davon gepredigt, wieviel Zeit sie wirklich investiert hatte. Immerhin war das kein 0815-Pferdeschwanz, den sie sich da gebunden hatte. Und trotzdem tat sie es nicht, sie beschwerte sich nicht und stempelte es als Kleinigkeit ohne besondere Bedeutung ab. Anscheinend hatte es sie wirklich schlimmer erwischt, als sie es gedacht hatte. Warum musste sie sich als stolze Dragonslayerin nur wie ein naives Bauernmädchen verhalten? Das war sie nicht, auch wenn sie sich innerlich gerade so verhielt. Innerlich seufzend strich sie die Strähnen aus ihrem Gesicht, legte sie hinter ihre Ohren und band sich schnell einen wirklich einfachen Pferdeschwanz, den sie mit ihrem Haargummi fixierte. So wirklich die Lust ihre Frisur exakt so zu machen, wie sie vorher war, hatte sie immerhin gerade nicht. Ciel wollte sie das ehrlich gesagt auch nicht zumuten. Zumal… Wer konnte denn versprechen, dass die Vermieterin dann nicht wieder auftauchen und ihnen ein Loch in den Bauch reden würde?
„Nun… Hoffentlich haben wir die Vermieterin überzeugen können. Immerhin wollte sie den Schlüssel nicht zurück“, meinte Sylvana lächelnd, ließ den Schlüssel um ihren Finger baumeln und steckte ihn dann wieder zurück in ihre Tasche. Fragte sich nur, was sie jetzt machen sollten? Eine andere Wohnung zu besichtigen war an sich ja jetzt völlig überflüssig, da sie alle niemals die Eindrücke dieser Wohnung überbieten konnten. Immerhin hatte sie hier ihren ersten freiwilligen Kuss gehabt. Augenblicklich legte sich ein leichter Rotschimmer auf ihre Wangen, als sie wieder an das Gefühl dachte und biss sich kurz auf die Unterlippe, um nicht der Versuchung zu erliegen, den Dragonslayer sofort wieder zu küssen. Erst einmal brauchte sie ein wenig Zeit für sich, um einen klaren Kopf zu bekommen und die geschehenen Dinge zu verarbeiten – auch wenn die Verlockung schon verdammt groß war und sie ihr liebend gerne erlegen wäre. Aber ihr Köpfchen schien inzwischen wieder so entnebelt zu sein, dass es dem direkt einen Riegel vorschob. „Also? Wollen wir die Suche damit beenden?“, fragte sie. An sich lag es jetzt an Ciel, wie es weitergehen würde.