Souta zog seinen Vorteil daraus, dass ein Stripclub zwar Besucher anziehen sollte, aber meistens nicht so zentral gelegen war, dass man jeden Nahekommenden sofort beobachten konnte. Viele Menschen ließen sich beim Besuch eines solchen Lokals nicht gerne auf die Finger schauen, weil es doch moralisch fragwürdig war, junge Frauen oder Männer in anzüglichen Posen zu beschauen, besonders, wenn man eigentlich vergeben war und einem nur der Körper des eigenen Partners interessieren sollte. Insofern hatte der Rotschopf wohl den Traum aller errungen, indem er mit einer Person zusammen war, die das nicht störte. Er durfte vor ihren Augen herumflirten und seinen Sabber über alle Brüste verlieren, die er wollte. Wahrscheinlich würde es Seraphim nicht einmal stören, wenn er sich einen anderen Kerl anlachte (was aber eher nicht passieren würde), solange er sich nicht in den Erstbesten verliebte. Die Gefahr dafür war allerdings auch ziemlich gering, schließlich verguckte sich der Rotschopf normalerweise nicht gleich in diejenigen, mit denen er schlief. Das war auch bei Seraphim nicht so gewesen, wieso sollte das also jemals geschehen … Alles war zwischen ihnen wieder in Ordnung, bis auf den kleinen Fakt, dass sein bester Freund erklärte, dass er nicht seinem persönlichem Geschmack entsprach. Es war schwer, dieser Aussage die Wahrheit abzusprechen, ohne zu lügen, denn natürlich hatte er absolut Recht. Souta würde es genießen, sich die Mitarbeiter dieses Clubs ganz genau anzusehen, wo er schon das große Glück hatte, eine Quest dort zu erledigen, während er einen persönlichen Striptease seines Himmelsmagiers wohl eher mit Gähnen begrüßen würde. So war der Lauf der Dinge, doch das bedeutete nicht, dass es ihm nicht leidtat. Er konnte sich gar nicht vorstellen, was für ein Gefühl es für Seraphim sein musste, dass Souta nicht einmal im Ansatz auf dieselbe Art nach ihm verrückt war, sondern es eben nur genoss, was er so mit ihm anstellte. Man könnte es fast traurig nennen, weswegen er gut dran war, dass der Dragonslayer ein dickes Fell und ein großes Ego besaß … Aber irgendwie wollte er nun nicht einfach schweigen, während er die einladende Fassade des Clubs betrachtete, aus der gedämpfte Musik zu hören war. Es wäre nicht richtig, nach dem großen Fauxpas von vorhin gleich wieder hinter Brüsten herzujagen, ohne irgendetwas Ausgleichendes zu tun, aber was … Souta blickte sich um, konnte niemanden entdecken und dachte ein paar Sekunden darüber nach, worin er gut war. Vorhin wäre er fast im Boden versunken, als Seraphim ihn nach seiner mehr als nur peinlichen Aussage geküsst hatte, doch jetzt wo sie da waren, kam ihm, dass sie ja nicht einmal wussten, wie Jones aussah und nur zu 50 Prozent wussten, dass er hier eventuell versteckt war … Eigentlich sollten sie wieder umkehren und genauere Informationen von Nora einholen, doch jetzt waren sie schon da, da konnten sie sich ja auch erst einmal gründlich umhören und die Lage peilen. Der Kettenmagier machte ein paar Schritte an der Ladenfront vorbei, um nach einem geheimen Seiteneingang zu suchen, den man bewachen könnte, doch er hielt inne, als er sich im Schaufenster des Nachbargeschäftes erblickte. Da er seine Lederjacke im Zimmer gelassen hatte, war er jetzt ein trainierter, brauner Rothaariger mit enger, tiefsitzender Jeans und einem Shirt, das ihm ein wenig zu kurz war … Und Ohrringen … Man konnte die Oberkante seiner Boxershorts sehen, wenn er sich zur Seite drehte … Er sah aus, als würde er in diesem Laden arbeiten. Ob die da drin wohl eine Stange hatten, an der man … Etwas Grüblerisches trat auf das Gesicht des Magiers und er blickte zu Seraphim zurück, die Idee im Hinterkopf abspeichernd. Vielleicht konnte er später ja … „Hier ist eine ziemlich dunkle Gasse“, meinte er nochalant und winkte seinen Partner zu sich her. Als dieser sich ihm soweit genähert hatte, dass er ihn greifen konnte, streckte er den Arm aus und zog ihn mit sich in den Schatten, bis Soutas Rücken gegen die Wand des Clubs stieß und er einen besseren Blick auf die Hintertür des Gebäudes hatte, die unbewacht, aber vermutlich verschlossen war. Das war aber im Moment unwichtig. Souta hatte im Allgemeinen genau zwei Möglichkeiten, wenn es darum ging, sich bei seinen Mitmenschen zu entschuldigen. Die erste war eine emotionale und wortreiche Bitte um Verzeihung, während die zweite etwas mehr seinem Typ entsprach. „Ich finde übrigens, dass du toll schmeckst~“, murmelte er und drückte Seraphim die Lippen an die Wange, atmete in sein Ohr, flüsterte etwas hinein und griff dann nach der blassen Hand, um sie unter sein Hemd zu lotsen und seine Hüfte leicht nach vorne zu drücken. „... außerdem wird sich Jones sicher vor Anbruch der Dunkelheit nicht vor die Tür trauen.“

Es überraschte Seraphim, dass Souta ihn auf einmal in eine Gasse neben ihrem eigentlichen Ziel zog, aber man konnte auch nicht behaupten, dass er diese Überraschung als negativ beanstanden würde. Im ersten Moment irritierte es ihn, doch spätestens, als er warme Haut unter seinen Fingerspitzen fühlte, war ihm klar, worauf dieses Manöver hinauslaufen sollte – und wahrscheinlich auch würde. Es war sehr selten, dass er ein solches Angebot abschlug, das wussten sie beide aus Erfahrung… und doch reagierte Seraphim nicht so, wie man wohl erwartet hatte. Seine Hand zog sich nämlich zurück, sobald sie losgelassen wurde und legte sich wieder auf das weiße Shirt des Rothaarigen, der zum Ausgleich dafür helle Lippen auf den seinen spüren würde. Es war ein seltsamer Ort, um romantischen Anwandlungen zu erliegen, aber er hatte gerade viel mehr Lust darauf, hier noch ein wenig zu stehen und zu genießen, dass sich hier keine Ablenkung für sein Gegenüber fand. Es gab hier keine dumme, naive Nora, mit der er sich auf einer Ebene messen musste, die für ihn nicht einmal zugänglich war, sondern nur Souta und ihn… "Ich glaube, es reicht mir gerade vollkommen, wenn du bei mir bist...", murmelte er und küsste den Einäugigen, vergrub seine Finger in seinem Haar und drückte ihn dabei leicht gegen die Wand hinter ihm. Wenn es irgendwie möglich wäre, würde er die Zeit gerne für eine Weile anhalten, damit sie ihre Quest mit diesem Verhalten nicht gefährdeten, es aber dennoch nicht missen mussten. Natürlich war das hier eine Gradwanderung sondergleichen und das auf mehreren Ebenen, aber vielleicht gefiel es ihm auch gerade deswegen so gut... sie liefen gleichzeitig Gefahr, ihre Zielperson entkommen zu lassen, indem sie sich ablenkten und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, selbst wenn man vom Klientel dieses Clubs nicht erwarten würde, dass es besonders viel Interesse an Männern hatte. Ebenso war es für Seraphim persönlich riskant, weil es ihm grundsätzlich schwer fiel, in einer solchen Situation bei bloßen Liebkosungen zu bleiben. Der Dragonslayer glich in vielerlei Hinsicht einem Staudamm, den man besser nicht einschlug, weil das Aufhalten danach beinahe unmöglich war. Machte man ihn zornig, so musste er das herauslassen, bis er sich wieder beruhigt hatte, war Souta ihm so nah, dass er ihn fühlen, riechen, schmecken konnte, dann dauerte es meist nicht lange und er ging zu ganz anderen Dingen als Küssen über. Mochte der Weißhaarige auch vor Minuten noch so lautere Absichten geäußert haben, so merkte er doch, wie er langsam aber sicher von seinem ursprünglichen Plan Abstand nahm. Hände wechselten die Höhe, griffen fester zu, zogen den Anderen näher zu sich. Cyrus hatte das dringende Gefühl, dass sich der Geruch des Kettenmagiers über die letzten Minuten intensiviert hatte, sodass die Mischung aus Vanille und seinem Eigengeruch seine Sinne erdrückte. Nur nebensächlich schien ihm, dass ein Passant den Kopf drehte und einen Moment irritiert zu ihnen sah, bevor er eilends das Weite suchte, denn es interessierte ihn nicht mehr, was jemand von der Szene denken mochte, die sich ihm hier bot. Stoff war doch sowieso eine überbewertete Barriere, die man am besten aus dem Weg schaffte und hatte Souta nicht sogar bereits damit angefangen, ehe er ihn unterbrochen hatte? War es da nicht vollkommen natürlich, dass er seinen Fehler einsah und dem ursprünglichen Bestreben des Einäugigen nachgab? Dieser war zwar einen ganzen Zentimeter größer als er, aber er machte sich auch gar nicht schlecht, wenn man seine Position ein wenig erhöhte, getragen von einer festen Mauer, wenn es schon sonst nichts mehr an ihm gab, was den Kontakt zum Boden wahrte. Und so kalt die Steine waren, so warm kam ihm der Rothaarige vor, so hart, wie seinem Knie die Wand vorkam, als er es daran stieß (und es ignorierte), so weich erschien ihm Souta, trotz all der trainierten Muskeln. "Irgendwie... lüge ich mich selbst an...", hauchte er inmitten der hastigen Bewegungen, die zur Kunst erhoben in dem Gebäude neben ihnen praktiziert wurden, lächelte und hoffte inständig, dass ihr Freund Jones besser da blieb, wo er war. Falls er dort war.

Soutas Hirn hatte eine etwas komplizierte Beziehung zu seinem Herzen, die hauptsächlich darin bestand, dass sich diese beiden solange ignorierten, bis sie gleichzeitig gebraucht wurden. Es kam eher selten vor, dass der Rothaarige aus eiskalter Logik heraus handelte, weshalb man ihn manchmal für dumm und sicherlich nicht für vorausschauend halten konnte. In gewissen Momenten vergaß er alles andere und handelte seinen flüchtigen Launen entsprechend, was ihn nicht nur zu einem wahnsinnig ehrlichem Menschen machte, sondern auch in so mancher Hinsicht zu einer unberechenbaren Katastrophe. Im Augenblick war der Rotschopf nicht auf seine Quest getrimmt, sondern auf den Weißhaarigen, dessen Hände so emsig über seinen Körper fuhren, als würden sie nach Gold graben. Seine Geschicklichkeitskünste, mit denen er eigentlich ihre Zielperson fangen wollte, nutzte er, um die Beine um die Hüfte des Älteren zu schlingen, wodurch ein Bein aus seiner Hose rutschte … Auf merkwürdige Weise schaffte es sein bester Freund nämlich, dass sich die Konzentration Soutas vollkommen von allem Relevanten verlagerte und er zu einem Haufen formlosen Schleims wurde, der gerade noch genug Synapsen beanspruchen konnte, um auf Aktionen entsprechend zu reagieren. Für einen selbstbestimmten Menschen wie den jungen Kettenmagier waren diese Situationen immer ein zweischneidiges Schwert, doch im Großen und Ganzen musste man sie wohl positiv bewerten, weswegen man aus seinem Mund sicherlich niemals Beschwerden in diese Richtung vernehmen würde – auch dann nicht, wenn er ihn zum Sprechen zur Verfügung hätte. Aus irgendeinem Grund wurde eine Sache, die man sehr oft tat, aufregender, wenn man den Ort wechselte – das war beispielsweise bei Unterlagen so, aber auch bei der Umgebung oder einfach bei der individuellen Position der Agierenden. Eine zusätzlich brisante Note bekam die Sache natürlich noch, wenn man eigentlich etwas ganz Anderes tun sollte, zum Beispiel einen Club beschatten und sich darum kümmern, dass eine ziemlich wichtige Zielperson nicht einfach davonlief, weswegen der Rothaarige keinerlei Gedanken daran verschwendete, was man mit ihnen machen würde, wenn man sie entdeckte – auch wenn er das vielleicht hätte tun sollen.
Nachdem die Denkleistung der beiden Magier sich wieder über das Volumen einer gemeinsam genutzten Gehirnzelle gesteigert hatte und der Schatten der Gasse sie nicht länger verschluckte, dämmerte es dem Rothaarigen, dass es vielleicht keine allzu gute Idee gewesen war, was sie getan hatten. Da er allerdings zu einem gewissen Teil gar nicht zu einem schlechten Gewissen fähig war, schob sich die drängende Stimme der Vernunft in den Hintergrund … Immerhin konnte man ja immernoch weitermachen wie bisher. Soviel Zeit hatten sie nicht verloren, das war also nicht das Problem, daher war das Einzige, was man bemängeln konnte die Wahl der Stelle, denn als Souta auf die Straße hinaustrat und seine Kleidungssituation wieder in Ordnung brachte, bewegte er sich ein wenig breitbeiniger und vermied gleichzeitig, dass sich seine Oberschenkel allzu sehr voneinander entfernten, was eine nicht unbeachtliche Geschicklichkeitsleistung erforderte. Es war immernoch hellichter Tag, immernoch gab es kein Anzeichen für irgendetwas Verdächtiges und die Polizei der Stadt arbeitete immernoch auf Hochtouren. Er hob die Hand, um eine recht gehetzt aussehenden Streife dieser Institution zuzuwinken, immerhin waren sie gerade sozusagen Kollegen und es wirkte eventuell weniger verdächtig, wie er da so recht zerrupft aus der Gasse kam, doch genau das Gegenteil schien der Fall zu sein, denn plötzlich überquerte die kleine Gruppe an etwa fünf Leuten die Straße und starrte ihn und Seraphim an, als wären sie aus einem Museum ausgebrochen. Ein etwas älterer Herr mit ausgeprägtem Bartwuchs zückte seine Marke und betrachtete sie mit zusammengezogenen Augenbrauen, ehe er sprach und seine Kumpanen beinahe synchron die Waffen zogen, um sie auf die beiden Magier zu richten. „Ihr hört auf die Namen Souta und Seraphim?“, fragte er nach, lauernd wie ein Hund, der eine Färhte schnuppert und der angesprochene Rothaarige schaute verwirrt in feindselige Augen. Was war hier los? Waren sie in Gefahr? Hatte man Jones entdeckt? „Ja …?“
„Dann müssen wir euch bitten, mitzukommen. Ihr seid im Namen der Stadt Marokkasu Town wegen Mordes, Sachbeschädigung und schweren Diebstahls verhaftet.“
… Was zur Hölle?

Sicherlich sollte Seraphim nun sicherlich geschockt reagieren, aber das war ihm in diesem Moment rein körperlich nicht möglich. So viele positive Gefühle dümpelten noch in seinem Gehirn herum, dass er sich nicht einmal die Mühe machte, wenigstens überrascht auszusehen. Stattdessen lehnte er sich, die Ruhe selbst, einfach an die Mauerecke und betrachtete die Mündungen von fünf Läufen, die auf sie gerichtet waren. Er hatte durchaus verstanden, was der Bärtige da gesagt hatte, aber anstatt sich aufzuregen, dachte er vollkommen ruhig darüber nach. Das Ergebnis davon war, dass er keine der drei Sachen in letzter Zeit in dieser Stadt begangen hatte und es sich daher entweder um einen Fehler oder eine böswillige Unterstellung handelte. Er steckte die Hände in die Hosentasche, wobei er diese ein kleines bisschen gerader zupfte und schüttelte sich eine Strähne aus dem Gesicht. "Immer ganz mit der Ruhe. Wenn ihr uns wirklich kennt, dann wisst ihr ja auch, dass ihr nicht davon ausgehen könnt, uns mit den Dingern erfolgreich das Wasser reichen zu können. Also steckt die Dinger weg, ehe ihr euch noch weh tut~", säuselte er und verschränkte danach die Arme. Es gefiel ihm eigentlich gar nicht, was hier ablief. Natürlich hatten sie nichts getan, aber es war schlechte Propaganda für die Gilde, wenn man sie wegen irgendwelcher fadenscheiniger Dinge verhaftete. Außerdem war das hier für ihn eindeutig die falsche Stadt, um verhaftet zu werden, weil er jemanden aus der Regierung kannte, den er garantiert nicht wieder sehen wollte. Mal ganz von diesen beiden Dingen abgesehen, hatte er keine Lust, sich von ein paar niederen Menschen in eine Zelle stecken zu lassen. Wenn sie einigermaßen clever waren, mussten sie das so gestalten, dass die beiden Magier nicht ausbrechen konnten und das würde unweigerlich zu Unannehmlichkeiten führen, weil es kaum möglich war. So ungerne er das zugab, Souta konnte wahrscheinlich jedes Fenstergitter auseinander biegen und er würde einfach die ganze Wand aus ihren Fundamenten schießen, wenn er raus wollte. Er hielt sich außerdem nicht gerne in geschlossenen Räumen auf und er war zu allem Überfluss mal unschuldig. Wenn sie die beiden wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet hätten, hätte wenigstens die Chance bestanden, dass er sich einem Prozess stellte, aber gleich so etwas hartes? Das war übertrieben.
Selbstverständlich gehorchten ihm die Polizisten nicht, so schön das auch gewesen wäre. Er konnte allerdings beobachten, wie ein paar kurz zögerten, ehe sie den Griff ihrer Waffe fester umklammerten. Vielleicht hatten sie doch nicht genau gewusst, was für eine potenzielle Gefahr von ihren Verdächtigen da ausging. "Ich gehe garantiert nirgendwohin, ehe ich nicht wenigstens darüber aufgeklärt wurde, wann ich was getan haben soll... ich kann mich nicht erinnern, mich in dieser Stadt auch nur eines der drei Verbrechen schuldig gemacht zu haben..." Das einzige, was er stahl, waren die Herzen unschuldiger Mädchen, aber dagegen gab es zum Glück kein Gesetz. Sie sollten sich bitte mit ihrer Antwort ein wenig beeilen, denn es gefiel ihm gar nicht, dass sie jetzt noch mehr Zeit verloren, nur weil ein paar Deppen auf die Idee kamen, ihnen etwas anzulasten. Eigentlich gab es doch gar kein nahes Zeitfenster, in welchem sie etwas gestohlen, jemanden ermordet und etwas beschädigt haben konnten, aber Leute, die auf einen Sephirot mit einer Waffe zielten, hatten ja sowieso nicht allzu viel im Kopf. Es brauchte nur ein klein bisschen Mana und er konnte einen wirbelnden Windring erschaffen, der sie allesamt meterweit durch die Luft schleuderte, aber erst einmal wollte man sich anhören, was die Polizisten zu sagen hatten. Im Grunde waren sie nämlich die Auftraggeber der zwei Magier und Seraphim handelte eigentlich gerne so, dass man ihm danach wenig auf professioneller Ebene nachtragen konnte, Blue Pegasus zuliebe.

Souta hatte schon so Einiges angestellt, auf das er rückblickend nicht unbedingt stolz war, aber verhaftet worden war er noch nie. Aufgrund seines Gerechtigkeitssinns käme es ihm außerdem niemals in den Sinn jemanden zu ermorden oder etwas zu stehlen. Bei Sachbeschädigung geschahen zwar des Öfteren tragische Unfälle, aber in den letzten Stunden hatte er nichts verbeult, zusammengeschlagen oder in Mitleidenschaft gezogen, wenn man von ein paar Kratzern am Weißhaarigen absah, doch das konnten sie unmöglich meinen. Mit verwirrtem Blick und deutlich zu wenig Furcht vor den Waffenläufen stand er neben dem Himmelsmagier und runzelte die Stirn. Es ergab überhaupt keinen Sinn, dass man sie jetzt verhaften wollte. Sie waren zumindest in dieser Bedeutung des Wortes vollkommen unschuldig und hatten nichts Unrechtes getan, aber die Polizei lief doch nicht einfach so herum und klagte sie ziemlich schwerer Verbrechen an, also musste hier eindeutig ein Missverständnis vorliegen, das man irgendwie aus der Welt schaffen musste. Souta straffte die Schultern und lächelte leicht, in der Hoffnung, damit die Waffen zu senken, doch Seraphim bretterte mit dem Taktgefühl eines Tonnenlasters dazwischen, rieb ihnen im Vorbeiflug ihre Fähigkeiten unter die Nase und stellte sich dann erst einmal quer. Zugegeben, der Kettenmagier hatte eine ähnliche Taktik im Sinn, doch einerseits war er eher ein Freund von weniger feindseliger Konversation und andererseits wollte er diese Typen nur dann verletzen, wenn sie auf ihn oder seinen Dragonslayer losgingen. Aus diesem Grund machte er einen Schritt nach vorne, nachdem der Weißhaarige fertiggesprochen hatte und sah sich gleich den Mündungen sämtlicher Pistolen gegenüber … Okay. Diese Typen nahmen diese Sache offensichtlich durchaus ernst. Nicht einmal die Worte Seraphims konnten sie besänftigen, stattdessen verzog der Bärtige das Gesicht und betrachtete sie mit soviel Verachtung, dass Souta ein seltsames Kribbeln in der Magengrube spürte. Er war wirklich nicht ängstlich, doch er hatte die ungute Vorahnung, dass sich dieser Typ seine Meinung schon gebildet hatte. Wie aufs Stichwort schüttelte er den Kopf und schnaubte wie ein wütender Stier. Bevor er ihnen antworten konnte, erhob jedoch der Kettenmagier das Wort: „Mord und Diebstahl … Es wurde jemand verletzt?“ Die Frage hallte für einen Augenblick durch das Schweigen der Polizisten, die ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Empörung anstarrten, das nicht unbedingt zu seiner Laune beitrug.
„Wie kannst du nur so unschuldig tun, du kleiner Mistkerl ...“, schnarrte der Bärtige und richtete die Pistole direkt auf Soutas Herz. Der Rothaarige öffnete den Mund, wurde jedoch unwirsch unterbrochen. „Pass auf. Ich schulde euch sicherlich keine Erklärung, aber ich werde euch genau erzählen, wie wir euch auf die Schliche gekommen sind.“ Ein gewinnendes Lächeln umspielte seine Züge und er deutete auf einen der hinteren Polizisten, der einen ledernen, zusammengeknüllten Gegenstand hervorholte, der an einigen Stellen mit frischen Blutflecken verschmutzt war. Als er ihn ausbreitete, schnappte Souta nach Luft.
„Meine Lederjacke! Aber ich hab sie doch ...“
„Gut im Zimmer versteckt, nicht wahr? Doch wir haben sie gefunden und du hast uns gerade bestätigt, dass sie dir gehört, Bürschchen! Ihr beide habt eine junge Polizistin ermordet, die ihr in euer Hotelzimmer gelockt habt, nachdem sie euch auf die Schliche gekommen ist! Wir haben eine Aussage des Rezeptionisten, dass sich zur fraglichen Zeit ein Rothaariger mit Augenklappe in das Zimmer begeben hat und wenige Zeit später ein Schrei zu hören war! Als wir ankamen, war der armen Frau nicht mehr zu helfen, man hatte ihr die Kehle durchgeschnitten und zahllose Schnitte mit einer scharfen Klinge zugefügt. Daraufhin hat eben dieser Rothaarige die Dreistigkeit besessen, sich direkt vor den Rezeptionisten zu stellen, all seine Einnahmen zu kassieren und ihm zu sagen, dass „Souta und Seraphim“ hinter der Identität von Jones stecken und er genau dies der Polizei verraten soll. Ich weiß nicht welche kranke Scheiße ihr abzieht, aber das sind die eindeutigsten Beweise, die ich je gesehen habe!“ Er wies auf Seraphim und machte ein triumphierendes Grunzgeräusch. „Ein Einäugiger und ein Mann mit weißen Haaren, sowas sieht man nicht alle Tage, nicht wahr? Ihr seid überführt – wo habt ihr die Mordwaffe versteckt?“
„Moment mal.“ Souta hatte sich die Ausführungen des Polizisten ruhig angehört, doch nun schnürte sich ihm die Kehle zu. Nora war ermordet worden? Von jemanden, der ihre Namen kannte und ihnen offensichtlich etwas Böses wollte, das war klar. Es war vollkommen irrsinnig, dass man sie verdächtigte, doch die Beweise waren wirklich lächerlich eindeutig, aber wenn die Mordwaffe fehlte … „Soll das heißen, dass jemand MEIN SCHWERT GESTOHLEN HAT?!“ Seine Stimme war gegen Ende des Satzes angeschwollen und ein Ausdruck war auf seinem Gesicht erschienen, der irgendwo zwischen extremer Wut und Mordlust stand. Jemand hatte mit seiner Waffe nicht nur eine hübsche junge Frau ermordet, sondern sie auch noch einkassiert … Souta ballte die Hände zu Fäusten und zeigte auf den Bärtigen. „Du quasselst Müll, Opa. Wieso sollten wir so bescheuert sein und euch direkt zu uns lotsen? Wir waren nicht einmal in der Nähe des Zimmers!“
„Kann irgendjemand bestätigen, dass ihr in der letzten Stunde nicht im Hotel wart?“
„Ich … Nein … Das ergibt doch keinen Sinn! Wie können wir hinter Jones stecken, wenn wir heute in Marokkasu Town angekommen sind?“
„Wir haben einen Stapel Akten unter einem der Dielenbretter gefunden, der Tickets erhält, die sich mit den Einbrüchen von Jones decken, sowie eine Spur zu diesem Etablissement. Ihr hattet wohl vor, euch hier das nächste Opfer zu suchen, huh? Jetzt kommt sofort mit mir mit, oder ich mache euch Feuer unterm Hintern, ihr kranken Schweine!“

Das wirklich miese an der Situation, in der sich Souta und Seraphim gerade befanden, war, dass der Dragonslayer sich beinahe freute, dass Nora offenbar ermordet worden war. Sie war sicherlich sehr hübsch und ungemein niedlich gewesen, aber genau deswegen hatte sein Freund ja auch ein solches Interesse an ihr gehabt. Selbst, wenn er eigentlich nicht zu Eifersucht neigte, hatte es ihm nicht gefallen, wie der Kettenmagier ihrem gewaltigen Charakter nachgesabbert hatte und so war es ihm ganz recht, dass seine potenzielle Nebenbuhlerin ausgeschieden war. Das einzige, was diesen Erfolg trübte, war der Fakt, dass man sie beschuldigte, das getan zu haben und dass sie natürlich - wie hätte es auch anders sein können - kein Alibi hatten. Er persönlich würde den Männern einfach verklickern, dass Souta garantiert niemandem die Kehle aufgeschlitzt hatte, weil die betreffende Zeit für ihn vollständig ausgefüllt gewesen war... aber wahrscheinlich wäre Souta ihm dann böse, weil er sich dafür schämen würde. Er war sich nicht sicher, ob ihn diese Ahnung mehr belasten würde, als der eigentliche Wutanfall und außerdem gab es keine Garantie, dass man ihm das auch glauben würde. Sicherlich könnte ein Arzt da weiter helfen, aber das wäre dann endgültig das Ende für das Nervenkonstrukt des Rothaarigen und das war eine Bezichtigung des Mordes nicht wert. Seraphim hatte dies ja auch nicht halb so sehr mitgenommen, wie Souta, weil er im Gegensatz zu dem ethisch korrekten Kettenmagier durchaus schon Menschen ihres Lebens beraubt hatte, nur weil sie ihm im Weg waren, nicht, weil sie es verdienten. Seine Horrorvorstellung einer plötzlich vor seiner Tür auftauchenden Frau, die behauptete, von ihm schwanger zu sein, würde übrigens auch so enden. Er seufzte und betrachtete die Polizisten, die sie immer noch musterten, als seien sie Satan und sein Geliebter höchstpersönlich und strich sich eine weiße Strähne aus dem Gesicht.
Dann wurde sein Gesichtsausdruck mit einem Mal ernst und er blickte dem Anführer direkt in die Augen. "Weder Souta, noch ich, haben in dieser Stadt jemals einen Mord begangen. Es könnte allerdings angehen, dass ich das ändere, wenn du uns noch einmal beleidigst. Zudem sehe ich nicht ganz ein, warum ich meine kostbare Zeit damit verschwenden sollte, euch herum zu hetzen. Jetzt aber zum Thema: Da ist ein Mann, der eine Frau ermordet, seinen Namen nennt und die Identität eines Mannes verrät, der schon lange in der Stadt sein Unwesen treibt, indem er behauptet, dass die beiden Magier dahinter stecken, die zu seiner Erfassung angeheuert wurden?" Seraphim verschränkte die Arme und legte den Kopf ein wenig schief, blickte kurz scheinbar ratlos und fragte dann: "Ich nehme nicht an, dass jemand daran gedacht hat, diesen Mann festzuhalten, nein? Dann hat man Jones wohl entkommen lassen." Die Mimik des Dragonslayers wurde erneut ernst. "Nora war unsere Verbindungsperson. Sie hat uns allerdings mitgeteilt, dass nicht ihre ganze Behörde mit in die Ermittlungen eingebunden war, solltet ihr also nichts von unserem Auftrag wissen, empfehle ich, die Gilde Blue Pegasus zu kontaktieren, diese wird es bestätigen. In der Zwischenzeit tätet ihr gut daran, euch bei Souta zu entschuldigen. Ganz davon abgesehen, dass er in der fraglichen Zeit mit anderen Dingen beschäftigt war, würde er niemals einen wehrlosen Menschen angreifen oder gar töten und auch wenn er euch diese Beleidigung vielleicht nicht übel nimmt, ich tue es." Nach dieser Ansprache hieß es wohl warten, was darauf geantwortet werden würde. Sollten diese Männer weiterhin so vorwurfsvoll und anmaßend sein, könnte es vielleicht passieren, dass ihm aus Versehen ein Zauber herausrutschte, der sicherlich für viel Ungemach sorgen würde. Denn was auch passierte, sie waren sicher, weil sie zur Not ihr Gildenmeister aus dem Schlamassel ziehen würde - immerhin war er ein Dragonslayer.

Wäre die Lage nicht so wahnsinnig ernst, Souta hätte sich nicht zwischen einem verlegenen Kopfkratzen und einem „Awww“ entscheiden können. Einerseits hatte er gerade deutlich zuviel um die Ohren, weil sie schließlich schwerer Verbrechen angeklagt worden waren, andererseits fand er es unglaublich knuffig, dass Seraphim ihn in Schutz nahm … und er wurde fast verrückt, weil er keine Ahnung hatte wieso. Normalerweise fand er den Weißhaarigen sicherlich nicht süß oder niedlich, also lag es wohl an den Aktivitäten, die ihr Alibi hätten sein können, wenn er den jemals die Courage dafür aufbringen könnte, sie der Rechtsgewalt vorzulegen. Natürlich war es ziemlich einfach, diese Sache zu beweisen, doch auch das würde er nicht mit sich machen lassen und bei jemanden wie Souta musste man für diese Dinge auf seine Einwilligung warten, weil er durchaus gefährlich werden konnte. Hauptsächlich lag das an seinen körperlichen Attributen und der Magie, die ihm seit kürzester Zeit innewohnte, aber auch seine Waffen waren nicht zu verachten, immerhin konnte man damit junge Frauen ermorden … Und genau das war der Grund, wieso er gerade nicht lachte, diese Sache überhaupt nicht witzig fand und innerlich vor Schuldgefühlen überlief. Es war etwas Anderes, jemanden in Stich zu lassen, weil man gerade nicht da war, aber wenn diesem etwas passierte und er auch noch mit seiner eigenen Waffe getötet wurde, stapelten sich soviele Schichten der Verantwortung aufeinander, dass der Rothaarige darunter fast zu ersticken drohte. Sein Mund war trocken geworden, er schwitzte leicht und regte sich allgemein auf, wie er es immer tat, wenn er meinte, dass jemand seinetwegen verletzt wurde. In Hargeon Town hatte er einen Nervenzusammenbruch erlitten, weil ein Typ zusammengeschlagen worden war, aber das hier war auf so viele Arten schlimmer, dass er sich schlecht fühlte und nicht einmal wusste, wie er dem entgegen wirken sollte. Seraphims Worte kamen ihm unendlich weit weg vor, weil es in seinen Ohren rauschte, und er sah kaum, wie die Polizisten sich bedeutungsvolle Blicke zuwarfen. Er hatte Nora gemocht. Sie war hübsch gewesen und freundlich und niedlich. Sie hatte es nicht verdient, auf so brutale Weise aus dem Leben gerissen zu werden … Und die Beamten sahen das wohl genauso. Der Schnauzbärtige warf Seraphim einen zweifelnden Blick zu und schien für einen Moment geradezu unsicher, ehe er sich wieder fasste und mit den Zähnen knirschte. „Nun gut … Ich werde das mit eurer Gilde überprüfen. Glaubt ja nicht, dass wir nicht wiederkommen. Und denkt nicht daran die Stadt zu verlassen, wir haben überall Patrouillen, die euch genau im Auge behalten werden. Abmarsch, Männer!“ Er wandte sich um, nicht ohne einen zweifelnden Blick auf die beiden zu werfen (aber ohne Entschuldigung) und die tuschelnden Polizisten anzuschnauzen, ehe er und seine Gruppe die Straße entlang verschwunden waren. Kaum konnte man keinen Zipfel ihrer Uniform mehr erkennen, knickte der Rothaarige ein, sank in die Hocke und verbarg das Gesicht mit den Händen. Er war kein Weichei, er heulte nicht, aber er wusste nicht, wie er sein klopfendes Herz und seine aufkeimende Panik kontrollieren sollte, die in jeder Fiber seines Daseins vibrierten und ihn zum Zittern brachten. Warum hatte man bitte versucht, ihn zu kopieren, um sie zu töten? Das Letzte, was Nora gesehen hatte, war er gewesen, wie er sie ermordete, dabei hätten sie doch soviel Spaß miteinander haben können. Jemand wie sie hatte den Tod nicht verdient und es war ganz alleine seine Schuld, dass er hinter Seraphim hergerannt war und ihr nicht angeboten hatte, ihn zu begleiten. Wäre er bei ihr geblieben, hätte er sie sicherlich retten können, also ging ihr Tod indirekt auf seine Kappe und all das nur, weil er unbedingt eine Quest in einem Stripclub erledigen wollte … Wie konnte er nur so dumm sein? Was für eine Enttäuschung war er eigentlich?! „Das ist alles nur meine Schuld ...“

Seraphim hatte ein zwiegespaltenes Verhältnis zu Soutas negativen Emotionen. Natürlich tat es ihm beispielsweise Leid, wenn er weinte, aber dafür fand er auch wenig attraktiver als genau das. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er in einem Restaurant an ihm gehangen hatte, tränennass, weil er in einige Glasscherben gefallen war... das hatte ihm mehr als nur gut gefallen. Diese Situation war allerdings etwas anderes, denn Soutas Schmerzen saßen tiefer, ließen sich nicht einfach mit einem Handauflegen wegheilen und dennoch wirkten sie sehr real. Der Dragonslayer hätte sich wahrscheinlich sofort zu ihm auf den Boden begeben sollen, ihm den Rücken streicheln und ihm erklären sollen, dass es garantiert nicht seine Schuld war, dass Nora gestorben war, doch momentan stand er nur mit hängenden Armen da und blickte auf ihn herab. Eine kleine Spur schlechten Gewissens begann in ihm aufzukeimen, weil er sich über ihren Tod durchaus freute, doch er schluckte es wieder herunter und hockte sich schließlich doch neben den geschockten Rothaarigen. Eine Sekunde hielt er inne, danach streichelte er sanft über die roten Haare und stützte die Unterarme schließlich auf seine Knie. Für jemanden, der eigentlich etwas gegen Kinder hatte, war das mit dem Trösten auch dann ncht einfacher, wenn es sich um seinen Freund handelte. Es war albern, dass er sich die Schuld dafür gab, aber wenn er ihm das so sagte, würde er ihn sicherlich hassen. Deswegen musste er sich etwas anderes einfallen lassen, doch auch das stellte ihn vor eine Herausforderung. Souta mochte es nämlich nicht, wenn man ihn anlog, das hatte er erst vor einiger Zeit erfahren - auch wenn seine Reaktion wahrscheinlich aus ganz anderen Gründen so krass ausgefallen war.
Er entschied sich schließlich und erklärte mit ruhiger Stimme: "Überhaupt nichts ist deine Schuld, Souta. Weißt du, selbst wenn du sie mitgenommen hättest..." Er näherte sich einem der beringten Ohren und hauchte "...dann hätte ich sie wahrscheinlich umgelegt." Die Stimme wieder erhebend, stand er auf und streckte dem Kettenmagier seine Hand entgegen. "Also tu mir einen Gefallen und lass deine Schuldkomplexe eine Weile beiseite. Ich meinte das vorhin ernst, es ist sehr wahrscheinlich, dass Jones hinter dem Mord an Nora steckt - und den kannst du nicht zur Rechenschaft ziehen, wenn du wie ein Häufchen Elend auf dem Boden hockst." Egal, was man von seinem Statement halten mochte, wenigstens hatte er die absolute Wahrheit gesagt. Wenn Souta die Polizistin mitgenommen hätte, wäre er am Ende doch noch richtig eifersüchtig geworden und er konnte nicht einschätzen, was er in so einem Zustand tun würde. Unter Umständen hätte er die junge Frau dann wirklich verschwinden lassen und das hätte die beiden dann erst richtig in Probleme gebracht, ganz davon abgesehen, dass der Rothaarige sicher besser damit zurecht kam, dass ein Fremder diese Frau getötet hatte, als sein Freund... auch wenn es natürlich reichlich gemein von Jones gewesen war, sich als Souta zu verkleiden, während er das tat. Das war jedoch nicht die einzige mögliche Lösung ihres Rätsels, denn je länger er darüber nachdachte, desto mehr Ideen kamen ihm in den Sinn. Nora hatte gesagt, dass sie einen Maulwurf fürchteten. Was wäre, wenn Jones selbst Angehöriger der Polizei war? Was, wenn Nora Jones war und sie den Maulwurf einfach an der falschen Stelle vermuteten. Was, wenn die Polizisten, die sie gerade aufgehalten hatten, Jones waren? Was, wenn... einiger seiner Thesen waren schlechter als andere (Warum sollte sich Jones selbst das Leben nehmen), aber in diesem Fall war eben auch mehr unklar als gesichert.

Souta weinte nicht und wenn man ihn fragte, nahm er diese Nachricht ziemlich gefasst. Man hatte schon ganz andere Seiten von ihm gesehen, die nicht mit einer Schuldzuweisung fertig wurden und sich stattdessen in aufsteigendem Selbsthass vergruben und nach Bestrafung suchten. Im Moment hatte der Rothaarige genau zwei Möglichkeiten, wie er seine Gefühle loswurde. Die eine Seite mochte albern und schwach erscheinen, indem er sich auf den Boden hockte und sich selbst dafür verantwortlich machte, die andere wäre wiederum deutlich gefährlicher für seine Gesundheit. Souta hatte große Lust, hinter diesem Jones herzujagen und ihn in kleine Scheibchen zu schneiden, unabhängig davon, durch wie viele seiner Handlager er sich prügeln musste, um zu ihm zu gelangen. Das Problem daran war, dass er zu blindem Torn neigte und es sicherlich nicht gut ausgehen würde, wenn er alles andere ausblendete. Sie saßen vor einem großem Garnichts und hatten nicht die geringste Spur, daher war es fast unmöglich, ihn zu schnappen, nicht wahr? Es war insofern ein kluger Schachzug gewesen, eine der einzigen Personen auszuschalten, die mit den Informationen versorgt war, welche die beiden Magier dringend brauchten. Offensichtlich war die Sache mit den beiden Orten eine Falle gewesen, daher könnte auch Nora sie an diese Orte gelockt haben, wenn man diese Situation sachlich betrachtete. Doch wieso sollte sie sich einfach so ermorden lassen? Das ergab keinen Sinn und half Soutas Gehirn vor allem nicht dabei, einen Ausweg aus seinen Strudel zu finden. Den erzeugte dafür jedoch ein Weißhaariger, der seine Haare streichelte und dann etwas in das Ohr des Kettenmagiers flüsterte, was die ohnehin schon schwälende Wut in seinem Bauch noch weiter anfeuerte und sie in einem Moment der absoluten Unfairness auf Seraphim konzentrierte. Nun. Einerseits mochte man es ungerecht nennen, dass der Rothaarige, der eigentlich auf Jones und sich selbst ärgerlich war, die Hände vom Gesicht nahm und stattdessen dem Himmelsmagier einen Blick zuwarf, als wolle er ihn mit Haut und Haaren fressen, andererseits war es sicherlich nicht die beste Option gewesen, jemanden, der über den Tod einer Person trauerte zu flüstern, dass sie wohl sowieso gestorben wäre und man die Sache deshalb nicht so wichtig nehmen sollte. Das war so ziemlich das Schlechteste, was man zu Souta sagen konnte, der die Existenz anderer regelmäßig über seine eigene stellte und den Tod nicht sonderlich amüsant fand. Ob es daran lag, dass Seraphim ihn einfach nur aus seiner Stase holen wollte oder er einfach schrecklich im Trösten war, würde der Rotschopf wohl nie erfahren, doch er beließ es dabei, dass er ein „Das ist nicht witzig“ zischte und die ihm dargebotene Hand ausschlug. Er wollte sich gar nicht mit seinem Freund streiten, weil er genau wusste, dass unbegründete Gemeinheiten im Augenblick zu rein gar nichts führten, aber wenn es etwas gab, das schneller als Soutas Körper war, dann war es sein Mund, der ganz ohne Zutun Worte formte und sich von dem Dragonslayer wegdrehte, damit er die Straße im Auge behalten konnte. „Entschuldige, dass ICH Gefühle habe.“ Ein Häufchen Elend, also wirklich … Souta biss sich auf die Unterlippe, um größere Schäden zu vermeiden und machte sich auf den Weg zurück zum Hotel. Da sie keine Spuren hatten, konnten sie ebensogut von Null anfangen, nicht wahr? Vielleicht hatte der Täter ja auch irgendetwas vergessen, was man Seraphim unter die Nase halten konnte oder so … War doch ein toller Plan.

Oh, Seraphim besaß durchaus Gefühle, aber es waren deutlich weniger, als die meisten Menschen so aufbrachten. Es brauchte schon das richtige Thema, damit er emotional wurde, aber dann war er in der Hinsicht sehr hartnäckig. Souta musste das doch eigentlich wissen, wo er selbst doch derjenige war, dem gegenüber der Dragonslayer sogar richtig große Gefühle hegte. Er reagierte deswegen äußerlich auf Soutas Kommentar, den man durchaus zickig nennen könnte, indem er lächelte, obwohl er innerlich ein wenig mehr zusammen schrak. Klar war es zu erwarten gewesen, dass er sich über seine Worte aufregen würde, aber gleich zu behaupten, dass er keine Gefühle besaß, wo er doch wusste, dass er ihn von ganzem Herzen liebte... na, was sollte es. Er verkniff es sich, Souta einen trotzigen Klaps auf das Hinterteil zu geben (praktisch als Antwort) und folgte dem Rothaarigen, der immerhin aus seiner Starre erwacht war. Es war klüger, vielleicht kurz seinen Zorn auf sich zu ziehen, als zuzulassen, dass sie ihre Quest in den Sand setzten. Souta war ein sehr emotionaler Mensch, der sich schnell wieder abregte, wenn er ich aufregte, es sei denn natürlich, mal gestand ihm auf indirekte Weise seine Liebe und wurde daraufhin Monate ignoriert. Aber das würde er nicht noch ein zweites Mal zulassen, insofern befand er sich wohl auf der sicheren Seite. Er hatte einfach nur die Wahrheit gesagt, so unangenehm sie für Souta auch sein mochte - und das war es doch, was der Kettenmagier schon einmal von ihm verlangt hatte. Sie hatten in seinem Badezimmer gesessen, glaubte er, aber seine Erinnerungen an diese Szene waren von deutlich zu viel Alkohol an dieser Stelle getrübt. Jedenfalls hatte er gesagt, was er dachte und wenn Souta damit nicht leben konnte, dann... würde er es eben das nächste Mal nicht sagen. Das Problem bei dem Kettenmagier war immerhin, dass er gerne reinen Wein eingeschenkt bekommen wollte, aber keinen sauren mochte. Seraphim war nun einmal kein Engel und stand im Grunde im absoluten Kontrast zu dem Rothaarigen, also war es klüger, wenn er wenigstens so tat, als würden ihre Ansichten harmonieren. Da war eine Kluft zwischen ihnen, die wahrscheinlich niemals verschwinden würde, aber die sie beide liebend gerne ignorierten. Und solange Schummeleien eine Brücke konstruierten, mussten sie eben sein.
Schon als sie in die Straße abbogen, in der sich ihr Hotel befand, konnte man die Polizisten sehen, welche es - pardon, den Tatort - bewachten. Machten sie sich nicht selbst verdächtig, wenn sie zum Ort des Geschehens zurück kehrten? Immerhin war das doch das Klischee, dass Mörder immer dorthin zurückkehrten, wo sie ihr Opfer getötet hatten. Was für ein alberner Glaube, er selbst würde sowas niemals machen! Seraphim schlenderte auf die Eingangstür zu und ignorierte die bösen Blicke, die ein Mann ihnen zuwarf, an den er sich noch von der Rezeption erinnerte. Wenn sich dieser Jones wirklich als Souta verkleidet hatte, dann musste der Mann nun annehmen, dass Souta Nora ermordet hatte... besser er sorgte dafür, dass der Kettenmagier ihn nicht bemerkte. Er machte einen etwas längeren Schritt und ging damit schräg vor seinem Freund, sodass er zwischen den beiden stand. Noch so ein Schuldausbruch und er würde wohl auch Nerven zeigen, weil ihm das nämlich gar nicht gefiel. Ein weinender oder keuchender Souta war spannend, aber ein vollkommen in sich zusammengefallener musste einfach nicht sein. Er ließ Souta den Vortritt, als sie ins Treppenhaus gingen (warf einen Blick nach vorne, erinnerte sich, grinste) und blieb schließlich vor ihrem Zimmer stehen. Die Tür war offen, obgleich ein gelb-schwarz gestreiftes Plastikband über die Öffnung gespannt worden war. Das Zimmer selbst schien nicht beschädigt worden zu sein: Die Einrichtung und das Mobiliar befand sich im selben Zustand, in dem sie es verlassen hatten. Nur auf dem Boden vor dem Bett war ein dunkler Fleck zu erkennen, der für den Dragonslayer sehr penetrant nach Blut roch. Seraphim mochte den Geruch, auch wenn er das niemals zugeben würde, aber er wusste, dass es wohl zu Nora gehören musste und ihn daher nicht fröhlich stimmen durfte, sonst würde sich Souta nur wieder aufregen. Links und rechts neben dem Eingang standen zwei weitere Polizisten, der eine groß und schlank, der andere kleiner und leicht untersetzt. Beide sahen sie grimmig an und der Spargel stellte sich ihm in den Weg, als er zu nah an das Absperrband trat. "Dies ist ein Tatort, Betreten verboten!", meinte er und funkelte den violetten Augen entgegen. Seraphim ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und deutete über die Schulter des Mannes. "Ist das alles, was Sie dort gefunden haben oder gab es da noch mehr?" Der Polizist verengte die Augen und verschränkte die Arme. "Die Beweise sind zur weiteren Untersuchung auf die Polizeiwache gebracht worden, warum?" Doch Seraphim hielt es nicht für nötig, weitere Worte an ihn zu verschwenden, drehte sich um, legte den Arm um Soutas Schultern und zog ihn mit zurück. Am Ende starrte er sich noch an dem Blutfleck fest.
"Die lassen uns garantiert nicht an das Zeug ran...", meinte er im Runtergehen leise zu Souta, "Ist es mit deinen Grundsätzen vereinbar, wenn wir zur Wache gehen und uns das ganze kurz... ausleihen?"