Souta hatte sich ausnahmsweise zusammengerissen und war nicht sofort losgestürmt, als er seine Idee hatte, da auch jemand seines Kalibers manchmal dazu in der Lage war, aus vorigen Erfahrungen zu lernen. Es würde wahrscheinlich nicht allzu lange anhalten, bis der Kettenmagier wieder etwas koploses anstellte, doch für's Erste war der Einzige, der von seinen semigenialen Theorien in Mitleidenschaft gezogen wurde das Weißhaar, das ihm gerade gegenüberstand. Er brachte selbstverständlich logische Argumente vor, die den Eifer des Jüngeren dämpften, ihn aber nicht vollständig auslöschten. Man sollte also jemanden finden, der eine Art Robin Hood spielte oder zumindest in letzter Zeit viele Spenden an Arme verteilt hatte. Das ließ sich einrichten. Gute Samariter hatten für gewöhnlich nämlich nicht nur ihre Hilfsbereitschaft im Sinn, sondern wurden auch gerne als solche gefeiert – zumindest in gewissen Kreisen. Die Verbrechen von Jones klangen in Verbindung mit dem Kohlehaufen durchaus nach etwas, was der Öffentlichkeit eine Botschaft vermitteln sollte, deshalb gab es vielleicht einen Zeugen oder sogar mehrere, den sie übersehen haben könnten. „Das heißt, dass uns diese Akten nicht viel weiter bringen. Wir könnten die Opfer befragen, aber ich bezweifle, dass sie uns viel erzählen können, schließlich hat keiner ihn gesehen.“ Im Klartext hieß das, dass sie vollkommen umsonst hierher gekommen waren, aber immerhin etwas schlauer waren, was den Tathergang der Einbrüche anging. Souta runzelte die Stirn, bemerkte dabei nicht, dass er Seraphim immernoch auf die Pelle rückte und dachte darüber nach, was sie nun an Hinweisen gesammelten hatten: Es war möglich, dass Jones nicht Noras Mörder war oder diese Tat nicht aus Boshaftigkeit begangen hatte. Jones genaue Identität war verschleiert, man kannte nur seinen vermutlich falschen Namen und wusste, dass er ausschließlich gut betuchte Leute bestahl, die ihr Verlust nicht einmal ansatzweise ruinierte. Er hinterließ einen Packen Kohle und konnte ungesehen selbst in große Villen eindringen und fand zielstrebig wieder nach draußen, was auf einen Informanten oder genaues Wissen hindeutete. Bevor sie weitere Schritte unternehmen konnten, mussten sie allerdings noch mehr Daten sammeln und das bedeutete, dass sie wieder Feldarbeit leisten durften. Aufteilen klang in dieser Situation am besten, da Souta tatsächlich nicht viel Lust hatte, sich mit der toten Leiche von Nora zu beschäftigen und außerdem eine Abneigung gegen Leichenschauhäuser hatte, weil es darin nun einmal … Leichen gab. Der Rothaarige rutschte unruhig und leicht peinlich berührt auf dem Boden herum und überlegte, wie er das Angebot nun annehmen sollte, ohne wie ein totales Weichei zu wirken, das nicht professionell genug war, seine emotionalen Probleme unter den Job einzuordnen, doch dann kam ihm der Einfall, dass der sadistische Typ, der kein Mitleid mit Noras Tod hatte, ihn liebte und es daher komplett egal war, welche Ausrede er ihm auftischte … Etwas breitete sich in Soutas Magen aus, als er Seraphim in die funkelnden Augen schaute, etwas, das ihn zum Nachdenken brachte und die Entscheidung soviel leichter fallen ließ, ob er ihn wirklich alleine lassen konnte und sich die Meinung seines Gegenübers jemals ändern würde, wenn er vor ihm Schwäche zeigte und er holte tief Luft, ergiff die Hand des Älteren und blinzelte im romantischen Zwielicht des Polizeiarchivs mit dem smaragdfarbenem Auge. „Okay. Du stattest dem Leichenschauhaus einem Besuch ab und ich höre mich in der Stadt nach irgendetwas Auffälligem um … Und esse etwas. Wenn ich noch eine Stunde ohne Nahrung überleben muss, verhungere ich nämlich.“ Man mochte sich nun fragen, ob Soutas pissige Stimmung vielleicht auch daher rührte, dass er uncharakteristisch wenig zu sich genommen hatte, seit sie in Marokkasu angekommen waren, doch jetzt, wo er nicht mehr nur auf blinde Rache aus war und das Warnsignal seines Körpers vernommen hatte, würde er sämtliche geheimen Aktionen sowieso mit seinem Magenknurren gefährden, besser also, wenn er sofort etwas dagegen unternahm! Jedenfalls hatten sie jetzt einen konkreten Plan, also begann Souta die Akten wieder einzuräumen, bis sie platzsparend verpackt waren, nur um sich dann umzudrehen und einen willkürlich gewählten Stapel von irgendeinem Joey auf dem Boden zu verteilen, nur für den Fall, dass jemand hier nach Hinweisen suchte. Anschließend tat er einen kleinen Hüpfer und zog sich mit dem Oberkörper durch das Fenster, wo er nach Passanten und Polizisten Ausschau hielt und hinter dem Busch kaum zu sehen war. „Die Luft ist rein … Kennst du ein Hotel, in dem wir uns wieder treffen könnten...?“

Souta war ein guter Kletterer, so viel sollte gesagt sein. Er konnte an beinahe senkrechten Wänden heraufkraxeln und im Lendenschurz gäbe er sicherlich auch keine schlechte Figur ab. Das hatte damit zu tun, dass er überdurchschnittlich muskulös war und somit sein Körpergewicht ohne weitere Probleme stemmen oder heraufziehen konnte. Die Stütze, die ihn zur Hälfte aus dem nun gitterlosen Fenster hob, war insofern keine Leistung, aber sie hatte den angenehmen Nebeneffekt, dass sie Seraphim, der unbedacht direkt hinter ihm hergegangen war, seine Kehrseite beinahe ins Gesicht drückte. Wenn einem so etwas passierte, machte man im Allgemeinen eine Schritt zurück, eine Bewegung, bei der oft der Kopf zuerst und deutlich heftiger zurück gerissen wurde. Selten wurde eine solche Peinlichkeit zudem kommentiert, weil man besser nicht darüber nachdachte, was man gerade theoretisch alles hätte riechen können. Seraphim bewegte sich keinen Millimeter, sondern ließ den Blick langsam und taxierend über den gespannten Stoff vor sich gleiten. Souta hatte dankenswerterweise eine Vorliebe für relativ enge Hosen, was im Zusammenspiel mit seinem gestählten Körper für durchaus vorteilhaftes Ausfüllen derselben sorgte. Zwar kannte der Dragonslayer dieses Körperteil vielleicht sogar noch etwas besser als alle anderen seines Freundes, aber es jetzt so direkt vors Gesicht gehalten zu bekommen, entlockte ihm zumindest ein Schmunzeln. Vorsichtig strich er mit dem Finger die Naht der Jeans entlang und ratterte in seinem Kopf alles an Hotels herunter, die ihm gerade in den Sinn kamen. Sicherlich kannte er da eine Menge, immerhin war das hier die Hauptstadt Fiores! In dieser fanden des Öfteren Theatervorstellungen und Konzerte statt, sodass Seraphim nicht gerade selten hier war. Zugegeben hatte sich diese Frequenz ein wenig verringert, nachdem er herausgefunden hatte, dass Christophe Loire in dieser Stadt wohnte... "In einer Seitenstraße, die vom Marktplatz abgeht, gibt es ein Hotel namens Blattflechte... da können wir uns treffen, Souta-chan~" Bei der Nennung seines Namens, gab er dem Kettenmagier eine kleine Kletterhilfestellung, die dieser zwar nicht gebraucht hätte, die man aber als klasse Ausrede verwenden konnte, seine Hände ganz und gar nicht unter Kontrolle zu haben. Danach hopste er aus dem Fenster und platzierte das Gitter wieder lose vor diesem, ohne direkt zu wissen, wie viel das wohl helfen würde.

Das Leichenschauhaus der Stadt war ein relativ dezentes, flaches Gebäude, das aller Wahrscheinlichkeit zum Ausgleich einen umso größeren Keller besaß. Es befand sich ein wenig abseits des Krankenhauses, weil die wenigsten Menschen gerne Leichen in ihrer Nähe hatten oder sie schlichtweg dachten, dass das Unglück bringe. Die ganz Krassen besaßen sowieso Pläne für eine Zombieapokalypse und wohnten in anderen Teilen der Stadt. Der Dragonslayer hatte auf dem Hinweg mehr als einmal das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden, weswegen er einen etwas längeren Weg nahm, auf dem man ihm aber deutlich schwerer folgen konnte. Mehr als einmal führte er im Schnelltempo über Dächer besonders großer Gebäude und führte ihn so nach etwa einer Viertelstunde zu dem Gebäude, vor dessen dunkler Schwingtür er nun stand. Sie hatte zwei gläserne Fenster, durch die er einen Empfang sehen konnte, komplett mit Kalender und halb vertrockneten Blumen. Da er jedoch unbesetzt war, stieß er die Tür auf und trat unaufgefordert ein. Ein kurzer Blick auf einen der Fluchtpläne sagte ihm, dass sich zu seiner Rechten ein Treppenhaus befinden sollte, also schlenderte er in diese Richtung davon. Sicherlich war es nicht die feine englische Art, einfach so in ein Gebäude einzudringen, aber hier ging es um Leben und Tod, wenn auch mit einem gewissen Schwerpunkt auf zweitem. Noch bevor er das Treppenhaus jedoch erreichen konnte, kam ihm ein gehetzt wirkender Mann entgegen, der die Stufen mit wehendem Kittel heraufsprang. Allein vom Aussehen her handelte es sich hierbei um einen der angestellten Pathologen, weswegen Seraphim ihm kurzerhand den Weg versperrte und ihn damit zum Stillstand brachte. Ein wenig ärgerlich blickte er zu dem Weißhaarigen auf, der ihm mit unverfrorenem Lächeln in die Augen blickte und mit betont ruhiger Stimme fragte: "Wo befindet sich die Leiche der jungen Polizistin, die heute in einem der Hotels der Stadt ermordet wurde? Ihr Name war Nora." Nicht, dass er erwartete, dass es besonders viele tote Polizistinnen an einem Tag gab, aber auf Nummer sicher konnte man ja schon gehen. "Ach die... die ist schon weiter verlegt worden. Sie wissen ja, bei der Polizei geht das immer schneller...", wurde ihm geantwortet, doch Cyrus war weit davon entfernt, ihm diese Ausrede abzukaufen. Er erkannte, wenn jemand so offensichtlich log und dieser Mann zeigte wirklich einiges an Anzeichen dafür. "Ich bin einer der Sephirot von Blue Pegasus, wir untersuchen diesen Fall. Ich möchte ihre Leiche sehen." Der letzte Satz wurde Wort für Wort und sehr eindrücklich ausgesprochen und er schien zumindest insofern Eindruck zu schinden, dass der Mann mit dem Kittel den Arm in Seraphims Kreuz legte und versuchte, ihn in Richtung Empfang zu schieben. Vergeblich, denn der Drachensohn ließ sich auch von den Worten "Hören Sie, ich mache Ihnen eine Kopie des Berichtes, das ist aber das höchste, was ich tun kann..." nicht beeindrucken. Verarschen konnte er sich nämlich selbst und für alles andere hatte er Souta.
Der Dragonslayer schüttelte den Arm des Arztes ab und wandte sich unter dessen Protest zu den Stufen um, die er mit zwei Sprüngen komplett hinter sich ließ. Irgendetwas konnte hier nicht im Lot sein, das war ihm inzwischen mehr als deutlich klar, erst recht, als der Arzt ihm folgte und er ihn mit einer mehr als groben Bewegung erneut zur Seite stoßen musste. "Mach mich nicht wütend, Mensch...", knurrte er zwischen seinen Zähnen hindurch und schritt den Gang, der sich ihm eröffnete, zielstrebig entlang. Laute Stimmen schwollen an, schienen sich zu streiten. Der scharfe Geruch nach Desinfektionsmittel bis ihm in die Nase und die Haare an seinen Armen stellten sich durch die Kälte auf. Wenn er sich nicht sehr täuschte, so waren es die Stimmen der Polizisten, die er bereits einmal vernommen hatte, die ein monotones Gebrumm darstellten, im Vergleich zu der hohen und eindeutig weiblichen Stimme, die in halber Hysterie schrie: "Ich bringe alles ans Licht!"
Na holla, das nannte man wohl einen Glückstreffer.

Nach einer sowohl wahrheitsgemäßen als auch keineswegs übertriebenen Wertschätzung von Soutas Hintern war es nun an der Zeit, diesen zum nächsten Ziel ihrer Quest zu schwingen und bei der Aufklärung ihres Falles zu helfen, selbst wenn der Rotschopf noch nicht wusste, was die nächsten Minuten oder sogar Stunden für ihn bereithalten würden. Abgesehen von einem dumpfen Gefühl in seiner Magengegend, welches sich von seinem Hunger unterschied und welches er erst nach mehreren hundert Metern als Seraphim-Abwesenheit identifizierte, über dessen bloße Existenz er vermutlich niemals sprechen oder weiter nachdenken würde, kreuzte er auf seinem Weg zwar eine ganze Menge Passanten, aber keine Hindernisse und auch keine augenklappentragenden Mörder, de mit seinem Schwert herumliefen. Daher nahm sich der Kettenmagier die Freiheit, seine Aufmerksamkeit für ein paar Minuten einem Lebensmittelstand zuzuwenden und einen furchtbar ungesunden Hotdog zu erstehen, dessen Röstzwiebeln zwischen seinen Zähnen nur so knarzten, als er fast die Hälfte auf einmal abbiss. Der tadelnde und zugleich erregte Blick, den Seraphim ihn für diese Aktion zugeworfen hätte, konnte er sich mühelos vorstellen, ohne dass der Himmelsmagier zugegen sein musste und Souta fragte sich, ob sein bester Freund wohl konditioniert werden konnte, weil es doch witzig wäre, wenn er jedes Mal lange duschen musste, wenn er ein Eis aß, während er sich etwas Senf aus dem Mundwinkel leckte. Es war ein angenehmer Tag in der Hauptstadt, blauer Himmel, Schäfchenwolken, eigentlich alles, was man sich als Tourist nur wünschen konnte, doch leider war der Rothaarige nicht zum Siteseeing hier, oder jedenfalls nicht für die Wahrzeichen ihrer großartigen Zivilisation. Die Frage war, wo man am besten anfing, wenn man einen höchst professionellen und gefährlichen Verbrecher fangen wollte, der aber irgendwie ein gutes Herz hatte und den Armen zu helfen schien. Was sie nicht wussten … Eigentlich wussten sie so ziemlich gar nichts. Das war eine wundervolle Sache, einfach so gedankenversunken über das Pflaster zu schlendern und trotz dringender Mission nicht die geringste Ahnung davon zu haben, wo einem der Weg hinführen solte und was man genau tat. Souta runzelte die Stirn und wischte sich die Finger an seiner Serviette ab, ehe er diese in einen nahen Mülleimer schmiss und sich an eine Litfasssäule lehnte. Es gab ein paar spielende Kinder hier, Frauen, die offensichtlich am Shoppen waren und von ihm im Vorbeigehen ein Lächeln bekamen, welches sie zum Kichern brachte, dort hinten hatte irgendjemand einen ganzen Stapel Flyer und ein großes Schild mit der Aufschrift „Helft dem Johanna Waisenhaus!“ aufgestellt, an dem die Leute vorbeigingen, ohne dem etwas verzweifelt aussehendem Schwarzhaarigen Beachtung zu schenken, der seine Hemdsärmel aufgekrempelt hatte und eine Jeans trug. Für einen spießigen Namen sah dieser junge Mann, der sicher nur ein paar Jahre älter als er selbst war, gar nicht so übel aus. Nicht, dass sich Souta jetzt plötzlich irgendwie zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlte, aber wenn er schon mit Leuten anfangen wollte, die unbedingt Hilfe brauchten, warum nicht mit denen anfangen, die nicht hässlich waren? Leger schlenderte der Rotschopf zu dem Mann hin und näherte sich ihm dann, während er gerade einer mäßig interessierten älteren Dame einen Flyer in die Hand drückte. Seit wann betrieben Waisenhäuser eigentlich Marketing? „Scheint nicht so gut zu laufen, was?“ Der Blick intelligenter grüner Augen verlagerte sich auf Souta und für einen Moment hatte der Magier das Gefühl, als hätte er den Typen schon einmal gesehen, doch er schüttelte den Eindruck ab und erwiderte das zögerliche Lächeln des Anderen. „Na ja. Die Leute sind interessiert, solange sie nicht spenden müssen. Ich weiß, es klingt klischeehaft, aber wir leben nun einmal von der Unterstützung der Großzügigen. Ich mache nicht gerne Werbung, aber wenn wir nicht einen Riesenhaufen Kohle auftreiben, müssen die Kinder auf die Straße. Und die meisten kommen von dort. Aber entschuldige, ich beschwere mich hier ja vor einem Fremden!“ Irgendetwas an diesem Typen wirkte sympathisch. Vielleicht war es das Funkeln in seinen Augen, das für eine Überzeugung sprach, die er hier verteidigte, vielleicht hatte Souta einfach schnell Mitgefühl mit Bedürftigen, jedenfalls lächelte er etwas breiter und bot dem unbekannten Hilfesuchenden die gebräunte Hand an, die dieser etwas zögerlich ergriff. „Ich bin Souta. Ich kann dir zwar nicht bei deinem Problem helfen, aber du vielleicht bei meinem … Ich bin Magier, und ich suche nach einer Person, die in letzter Zeit sehr spendabel für Bedürftige war. Hat irgendjemand seinen Beutel besonders weit aufgemacht?“
„Würde ich hier stehen und Marktschreierei für kleine Kinder betreiben, wenn das so wäre?“ Das war natürlich ein nicht abzuweisendes Argument, aber man hatte es ja einmal versuchen können … „Wohl nicht. Aber wenn du eine Spende erhälst, die weit über den Durchschnitt liegt oder aus dem Nichts zu kommen scheint, frag am Hotel Blattflechte nach mir, in Ordnung?“ Mit einem entschuldigendem Lächeln schnappte sich Souta einen Flyer vom Stapel und verbrachte die nächsten paar Meter damit über das tragische Schicksal von Waisenkindern zu lesen.

Eigentlich war Seraphim weit entfernt davon, ein Held zu sein oder sich auch nur ansatzweise heldenhaft zu benehmen, aber wenn er im Sinne seiner Quest auch noch eine Frau retten konnte, dann ergriff er diese Chance selbstverständlich mit Freuden. Dabei ging es ihm viel weniger darum, die Dame zu retten, als eher die Aussicht auf eine Belohnung von eben jener. Wenn es sich um eine Ortsansässige handelte, dann würde er damit vielleicht ein weiteres Bett seiner Liste hinzufügen können, sollte er keine Lust auf ein Hotel haben. Natürlich war das nur eine Option, wenn er allein war, denn mit Souta zusammen hatte er auch nichts gegen ein Hotelzimmer, da man das dann ja besonders gut mit Leben füllen konnte. Da man das Fell des Bären allerdings nicht verkaufen sollte, bevor man ihn überhaupt erlegt hatte, trat der Dragonslayer beherzt gegen die Tür, die nach innen aufflog und ihm eine Szene präsentierte, die er bereits erwartet hatte. Dennoch wirkte sie, wenn man sie mit seinem bisherigen Wissen abglich, wie ein Film, immerhin hatte er bisher gedacht, dass die Männer, die in einem eher ungeordneten Halbkreis um eine Frau in ebenfalls weißem Kittel, Polizisten waren. Die Uniformen passten so weit immer noch, die Waffen, die sie gezogen hatten, allerdings eher weniger. Sicherlich fanden sich auch hier noch dieselben, mit denen man die beiden Magier zuvor bedroht hatte, aber auch einige Messer und Säbel waren zu erkennen, Spielzeug in den Augen des Dragonslayers. Obgleich er das Zuhause natürlich nicht allzu laut aussprechen konnte, fand er die Vorstellung höchst albern, dass jemand versuchte, sich mit so etwas zu verteidigen oder ihn gar damit anzugreifen. Sicherlich gab es Menschen, die wahre Koryphäen auf diesem Gebiet waren, aber selbst deren Können verblich hinter dem eines wirklich guten Magiers. Die Köpfe, die sich in einer Bewegung zu ihm umdrehten, stellten ebenso wenig eine Bedrohung für ihn da, zumal die bösen Blicke, die anfangs in ihren Augen zu sehen waren, hier und dort sehr schnell Angst wichen. Offenbar hatte er sich zuvor doch recht klar ausgedrückt, was seine Fähigkeiten und seine leichte Reizbarkeit anging - eine Tatsache, die ihm gerade außerordentlich gut gefiel. Er schien vor unterschwelliger Zufriedenheit ein wenig größer zu werden, sodass er auf den ersten sich lösenden Schuss mit nahezu ausbrechender Freude reagierte. Hätten sie sich jetzt ergeben, hätte er am Ende noch Gnade walten lassen müssen, weil seine Gilde sonst noch in Verruf geriet, aber so hatten sie ihm jede Legitimation, die er brauchte, praktisch auf einem silbernen Tablett geliefert. Er warf sich zur Seite, blieb jedoch Zentimeter über dem Boden auf der Seite schweben und nahm aus dieser Position einen nach dem anderen aufs Korn. Der erste bekam eine gut gezielte Luftkugel zwischen die Augen, zwei weitere wurden gegen die Wand geklatscht... der Dragonslayer hielt erst inne, als der letzte übrig Gebliebene die Frau im Kittel als Geisel schnappte und ihr sein Messer an die Kehle hielt. Cyrus erkannte ihn wieder, denn es war der Mann gewesen, der sie des Mordes an Nora beschuldigt und damit Soutas Nervenzusammenbruch ausgelöst hatte. Oh, das würde ihm vielleicht Spaß machen... "Keinen Schritt weiter oder i-", setzte er an, mit der klaren Intention, mit dem Tod seiner Geisel zu drohen, doch da schwebte der weißhaarige schon direkt vor ihm und schlug ihm eine mit Mana aufgeladene Hand auf den Unterarm. Drei weitere Schläge folgten, ehe er zu Boden ging und Seraphim das Messer aufhob, um es in den Fingern zu wiegen. Kämpfen konnte und wollte er mit dem Ding nicht, aber für andere Dinge eignete es sich dafür umso besser. Seraphim stellte seinen Fuß mit einem leichten, wenn auch zufriedenen Lächeln im Kreuz des Mannes ab, der bäuchlings auf dem Boden lag und wandte sich danach erst einmal der Dame zu. Er musste jedoch feststellen, dass diese immer noch ein wenig panisch blickte, sah sich um und kam zum Schluss, dass das vielleicht daran liegen könnte, dass hier einige Bewusstlose herumlagen. "Warum haben diese Männer Sie belästigt?", fragte er und verlagerte sein Gewicht noch ein wenig auf den unter ihm Liegenden. Mit dem hatte er auch noch was vor, aber das kam erst, wenn er diese Frau hier entlassen konnte, immerhin wollte er sie ja nicht abschrecken. "Ich... ich hab mal zu denen gehört.", kam es schließlich mit schwacher Stimme von ihr, womit sie den Drachensohn sehr schnell dazu brachte, wieder zu ihr zurück zu blicken, was ein noch rascheres "Aber ich bin schon längst aus der Bande raus, ich... ich wollte doch nur ein normales Leben und dann sind die hier plötzlich aufgetaucht und..." Sie wurde von dem am Boden Liegenden unterbrochen, der ein harsches "Halt deine verdammte Schnauze!" schnaufte. Er hätte es wohl auch gebrüllt, wenn Seraphim ihm nicht die Luft abgedrückt hätte. Mit einem beinahe reumütigen Seufzen ließ der Weißhaarige seinen Fuß heruntersausen und wurde mit einem erstickten Stöhnen belohnt, das ihm auf sehr positive Art eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. "Bitte fahr fort." Die Frau zuckte zusammen, als habe er auch sie getreten und nestelte mit ihren Händen herum, ehe sie mit leiser Stimme erzählte: "Und... und dann sind.. sind sie wieder hergekommen und haben mir gedroht. Genau, sie haben mir gedroht, das alles ans Licht kommen zu lassen, wenn ich ihnen nicht helfe, diese tote, fiktive Polizistin aus der Luft zu zaubern und ich..." Eine fiktive Polizistin also? Wie interessant...

Arme Menschen waren ja wirklich zu bemitleiden, aber es war vermutlich die falsche Strategie, offensichtlich Notleidende danach zu fragen, ob sie ungewöhnlich viel Hilfe bekamen und dabei zu verraten, dass man jemanden fassen wollte, der Unglückliche unterstützte … Ja, rückblickend betrachtet machte man sich damit eher unbeliebt, und es wäre gut gewesen, wenn Soutas Hirn ein bisschen schneller gearbeitet hätte, als er es gebraucht hätte. Leider war das Denkorgan des Rotschopfes ein ziemlich eigenwilliger Körperteil und hatte daher nicht die Notwendigkeit gesehen, ihn darüber in Kenntnis zu setzen, was für schlechte Ideen es ausbrütete, und so war der Kettenmagier von einem Straßenkind getreten, einem Bettler beleidigt und von einer Second-Hand Kleidungsverkäuferin ausgeschimpft und geohrfeigt worden, bis er die Strategie schließlich als Fehlschlag abstempelte und sich zerknirscht zum Hotel aufmachte, was ihm Seraphim genannt hatte. Nach diesem Fiasko blieb nur zu hoffen, dass sein Freund mehr Erfolg hatte und Abenteuer erlebte, denn die Spuren, die man Souta anvertraut hatte, führten leider zu nichts. Wie sollte er in einer so großen Stadt mit so vielen Schichten denn auch genau denjenigen finden, der Hilfe von einem unbekanntem Robin Hood erhielt, den die gesamte Polizei von Marokkasu schon seit Wochen ohne Erfolg suchte? Wenn es so einfach wäre, hätte man schließlich keine Gildenmagier ihres Formats angeheuert … Dennoch hasste er es, wenn seine Bemühungen keine Früchte trugen. Das Zimmer, welches er buchte, nachdem er hier als Erster aufschlug – und er war unglaublich stolz, dass er sowohl ein Doppelzimmer als auch ihre beiden männlichen Namen in einem Satz erwähnen konnte, ohne einen Nervenzusammenbruch zu erleiden – war ganz am Ende des ersten Stocks und der Rotschopf spürte den leicht amüsierten Blick der Rezeptionistin im Rücken, die entweder ob der Regel, dass alle hübschen Männer schwul waren überlegte, oder aber einfach seinen Hintern bewunderte, für dessen Verehrung nicht einmal dreihundertsechzig poetische Worte ausreichen konnten. Dass Seraphim noch nicht da war wirkte auf den Kettenmagier zugleich besorgniserregend und hoffnungsvoll, denn entweder er hatte etwas gefunden, dem er nun nachging, oder er würde nie wieder zurückkehren, weshalb er ihn auch suchen würde, sollte er sich allzu viel Zeit lassen. Zunächst hatte Souta jedoch vor, eine Weile im Selbstmitleid zu versinken und warf sich auf das immerhin wundervoll bequeme Bett, um die Decke anzustarren und über den Sinn des Lebens nachzudenken, der ihn mit so grausamem Versagen strafte. Ihre Unterkunft war ganz ansehlich ausgestattet, jetzt wo er so darüber nachdachte … Eine Kommode statt einem Schrank, ein flauschiges Bett, ein Badezimmer, aus dem es nach Zitronenputzmittel durftete und ein großes Fenster, welches das Licht des Tages hereinließ. Auf jeden Fall war dieser Unterschlupf besser als ein verstaubtes Aktenarchiv … Obwohl es sicherlich lustig gewesen wäre, der örtlichen Polizei auf der Nase herumzutanzen, indem sie …
Jemand klopfte an die Tür. Wieso klopfte Seraphim an die Tür? Hatte der verlernt, einen Schlüssel zu benutzen oder ... Souta war versucht, sich auf die Seite zu drehen und ihn anzuschreien, warum er nicht einfach hereinkam, doch er besann sich eines Besseren, immerhin könnte ja auch Gefahr lauern, auf die man jederzeit vorbereitet sein musste, walzte sich von der Matratze und durchquerte den Raum. Als er die Tür aufmachte, registrierte Souta im ersten Moment, dass es sich nicht um einen weißhaarigen Violettäugigen handelte, sondern um den gerade getroffenen Waisenhausfutzi, der ihm so positiv aufgefallen war, aber er hatte gar nicht lange Zeit, um sich eine Begrüßung auszudenken und zu fragen, wie er so schnell einen Hinweis erhalten hatte, als eine Art Drahtseil in seine Richtung gestoßen wurde und er zur Seite auswich. Er knallte mit seiner Hüfte gegen die Kommode und grummelte vor Schmerz, während der Schwarzhaarige mit einer Mischung aus Bedauern und Entschlossenheit im Blick hinterherstürzte und ihm doch tatsächlich ei und buchstäblich an den Kragen wollte … Leider hatte sich dieser wildgewordene Patrone die falsche Person ausgesucht, die er erwürgen wollte, denn Souta ließ den Typen an sich vorbeiwirbeln und knallte ihm die Faust in die Seite, was ihn erschütterte, da er eigentlich auf den Magen gezielt hatte. Ehe er sich versah, hatte er plötzlich einen Fuß hinter dem Knöchel und wurde fast zu Boden befördert, während er so perplex war, dass eine andere Person ihn gerade gekontert hatte, dass er kaum reagieren konnte. Er brauchte eine Sekunde, um zu realisieren, dass sich der Schwarzhaarige plötzlich hinter ihm befand und ihm das Seil um den Hals legen wollte, doch kaum hatte er das begriffen, hämmerte er seinen Ellenbogen zurück und warf den Typen mit einem Arschtritt aufs Bett. Der erstaunlich agile Attentäter japste überrascht nach Luft, aber diesmal ließ sich Souta nicht bitten und kletterte hinterher, um ihm ins Gesicht zu schlagen, seine Handgelenke zu packen und die Schlinge darum und anschließend um den Bettpfosten zu binden. Der sich windende Mann unter ihm hatte keineswegs vor, seine Niederlage einzugestehen und strampelte um sich, also war er gezwungen, sich auf seine Oberschenkel zu setzen. Für einen langen Moment blickten sich drei grüne Augen und zwei keuchende Männer mit offensichtlicher Verwirrung an, dann brach sein gerade gefesselter Mörder das Schweigen und grinste. „Fesselst du alle an dein Bett, die versuchen, dich zu ermorden?“ Wenn man nicht wusste, dass der Typ mit der leicht geröteten Lippe und den verwuschelten Haaren sowie den an allen Ecken herausgerutschtem Hemd und der nicht weniger mitgenommene Kettenmagier gerade um Leben und Tod gekämpft hatten, hätte bei diesem Anblick sicherlich lauthals gelacht … Auch Souta fand es irgendwie ganz anregend. „Nur, wenn sie schon ihr Seil mitbringen. Was genau sollte das?“
Der Dunkelhaarige grinste breiter und hörte auf, sich in den Fesseln zu winden, wodurch diese Situation allerdings kaum angenehmer wurde. „Na ja … Ich dachte mir, dass ich dich teste, ich meine … Ich bin in letzter Zeit ein begehrter Mann und habe Grund zur Annahme, dass du hier bist, um mich zu fassen … Und nicht um mir zu helfen. Obwohl ich Letzteres bevorzugen würde.“ Was … Nach all ihren Eskapaden hatte Jones IHN gefunden? Großartig. Das nächste Mal suchte er sich einfach den erstbesten attraktiven Mann und verriet ihm seine Adresse, dann kamen sie schneller an ihre Jewel und alle waren glücklich. Moment, hatte er Jones gerade als attraktiv bezeichnet?! „Du hast Nora ermordet … Wieso sollte ich dir helfen?“ Der gerechte Zorn der peinlichen Gedanken und verlorenen Freunde entlud sich auf die wehrlose Person unter ihm und der Kettenmagier rutschte leicht, damit er dem Mistkerl für seine Dreistigkeit ins Gesicht schlagen konnte, doch Jones nutzte die Gelegenheit, um die Beine in einer ruckartigen und erstaunlich kräftigen Bewegung nach oben zu schlagen, welche Souta aus dem Gleichgewicht brachte und etwas würdeloser als geplant mit der Nase voran auf dem Bauch des Typen landen ließ. „Ich habe Nora nicht ermordet! Ich würde ihr nie etwas tun. Verdammt, ich wollte dich nur testen und DIR helfen, aber du musstest mir ja die Hände zusammenbinden … Wo du schon da unten bist, greif in meine linke Hosentasche und hol den Zettel da raus, der drinsteckt ...“ Natürlich, Souta hatte nichts Angenehmeres zu tun, als sich auf die wild zuckenden Schienbeine eines ärgerlichen Schwerverbrechers zu setzen und an an seiner Hose herumzufummeln, während dieser scheinbar ständig versuchte, ihn von sich herunterzubekommen und er dabei mehr durchgeschüttelt wurde als auf einem Karrussel. Klar. Wer hatte schon etwas dagegen, mit dem Gesicht im Schritt irgendeines Typen zu landen?!
"Was treibst du da? Willst du es jetzt in den Mund nehmen?!"

Es war wirklich faszinierend, was für Geschichten die Realität für einen bereit hielt, denn unter dem Deckmantel einer gut organisierten Stadt mit funktionierendem Polizeisystem schien es in diesem Falle so etwas wie eine ziemlich kompromisslos funktionierende Gang zu geben, die nicht davor zurück schreckte, Aussteiger auszuschalten. Das kam eben davon, war sich Seraphim sicher, dass die Hauptstadt Fiores keine ansässige Magiergilde hatte, denn eine solche war ein gutes Mittel, um derartige Aktivitäten zu unterdrücken. In der heutigen Zeit war es allerdings natürlich schwer, eine neue zu gründen, weil die Konkurrenz der der größten Gilden sehr schwer auf dem Anfänger lasten würde. Außerdem war es vielleicht nicht schlecht, wenn die Stadt, in der die Regierung saß, weitestgehend unabhängig blieb... jedenfalls gab es noch einige Details, die der Drachensohn gerne wissen wollte und die man ihm nicht mehr allzu lange vorenthalten würde. "Du hast also zu diesen Leuten gehört, ja? Nora auch?", fragte er, nicht ohne eine gewisse Genugtuung in der Stimme. Am liebsten wäre es ihm ja nun, wenn sie erklärte, dass Nora nicht einmal existierte, aber wenn doch, dann wäre sie ihm schwer kriminell sehr recht, denn das würde Souta mit etwas Glück von ihr abschrecken. Er wurde immerhin nicht gerne belogen und auch wenn er das in seinem Falle geschluckt hatte, musste das ja noch lange nicht heißen, dass er das für eine vollkommen Fremde tat.
Die Frau vor ihm biss sich auf die Unterlippe und wich seinem Blick aus, umklammerte ihren Oberarm und schien all ihren Mut zusammen zu sammeln, ehe sie verkündete: "Nora gehörte ebenfalls dazu, aber auch sie ist mit ihrer Familie ausgestiegen." Cyrus runzelte die Stirn, während er sich fragte, inwiefern diese doch sehr einfache Antwort diese Vorbereitungszeit gebraucht hatte und hakte mit einem "Sonst noch was?" nach, in der Erwartung, dass sie immer noch mit etwas hinter dem Busch hielt. Wie sich herausstellte, hatte er zumindest zum Teil recht, denn sie scharrt nervös mit den Füßen und rückte erst mit deutlicher Verzögerung mit ihrem wahren Anliegen heraus: "Ich... habe noch mehr Informationen, die euch sicherlich behilflich sein könnten..." *Interessant...* "...aber die gebe ich dir nur, wenn du mich in Sicherheit bringst und mir Schutz gewährleistest!" *Ach echt?* Es war nicht besonders klug, Seraphim zu erpressen zu versuchen, weil dieser nämlich etwas dagegen hatte, wenn andere die Oberhand über ihn hatten. Sicherlich waren Informationen eine gute Gegenleistung, aber auf diese Art würde er einen solchen Deal nicht abschließen. Der Weißhaarige rutschte mit seinem Fuß ein wenig höher auf dem Rücken des Bärtigen unter ihm und drückte seine Ferse mit unnachgiebiger Kraft in dessen Nacken. Das Wimmern, welches vollständig unmännlich aus seiner Kehle kam, war wohl Ausdruck seiner vollständig rechtmäßigen Vermutung, dass der Weißhaarige ihm ohne großes Federlesen das Genick brechen würde, wenn es sich anbot. Seraphims Lächeln wirkte aufgrund der beinahe geschlossenen Augen beinahe bedrohlich, als er mit zuckertriefend freundlicher Stimme verkündete: "Ich glaube, dass wir das andersherum machen, Süße. Du erzählst mir jetzt alles, was du weißt und danach entscheide ich, ob es sich lohnt, dich in Sicherheit zu bringen... und nicht anders." Die Kittelträgerin blickte ihn einen Moment wie aus allen Wolken gefallen an und er konnte beinahe sehen, wie sich Worte auf ihren Lippen sammelten, die sie in weiser Voraussicht jedoch herunter schluckte, bevor sie sich fahrig durch die Haare strich und mit zittriger Stimme erklärte: "Nora hatte sich mit ihrer Familie versteckt. I-Ich weiß nicht, wie sie davon Wind bekommen haben, aber bestimmt haben sie sie schon entführt oder ermordet und wollten nun ihre Spuren verwischen. Sie sagten, dass sie mir damit noch eine Chance geben würden, mich wieder in ihre Reihen einzufinden, denn ansonsten würden sie auch mich töten und... und... ich habe wichtige Informationen, a-aber nur, wenn du mich an einen sicheren Ort bringst!" Bei den letzten Worten ballte sie entschlossen die Hände zu Fäusten, was sie auf eine sicherlich nicht beabsichtigte Art unheimlich niedlich erscheinen ließ. Der Dragonslayer seufzte, ließ seinen Blick kurz abschätzig über ihren Körper wandert und wiederholte das Geräusch danach. "Na gut. Aber zuerst muss ich mich noch um unseren Freund hier kümmern..."

Ein wenig zerknirscht kam der Weißhaarige schließlich mit einer minimal verstörten Begleitung am Hotel Blattflechte an. Er hatte nichts aus dem Anführer der kleinen Gruppe herausbekommen können, sodass er immer noch auf demselben Informationsstand wie zuvor war, mit dem Bonus vielleicht, dass die Frau nun nichtmehr so aufmüpfig wie vorher war. Da sie in dieser Stadt ansonsten keine Basis hatten, war es die einzige Möglichkeit gewesen, sie mit in ihr Hotelzimmer zu nehmen, wogegen er an sich eigentlich auch wenig hatte... an der Rezeption angekommen erfuhr er, dass Souta vor kurzem ein Doppelzimmer bezogen hatte (Bei dieser Information musste er verlegen grinsen, weil er bereits zwei Betten erwartet hatte, immerhin war das einfacher zu sagen...) und bekam den zweiten Schlüssel ausgehändigt. Mit der Frau, die sich inzwischen als Natalia identifiziert hatte, im Schlepptau, nahm er die Treppen und stand schließlich vor dem Zimmer, aus dem just in diesem Moment ein lautes "Willst du es jetzt in den Mund nehmen?" einer Stimme kam, die ihm nicht bekannt war. Er runzelte die Stirn und hatte die Tür in einem solchen Tempo aufgeschlossen, dass man fast meinen könnte, Souta und er hätten spontan die Plätze getauscht. Besagter junger Mann spielte in der Szene, die sich ihm bot, übrigens eine sehr interessante Rolle. Da lagen zwei Männer auf einem durchaus einladend wirkenden Bett. Der eine war augenscheinlich mit einem Draht an die Bettpfosten gefesselt, der Kopf des zweiten wurde von zwei zuschnappenden Beinen in eine Position gedrückt, die ihn die Stirn runzeln ließ. Ganz davon abgesehen, dass er bei dem Anblick ein bisschen neidisch wurde, empfand er ihn aber als durchaus einladend. Der Weißhaarige lehnte sich in die Tür (Natalia erhaschte über seine Schulter einen Blick ins Zimmer und drehte mit rotem Gesicht ab) und meinte mit lauter, ein wenig schnarrender Stimme: "Ich hoffe, dass du übst, Souta-chan~", ehe er sich ins Zimmer aufmachte und die Frau hinter sich herwinkte. "Ich hoffe doch, dass ich bei eurem kleine Zusammentreffen mitmachen kann... man weihe mich ein."

Was war das Dämlichste, was Souta in einer Situation wie der Jetzigen passieren konnte? Es hätte wohl eine Vielfalt von Möglichkeiten gegeben, die ihn emotional zerschmettert hätten, aber nichts in Fiore schaffte es so schnell, den Kettenmagier so zu erschrecken, wie eine wohlbekannte Stimme, die hinter seinem Rücken erklang und ihn genausogut mit einem angespitztem Baumstamm in den Hintern hätte pieksen können. Innerhalb der Zeitspanne einer halben Nanosekunde oder sogar noch schneller rollte sich der Rotschopf, dessen Kopf man nicht mehr von seinen Haaren unterscheiden konnte vom Bett und zupfte die Fesseln des Schwarzhaarigen mit einer Beiläufigkeit vom Pfosten, dass man meinen könnte, er wäre nur an einen Bindfaden gefesselt gewesen. Während Jones sich dem Rest der Restriktionen entledigte und irgendwie ziemlich bescheuert grinste, umklammerte Souta das Blatt Papier in seiner Hand wie ein Strohhalm der Rettung und vermied es, den Weißhaarigen anzusehen. „Ah … Seraphim!“, meinte er trotzdem und zwang sich schließlich doch, dem Blick der violetten Augen standzuhalten, obwohl das wirklich alles andere als einfach war und er gerade am liebsten im Boden oder unter dem Bett verschwinden würde. „Das ist … Wir haben ...“ Er drehte sich zu Jones um, der die ganze Szene mit unverhohlenem Amusement betrachtete und näher gekommen war, als er eigentlich musste, um das Schauspiel zu überblicken. „Ich habe Jo--“ Natürlich war es eine ausgezeichnete Idee, zu verkünden, dass man die Quest ganz alleine beendet hatte, doch leider kam Souta nicht dazu, den Namen des Dunkelhaarigen zu verraten, weil dieser nämlich urplötzlich eine Drehung zur Seite gemacht hatte und ihm die rauen Lippen auf den Mund drückte, die den Kettenmagier zur absoluten Stase brachten. In einem Moment regte er sich darüber auf, wie dieser Volltrottel nur auf die Idee kam, dass der einzige Weg, ihn zum Schweigen zu bringen darin bestand, dass er ihn küsste, im nächsten fragte sich Souta, warum in aller Welt er nicht ausgewichen war, wo das für ihn doch eigentlich eine Kleinigkeit sein sollte. Jones roch nach Rasierwasser und Schweiß, wobei Letzteres vermutlich an ihrer anstrengenden Kampfeinlage gelegen hatte und berührte die Haare hinter seinem Ohr sowie seine Hand, doch kaum hatte der für seinen Geschmack etwas zu innige Kuss begonnen, war er auch schon vorbei und Souta starrte den jungen Mann an, als hätte er ihm gerade bei lebendigem Leibe den Darm aus den Körper gerissen. „Bevor man mich hier noch weiter in Ungnade stürzt, würde ich mich immerhin selbst vorstellen.“ Jones Stimme schien durch den Raum zu hallen, aber vielleicht war das auch nur das Blut in den Ohren des Kettenmagiers, der auf Seraphim zuschlenderte und sich wie vom Blitz getroffen neben ihm an die Wand lehnte. Sein Daumen strich verstohlen über seine Unterlippe und er versuchte das mulmige Gefühl in seinem Magen zu verdrängen, kam aber nicht weit, weil Jones den Zettel in der Hand hielt, über den er doch so gewacht hatte … Verdammt. „Ich bin Jones … Oder jedenfalls ein Teil davon. Mein Name ist Sam Jones … Ich leite zusammen mit meiner Schwester Nora ein Waisenhaus in dieser Stadt und es scheint ganz so, als habe Natalia uns verraten.“ Der grünäugige Blick von Sam fixierte sich plötzlich auf die blonde Pathologin und verlor sämtliche freundliche Atmosphäre. Er starrte die junge Frau so hasserfüllt an, dass Soutas Nacken kribbelte, doch er ignorierte das und konzentrierte sich stattdessen auf die Reaktion der hübschen weiblichen Begleitung Seraphims … Was … Seit wann hatte er eine Frau dabei … Wie hatte er … „Nein, ich habe nichts gesagt! Sie haben euch gefunden. Ich habe euch doch gesagt, dass wir der Bande nicht entkommen können!“ „Hör auf deinen unschuldigen Mist zu labern, Natalia. Als du alte und behinderte Leute überfallen hast, weil sie leichte Ziele waren, hat sich die ganze Sache nicht gestört. Du widerst mich an. Was hast du ihnen gegen deinen Schutz versprochen, du kleine Schleimerin? Wolltest du mich ausliefern?“ Der Persönlichkeitsumschwung war erschreckend, zumal Natalia irgendwie nur noch zwei Zentimeter zu messen schien und deutlich zu nervös war, als dass man ihr etwaige Ausreden abkaufen hätte können. „Wir versuchen alle nur zu überleben!“, meinte sie schließlich mit zittriger Stimme, worauf ihr Jones jedoch nur ein abfälliges Schnauben schenkte. „Natürlich tun wir das. Ändert nichts daran, dass diese Schweine meine kleine Schwester entführt haben … Ihr beiden!“ Er würdigte die Blonde keines Blickes mehr und wandte sich stattdessen den Magiern zu. „Ich leugne nicht, dass ihr den Richtigen habt. Wahrscheinlich könnt ihr mich sofort festnehmen, aber ihr habt die Wahl ob ihr mit einem Verbrecher abhauen wollt, der ein paar reiche Leute erleichtert hat, oder eine ganze kriminelle Organisation auseinanderzuschlagen, über die ich Kenntnisse besitze.“ Er hatte sich ihnen genähert und streckte die Hand nach Souta aus, doch diesmal packte dieser sein Handgelenk und drückte es ihm auf den Rücken, was vielleicht etwas zu extrem war, aber man wollte hier ja keinen noch schlechteren Eindruck machen. Leider war Sam schon wieder dabei, ihn irgendwie auszuhebeln, indem er ihn als schwererer Mann einfach mit sich zu Boden reißen wollte und da der Kettenmagier keine Lust hatte, schon wieder auf ihm herumzukugeln, ließ er ihn miesepetrig wieder los und brummte: „Deine kleine Schwester?“ „Ja, ich wette, dass du sie kennen gelernt hast, sie sollte euch nämlich abfangen und euch im Auge behalten. Offensichtlich hat das aber nicht geklappt, weil irgendjemand eine Gang auf uns gehetzt hat! Was sagt ihr … Wenn ich euch die Informationen gebe, die ihr braucht, rettet ihr dann meine Schwester?“

Sam Jones hieß also der Mann, hinter dem sie her waren und er stand soeben wenige Meter von Seraphim entfernt. Es wäre nicht besonders schwer, ihm einen Zauber auf den Hals zu hetzen, der das halbe Zimmer in Schutt und Asche legte und ihren Fang zu Fall brachte und je mehr Worte der Schwarzhaarige loswurde, umso attraktiver erschien Seraphim diese Idee. Das Problem war nämlich, dass Sam seinen Plan darauf aufbaute, dass er es hier mit moralisch korrekten Männern zu tun hatte, denen ihr Gewissen verbat, etwas anderes zu tun, als seine Schwester zu retten. Bei der handelte es sich ganz offenbar um Nora, so viel hatte Seraphim inzwischen begriffen und diese war auch keinesfalls ein Mitglied der Polizei. Na gut, vielleicht hätten Souta und er sie dazu bringen sollen, sich auszuweisen, noch einmal würde ihnen das sicherlich nicht passieren. Vielleicht hätte Seraphim sich auch bereit erklärt, um des lieben Friedens willen nun einen auf Retter der Armen und Wehrlosen zu machen, aber nicht nur hatte sein Freund ungesund viel Interesse an Nora gezeigt, diese Bitte kam auch von einem Mann, den er soeben nicht nur in interessanter Stellung mit eben jenem erwischt hatte - er hatte es auch fertig gebracht, ihn zu küssen. Das waren nicht unbedingt die besten Voraussetzungen, wenn man den Dragonslayer auf seiner Seite haben wollte, nicht wahr? "Noch einmal von vorne~", summte er daher also mit einem immer breiter werdenden Lächeln auf den Lippen, "Du kommst hier her, knutscht meinen Freund ab und meinst, dass ich dir zum Dank dafür dabei helfe, deine tollpatschige Schwester zu retten? Mit dem Resultat, dass ich diese Quest als gescheitert abstempeln muss, weil mein Auftrag ist, dich zu fassen und nicht irgendwelche anderen Diebe...?" Es mochte hart klingen, aber im Grunde genommen hatte Seraphim durchaus Recht damit. Man hatte ihnen die Aufgabe gestellt, den Verbrecher Jones zu fangen, von anderen herumstreunenden Diebesbanden hatte kein Wort darin gestanden und somit wäre ihre Aufgabe nicht in einem Ausmaß erfüllt, das er als angemessen betrachten würde. Am Ende bezahlte man ihnen kein Geld dafür, dann hatte weder er etwas noch davon, noch Souta, noch Blue Pegasus selbst und auf Gewissensbisse seinerseits konnte man beim besten Willen nicht hoffen. Seraphim, der inzwischen grinste, lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme, ehe er den Eindringling abschätzend musterte. "Kleiner Sam, der einzige, der hier unter einem schlechten Gewissen leiden wirst, bist du... vielleicht helfen wir Nora, wenn du dich freiwillig in Haft begibst, denn ohne dich eingebuchtet zu haben, werden wir diese Stadt nicht verlassen." Ihm war bewusst, dass er hier teilweise den offensichtlichen Standpunkt seines Freundes missachtete, aber er würde sich keine so hochrangige Quest vom albernen Moralkodex eines Menschen ruinieren lassen, nur weil der jeder Maid in Nöten helfen würde, ob das nun klug war oder eher nicht. Wenn man aber bedachte, dass sein erster Reflex gewesen war, Sam sofort ohnmächtig zu prügeln und ihn gegen eine stattliche Belohnung abzugeben, war sein Vorschlag doch noch wirklich human, oder? Der Dieb hatte es sich immerhin schon auf den ersten paar Metern eines möglichen gemeinsamen Wegs mit ihm verscherzt, da mochte er noch so gut aussehen. Vielleicht spielte diese Tatsache sogar noch negativ hinein, denn obgleich er natürlich wusste, dass Souta sowieso nichts an Männern fand, machte es das irgendwie schlimmer, als wenn er hässlich wie die Nacht gewesen wäre.

Jaah … Souta fand nichts an Männern, das war ein Fakt, aus dem viele andere Dinge entsprangen. Als generell sehr selbstbewusster Mensch, der auch noch aus Prinzip auf die Meinung seiner Mitmenschen pfiff, wäre er sicherlich nicht so verschämt im Umgang mit Seraphim, wäre nicht so sehr ausgeflippt, als dieser ihm seine Liebe gestand – obwohl, vielleicht, ein bisschen – und würde sich im Allgemeinen nicht verstecken, sondern offen und locker mit seiner Beziehung umgehen, sollte er nun auf einmal sein Interesse am gleichen Geschlecht entdecken. Da er aber nichts an Männern fand, wollte er sich diesen Schuh auch nicht von anderen anziehen lassen und verbot seinem Freund daher, ihn in der Öffentlichkeit zu küssen, seine Hand zu halten und eben all jene Dinge zu tun, von denen eine winzige Gefahr ausging, dass man ihn für schwul halten könnte. Eine außerordentlich legitime Theorie, dass man als heterosexueller Mann romantische Avancen von anders gepolten Männern ablehnte und sich eben seiner persönlichen Präferenz nach handelte … Gäbe es da nicht diesen kleinen, bescheidenen Himmelsmagier, der gegen sein schönes Strohhaus mit ganz vielen geraden, einfachen und biologisch natürlichen Stängeln pustete und pustete … Jeder Mensch auf der Welt kannte den Spruch „Wo die Liebe hinfällt“ und man sollte ja auch soetwas wie platonische Romantik empfinden können, also, Liebe, ohne sich gleich mit jemanden nackt herumwälzen zu wollen, deshalb gab es ja auch asexuelle Leute mit Lebenspartnern und das war ja auch in keinster Weise irgendein Problem. Leider liebte Souta Seraphim aber nicht auf diese Art, jedenfalls nicht nur, und das wiederum war nicht allzu unkompliziert, da es diese Erklärung irgendwie auch negierte. Um die ganze Sache zu verkürzen: Souta stand nicht auf Männer. Niemals. Er schlief mit einem Mann, er küsste einen Mann, er datete einen Mann und gerade hatte er Probleme sich nichts Konkretes mit einem Mann vorzustellen, den er nicht einmal persönlich kannte, aber er stand nicht auf Männer. Okay?
Sam Jones war vermutlich ein Illusionsmagier und ein gewiefter noch dazu, denn eine andere Erklärung gab es für sein Verhalten und Soutas Reaktion nicht. Durfte es nicht geben. Wahrscheinlich hatte Jones ihn vergiftet, denn ihm war seltsam warm, seine Knie fühlten sich ein bisschen wie Pudding an und sein Herz schlug viel zu schnell, als dass es in irgendeiner Weise natürlich oder gesund genannt werden konnte. Mit Sicherheit war er auch irgendwie angeschwollen, da seine Hose ihm fast schon teuflisch eng vorkam und er den dicken und vor allem engen und damit restriktivem Stoff seiner Jeans zugleich verfluchte und verehrte. Dieses Reaktionsgemisch war nicht erwünscht und hatte sicherlich nur damit zu tun, dass er gerade auf diesem Kerl herumgerollt war, ihn aus Versehen an ein Bett gefesselt hatte und Sam aus irgendeinem Grund zumindest ansatzweise im Nahkampf mit ihm mithalten konnte. Und er hatte ihn geküsst. Münder waren ja nur anders geformt, aber rein vom Aufbau her im Geschlecht nicht verschieden, und es war ein guter Kuss gewesen, niemand konnte ihm vorwerfen, dass er … Souta blinzelte ein paar Mal und leckte sich über die trockenen Lippen, ehe er das Auge verengte und sich auf die Anwesenheit der Sprechenden und ihr Thema konzentrierte. Sam Jones besaß eine kleine Schwester, die allem Anschein nach zumindest unschuldiger als er war, sich aber momentan in der Hand von Entführern befand, die so wie sich das anhörte ziemlich skrupellos waren. Seraphim antwortete darauf mit eiskalter Logik, nannte ihn seinen Freund und sprach das aus, wofür auch Souta stimmte, wenngleich er diese Sache durch etwas moralischere Gläser sah. Es war klar, dass Jones seine Schwester liebte und nicht wollte, dass ihr etwas geschah, also war er auf sie angewiesen. Es sah vielleicht so aus, als würde er ihnen ein Angebot machen, doch wenn jemand auf verlorenem Posten stand, dann war das ja wohl eindeutig ihr schwarzhaariger Gesprächspartner, der sich eine verirrte Strähne aus der Stirn strich und dem die Sonne von der Zimmerseite so anstrahlte, dass seine Augen wie Smaragde leuchteten … Eh. Sam Jones. Souta war gerade nicht in der Lage seinen Standpunkt auch verbal zu vertreten und nickte daher nur auf die Aussage des Weißhaarigen, der ja mit allem Recht hatte. Stehlen war falsch, selbst wenn Sam ehrliche Ziele verfolgt hatte, also mussten sie ihn ausliefern, doch danach konnten sie natürlich seine Schwester retten und anscheinend auch ein ganzes Waisenhaus, was sich nicht nur toll anfühlen würde, sondern auch mächtig Prestige für Blue Pegasus war, nicht wahr? Ganz abgesehen davon würde Souta Nora natürlich retten, aber er tat das sicherlich nicht nur, weil dieser Kerl ihn darum bat … Damit war das ja geklärt. „Ich … In Ordnung. Wieso nicht. Ihr bringt mich zur Polizei und ich erzähle euch alles, was ich weiß. Ich bitte euch nur darum, meine Schwester zu retten … Was mit mir geschieht, ist mir egal!“ Das klang etwas zu voreilig, doch sobald sie ihn einmal in die Obhut der Polizisten gegeben hatten, konnte es ihnen ja egal sein, was passierte. Wahrscheinlich war eine recht stümperhafte Polizeiwacht und die darin befindlichen Gitterstäbe keine große Herausforderung für jemanden, der ohne auch nur die geringsten nicht absichtlichen Spuren zu hinterlassen bei den reichsten Familien von Marokkasu eingebrochen war … Aber wen interessierte das schon? „O-okay.“ Sehr unauffällig. „Bevor wir aufbrechen … muss ich … ins Bad!“ Mit schnellen Schritten, einer Hand auf dem Bauch und einem der Tarnung angemessen gequältem Gesichtsausdruck durchquerte er das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Was mit Natalia war, konnten sie ja noch ausdiskutieren, auch wenn er gerade nicht an scharfe Blondinen denken sollte, nein, wirklich … Souta drehte den Wasserhahn mit der Wucht einer Kanonenkugel gleichzeitig auf eiskalt und reißender Bach und betrachtete das Häufchen im Spiegel. Was sollte er nur tun … Sam Jones war ein im Nahkampf ausgebildeter, cleverer und schlagfertiger Bursche, der schön aussah, sich nicht gerade untrainiert anfühlte, ziemlich gut küssen konnte, alles dafür tun würde seine kleine Schwester zu retten und ein Waisenhaus führte, zusammen mit einer spannenden und düsteren Vergangenheit, die sie in ein Abenteuer stürzen würde … Ihm fehlten die Brüste, aber … Wenn Souta einen Typ hatte, dann hatte man gerade mit einem Telefonmast auf die Zielscheibe geschossen und das war nicht nur unangenehm ungewohnt, sondern auch dezent nervtötend und hatte Potenzial, ihn in eine Krise zu stürzen, wäre er nicht gerade damit beschäftigt, diese zu vermeiden.

Vielleicht hätte Soutas Versteckspiel sogar funktioniert, hätte sich der Dragonslayer nicht schon öfter mit derselben Masche aus ähnlichen Situationen geflüchtet. Man erinnere sich nur daran, wie er in die Küche geflüchtet war, nachdem ein leicht essensnarkotisierter Souta ihm zu nahe gekommen war. Auch erwähnenswert wäre eine für ihn äußerst wenig zufrieden stellende Situation auf einem Kreuzfahrtschiff, die darin gipfelte, dass er sich auch einfach mal so in ein Badezimmer hatte verziehen müssen. Es war also nicht verwunderlich, dass Seraphims Gesichtsfarbe bei Soutas Satz noch ein wenig blasser wurde, so als wäre nicht dem Rothaarigen, sondern ihm selbst schlecht. Vielleicht traf das auch zu, denn ein eigenwilliges Gefühl begann sich hinter seinem Nabel auszubreiten, das ihn einen Moment lang schwindelig machte und ihn dazu brachte, sich wie ein gebrechlicher Opa an der Wand abzustützen. Seraphim hatte sich lange Zeit immer vorhalten müssen, dass sein Freund nichts mit Männern anfangen konnte und nur sein überdimensionales Ego hatte den dadurch entstandenen Stich abfedern können und nun hatte der Rothaarige nach kurzem Feindkontakt solche Probleme? Das ging ihm nun aber wirklich zu tief, immerhin hatte er sich wohl deutlich mehr und deutlich länger Mühe geben müssen, als dieser Jones... der mit dieser Aktion in seiner Achtung gleich noch ein wenig tiefer gesunken war. Vielleicht sollte er seine Schwester nicht retten, sondern eher töten, wenn er sie fand, das ganze irgendwie aufnehmen und dem Schwarzhaarigen schicken, damit er sich richtig schlecht fühlte. Vielleicht würde auch ein vollständig außer Plan geratener Wirbelsturm ein gewisses Waisenhaus zerstören und ganz viele arme kleine Kinder obdachlos machen. Warum eigentlich nicht beides, ehe er sich den Schwarzhaarigen vorknöpfte und ihm genüsslich seine albern grünen Augen aus den Höhlen... brr. All das spielte sich in diesem Moment im Kopf unter den weißen Haaren ab, gleichzeitig und noch eine Nummer blutiger, doch abzüglich zuckender Finger tat er noch nichts. Er wusste durchaus, dass er alles gefährden würde, wenn er jetzt ausrastete und so beherrschte er sich, auch wenn es ziemliche Anstrengung erforderte. Es wäre ganz davon abgesehen auch höchst albern gewesen, wenn er ein Blutbad anrichtete, nur weil sein Freund aufs Klo ging, dafür war er sich dann doch noch zu fein.
"Ich hoffe, du hast mich richtig verstanden, Jones." Seraphims Stimme war ruhig, aber das gefährliche Funkeln in seinen Augen war ohne Zweifel dieses Mal nicht nur zu erahnen. Er blickte in grüne Augen und fuhr fort: "Füge Souta irgendeinen Schaden zu oder verirre deine Pfoten noch einmal in seine Richtung und ich werde dir alles nehmen, was dir lieb ist." Sam Jones zeigte sich allerdings relativ wenig beeindruckt von der Drohung, hoch die Hände leicht und meinte mit einem leichten Grinsen: "Reg dich ab, das war doch nur ein kleiner Spaß." Der Dragonslayer hatte wirklich nicht das Gefühl, dass der Dieb ihn ernst genug nahm, aber daran ließ sich wohl nichts ändern. Er hatte seinen Punkt herüber gebracht und damit wohl zumindest die Blonde verschreckt, die sich irgendwo zwischen Irritation und Angst an den Schrank gedrückt hatte. Ach ja, diese existierte ja auch noch... normalerweise hätte er wohl nicht so offensichtlich gesagt, dass er einen Freund hatte oder allein, dass er auch Interesse am anderen Geschlecht hatte, aber wenn er Prioritäten setzen musste, stand Souta nun einmal weit über jeder blonden Frau. Apropos, was sollten sie eigentlich mit ihr machen...? Am besten nahmen sie sie mit, auf der Polizeiwache sollte sie immerhin erst einmal sicher sein. Die Alternative war, sie in diesem Zimmer warten zu lassen und darauf zu hoffen, dass diese Bande sie nicht fand, denn in eine Kampfsituation würde der Dragonslayer keine Zivilisten mitschleppen.