Es schien ganz so, als ob der Lich den Zombies die Energie entzog und für sich selbst nutzte. Jedes Mal wenn dies geschah, leuchtete er blau auf. Weiterhin konnte er sich natürlich dieser ganzen Spekulationen nicht sicher sein, immerhin war er ein gutes Stück weit entfernt, doch er hätte schwören können, dass er den alten Mann anders in Erinnerung hatte. Klein, gebrechlich und gebückt und nicht groß, hager und aufrecht stehend. Yuuki fragte sich ernsthaft, was da oben ganz genau vor sich ging. Das sah alles immer schlechter aus, denn je stärker der Lich wurde, desto brenzliger würde es für sie werden. Verstärkung magischer Art konnte er vergessen, die würde nie und nimmer rechtzeitig ankommen. Und einfach so ein Signal zu senden, um sie herzuholen, war auch nicht sein Ding. Das war ihre Suppe, die sie auslöffeln mussten, das würde schon klappen. Hoffentlich. Was ihn jedoch ziemlich verwirrte, war der Fakt, dass der Totenfürst seine Armee dezimierte, nur um selbst stärker zu werden. Bedeutete das nicht, dass er ihnen gegenüber dann im Nachteil war? Außer ... , dachte er, außer er benötigt diese hirnlose Armee gar nicht mehr, sobald er stark genug ist. Ja, das würde Sinn ergeben. In eben jenem Augenblick wich er einem Zombie aus, der sich stöhnend und unkoordiniert auf ihn warf, mit dem Ergebnis, dass er statt warmem und weichem Menschenfleisch, Erde und Staub im verrotteten Mund hatte. Danach lag es wieder an ihm, den Allerwertesten des Hauptmannes zu retten. Mithilfe seiner Anziehungskräfte zog er Corta zu sich und erübrigte ihm so das Schicksal, von den Zombies eingekesselt zu werden. Mächtige Waffe hin oder her, sobald sie sich auf ihn warfen und ihn zu Boden drückten, war es aus. Der ganze Kampf machte immer weniger Spaß und erwies sich als ziemlich anstrengend, ihm saß noch die Erschöpfung von vorhin in den Knochen, und auch sein Manavorrat nahm mit dem ständigen Einsatz seiner Magie stetig ab. Außerdem fielen immer mehr Männer Cortas, sodass sie langsam aber sich über einen taktischen Rückzug nachdenken mussten, fand Yuuki zumindest. Plötzlich ertönten Rufe und Schreie von hinten, was alle Kämpfenden dazu brachte, sich nach dieser neuen Geräuschquelle umzusehen. Waren es etwa aufgescheuchte Bürger, die nichts von der Verbarrikadierungsorder mitbekommen hatten? Oder doch etwa weitere Ungeheuer, die ihnen jeglichen Rückzug unmöglich machen würden? Nein, es war die versprochene Verstärkung. Dutzende frische Soldaten strömten aus allen Richtungen der Stadt in Richtung Eingang des Friedhofs, um sich dem Kampf gegen die Untoten anzuschließen und den wackeren Verteidigern unter die Arme zu greifen. "Endlich.", hauchte ein Soldat, der die ganze Zeit über neben dem Hauptmann gekämpft und überlebt hatte. Die frischen Soldaten drangen auf die Untoten ein und drängten sie aufgrund ihrer schieren Anzahl wieder zurück. Dabei rief ein Soldat in prächtig schimmernder Rüstung mit zwei Rangabzeichen, denen zufolge er ein Leutnant sein musste, seinen Männern beim Stürmen zu: "Schlagt ihnen die Köpfe ein. Metzelt sie gnadenlos nieder. Zeigt kein Mitleid, nein. Zeigt ihnen den Zorn Argeon Towns!" Wow, ein Fanatiker, das hatte ihnen gerade noch gefehlt. Nun ja, solange er sie hier rausholte und sie rettete, wollte er sich mal nicht beschwert haben.

In eben jenem Augenblick berührte der Lich den letzten aufrecht stehenden Untoten, und entzog ihm die Energie, die er besaß. Es war vollbracht, er hatte einen Teil seiner alten Kräfte zurückerlangt. Damit hatte er bei Weitem genug, um diese kleine Maden da unten zu vernichten. Als Erstes würde er sich des Trägers von Valnox entledigen, dann war der Rest dran. Und wie es schien, hatten diese mickrigen Menschen soeben Verstärkung bekommen, mehr als genügend Ziele also, um seine Kräfte wieder auszutesten und zu justieren. Hämisch grinsend lief er langsam den Weg zum Eingang des Friedhofs herunter.

Puh... was für eine Erleichterung das Mädchen durchströmte, als die erneute Verstärkung eintraf. Nicht, dass sie sich Sorgen gemacht hätte, niemals... Aber dennoch war es ein erleichterndes Gefühl, sich nicht mehr ganz so alleine zu wissen. Nicht mehr vollkommen auf sich selbst gestellt auf Leichen einzuhacken, die schon längst hätten friedlich in ihren Gräbern ruhen sollen. Auch wenn ihr Gemetzel und ähnliches Spaß zu machen begonnen hatten, war sie nicht mehr besonders frisch, um genau zu sein pfiff sie schon länger aus dem letzten Loch. Also konnte sie nun bestimmt endlich die kleine, wohlverdiente Pause machen...oder? Sie ließ sich hinter die Soldatenreihen zurückfallen und lehnte sich keuchend an einen der Grabsteine. Die waren jetzt doch auch nur noch Dekoration, zu weit weniger nütze als zuvor, denn nun schliefen keinerlei Tote mehr unter ihnen. Steine, die bedeutungslos geworden waren. Der Wunsch, dass die begrabenen Menschen dort in Frieden ruhen sollten, hatte sich wohl nicht erfüllt, oder? Ob die Erbauer dieses Friedhofs je auf den Gedanken gekommen wären, dass hier eines Tages eine Schlacht geführt werden würde? Eine Schlacht zwischen und um Leben und Tod...
Müde schloss das Mädchen kurz die Augen und versuchte ihren eigenen, viel zu schnell gehenden Atem zu beruhigen. Ihre Arme brannten, wahrscheinlich hatte sie sich einfach zu sehr angestrengt, zu viel von sich verlangt- aber hätte sie sich denn mehr schonen sollen? Dann wäre sie wahrscheinlich schon tot oder eines dieser Geschöpfe, die irgendwo zwischen Leben und Tod vor sich hinvegetierten. Wie es wohl war, ein Zombie zu sein? Wahrscheinlich bekam man das als ehemaliger Besitzer des Körpers gar nicht mit, wenn die eigene Seele sich von seinem Körper getrennt hatte. Eine Seele... existierte so etwas überhaupt? Wer wusste das schon, so lange man noch nicht gestorben war, konnte man nur darüber mutmaßen. Aber sie sollte hier nicht so angreifbar herumstehen, das war immer noch eine ungeschlagene Schlacht, sie war immer noch in direkter Gefahr...
Und tatsächlich näherte sich da etwas sehr gefährliches, schritt den Berg hinunter. Der Lich hatte sich verändert, das fiel dem Mädchen im selben Moment auf, wie ihr Körper realisierte, dass sie Angst vor dem Wesen hatte, dass da auf die Soldaten zuschritt. Er war gewachsen, war Coby und damit der Lich selbst am Anfang kleiner als Aurora gewesen, so überragte er sie nun wahrscheinlich um einiges, viele einst menschliche Züge des Alten hatten sich grotesk verzerrt und das Abbild eines Geisterfürsten gebildet, wie er im Buche stand. Die bläuliche Haut, die straff über den Schädel gezogene war, sodass die Knochen beinahe durchschienen und die Krone, die aus rein weißen Knochen zu bestehen schien. Nicht zu vergessen die glühenden Augen, dort, wo sie bei einem Schädel eigentlich keine mehr erwartet hätte... wie Kohlen brannten sie sich durch das Dunkel. Was hatte er vor? Sie wusste es nicht genau, aber ihr Körper sagte ihr, dass sie hier in keinem Fall verweilen durfte. Mühsam rappelte sie sich auf und begann in die entgegengesetzte Richtung davon zu laufen. Aber schnell war sie nicht, sie hatte schon zu viel ihrer eigenen Energie verbraucht, war zu ausgepowert, um nun noch Höchstleistungen zu vollbringen.

Die neu eingetroffenen Soldaten rückten vor und gaben den Erschöpften so die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und eine kleine Pause einzulegen. Währenddessen waren die Untoten bereits wieder in den Friedhof getrieben worden und wurden dort auch bereits von den wütenden Soldaten niedergemäht. Der Rotschopf hielt derweil nach seiner Partnerin Ausschau, denn er fragte sich, wie sie wohl war. Hoffentlich war ihr nichts zugestoßen, immerhin schien sie ziemlich ausgelaugt gewesen zu sein, sodass er nicht wusste, wie sie sich nun im Kampf mit hirnlosen Untoten schlagen würde. Am Boden lagen viele reglose Körper, und nicht nur längst verwehte, sondern auch welche in neuen und schimmernden Rüstungen, von denen manch einer noch ein langes und schönes Leben vor sich gehabt hätte. Keiner von den am Boden Liegenden würde jemals mit eigenen Augen wieder das Tageslicht erblicken, so viel war klar. Der Verlust so viele junger und guter Soldaten würde wohl ein schwerer Schlag und eine große Tragödie für die Stadt sein, sobald sie diese Horrorshow beendet und überlebt hatten. Trotzdem, Yuuki hatte dafür nicht halb so viel Aufmerksamkeit übrig wie bei der Suche nach Aurora. Wo waren nur diese unverwechselbaren, lilanen Haare? Am Boden hatte er sie nicht erblickt, weshalb er daraus schloss, dass sie noch wohlauf war und lebte. Also musste sie mit den ganzen Soldaten in den Friedhof gegangen war, zu dem er sich nun ebenfalls zuwandte. Der junge Magier war kaum zehn Meter gelaufen, schon beschlich ihn ein seltsam kaltes Gefühl, was seine Nackenhaare aufrichten ließ. Irgendetwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung, hatten sie vielleicht etwas übersehen? Noch bevor er zum Berg schauen und erkennen konnte, dass der Lich sich auf den Weg zu ihnen gemacht hatte, kam ihm auch schon Aurora entgegen. Es bildete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht und er wollte die Ilia freudig begrüßen, als er wie angewurzelt stehen blieb. Irgendetwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung, denn Aurora lief nicht nur auf ihn zu, sie wollte sich anscheinend so schnell es ging aus dem Staub machen. Beinahe panisch, ganz so, als ob sie sich in einem engen Raum befinden würde. "Hey, ist alles in Ordnung mit dir?"
Und in diesem Augenblick sah er ihn. Groß, grinsend und mächtig. Das Grinsen des Geisterkönigs schnitt durch seine Seele und die Macht, die er ausstrahlte, war so gewaltig, dass sie beinahe greifbar war. Anscheinend reagierte er nicht alleine so, denn viele Soldaten wurden nervös und begannen sich hektisch umzuschauen. Manch einem klappte der Mund vor Überraschung auf, als er die blaue Gestalt in schwarzen Gewändern auf sich zuschreiten sah. "Das darf doch nicht wahr sein ...", entfuhr es Yuuki. Einer der frisch eingetroffenen Soldaten, der wahrscheinlich mehr Mut als Verstand hatte, sprang mit großen Schritten auf den Totenfürst zu und lies seinen langen Zweihänder in großem Bogen auf dessen Schulter niedersausen. Dieser Schlag würde schräg geführt, sodass er jeden normalen Gegner wohl einfach zweigeteilt hätte. Doch der Lich zählte keineswegs als normaler Gegner, was er dadurch bewies, dass die Klinge einfach an ihm abprallte, was den Soldaten verwirrt zurücktaumeln ließ. Das Gesicht zu einem Totenschädelgrinsen verzogen, krächzte der Lich mit grausiger Stimme nun den Soldaten zu. "Ihr Narren, glaubt ihr ernsthaft, dass ihr mich mit euren Spielzeugwaffen verwunden könnt? Das ist Blasphemie, und die muss bestraft werden." Bei diesen Worten holte er mit seiner knochigen Hand aus, und schlug vor sich. "Piercing Wave!" Eine mächtige Energiewelle erbrach sich aus der geschwungenen Hand, die den übermütigen Soldaten auslöschte und sich tief in die Reihen der Verteidiger fraß. Die Erde bebte von der schieren Gewalt des Ausbruchs magischer Energie. Das würde kein Zuckerschlecken werden.

Tja, mit ihr war eigentlich fast alles in Ordnung, so viel war sicher. Sie war ausgepowert, aber das war okay. Um genau zu sein mochte sie dieses Gefühl auch irgendwie, es tat gut, zu wissen, dass man sich angestrengt hatte, dass man wahrscheinlich gewachsen war, dass man nun zufrieden mit sich sein konnte. Man war nicht faul gewesen, stattdessen hatte man gearbeitet. Vollkommen entspannendes Gefühl, prima. Sie hatte Angst, aber auch das war irgendwie normal und nicht ungewohnt. Zwar pflegte Aurora nicht vor Lebewesen Angst zu haben, da sie sie irgendwie alle besiegen konnte, aber durch ihre Phobien war sie damit eigentlich recht gut vertraut. Angst zu haben war normal und in vielen Situationen auch sehr hilfreich, wenn nicht ganr Leben rettend. Aber dennoch setzte dieses schleichende, nagende Gefühl der Furcht ihr momentan am meisten zu. Zum einen war dies natürlich verständlich, weil sie sich hier mitten auf einem Friedhof befand und lebende Leichen herumwandelten, wie als sei sie in einen Horrorfilm gestolpert. Jeder hier hatte wohl bis zu einem bestimmten Grad Angst, sicherlich auch der Rotschopf, der Aurora inzwischen erreicht hatte, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ. Aurora selbst hielt eigentlich nicht viel von Angst, da sie dieses Gefühl als pure Schwäche deutete und somit als Fehler - aber in diesem Moment war sie der Furcht wohl mehr verfallen, als Yuuki.
Der Grund dafür war rein logischer und verständlicher Natur, denn eigentlich war sie aufgrund ihrer Überzeugung nicht besonders leicht aus der Ruhe zu bringen. Normalerweise konnte sie eine Menge durchstehen, ohne gleich in Panik zu verfallen... zumindest, wenn es sich nicht um Höhlen oder andere enge Orte drehte. Oder um gewisse Vergnügungsviertel... Im Normalfall war sie recht kaltblütig, was das anging. Nun aber hatte sie einen handfesten Grund, warum sie leicht panisch werden durfte: Sie- und nur sie, kein anderer auf diesem verdammten, seltsam lebendigen Friedhof- hatte das Schwert des Lichs versteckt, so zumindest hatte sie diesem das zu verklickern gesucht. Die Wahrheit war nicht viel beruhigender, denn die verfluchte Klinge befand sich ja in ihrer Taschendimension - und an die würde der Geisterkönig wahrscheinlich nur über sie selbst kommen. Wahrscheinlich, denn bei dem, was dieser Kerl so drauf hatte, konnte sie sich in diesem Punkt nicht sicher sein. Gerade eben hatte er Dutzende Soldaten mit einer kleinen Handbewegung aus dem Weg geräumt, während deren Schwerter nichts gegen ihn hatten ausrichten können. Müsste ich jetzt nicht in Panik geraten?!

Die dunkle Energie verflüchtigte sich langsam und zeigte, was für eine Schneise der Zerstörung diese Finsterniswelle in den Boden gerissen hatte. Selbstverständlich waren alle Soldaten auf ihrem Weg einfach ausgelöscht worden. Jedoch brach die Zerstörung abrupt ab und Grund dafür war der Hauptmann, welcher sich dieser mächtigen Attacke tapfer in den Weg gestellt und sie mit Valnox abgelockt hatte. Unglaublich, wie magisch diese heilige Klinge war, dass sie so eine mächtige Attacke abwehren konnte. Dennoch musste man anfügen, dass die Rüstung des Hauptmanns etwas in Mitleidenschaft gezogen worden war, außerdem besaß der Gute nun überall Blessuren im Gesicht. Jedoch senkte er die Klinge keineswegs, vielmehr veränderte er seine Beinstellung, ganz so, als ob er sich auf einen Ansturm vorbereiten würde. "Männer, flieht!" Plötzlich schauten alle Soldaten verwirrt zu ihrem Offizier, so etwas hatten sie noch nie von ihm gehört. Und es war nicht nur die Aussage, es schwang auch etwas in seiner Stimme mit ... Furcht. Fürcht vor der Macht des Lichs, vor dem Unbekannten und vor der Tatsache, dass dies die letzten Momente seines Lebens sein könnten. "Ihr habt keine Chance, also rettet euer Leben. Ich werde versuchen, ihn niederzuringen, also los!." Bei diesen Worten umgriff er das Heft des Schwertes mit beiden Händen und begann auf den Lich zuzusprinten. Dieser grinste weiterhin hämisch, während er eine Hand vor sich ausstreckte. Wie magisch schwebte eine der langen Waffen, die einer der Soldaten verloren hatte und sowieso nicht mehr benutzen würde, in diese Hand. Anschließend holte er ebenfalls aus und sprang dem Menschen entgegen. Ihre Klingen flogen wie in Zeitlupe aufeinander zu, ehe sie sich schließlich trafen, und es zu einer schockwellenartigen Druckwelle kam. Die war so unglaublich stark, dass sie selbst einige Soldaten und Yuuki selbst von den Füßen riss. Benommen rappelte er sich wieder auf. Was war das denn bitte gewesen? Und wo war Aurora? Wie dem auch sei, die Bewunderung und der Respekt des jungen Magiers gegenüber Corta war ziemlich hoch angestiegen, denn er kannte nicht viele, die sich einfach furchtlos einem Fürst des Todes entgegenwarfen und sogar den ersten Schlag überlebten. Na, das konnte ja mal was werden.

Auch Aurora wurde von der Schockwelle erfasst und da sie nicht einmal mehr eine Rüstung trug, wurde auch sie von den Beinen gehoben. Sie selbst war nämlich nicht gerade schwer, da sie eine recht kleine und zierliche Person war. Doch genauso schnell, wie sie vom Boden abhob, krachte sie auch wieder darauf, sodass die Luft aus ihrer Lunge gepresst wurde und sie erst einmal benommen liegen blieb. Ach kacke, irgendwie ging gerade alles schief. Mühsam richtete sie sich wieder auf, schwankend zwar, aber sie stand. Es schien beinahe so, als könnte keiner der Soldaten etwas gegen den Lich ausrichten, auch das schien der Hauptmann bemerkt zu haben, denn er befahl den sofortigen Rückzug. Nur er selber blieb stehen, zuerst wunderte sich die Ilia noch darüber, aber dann bemerkte sie, was er da in Händen hielt. Ein Schwert, genauso prachtvoll, genauso wunderbar wie Kyratil, das immernoch friedlich in ihrer Taschendimension schlummerte. Die Klinge, bei der es sich ohne Zweifel um Valnox handeln musste, schimmerte leicht im Licht und einen Moment konnte Aurora den Blick gar nicht davon abwenden, so schön war dieses Schwert... die Waffe, die den Lich besiegen konnte - wahrscheinlich die einzige Waffe, die dies bewerkstelligen konnte. Wie gern hätte Aurora sie schon zuvor gehabt, auch nur gesehen, anstatt mit Kyratil den Schaden noch zu vergrößern... Und nun hieß es also Corta gegen den Lich - und sie selbst konnte nur zusehen und nichts tun, überhaupt nicht helfen. Sie war wahrscheinlich nur im Weg, ein Nichtsnutz, eine Bürde, ein Hindernis, unnütz... und dieses Gefühl war noch schrecklicher als die Angst, die ihre Glieder gelähmt hatte. Dieser Mann - Corta oder wie er hieß - sah so verloren gegenüber dem Geisterkönig aus... Wenn sie nur die Möglichkeit hätte, ihm irgendwie zu helfen! Aber die hatte sie nicht, sie konnte nur weiter das Gefäß für Kyratil spielen, da wohl kein anderer hier in der Lage war, das Schwert sicher zu verstecken. Hoffentlich kam der Lich nicht selber auf die Idee, nach dem Schwert zu sehen, um dann Corta ein für allemal aus dem Weg zu räumen... Denn auch schon ohne seine verfluchte Klinge schien es, als sei er dem Hauptmann mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen.
"Was kann ich tun...? Was kann ich nur tun?" Wahrscheinlich sollte sie sich besser von hier entfernen, damit Kyratil vor dem Lich sicher war, ja, das wäre wohl das beste... mit leicht zitternden Beinen bewegte sie sich so schnell sie noch konnte vom Ort des Geschehens weg. Oh verdammt, sie waren so schwer, ihre Beine, so unglaublich schwer... als hingen Tonnen und Abertonnen an Gewicht daran.

Yuuki blichte sich hektisch, da er immer noch benommen war, kam dies wahrscheinlich sehr seltsam und unkoordiniert rüber, nach seiner Partnerin um, und sah sie schließlich, wie sie sich vom Schlachtfeld entfernte. Was tat sie denn da? Sie konnte doch nicht einfach so abhauen? Stopp, ermahnte er sich. Die Ilia würde bestimmt ihre guten Gründe dafür haben, doch was die meiste Zeit über an ihm nagte, war der Fakt, dass sie Angst zu haben schien. Aurora. Hatte. Angst. So etwas hatte er noch nie an ihr gesehen, doch er konnte es nachvollziehen. Immerhin hatte sie bereits einmal das Vergnügen gehabt, sich mit dem Lich zu treffen und hatte das ungemeine Glück besessen, dieses Treffen ungleicher Kräfte unversehrt zu überstehen. Und wenn man noch in Betracht zog, wie der Lich mit einem einfachen Angriff über ein Dutzend Leben ausgelöscht hatte, war Furcht ganz verständlich. Auch Yuuki fürchtete sich, so war das nicht, denn in der Tat nagte eine kalte Furcht an seinem Herzen. Doch seitdem Riza von ihm gegangen war, hatte er das Gefühl, das er emotional abgestumpft war. Sei es Freude, Hass oder Zuneigung, alles fühlte sich etwas abgestumpft an, bei Weitem nicht mehr mit so einer Vitalität, wie er sie früher gespürt hatte. "Aurora, wo willst du hin?", rief er ihr noch laut hinterher, ehe die nächste Schockwelle einsetzte und er seine Konzentration erneut auf den Kampf dieser Giganten fokussierte. Mit unglaublicher Geschwindigkeit tauschten sie beide Schläge aus, und kein Kontrahent wollte zurückweichen. Man musste es dem Hauptmann hoch anrechnen, dass er für einen Normalsterblichen, egal wie erfahren und talentiert er auch war, immer noch sein Leben besaß. Beim nächsten Treffen der beiden Klingen brach das Eingangstor über einem Soldaten zusammen, der unerwarteterweise getroffen wurde und aus diesem Grund aufschrie. Corta, der sich seines Lebens immer um das Wohlergehen seiner Männer gesorgt hatte, drehte sich einfach um, damit er nach dem Rechten sehen konnte, ehe ihm einfiel, was für einen unglaublichen Fehler soeben getan hatte. Ein Fehler, der ihn wahrscheinlich das Leben kostete. Der Geisterkönig sah selbstverständlich seine Chance und ließ das Schwert auf den Kopf des Hauptmanns hinuntersausen. Und verfehlte ihn. Völlig verdutzt wunderte er sich, was dem Schwert gerade diesen unsichtbaren Stoß gegeben hatte, sodass sein Schlag daneben gegangen war. Und warum flog sein Gegner mit einer hohen Geschwindigkeit zurück zu seinen Soldaten? Eigentlich hätte er nicht dazu in der Lage sein sollen. Antwort darauf schien der kleine Junge zu sein, den er anfangs überhaupt nicht wahrgenommen hatte, da er dachte, dass es sich bei dem ebenfalls um eine kleine Made handeln würde. Anscheinend hatte er hier einen weiteren Magier vor sich, das freche Gör von vorhin war also nicht alleine aufgetaucht.
Ganz genau, Yuuki hatte einerseits seine Kräfte dazu genutzt, um der Klinge des Lich einen Stoß zu geben, andererseits hatte er den unachtsamen Hauptmann aus der Gefahrenzone geholt. "Ich schulde dir erneut Dank, mein Freund." Irgendwie gefielen ihm die ausgesprochenen Worte des Hauptmanns überhaupt nicht. Ob es wohl an der keuchenden Sprechweise lag, die von der Ermüdung des Offiziers zeugten? Im Gegensatz dazu schien der Lich nicht die leisesten Anzeichen von Ermüdung zu zeigen. Zwar konnte Corta ihm standhalten, doch auf lange Sicht würde wohl der Untote diesen Kampf gewinnen. Gerade wollte der Rotschopf seine Bedenken mit dem Hauptmann teilen und ihm seine Hilfe anbieten, als ihn schon der Lich ins Visier nahm und zu ihm sprach. "Was wagst du dich hier einzumischen du kleine Made? Ich glaube dir muss mal gezeigt werden, wo dein Platz ist. Black Vortex!" Die letzten Worte bellte er förmlich, während er seine freie Hand in Richtung des Jungen ausstreckte. Ein Wirbel aus schwarzer Magie breitete sich aus, welcher den Jungen und einige weitere Soldaten traf und sie mitrisse. Schwer krachte Yuuki auf dem Boden auf, und blieb zunächst einmal reglos liegen. Einerseits hatte ihm der Aufprall jegliche Luft aus den Lungen getrieben, andererseits war ihm schlecht und die getroffenen Stellen prickelten seltsam. Corta hingegen war von dem Wirbel aus dunkler Energie verschont worden, da er diesen erneut mit Valnox abgewehrt hatte. Ohne sich nach Yuuki umzuschauen – den gleichen Fehler wie zuvor würde er nicht noch einmal machen – umklammerte er fest das Heft des Schwertes und ging wieder in Nahkampfdistanz.

Okay, nein, so nicht, das konnte sie nicht verantworten. Wobei, ging es hier nicht um Verantwortung? Aurora hatte bisher eigentlich kein Problem damit gehabt, diese zu schultern, da sie schon früh damit umzugehen gelernt hatte, von ihrem Vater hatte sie mitgenommen, dass sie zumindest immer die Verantwortung für sich selbst zu tragen hatte. Andere und ihr Schicksal waren dem Mädchen meist ziemlich egal, da sie egoitisch genug war, um sich nicht auch noch um diese zu kümmern. Allerdings waren das immer irgendwelche grauen, anonymen, namenlosen Gestalten gewesen, keine Bekannten oder gar Freunde. Freunde... dieses Thema war irgendwie etwas besonderes, da das Mädchen, mit Ausnahme ihres eigenen Vaters, wohl noch nie wirklich Freunde gehabt hatte. Diese waren auch nicht wichtig, sie würden eh nur zur Last werden, wenn es ums ganze ging... oder? Aber nun, als sie sich kurz umguckte, sah sie, dass der einzige Freund, den sie je wirklich gehabt hatte, in Gefahr schwebte, die einzige Person, die Lamia Scale zu etwas machte, was es vielleicht doch zu beschützen galt. Natürlich hatte der Rotschopf sich in Gefahr begeben müssen, natürlich. Aber er hatte auch irgendwie die Kraft dazu, oder? Konnte er nicht sogar Schwerter in ihrer Bahn manipulieren und somit Corta helfen? Tatsächlich. Aber seine Verteidigung war komplett im Eimer. Verdammt... Wenn Yuuki starb, dann gab es wirklich gar nichts mehr, was sie motivieren würde, dort zu bleiben, wo sie jetzt war. Vielleicht könnte sie dem Grynder helfen, ihm Schutz spenden, aber dazu müsste sie auch wieder in die Nähe des Lichs. Verflucht... hier traf Verantwortung auf Verantwortung. Verantwortung für Kyratil, die ihr sagte, dass sie schön weit weg bleiben müsse und Verantwortung für Yuuki, die ihr befahl, sofort umzukehren. Ahhh... wieso war das denn alles so kompliziert?! Ach manno... Yuuki, du Horst, du wirst uns noch alle ins Unglück stürzen..., durchfuhr es sie, als sie abrupt stehen blieb und zurück rannte, so schnell sie ihre Beine trugen. Der Junge lag auf den Boden, zusammengekrümmt und offenbar von dem Zauber des Lichs getroffen. Hoffentlich hatte er diesen überstanden, dann würde er Corta weiter helfen können, während sie ihn abschirmte... als sie nur noch einige Meter von ihm entfernt war, beschwor sie ihre Rüstung erneut, fühlte, wie sie sich aus dem Nichts um ihren Körper legte und schlitterte die letzten Meter, bis sie vor Yuuki zum stehen kam. "Yuuki? Gehts dir gut?", fragte sie, deutlich besorgt, und beugte sich zu ihm hinunter. "Das war sehr mutig von dir, aber es wäre noch ein Stück hilfreicher, wenn du das wiederholen könntest... Keine Sorge, ich beschütze dich." Sie versuchte, ihre Stimme aufmunternd und mutig klingen zu lassen, hatte aber gleichzeitig das Gefühl, dass es kläglich misslang.

Während Yuuki auf dem Boden lag, hörte er viele Schläge und anschließend weitere Druckwellen, was davon zeugte, dass der Kampf zwischen dem Hauptmann und Lich immer noch weiter ging. Allerdings irritierten ihn etwas die Rufe und Schreie, denn das bedeutete, dass die meisten Soldaten immer noch anwesend waren und den Befehl ihrer diensthabenden Offiziers missachtet hatten. Vermutlich waren ihre Ehrfurcht und ihr Respekt vor Corta so gewaltig, dass sie ihn einfach nicht im Stich lassen konnten, selbst wenn er ihnen dies befohlen hatte. Sich einmischen konnten sie sich jedoch nicht, damit würden sie ihn nur behindern und ihrem Leben ein ganz schnelles Ende setzen. Das Gute an der ganzen Sache war jedoch, dass so lange der Geisterkönig im Nahkampf verwickelt und beschäftigt war, sich Corta vom Hals zu halten, dass dieser keine Zaubersprüche mehr wirken konnte. Das würde zumindest den Kollateralschaden und das unnötige Dahinscheiden von den Soldaten verhindern.
In diesem Moment trat irgendjemand zu ihm und sprach mit besorgter und sanfter Stimme zu ihm. Aurora? Und tatsächlich, als er die Augen etwas öffnete, sah er das ihm bekannte Gesicht des Mädchens. Anscheinend war sie zurückgekommen, was ein immenses Gefühl der Erleichterung in ihm auslöste. Nun, zumindest vermischte es sich mit den Schmerzen und der Übelkeit, die wie es schien noch Nachwirkungen des Strudels finsterer Energie waren, mit welcher er getroffen worden war. "Es geht ... es geht mir gut, warte einen Augenblick." Er hatte zwei Anläufe gebraucht, um den Satz von sich zu geben, es lag ganz klar auf der Hand, dass es ihm eben nicht gut ging. Doch das war zweitrangig, im Moment galt es Corta unter die Arme zu greifen, denn möglicherweise war er dem Lich am Ende doch nicht gewachsen, selbst mit Valnox in den Händen. Was für ein menschliches Monster musste sein Vorfahr gewesen sein, der den Lich auf höchster Kraft und mit Kyratil bewaffnet niedergerungen hatte? Egal, mal schauen, zu wessen Gunsten sich das Gleichgewicht des Kampfes änderte, sobald noch zwei Magier an der Seite von Corta kämpften. Wie der Grynder schon einmal bewiesen hatte, eignete sich seine Magie idealerweise dazu, den Hauptmann zu unterstützen oder zu retten, während er dem Lich einen Stoß geben konnte, damit dieser Schlag daneben ging. Mühsam begann sich der Rotschopf aufzurichten, während er Aurora ernst ansah. "Gute Idee, zusammen können wir dieses Ungeheuer vernichten. Hast du schon irgendeinen Plan in petto, oder wollen wir meinen Vorschlag ausführen?" Moment mal, wie sah der denn überhaupt aus? "Die schlechte Nachricht ist, dass du dich zum kämpfenden Hauptmann gesellen musst, zu zweit könnt ihr möglicherweise den Lich überrumpeln. Ich werde etwas Abstand halten, und euch mit meinen Kräften unterstützen, und seine Bewegungen dafür stören. Vielleicht braucht es nur einen guten Treffer mit Valnox, und das Ganze ist vorbei." Endlich hatte er sich vollends aufgerichtet und machte sich bereit, den Plan in die Tat umzusetzen, als ein plötzliches Gestöhne und überraschtes Keuchen die Runde ging. Er drehte sich schnell zum Kampf um, doch als er sah, was vor sich ging, schloss sich eine kalte Faust aus Furcht um sein Herz. Verdammt, es war vorbei ...

Dies sind die letzten Minuten aus dem Leben von Hauptmann Corta. Er ist bereits tot, doch er weiß es noch nicht. Der Hauptmann war stets ein ehrbarer Mann, der sich gleichermaßen sorgfältig um seine Familie, seine Freunde und seine Untergebenen kümmerte. Auch wenn sein Sohn ein anderes Gefühl hat, besitzt sein Vater große Achtung von ihm und ist stolz darauf, dass sein Sohn ebenfalls in seine Fußstapfen getreten ist. Dann gibt es noch Chrystie, die er bereits seit ihrer Geburt kannte, doch die erst seit einigen Monaten bei ihnen lebte, als ihre Eltern bei dem Brand starben. Trotz allem sieht er sie mittlerweile als seine eigene Tochter an und wäre stets bereit gewesen, sein Leben für sie zu opfern. Anschließend gab es noch seine Frau, die ihn stets in allem unterstützte und immer bei ihm war, als er sie brauchte. Egal wie gut er hier kämpfte, der Lich war immer noch eine Nummer zu groß. Hätte er nicht mit Valnox in der Hand gekämpft, dann wäre er längst gestorben, und das nicht, weil der Geisterkönig seine Magie hätte wirken können, nein. Wenn dieser nicht so darauf bedacht wäre, stets seiner Klinge auszuweichen und defensiv zu kämpfen, wäre er viel offensiver vorgegangen, und dann wäre es jetzt schon aus. Jeder Schlagabtausch mit diesem Ungeheuer forderte Unmengen an Kraft und Selbstbeherrschung ein, so viel, dass er mittlerweile keine mehr besaß. Doch es gab trotzdem etwas, dass ihm Kraft und Trost schenkte und ihn weiter vorantrieb. Möglicherweise handelte es sich um die Klinge in seinen Händen, doch das war das erste Mal in seinem Leben, dass er sie nutzte, weshalb er sich hinsichtlich seiner Vermutung nicht sicher sein konnte. Mithilfe dieser Kraft gelang es ihm immer wieder, den Lich zurückzudrängen und ihn auf diese Weise von seinen Männern zu entfernen. Schlimm genug, dass er nicht an vorderster Front gewesen war, um die Attacke sofort abzuwehren, denn hätten nicht diese ganzen Soldaten ihr Leben lassen müssen. Und er kannte jeden Einzelnen von ihnen beim Namen, so viel Respekt hatte er seinen Untergebenen erwiesen. Es gab lediglich einen Grund, warum er nicht wie viele andere zuvor den Schwanz zwischen die Beine klemmte und floh: Wenn er hier zurückwich, würde alles, wofür er stets gekämpft und was er geliebt hatte, vernichtet werden. Selbst wenn es ihn das Leben kostete, er würde hier nicht zurückweichen. Er. Würde. Gewinnen. In diesem Moment verspürte Corta einen neuen Kraftschub in sich, der ihn anschließend wieder vorspringen und weiter auf den Lich einschlagen lies.

Aus Sicht der Soldaten sah der Kampf doch sehr gut für ihren Hauptmann aus. Immer wieder wurden Schläge ausgetauscht und es war wie ein ewiges Hin und Her. Erst wurde der eine etwas zurückgedrängt und befand sich nun in der Defensive, ehe sich das Blatt wieder zu seinen Gunsten drehte und er in die Offensive gehen konnte. Doch je länger der Kampf andauerte, desto deutlich wurde, dass es Corta gelang, den Lich zurückzudrängen. Unglaublich, wie viel Angst dieses Monster – was mit einem Bruchteil seiner Kraft das halbe Wächterhäusschen weggesprengt und mit einer einzigen Handbewegung das Leben dutzender Männer ausgelöscht hatte – vor der reich verzierten Klinge in den Händen des Hauptmanns hatte. Aus diesem Grund wich er immer wieder zurück, sobald ihn die Klinge lediglich knapp verfehlte und er fragte sich so langsam, woher dieser einfache Mensch die Kraft nahm, um jemanden seines Kalibers zurückzudrängen. Eigentlich hätten sie allein schon aufgrund seines Aussehens und seiner Ausstrahlung vor ihm fliehen sollen, doch sie befanden sich immer noch an ihrer ursprünglichen Position und sahen sich den Kampf an. Ganz so, als ob sie beide eine Attraktion und das alles nichts weiter als ein Übungskampf wäre. Nun brüllten die Männer triumphierend, denn sie waren stolz auf ihren Hauptmann und in ihren Augen war diese momentan der Größte. Corta hingegen beschäftigten andere Gedanken. Selbst mit Valnox und dessen Kraft, die durch ihn floss, nahm seine Genauigkeit immer weiter ab und seine Schläge verloren immer weiter an Kraft. Es handelte sich lediglich um Momente oder Sekunden, ehe der Lich diese Fakten schließlich bemerken würde. Aus diesem Grund nahm er all seine Kraft zusammen und konzentrierte sich auf seinen nächsten Schlag, das würde das Ende dieses Kampfes bedeuten. Auf die eine oder andere Weise, so viel stand schon mal fest. Mithilfe zwei gewagter Finten, die ihm beinahe den Kopf kosteten, schaffte er es, den Lich aus dem Gleichgewicht zu bringen, sodass eine Seite von ihm ungeschützt war, und sprang vor. Mit einem Grellen aufblitzen drang Valnox tief in das Fleisch des Untoten ein, was diesen schmerzerfüllt aufschreien lies. Es hatte ganz den Anschein, als ob ihm diese heilige Klinge unheimlich viel schadete, sonst hätte er nicht so wild herumgeschriehen. Als Reaktion jedoch schlug er in Richtung Hauptmann und es blitzte etwas dunkel auf. Mit unglaublicher Geschwindigkeit flog Corta in Richtung seiner Männer, vor deren Füßen er anschließend mit voller Wucht auf dem Boden aufschlug. Seine Augen waren glasig geworden und der Brustkorb samt schützender Rüstung war vom Schlag des Lichs weggesprengt worden. Dies war also das Ende des Hauptmanns und keine Macht der Welt hätte ihn mehr retten können – er war tot.
Mittlerweile riss sich der Geisterkönig laut aufschreiend die Klinge aus dem Leib, welche er sofort in die nächste Ecke pfefferte. Selbst die Berührung am Heft hatte ihm geschadet und er spürte, wie viel Macht er durch diesen Stich verloren hatte. Wirklich, eine ungemein effektive und mächtige Waffe. Doch sobald er Kyratil in den Händen hielt, würde er all seine Kraft zurückbekommen und alles hier vernichten.
Ein Triumphgefühl breitete sich in seiner Brust aus und vermischte sich mit der immensen Pein, die er im Moment durchlebte. Die Klinge war außer Reichweite der Männer, die sowieso geschockt durch den Tod ihres verehrten Hauptmannes und des besten Kämpfers hier war. Er hatte so gut wie gewonnen. Langsam öffnete sich sein Mund, während er anfing, ein krächzendes und an den Nerven ziehendes Lachen von sich zu geben.

In diesem einen Moment war es vollkommen irrelevant, ob Aurora einen Plan hatte, ebenso wie es wohl egal war, dass Yuuki sich selbst etwas ausgedacht hatte. Es war bedeutungslos geworden, was die beiden jugendlichen Magier für Ideen hatten, da sie alle darauf basiert hatten, dass sie Corta unterstützen würden. Sie hätten vielleicht gewinnen können, wenn Yuuki mithilfe seiner magischen Kräfte die Klinge des Geisterkönigs abgelenkt hätte und dem Hauptmann Schutz hätte spenden können. Dieser Corta war der Ilia sowieso ein Mysterium, wie gut er doch mit diesem Schwert hatte umgehen können und da sie selbst nicht nur ein Waffennarr war, sondern auch jene schätzte, die mit ihnen umzugehen wussten, hatte sie ihn irgendwie bewundert. Nicht seine charismatische Art, die dem Mädchen sowieso fehlte und auch nicht sein Ansehen und seinen Rückhalt in seiner Armee, nein, einfach seine Fähigkeiten, die wohl im kämpferischen Bereich die aller anderen lebendigen überstieg. Auch die von Yuuki und ihr selbst, da war sie sich fast sicher, denn während erster nur Metall abstoßen und anziehen konnte, war sie eigentlich nicht mehr, als ein einfacher Soldat – mit der Ausnahme, dass sie ihre Waffen nach Belieben verschwinden und wieder auftauchen lassen konnte. Die beiden waren so gesehen eigentlich noch mehr als blutige Anfänger und momentan befanden sie sich in höchster Lebensgefahr, denn das Wesen, was es auf alles Leben auf diesem Ort der Toten abgesehen hatte, stand nicht allzu weit von ihnen entfernt und hatte soeben das vollbracht, wovor ich wahrscheinlich alle hier gefürchtet hatten: Er hatte ihn umgebracht, ihn, den besten Kämpfer des ganzen Friedhofs, den geliebten Hauptmann Argeon Towns. Corta war – und das ließ sich unschwer erkennen bei all dem Blut - mausetot. Einen Moment herrschte Stille auf dem Friedhof, ehe das knarzende Lachen des Lichs sie zerbrach, zersplittern ließ und sicherlich nicht wenigen einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
Obwohl Valnox, die offenbar so etwas wie das Gegenstück zu Kyratil darstellte, ihn tief getroffen hatte, stand er noch und würde wohl auch noch weiter kämpfen können. Das heilige Schwert hatte zwar immerhin großen Effekt gezeigt, aber zu welchem Preis? Dem ihrer aller Hoffnung vielleicht, denn ohne Corta gab es eigentlich niemanden, der dem Geisterkönig gewachsen war. Noch war er geschwächt, aber was würde geschehen, wenn er sein eigenes Schwert wieder in Händen hielt? War er nicht sogar schon einmal besiegt worden, als er noch mächtiger war und seine Waffe besessen hatte? Wow, die Person, die ihn damals niedergestreckt hatte, musste wohl unglaublich stark gewesen sein, so stark, dass Aurora einen Moment richtig neidisch wurde. So stark wollte sie auch einmal sein, stärker als Corta selbst, schneller, geschickter, ein so mächtiger Kämpfer, dass selbst ein Dämon dieses Formats Angst haben musste. Doch leider hatte sie keine Zeit zum träumen, denn momentan sah alles ein wenig schlechter aus – wenn es in den Reihen der Soldaten keinen Corta in Miniversion gab, dann blieb die Arbeit, beziehungsweise das letzte Aufbegehren gegen den Geisterfürsten, wohl an den beiden Magiern hängen, die extra deswegen engagiert worden waren. Nur, dass es sich bei jenen ach so starken Magiern tatsächlich nur um zwei Teenager handelte, nicht wahr? Aurora spürte förmlich, wie die Hoffnungslosigkeit durch alles hindurchzusickern begann, all der Mut, den die Soldaten zuvor noch an den Tag gelegt hatten, war wie verschwunden, stattdessen breitete sich langsam aber sicher die Wahrheit aus: Corta war nicht mehr, ihre einzige Hoffnung lag mit leeren Augen und zerfetztem Brustkorb auf dem Boden des Friedhofs. Er hatte schon lange seine letzte Reise angetreten, war zum Schutze der Stadt gestorben und hatte sie dennoch schutzlos zurückgelassen.
Aber nein, das stimmte auch nicht restlos, denn auch wenn die beiden Magier Lamia Scales noch Anfänger waren, so hatten sie sich nicht vor, den Lich einfach so gewinnen zu lassen. Immerhin hatten sie schon die erste der beiden mächtigen Klingen, die gut in Auroras Taschendimension verwahrt lag, während die zweite zwar augenscheinlich außer Reichweite lag, aber dennoch nicht unerreichbar war. Valnox war ein Schwert, welches trotz seiner purifizierenden Eigenschaften aus Metall gefertigt war, Metall, das den Wünschen Yuukis gehorchen musste. Auch wenn der Rotschopf dieses nur anziehen konnte, so war das doch schon einmal etwas. "Yuuki - Das Schwert, bitte.", zischte sie zwischen den Zähnen hervor und musterte den Lich. Er war groß, weitaus größer als sie selbst, mächtiger, älter, erfahrener… vielleicht sollte sie darüber nicht nachdenken. Den einigen Vorteil, den sie also besaß, war ihre mangelnde Körpergröße (Die ihr aber leider nur auf engem Gebiet etwas nützen würde und dieser Vorteil durch ihre Engeangst schon wieder passé sein würde) und wenn alles gut ging, Valnox. Kyratil hatte sie auch, aber es schien ihr nicht gerade eine gute Idee, den Geisterkönig mit seinem eigenen Schwert auf die Pelle zu rücken. . "Und nun sag mir alles, was du über Kyratil und Valnox und eventuelle Wechselwirkungen dieser Waffen weißt." Vielleicht gab es nämlich tatsächlich die Möglichkeit, dass beide, wenn sie zusammen, nicht gegeneinander, eingesetzt wurden, irgendwie resonieren würden. Wer wusste das schon und obwohl magische Waffen doch eigentlich ihr Spezialgebiet sein sollten, wusste Aurora darüber eher weniger Bescheid. Hoffentlich tat der Grynder beides, wie sie ihm aufgetragen hatte, denn dann könnten sie mit vereinten Kräften versuchen, dieses Monster niederzuringen. Aurora trug nämlich immerhin eine Ganzkörperpanzerung aus Metall, die Yuuki bewegen könnte, insofern würde sich die Kraft ihrer Bewegungen verstärken lassen. Und solange der Lich sein eigenes Schwert nicht in Händen hielt – und das würde Aurora nicht zulassen! – war er angreifbar, sodass vielleicht selbst ein Mädchen ihm gefährlich werden konnte, wer weiß? Jedenfalls traute sie sich die Handhabung dieser Waffe eher zu, als Yuuki, da dieser in seinem ganzen Leben wahrscheinlich noch kein Schwert in Händen gehalten hatte.