Noch immer hielt das Mädchen eher zittrig und panisch die Waffe in der Hand. Dass sie abgedrückt hatte, war eher eine absolute Panikreaktion, weswegen sie dies auch so oft getan hatte, der Käfer wäre mit einem gezielten Schuss absolut erledigt gewesen, aber da sie zu aufgeregt war um hinzugucken, waren es eher blinde Treffer, welche durch den umherfliegenden Schleim des Insekts verdeutlichten, dass sie getroffen hatte. Vorsichtig traute sich das zierliche Mädchen nun das Überbleibsel des Insekts anzusehen… Das war gespalten, durchlöchert und eklig schleimig… Sie sollten so schnell wie möglich hier weg, sonst müsste Zero sich sicher gleich direkt daneben übergeben. Insekten waren wirklich etwas absolut ekliges und je größer sie wurden, desto widerlicher wurden sie… und schleimiger… Dennoch war es nun tot und konnte den beiden jungen Magierinnen nichts mehr anhaben. Nicht mehr versuchen sie zu fressen oder auch nur mit den ekligen Fühlern anzutatschen… Einfach nur widerlich!
Erst die Worte ihrer Begleiterin rüttelten das Mädchen wieder richtig wach und heraus aus ihrem Ekel. Das was Aurora sagte, erschreckte Zero etwas und machte sie so verlegen, dass ihr ganzer Kopf rot anlief. Aurora hatte sie grade tatsächlich gelobt. Es war nicht so, dass das nie vorkam oder so, aber es war auf jeden Fall sicher total aufbauend für Zero, welche sich noch für eine Anfängerin hielt. Das Lächeln des anderen Mädchens machte sie nur noch verlegener und sie schaute nach unten auf ihre Schuhe und kicherte leise. Sie hatte etwas toll gemacht… Zero hatte tatsächlich etwas Nützliches für die Quest und für ihre Partnerin gemacht, so stolz war sie lange nicht mehr auf sich gewesen. „D-Danke.“, sagte sie etwas verlegen, während sie auch ihre Waffe wieder dorthin verschwinden ließ, wo sie diese hergezogen hatte. „Aber du warst auch super!“, fügte sie noch hinzu, um auch sicherzugehen, dass sie hier nicht allein das ganze Lob einheimste, immerhin hatte sie das Tier nur so gut treffen können, weil Aurora es mit der Axt angegriffen hatte. Nun war Zero so glücklich und happy, dass sie für einen Moment lang völlig die Hitze und die anderen nervigen Bedingungen in der Wüste um sich herum vergaß und stattdessen auf Wolke sieben schwebte, weil das alles so super gut gelaufen war. Sie und Aurora waren echt ein tolles Team! Da störte es Zero nicht einmal mehr, ob sie grade gegen das wohl widerlichste Wesen in ihrem Leben hatte kämpfen müssen. Nun strahlte sie richtig, auch wenn nur ein Schmunzeln auf ihren Lippen zu sehen war. Und noch stolzer wurde das Mädchen, als Aurora ihr sagte, dass sie da einen guten Riecher gehabt hatte. Zwar war das nur zufällig ein ungutes Gefühl gewesen, aber sie hatte tatsächlich wirklich großes Glück gehabt, dass sie so aufmerksam gewesen wäre, denn sonst wäre sie vielleicht in Ohnmacht gefallen beim Anblick eines solchen Insekts. Noch einmal musste sie leise verlegen kichern. So viel Glück hatte sie wirklich lang nicht gehabt. „Was kann uns schon noch Schlimmeres passieren?“, sagte sie im Spaß und kratzte sich am Hinterkopf. Sie war sich ziemlich sicher, dass es kaum noch schlimmer werden konnte als das eben, oder?
So gingen die beiden Mädchen weiter. Das Stapfen durch den Sand wurde immer anstrengender. Und Zero hatte mittlerweile an jeder erdenklichen Körperstelle Sand. Dazu war es auch noch so unglaublich heiß und sie schwitzte schrecklich doll. Es wurde aber dementsprechend auch zunehmend monotoner und langweiliger. Hin und wieder seufzte das Mädchen und wurde dabei mit Sand auf der Zunge daran erinnert, dass sie sich in einer Wüste befanden… „Oh man… Das zieht sich ganz schön hin…“, murmelte sie leise und versuchte sich wenigstens etwas Schweiß von der Stirn zu wischen. Es wurde zunehmend heißer und unangenehmer und Zero wollte so langsam ein Nickerchen oder Päuschen machen… Als sie auf einer etwas größeren Düne ankamen, nutzte das Mädchen den Moment und schaute weiter hinaus, wo sie in der Ferne etwas entdeckte, womit sie nicht gerechnet hatte. Nanu? Nun ja… Zero wusste genau was eine Fata Morgana ist, aber woher sollte man wissen, wann man eine sah? Sie wusste es jedenfalls nicht und zeigte begeistert mit dem Finger in die Ferne. „Siehst du das Aurora? Da ist ein großer See! Können wir da eine Pause machen?“ Und egal wie gut der Verstand des kleinen Mädchens funktionierte, in diesem Moment glaubte sie ihren Sinnen. Ob Aurora das bemerkte? Wie hoch war denn da die Wahrscheinlichkeit eigentlich?

Unglaublich, wie ätzend so ein riesen Haufen Sand eigentlich wirklich sein konnte. Das wurde einem sicherlich nicht aus Geschichten bewusst, auch wenn Aurora sich diese gerne anhörte, sondern nur, wenn man dann mal selbst in so einer dummen Situation befand... dabei war das Mädchen doch eigentlich auch auf Ausdauer trainiert, wie konnte es da sein, dass sie gerade von einer gähnenden Demotivation ergriffen wurde? Sie sollte eigentlich in der Lage dazu sein, ohne zu meckern und zu murren den ganzen Tag durch diese lebensfeindliche Umgebung zu stiefeln, ohne eklatante Konditionseinbrüche zu erleiden, aber die Langeweile tat ihrer Psyche wohl keinen Gefallen - würde sie das wirklich tun, so würde sie wahrscheinlich einfach geistig eingehen, ehe die Sonne auch nur angefangen hatte, unterzugehen. Ab und zu nahm Aurora ein kleines Schlückchen Wasser aus ihrer Flasche, damit ihr ihre Lippen nicht allzu trocken vorkamen, aber auch das half bald nicht mehr gegen das allgegenwärtige Durstgefühl, welches ihr eindeutig mehr zu schaffen machte, als die Hitze oder der Sand an sich. Auch Zero schien es nicht viel anders zu gehen, aber das konnte sie schon besser verstehen. Wahrscheinlich war das größere Mädchen nicht einmal auf so etwas gedrillt worden und viel mehr auf ihre Magie spezialisiert. Aurora war auf dem Bereich reiner magischer Fähigkeiten nämlich mehr ein Witz als alles andere, aber sie hatte es ihrer Meinung nach auch nicht direkt nötig, sich darin zu verbessern. Wenn man körperlich stark genug war, dann ließ sich das problemlos kompensieren, fand sie zumindest. Und sie hatte sicherlich mehr Ausdauer als Zero und dennoch musste sich diese durch die Wüste schleppen... sie konnte einem ja schon fast wieder Leid tun, aber eben nur fast. "Ja, nicht wahr? Ich hab auch keine Lust mehr... wenn es wenigstens irgendwas spannendes zu bestaunen gäbe, aber so... da wünscht man sich ja schon fast wieder ein paar überdimensionierte Ameisenlöwen...", antwortete sie auch ein wenig entnervt, aber versuchte den meisten Frust bei sich zu halten. Es wäre sicherlich nicht besonders produktiv, wenn man ihr ihre Unlust dermaßen anhören könnte. Wahrscheinlich würde das Zero nur noch mehr herunter ziehen und das wollte sie dann auch wieder nicht.
Als sie schließlich auf dieser Düne ankamen und Zero sie auf die Oase aufmerksam machte, war sie im ersten Moment ebenso blauäugig davon überzeugt, dass das in jedem Falle die Realität sein musste, einfach deswegen, weil sie es wahr haben wollte. Ihr Körper lechzte nach etwas Schatten und Ruhe und ein paar grüne Palmen waren sicherlich toller anzusehen als nur Sand und das die ganze Zeit in Massen. Nein, sie würde sicherlich der Pause von Zero zustimmen, war auch schon kurz davor den Mund zu öffnen oder zumindest zu nicken, als ihr Blick auf die Karte in ihren Händen fiel. Da waren Wasserstellen eingezeichnet, der Kaktus, nach dem sie suchten, befand sich ja auch bei einer solchen, aber das hieß ja… dass die wunderschöne Oase in weiter Ferne, die Zero gesichtet hatte, gar keine sein konnte! Oder aber sie war so neu, dass sie hier nicht eingezeichnet war, denn die Authentizität der Karte war ja nachgeprüft worden, falsch konnte sie nicht sein… dabei sah sie sogar relativ neu aus, fiel ihr auf, beinahe als hätte die Gruppe Männer, derer sie gewesen war, sie extra für etwas bestimmtes erstanden… oder sah sie hier wieder Hirngespinste ihrer schwach ausgeprägten Paranoia? "Ähm, Zero-san… hier ist diese Oase gar nicht drauf abgebildet… was hältst du davon?", fragte sie und drehte das Papier so, dass die Andere es sehen konnte. Ihr Finger ruhte dabei auf dem Punkt, an dem sie etwa sein sollten. Was würde Zero dazu sagen? Aurora kam gerade übrigens nicht einmal auf die Idee einer Fata Morgana, wahrscheinlich, weil die Hitze gerade schlichtweg ihr Gehirn blockierte.

Ohje… Es war kaum noch auszuhalten… Zero war so müde und durstig. Es war schrecklich heiß und überall war dieser verdammte Sand, wirklich überall! Doch nun gab es Hoffnung. Mit einem strahlenden Leuchten in den großen Augen starrte sie die vermeintliche Oase an und sabberte sich fast auf die eigenen Füße vor Freude. Sie wollte sich hinlegen, unter die schönen Palmen und den kühlen Schatten genießen, einen Schluck Wasser trinken und sich das Gesicht waschen, in dem so unglaublich viel Sand war. Nein, es ging nicht mehr nur um Wollen, denn im Gegensatz zu Aurora, war Zero körperlich absolut schwach. Sie brauchte wirklich dringend eine Pause, denn die Beine, welche vorher noch schmerzten von der Hitze und Anstrengung, spürte sie nun schon gar nicht mehr. Bei jedem Schritt wurden die Knie immer weicher und drohten einzuknicken und dem Druck des eigentlich so mageren Körpers nachzugeben. Dass Zero an ihren Grenzen eigentlich schon angekommen war, überspielte sie total unbewusst. Sie wollte keine Last für Aurora sein, denn sie wollte das Mädchen irgendwie beeindrucken und stolz machen, nur weil sie die kindliche Reika zuvor gelobt hatte. Darauf war sie so stolz, dass sie dem Mädchen mit der Augenklappe nur zu gern alles Recht machen wollte!
Wohl deswegen gab ihr Verstand ihrem Körper nach, denn sie wusste nicht, wie lang sie noch ohne eine Pause weiterkonnte. Sie war nicht stark, hatte keine Ausdauer und alles was sie vorantrieb, war der pure Wille, von dem sie doch schon viel hatte. Aber der Sand im Mund war wirklich mehr als eklig und wenn er nur dort wäre, wär das wohl ihr geringstes Problem. Auroras Antwort auf die Worte von Zero, brachten die Kleine sehr deutlich zum Schmunzeln. Damit hatte sie wohl Recht. Lieber hätte sie gegen eine Milliarde Gegner gekämpft, als in dieser Einöde nur noch blind zu laufen. Sie war grade so froh, dass Aurora die Karte hatte, denn Reika selbst hätte sich schon lang verirrt. Auf Aurora konnte man sich wirklich verlassen… Und nun hatten sie Hoffnung auf eine Pause, die so zum Greifen nah war… In dem Moment war es dem Mädchen völlig egal ob sie vielleicht vom Weg abkommen würden. Das war ziemlich untypisch für Zero, aber sie war absolut erschöpft… In dem Moment in dem sie vor sich hin lächelte, weil die Ruhe so nahe war, sprach sie allerdings Aurora an, mit ein paar Worten, die das kleine Gehirn zum Rattern brachten. Der Sand wurde aus dem Getriebe gepustet und sie sah auf die Karte, welche Aurora ihr reichte. So sehr sie an diese Oase glauben wollte… So sehr sie die Ruhe wollte… Wenn es nicht auf der Karte war, dann konnte es nicht sein oder? Diese freundlichen Männer hatten ihnen doch extra diese Karte geschenkt, dann würden sie doch so etwas Wichtiges nicht weglassen. Nachdenklich blickte sie auf die Karte und in die Richtung, die Aurora zeigte. „Das sieht nicht gut aus…“, murmelte sie und strengte ihren Kopf an. Warum sollte man ihnen eine falsche Karte geben? Aber ihre Augen würden sie doch nicht täuschen, sie sahen die Oase doch beide vor sich…! Plötzlich riss Zero die Augen auf. „Ich glaube nicht, dass es an der Karte liegt.“, begann sie zu erklären und blickte Aurora ernst an. „Wir sind beide müde, wir sehen, was wir grade unbedingt sehen wollen… Wie hieß das gleich? Fata… Fata Morgana! Ich habe gelesen, dass viele Menschen anfangen in der Wüste zu halluzinieren…“ Wenn sie an ihre Grenzen kommen. Zero wusste das es damit zusammenhing, aber sie wollte es nicht aussprechen, um Aurora nicht zu entmutigen. „Lass uns die Oase ignorieren und weiter den normalen Weg neh-!“, mitten im Wort stockte sie als sie ein genaueren Blick auf die Karte warf. „Moment!“, sagte sie und packte Aurora an der Schulter und drehte diese mit sich um. Vor den Augen der beiden Mädchen zeigte sich nun eine wirkliche Oase und inmitten dieser ein riesiges Ding. „Heißt das… Wir sind eigentlich schon da?“, sagte sie leise, obwohl klar war, dass das eine rhetorische Frage war. Immerhin konnten sie diesmal wirklich ihren Augen trauen, das verriet nicht nur die Oase vor ihren Augen, sondern auch dieser monströse Kaktus!

Und wieder hatte man so einen dieser grausam peinlichen Momente, in denen sie gut Lust dazu hatte, sich die Hand vor die Stirn zu schlagen, es aber wohlweißlich ließ, weil sie sich damit unter Umständen selbst KO hauen könnte. Das war immer das Problem, sobald man jemanden hatte, der in einem durch und durch menschlichen und somit schwachen Körper steckte, aber Kräfte besaß, die weit darüber hinaus gingen. Wie hatte sie nur nicht auf die Idee kommen können, dass es sich beidem ganzen um eine Fata Morgana handeln könnte?! Jedes Kind wusste schließlich, dass Wüsten dazu neigten, solche durch Luftspiegelungen erzeugten Wunschfantasien in den Augen der müden Verdurstenden erscheinen zu lassen... und sie war partout nicht drauf gekommen, sondern hatte sich das erst von einem kindischen Mädchen erklären lassen müssen. Echt mal, DAS war peinlich! Leichtes rot hatte sich auf ihre Wangen geschlichen, als sie statt des Facepalms nur die Hand an die Stirn legte und deprimiert seufzte. "Oops. Das habe ich wohl nicht bedacht...", meinte sie fast etwas kleinlaut, ehe sie noch einmal scharf zu der Fata Morgana hinüber sah. Und tatsächlich, wenn man mal genauer hinsah, dann bemerkte man zumindest, dass das Abbild leicht flatterte, als wäre ein Feuer davor angezündet worden. Denn so funktionierten diese Täuschungen ja auch, durch aufsteigende, heiße Luft... lange, asphaltierte Straßen, wie es sie allerdings kaum hier gab, konnten einen ähnlichen Effekt erzeugen, wenn es besonders heiß war, aber Aurora hatte einfach nicht an so etwas gedacht. Oh ja, das war wirklich arg peinlich. Zero hätte es allerdings wohl auch nicht geschafft, ihr die Hoffnung zu rauben, denn im Gegensatz zu ihr hatte Aurora noch genug Ausdauer, um den Weg zu ihrem Ziel hin und den Weg zurück zu schaffen - wahrscheinlich sogar mit Zero auf dem Rücken. Da ärgerte sie die Blamage um ein Vielfaches mehr, denn so etwas war... schwach. Sie wollte gerade noch einmal auf die Karte schauen, um sich neu zu orientieren, da packte Zero sie und drehte sie herum - und was sahen sie?!
Ein Kaktus, ein großer, metallisch glänzender Kaktus ragte aus dunklerem Untergrund auf, was vielleicht auf mehr Grundwasser hindeuten könnte und Aurora hatte das Gefühl, als würde er ihr entgegen strahlen. Das allerdings war wohl weder eine Fata Morgana noch die Realität, sondern einfach nur die Tatsache, dass sie sich so dermaßen über dieses blöde Gewächs freute, dass er für sie die Anziehungskraft eines wunderbaren Essens in ausgehungertem Zustand hatte. Oder einer Wasserquelle, wenn sie am verdursten war, je nachdem, das passte wohl gerade beinahe besser. "Joa... das sieht doch schonmal recht solide aus.", meinte sie zu Zero, während sie das grelle Licht mit der Hand über dem Auge abschirmte. "Ich habe zwar keine Ahnung, wie dieser Stahlstrüppstachelkaktus aussehen soll - dazu bin ich botanisch zu wenig bewandert - aber das da sieht dann eher nach ihm aus, als nach einem Gänseblümchen. So viel ist wohl sicher. Wenn er das ist, dann müssen wir nur noch hin, die Feige holen und dann wieder zurück!" Wenn das mal keine gute Nachricht war, wusste sie auch nicht, zumindest ihre Lebensgeister waren schon allein durch diesen Anblick gerade wieder gesprungen. Jetzt hatten sie das Ziel vor Augen, da war es schon viel leichter, sich den Anschubs zu geben, schön weiter zu laufen.
Aurora setzte sich sofort in Bewegung und stiefelte durch den Sand in Richtung des Riesengewächses, welches, je näher sie kam, immer mehr die Gestalt eines echten Kaktus verlor und stattdessen immer mehr zu einer Art Busch wurde. Dennoch konnte sie nicht behaupten, dass ihre Überzeugung, das hier müsse die richtige Pflanze sein, dadurch schrumpfte, denn anstelle von Ästen und Blättern, die man wohl an einem Busch finden würde, hatte man hier Dornen... aber was für Dornen das waren! Wenn man mal davon absah, dass das gesamte Gewächs in der Summe gut zwanzig Meter hoch und mindestens ebenso breit war, dann waren allein diese schwertartigen Auswüchse einen Blick wert. Die gesamte Pflanze glänzte metallen, als wäre sie aus Stahl, was wohl auch den Namen erklärte, zudem sie wahrlich... Furcht einflößend war. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie so ein Teil gerne als Zimmerpflanze haben wollen würde, da konnte zumindest niemand drüber lachen - ähnliche Geschichte wie das Paradoxon eines Zwerges, der Menschen die Knochen brach. Man konnte sich sicherlich böse an diesen Gestrüpp weh tun, oder?

Noch immer etwas ungläubig sah Reika in die Richtung, in die sie grade Aurora eigenhändig gedreht hatte. Sie konnte ihren Augen nicht trauen, denn wenn sie die Entfernung grade richtig einschätzte, dann musste dieses Ding vor ihren Augen riesengroß sein! Absolut baff rieb Zero sich die Augen, blinzelte ein paar Mal und sah erneut hin. Das war mit Abstand wirklich die einzige Pflanze weit und breit, die man als Kaktus hätte bezeichnen können, oder? Vor allem war sie laut Karte auch ganz genau dort gewesen, wo sie eingezeichnet war. Zero wusste doch, dass man sich auf das freundliche Geschenk der Männer verlassen konnte! Irgendwie war sie fast ein bisschen stolz auf sich, dass sie es überhaupt so weit geschafft hatte. Dass ihre Beine sie noch trugen, grenzte ohnehin an ein Wunder, oder hatte eher etwas damit zu tun, das sie vor Aurora nicht schwach wirken wollte. Vor dem anderen Mädchen, welches noch kleiner war als sie selbst, wollte sie wie eine starke, selbstsichere Magierin wirken und nicht wie das Kind, welches man üblicherweise in ihr sah. Dass sie überhaupt bis hier hin gekommen war, machte sie so glücklich, dass es sie fast zu Tränen rührte, wenn sie sich nicht krampfhaft daran erinnern würde, dass sie nicht weinen wollte, wie ein kleines Mädchen.
Als sie ihren Augen endlich glaubte, was sie da sah, und über den emotionalen Moment des endlosen Glücks hinaus war, blickte sie starr den Kaktus an und betrachtete diesen in voller Größe. Er war riesig, das war schon mal ganz sicher. Und irgendwie wirkte er total metallen, was der Name ja eigentlich schon verraten hatte. Wieso war sie darauf nicht schon zuvor gekommen? Das helle Licht der Sonne wurde von dem Kaktus reflektiert und blendete Reika, doch das war im Moment sogar ziemlich egal. „Ja du hast Recht, wir sollten uns beeilen!“, sagte Reika glücklich auf die Worte ihrer Begleiterin hin. Sie war auch sehr sicher, dass diese der Kaktus sein musste, nachdem sie suchten. Nun war sie wieder motiviert und wollte alles tun, um das so schnell und gut wie möglich hinter sich zu bringen. Nicht etwa, dass es ihr darum ging schnell fertig zu werden, aber ihrem Körper setzten die Umstände ganz schön zu und das wurde ihr zunehmend klarer. Als die beiden sich wieder in Bewegung setzten, musste Reika immer mehr aufpassen nicht zu stolpern. Ihre Füße versanken immer tiefer im Sand und sie musste sich wirklich bemühen das Tempo zu halten. Es war nicht nur schwierig, es schmerzte mittlerweile auch, aber sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, denn Aurora beklagte sich auch nicht!
Nach einem ganzen Stück Weg, welches Zero wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen war, standen sie nun näher am Kaktus und ja, je näher sie gekommen waren, desto klarer wurde, wie groß es tatsächlich war. Reika musste den Kopf in den Nacken legen, um auch nur die Spitze erkennen zu können. „Das Ding… ist unglaublich.“, erkannte Zero, wobei ganz eindeutig zu hören war, dass sie ziemlich außer Atem war. Doch wo sie es eben noch als ein unglaubliches Wunder der Natur angesehen hatte, veränderte sich das Bild ganz schnell wieder, als sie es genauer unter die Lupe nahm und ihr Herz fast einen Moment lang aussetzte. Der eben noch so begeisterte Blick wich einem schockierten und sie wusste nicht mehr was sie sagen sollte. Ja, Aurora hatte wohl Recht: Das Ding hatte nicht nur Stacheln, nein, diese Stacheln waren tödlich. Reika schluckte, als sie aufblickte und die herunterhängenden Knochen zwischen den Stacheln sah. Zerfetzte Kleidung und Knochen, welche mehr als eindeutig von Menschen stammten. Nachdem sie den Schockmoment überstanden hatte, presste sie die Hände vor ihre Augen. Das konnte nicht sein… Wieso hingen da so viele Tote zwischen den Stacheln? Natürlich handelte es sich dabei um Menschen, das war eindeutig am Körperbau zu erkennen, aber warum waren es so viele? Und sie alle schienen dort schon Ewigkeiten zu hängen, denn es waren wirklich nur noch die Knochen, welche auf ihren Verbleib hindeuteten… An diesem komischen Stahlkaktus musste unglaublich viel Blut kleben… Fast wurde Zero etwas übel bei dem Gedanken daran, dass auch sie dort… Sie wollte es gar nicht zu Ende denken. Während Aurora so begeistert davon war, dass sie es sich in die Wohnung stellen wollte, blickte Zero zwischen den Spalten zwischen ihren Fingern hervor und sagte leise: „Das ist schrecklich… W-Was meinst du… Wo wir die Feige finden?“ Sie schluckte und nahm die Hände weiter runter vor ihren Mund, bevor sie eindeutig verängstigt sagte: „Bitte beeilen wir uns, ich will hier wieder weg. Okay?“ Das arme kleine Ding war einen solchen Anblick nicht gewohnt. Zu Hause in Hosenka gab es solche schrecklichen Dinge eben nie…

Ja, richtig. Aurora hatte deutlich Gefallen an dieser Pflanze gefunden, der auch erst recht nicht abriss, als sie bemerkte, dass da die Überbleibsel von einigen verunglückten Menschen in den Stacheln hingen. Im Gegensatz zu Zero machte ihr das keine Angst, denn warum sollte sie Angst vor ein paar Knochen haben, sondern ließ sie nur lächeln. Sie hatte ja schon irgendwie eine Schwäche für gefährliche Dinge, seien es Menschen, Pflanzen, Tiere oder Waffen und dieser Kaktus schien ja für manche Deppen sogar tödlich gewesen zu sein. Auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, wie jemand so blöd sein konnte, sich an diese Stacheln aufzuspießen, ein paar Genies hatten es geschafft und sich damit in der Trophäensammlung der Pflanze verewigt, die Zero wohl recht abstoßend fand. Aber das war nicht bei Aurora so, nicht nur hatte sie eine Resistenz gegen Leichen und tote Menschen entwickelt, weil ihr Vater sicherlich nicht einer der zimperlichsten Menschen war, was das anging, sondern hatte auch selbst schon die ein oder andere davon produziert, sodass sie diese skelettierten Exmenschen eher mit Verachtung strafte und den Kaktus weiter anhimmelte. Apropos Himmel - bis dahin reichte er auch und warf deswegen einen angenehmen Schatten, in den das lilahaarige Mädchen auch sofort trat. Es tat gut, mal von den anstrengenden Strahlen der Sonne weg zu kommen und auch, wenn sie noch lange nicht müde war, so war es dennoch entspannend. Zero hingegen wirkte geradezu vollkommen fertig, nicht nur schnaufte sie bereits, als sei sie einen halben Marathon gerannt, auch der Anblick der Knochen war wohl nicht so ihres. Aurora hatte nichts anderes erwartet, wenn man sich rein auf seine Magie verließ, dann war man körperlich meistens ein wenig schwächer oder wie Zero scheinbar unter aller Sau und so eine Wüstenwanderung war sicherlich auch nicht allzu leicht. Sie könnte sie ja auf dem Rückweg tragen, wenns dann schneller zurück ging, denn wenn sie erst einmal Gas gab, dann würde die stundenlange Wanderung sicherlich um einiges abgekürzt werden. Und Zero wog sicherlich nicht so viel, dass sie sie nicht hochbekam, immerhin konnte sie mit ein bisschen Aufwand massives Holz schlichtweg durchschlagen. Aber immerhin schien sie zu versuchen, sich das nicht anmerken zu lassen, anstatt zu heulen oder ähnliches zu tun, das war mal etwas gutes. Außerdem hatten sie den Kaktus ja nun gefunden, dann konnte es nicht mehr allzu lange dauern. "Findest du? Ich muss sagen, eigentlich hat diese Pflanze doch was. Ich glaub, diese Dornen könnte man als Lanzen verwenden.", meinte sie stirnrunzelnd und tippte einen mit der Fingerspitze an. Wie zu erwarten waren sie ganz schön hart, spitz natürlich auch und gefielen ihr recht gut. "Was ich mich frage ist aber eher, wie viel die so aushalten...", murmelte sie und streckte die Hand zur Seite, in der sich kurz darauf ein Schwert materialisierte, mit dem sie ausholte und mit aller Kraft gegen den metallisch glänzenden Auswuchs hieb. Die Waffe blieb stecken, nachdem sie gut die Hälfte des Dorns durchdrungen hatte, also war auch das Material der Pflanze ausreichend stabil. Nun ja, aber das ließ sich sicherlich irgendwie umgehen, schließlich hatte sie ja nicht nur Waffen, sondern auch Rüstungen... die Frage war aber tatsächlich, wo an diesem Teil die Feigen überhaupt waren!
Neugierig ließ sie den Blick über die vielen, stabilen Dornen wandern, bis ihr Auge schließlich einen farbigen Fleck inmitten des eintönigen Graus entdeckte: Von roter Fruchtigkeit triefend, hingen die Früchte des Kaktus mehrere Meter über dem Boden, von den Dornen geschützt, an der Außenwand der Pflanze. Aber auch das sah sie nicht als Problem an, das würde sie dann wohl erledigen. "Guck mal, Zero-san, da oben!", meinte sie mit ausgestrecktem Zeigefinger und fügte sofort hinzu: "Ich würde sagen, dass ich das mache, ich kann mich gegen die Dornen panzern und du könntest dich im Schatten etwas ausruhen. Ein bisschen Ruhe tut dir sicherlich gut." Sie lächelte und ließ die metallene Rüstung um ihren Körper herum erscheinen, ehe sie damit begann, sich an den Stacheln hochzuziehen. Wenn sie einen Schlag von ihr so locker wegstecken konnten, dann würden sie ihr geringes Gewicht sicher locker aushalten.

Noch immer konnte das zierliche Mädchen mit den langen dunklen Haaren nicht fassen, was sie da vor sich sah. Dieser Kaktus an sich war ja schon monströs, aber bisher hatte er sie nicht besonders interessiert, da es sicher nicht der Schönste war, aber es sicher noch hässlichere Dinge gab. Das war es allerdings eben nicht, was sie störte, denn dieser Kaktus war nicht nur irgendwie abstoßend hässlich, nein er war eben doch kein Wunder der Natur, wie sie zuerst angenommen hatte, viel mehr handelte es sich hierbei um ein tödliches Monster. Es war ziemlich deutlich, dass Aurora und Zero nicht die ersten Menschen waren, die ihren Weg hierher gefunden hatten. Und nun wurde dem zierlichen Mädchen auch zunehmend klarer, dass es nicht nur die Freundlichkeit war, welche die Leute in der Nähe des Bahnhofes dazu verleitet hatte, ihnen die Karte auszuhändigen. Sicher waren sie davon ausgegangen, dass die Mädchen es nicht einmal so weit schafften, was bei Zero auch schon ziemlich so weit war, aber der Kaktus machte noch einmal deutlich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie lebend hier wieder herausfanden, eher gering war. Deswegen prügelte man sicher nicht um diese Karte… Die vielen Toten hier waren ein eindeutiges Zeichen dafür, dass man lieber nicht seinen Weg hierher finden sollte. Reika ekelte sich ziemlich vor diesem Anblick, weswegen sie auch so schnell wie möglich von ihr verschwinden wollte. Doch es half alles nichts, kein Ekel und kein Gejammer. Sie mussten diese Feige holen, um ihre Quest erfolgreich abzuschließen. Und wenn sie es schon bis hierher geschafft hatten, dann würden sie dieses Ding auch noch holen. Nur wo an diesem Kaktus würde man eine Feige wohl finden? So wie es aussah, hatten die Verstorbenen versucht hinaufzuklettern und waren daran gescheitert. Entweder dieses Ding befand sich irgendwo am Kaktus, oder wie es in solchen Fällen meist war, an der Spitze. Reika konnte diese aber nicht mal erkennen, egal wie sehr sie den Kopf gen Himmel reckte. Und selbst das war unangenehm bei dieser Hitze… Nun sah auch Zero den Schatten vor sich und freute sich schon wieder etwas, als sie in diesen trat und etwas verschnaufte. Das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, dass sie sich etwas besser fühlte, als in dieser brennenden Hitze…
Dass Aurora scheinbar richtig begeistert von dieser Pflanze war, konnte das zierliche Mädchen nicht nachvollziehen. Aber sie verurteilte sie dafür keinesfalls. Wenn ihr das gefiel, als Kriegerin, dann musste das wohl irgendwie zu ihr passen, aber Reika selbst fand das ziemlich hässlich. Aber da zeigte sich wieder der Kämpfergeist von Aurora, sie dachte bei den Dornen sofort an Lanzen oder Waffen, auch wenn das früher oder später Mordwaffen waren, war das doch irgendwie beeindruckend. Neugierig beobachtete sie, wie Aurora das Schwert hervorholte, was der Art wie Zero ihre Waffen beschwor, doch sehr ähnlich war. Als sie sah, dass nicht einmal das Schwert von Aurora die Dornen zerstören konnte, erschrak sie das schon irgendwie. Denn Aurora war so ziemlich die stärkste Kämpferin, die sie bisher gesehen hatte… Das sorgte das kleine Mädchen dann doch sehr, denn der Gedanke daran, dass diese Dornen nicht einmal vor jemandem wie Aurora Halt machten, war schon sehr gruselig. Was wenn sie?... Ohje, den Gedanken wollte sie nicht einmal zu Ende führen… Gut dass Aurora sie aus den Gedanken riss, als sie diese aufforderte nach oben zu blicken. Sie musste einen Moment lang suchen, doch dann sah auch sie die roten Früchte und musste etwas lächeln. Das war also das Ziel der gemeinsamen Reise! Als sie jedoch erklärte, dass sie allein dort hoch gehen würde, blickte Zero einen Moment besorgt. Doch dann rüstete das Mädchen sich mit der schweren Rüstung aus und sie nickte zustimmend. „Pass auf dich auf, Aurora-san!“, sagte sie dann und blickte wieder hoch zu den Früchten. Aurora würde das sicher schaffen. Aufmerksam beobachtete sie, wie das Mädchen begann sich an den Stacheln hochzuziehen. Hoffentlich rutschte sie nicht ab, vor allem nicht in der Höhe, denn wer weiß wie tief ein solcher Fall sein durfte, sodass diese Rüstung sie schützte… Sie stand im Schatten und sah nach oben, doch nach einer Weile ließ sie sich einfach mit dem Hintern in den Sand fallen und beobachtete sie. Wenn sie nur mehr tun könnte, als hier rum zu sitzen… Zero war eben doch eine Null, wenn es drauf ankam…
Sie verschnaufte leise, als sie dann doch ein leises Geräusch von ihren Beobachtungen ablenkte. Im Sand hörte man nicht Vieles und vor allem nicht, wenn jemand an einen herantrat. Das was sie hörte, waren jedoch keine Schritte. Es war ein Knurren, und nicht etwa das hungrige Knurren eines Magens, nein es klang viel mehr nach einem Tier. Erschrocken blickte sie auf, als sie ein viel hässlicheres Geräusch hörte, welche ihre Besucher deutlicher identifizierte. Nur Hyänen machten solch abartige Geräusche… Es war außerdem eine ganze Menge von ihnen, Reika hätte nicht gedacht, dass diese Tiere in so großen Verbänden auftraten. Acht Tiere standen vor ihr und sahen sie an, als wäre sie ein Hähnchenschenkel… Also war es doch eher ein Magenknurren, nicht? Doch von so etwas ließ sie sich nicht klein kriegen. Sofort zauberte das Mädchen, im wahrsten Sinne des Wortes eine Waffe hervor und setzte sich in Bewegung. Nur gut, dass der Schatten so groß war, dass sie darin umherlaufen konnte. Denn stehenbleiben und auf die Angreifer warten, war nicht unbedingt gewinnbringend… Also lief sie los und bereitete ihre Waffen auf die erforderlichen Schüsse vor… Sie schaffte es sogar sehr schnell, trotzdem sie im Sand rennend ihre Schwierigkeiten hatte, fünf von den Biestern mit gezielten Schüsse auszuschalten, doch nun war sie außer Atem… Und eigentlich wollte sie nicht so viel töten, aber wenn es auf ihr Leben ankam, hatte sie wohl keine Wahl. Völlig außer Atem blieb sie stehe und betrachtete die drei kampfwilligen, übrig gebliebenen Tiere. Da entdeckte sie einen der niedriger hängenden Stacheln des Kaktus… Viel Mana hatte sie nicht mehr zur Verfügung… Die Sonne brannte, trotz des Schattens, auf ihrer Haut und die Hyänen wollten sich einfach nicht zurückziehen, was die merkwürdigen Geräusche deutlich machten. Sie musste es tun… So rannte sie auf den Stachel zu, blieb davor stehen und wartete ab. Bis eine der Hyänen auf sie zu sprintete und sie sich mit einem Sprung zur Seite rettete… Nun lag sie im Sand und die Hyäne war aufgespießt worden, was durch einen kläglichen Schmerzensschrei des Tiers ziemlich deutlich geworden war. Hinsehen wollte sie nicht… Als sie aufblickte erkannte sie die anderen beiden Hyänen, welche Zero hungrig anstarrten, doch dann schien ihnen der Hunger, sozusagen, zu vergehen, als Reika den Arm anhob und bedrohlich auf sie richtete. Dass ihr Mana kaum noch reichte, wussten die Tiere ja nicht… Und so rannten diese panisch von dannen… Erleichtert atmete das Mädchen durch und richtete sich wieder auf, während sie den Sand von sich abzuklopfen versuchte… Ein Blick nach oben verriet, dass sie nicht mehr wusste wo Aurora war… Ob sie das überhaupt mitbekommen hatte? Und wie es ihr wohl ging? Hoffentlich kam sie bald da runter… Zero war nun noch erschöpfter als zuvor… Nichts da mit ausruhen… Sie seufzte und ließ sich wieder auf dem Rücken in den Sand fallen. Zero war absolut erschöpft, aber immerhin waren diese Biester weg…

So eine schwere Metallrüstung, wie Aurora sie momentan trug, hatte sicherlich ihre Vor-, aber auch ihre Nachteile, das konnte man nicht verleugnen. Die Vorteile waren sehr schnell beschrieben, da gegen das schwere Metall selbst die Dornen des Kaktus machtlos waren, ebenso sehr, wie Aurora sie nicht mit einem Schlag hatte zerstören können. Sie war in ihrem Panzer ziemlich gut geschützt und musste sich kaum Sorgen darum machen, dass vielleicht etwas passieren könnte, wenn sie zufällig dumm fiel. Natürlich war dieses Monstergewächs ziemlich hoch, aber sie fühlte sich in ihrer Rüstung dennoch vor den meisten Unfällen gefeit, auch wenn es ziemlich weh tun würde, wenn sie abrutschen würde. Die Nachteile der Rüstung waren auch recht einfach zu erklären: Zu erst einmal war dieses Metallgewand verdammt schwer und hätte Zero es angehabt, dann wäre sie nun wahrscheinlich schon an der alleinigen Belastung verstorben. Das war aber weniger Auroras Problem, da das Mädchen ja eine relativ große Körperkraft besaß und das somit kompensieren konnte. Der für sie viel eklatantere Nachteil war, dass der Metallkorpus in der direkten Sonneneinstrahlung in etwa den Charme eines Hochofens besaß. Ihr war schon nach den ersten Metern so verdammt heiß, dass sie nicht übel Lust hatte, die Rüstung gleich wieder auszuziehen und es drauf ankommen zu lassen, ob sie diese Klettertour überlebte. Aber ihr logisches Denken setzte nach einer Weile doch wieder ein, welches ihr eindeutig kommunizierte, dass sie das gefälligst auszuhalten habe, weil sie sich ansonsten böse auf die Fresse legen würde, sodass sie nur seufzte und sich weiter hoch zog. Die Stacheln würden sie schon halten, denn wenn sie sie nicht einmal mit einem Schwert durchbekam, dann würden sie sicherlich das Gewicht des Mädchens samt Rüstung locker tragen können und stark genug, sich selbst hochzuziehen, war sie auch, sodass ihr das Geklettere höchstens aufgrund der Hitze lästig war, nicht aber, weil es zu anstrengend gewesen wäre. Den Angriff der Hyänen auf Zero bekam sie sogar mit und stoppte kurz, aber als sie sah, dass das Mädchen es irgendwie in den Griff bekam, kletterte sie lieber weiter, da es wahrscheinlich klüger wäre, einfach schnell aus dieser Hitze herauszukommen. Das würde die andere Magierin sicherlich auch so sehen, zumal der Kaktus einem aufmerksamen Wesen wie Zero ja sogar noch Schutz bieten konnte, während eine der Hyänen sich voller Vorfreude auf das saftige Mittagessen selbst aufspießte. Aurora musste grinsen, als sie das sah und andres als Zero wandte sie den Blick auch nicht ab, sondern genoss den Anblick, der sich ihr bot, sogar eine Sekunde, ehe sie sich weiter hochzog und nunmehr in Griffweite der Feigen war. "Zero-san? Ich werfe dir die Feigen runter, okay?", rief sie, ehe sie die behandschuhte Hand ausstreckte und nach den feist-roten Früchten griff, sie packte und den Klauen der Pflanze entriss. Anschließend blickte sie nach unten und ließ sie nahe am Stamm des Kaktus fallen, um sich anschließend an den Abstieg zu wagen. Schritt für Schritt herunter, bis sie die letzten gut zwei Meter schließlich sprang, weil es ihr zu doof wurde. Mit einem lauten Aufatmen ließ sie die Rüstung verschwinden und stellte fest, dass sie vollkommen durchgeschwitzt war… na toll. "Ich klettere nie wieder in dieser Rüstung, das ist ja ätzend…", murmelte sie, ehe sie sich zu Zero aufmachte, das Auge stets auf die Stacheln gerichtet, damit sie sich nicht noch im Endspurt aufspießte… wäre ja eher suboptimal. Als sie wieder neben dem nun schon deutlich fertigen Mädchen stand, lächelte sie und meinte aufmunternd: „Jetzt sind wir doch schon fertig, Zero-san, auf nach Hause!" Würden noch einmal Hyänen auf so eine blöde Idee kommen, würde Aurora ihnen das Fell dermaßen über die Ohren ziehen, dass sie sich ein Kleidungsstück draus machen könnte – im wörtlichen Sinne.

Müde sah Reika nach oben auf die höhere Ebene des Kaktus. Sie war total erschöpft und am liebsten wäre sie jetzt grade wieder zu Hause, in einer angenehm warmen Badewanne, oder vielleicht auch in ihrem kuschligen Bett. Ein bisschen Entspannung würde ihr nun gut tun, denn die Hitze, Trockenheit und auch die restlichen Umstände machten das alles hier wirklich anstrengend. Nach diesen Strapazen brauchte Zero sicher ein paar Tage Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Eines war definitiv sicher: Sie brauchte nach dem Aufenthalt in der Wüste wirklich ganz dringend eine Dusche, denn sie schwitze nicht nur so unheimlich viel, dass sie sich wunderte überhaupt noch Wasser im Körper zu haben, sondern hatte auch noch immer an jeder nur erdenklichen Körperstelle Sand. Es war kaum vorstellbar und dementsprechend natürlich auch absolut unangenehm. Vielleicht brachte sie ja für die Nachbarskinder einen ganzen eigenen Buddelkasten direkt aus der Wüste mit, aber hoffentlich ohne deren krabblige und kriechende Bewohner...
Erschöpft suchte sie den Mordskaktus nach ihrer Begleiterin ab, denn schon seit einer Weile hatte sie diese nicht mehr gesehen. Auf diesem riesigen Ding einen einzigen Menschen wiederzufinden, war auch ein bisschen schwierig, das musste man dem Mädchen schon eingestehen. Sicher war jedoch, dass Aurora nicht gefallen war, denn das hätte sie ganz bestimmt auch trotz der Hyänen gehört. Vor allem bei Auroras Rüstung war das sicher nicht zu überhören. Erst als diese sich nun auch durch ihre Worte bemerkbar machte, erkannte Zero sie und erkannte, dass sie ziemlich weit oben angekommen war. Ob Zero jemals so hoch gekommen wäre? Viel Kraft in den Armen hatte sie nicht und auch die Tatsache, dass die Dornen auch sie sicher locker getragen hatte, änderte da nicht allzu viel. So hoch wäre sie sicher nicht gekommen, wenn sie überhaupt daran hoch hätte klettern können und vor allem nicht mit dieser Rüstung. Die sah nicht nur unbequem und schwer aus, sondern war in der Hitze sicher nicht grade angenehm warm. Es brauchte sicher einiges an Kraft, um sich darin überhaupt zu bewegen, ohne grazil wie eine Mülltonne zu sein. Aurora war wirklich erstaunlich... Als sie ihr zurief, dass sie die Feige fangen sollte, nickte sie sicher und stellte sich bereit mit offenen Armen hin. Nun hatte Aurora sie wieder motiviert, auch wenn ihr alles weh tat und sie erschöpft war. Für das Mädchen wollte sie ihr bestes geben! Allerdings hatte sie dennoch die ein oder andere Sorge. Sie war kein guter Fänger, aber Gott sei Dank war das Ding groß genug, sodass auch sie es irgendwie schaffte. Begeistert sah sie die rote Frucht an. Dass so etwas Schönes von dem Ding kam, grenzte an ein Wunder. Aber es gibt immer eine Schattenseite und hier war es nicht die Frucht. Nun hatten sie ihr Ziel erreicht und sie mussten eigentlich nur noch wieder heil zurückkommen. Also wartete sie nun darauf, dass Aurora dort oben fertig war und wieder zu ihr herunter kam. Der Abstieg wurde von Reika genaustens unter die Lupe genommen und sie war wieder neidisch, dass sie sich nicht so bewegen konnte, wie die Kriegerin. Natürlich war sie begeistert davon, dass Aurora sogar runterspringen konnte, was ihr Gesicht auch zeigte. Sie schwärmte sie quasi schon an! Als sie sagte, das Aurora in dieser Rüstung nicht nochmal klettern wollte, lacht Reika amüsiert. Das konnte sie sich vorstellen, also war es auch für das Mädchen nicht immer so einfach. Nun war sie wieder etwas lockerer, da sie, wie Aurora schon sagte, nur noch den Heimweg vor sich hatten... Fast hatten sie die Quest geschafft und zwar sogar erfolgreich!
Oder zumindest dachten sie das bisher. Nur noch nach Hause und dann entspannen, das wollte Reika grade wirklich gern. Während Zero grade hoffte, dass Aurora und ihr die Hyänen nicht wieder begegneten, war es dann doch etwas anderes, das sie ereilte... Grade waren sie auf dem Rückweg, als Zero mit einem Lächeln auf den Lippen einige alte Bekannte erspähte. In dem Moment, als sie Aurora auf die netten Herren hinweisen wollte, welche ihnen die Karte gegeben hatten, doch dann waren plötzlich ein paar mehr als schmutzige Wörter zu hören. Dabei hatte sie sich im ersten Moment richtig darüber gefreut, dass sie sich noch einmal bei ihnen hätte bedanken können. Doch die gaben Worte von sich, die sie nicht hören wollte. Wurde Zeit, dass sie sich die Ohren mit Seife auswusch... Das hatte sie aber nicht von den netten Männern erwartet! Doch bei genauerem hinhören, erkannte sie, dass sie von den beiden Mädchen sprachen. Warum waren sie denn nun so? Zuvor waren sie doch so nett zu Zero und Aurora gewesen und hatten ihnen sogar ohne lang zu überlegen die Karte übergeben. Empört sah sie zu Aurora, als die Männer schon Waffen zogen, um sie zu attackieren. Zero schien nicht besonders schnell zu schalten, als die Männer sich schon vorbereiteten. Und Reika? Die stand ungläubig da und konnte in ihrer Naivität nicht fassen, was hier geschah... Sie war erstarrt und wurde attackiert, wobei sie sich an die Feige klammerte... Und nun?

Niemand hatte je geleugnet, dass Aurora Ilia ein von Natur aus recht misstrauischer Mensch war, denn das wäre absolut gelogen gewesen. Auch wenn man bei ihr noch lange nicht von Paranoia sprechen konnte, weil sie für eine solche Angst dann vielleicht doch zu selbstsicher war, so war sie niemand, der blauäugig und naiv in eine Falle lief und was sie schon einmal gar nicht tat, war, einfach so fremden Menschen zu vertrauen, Männern schon einmal gar nicht. Somit hatte sie den ach so freundlichen Herren, die ihnen bei Ankunft in der Wüste die Karte ausgehändigt hatten - einfach so und im Wissen darüber, sie vielleicht nie wieder zu bekommen - schon von Anfang an misstraut, da sie nicht wirklich an das Gute im Menschen glaubte. Sie war ja nun einmal unter Menschen aufgewachsen, die logen, betrogen und sich prügelten, da nahm man vor allem mit, dass das alles nur halb so schlimm war und natürlich, dass man jemandem nicht sofort trauen durfte. Selbst Zero dürfte man rein theoretisch nicht trauen, aber... na ja, das Mädchen wirkte nicht so, als habe sie demnächst vor, Aurora anzugreifen. Ganz anders übrigens als eben jene Herren, die ihnen die Karte geschenkt hatten. Die standen nun nämlich in einiger Entfernung und machten deutlich, dass sie nicht vorhatten, sie auf Händen zum Bahnhof zurück zu tragen. Es machte viel eher den Eindruck, als wären sie hinter dem her, das Zero in ihren kleinen Händen trug - die rote Frucht nämlich, welche die beiden Magier noch vor kurzer Zeit von der Riesenpflanze herunter gepflückt hatten. Während die Andere offenbar an der Enttäuschung ihrer Naivität stockte und nicht genau wusste, wie sie handeln sollte, ging ein so helles Licht in Auroras Kopf an, dass es schon ein Wunder war, das man es nicht von außen sehen konnte. Von dieser Perspektive aus konnte man vielleicht nur das böse Funkeln in dem violetten Auge sehen, welches ankündigte, dass diese Männer gerade einen großen, fatalen Fehler machten und ihn wahrscheinlich bitter bereuen würden. Nun war ja wohl mehr als klar, was diese Kerle geritten hatte, ihnen die Karte zu geben: Auch sie hatten vor, an diese seltene Feige zu kommen, aber wussten um die Gefährlichkeit der Pflanze Bescheid. Da kamen ihnen zwei scheinbar schwache junge Mädchen doch recht, die genau dasselbe Ziel hatten, die konnte man doch prima als Vorhut nutzen, wenn die starben war es ja nicht schlimm! Na ja, war ja rein theoretisch richtig und Aurora machte es ihnen auch sicherlich nicht zum Vorwurf, dass sie so gedacht hatten, aber was ihr dabei ein wenig quer kam, waren zwei Tatsachen: Nummer eins: Sie blockierten ihre Quest und sie hatte gerade keine Lust, sich noch weiter aufhalten zu lassen. Es war heiß, sandig und deutlich zu trocken für einen netten Plausch unter drei Augen, ihre Motivation, nicht sofort nach Hause zu kommen, war entsprechend gering. Nummer zwei: Sie hatten sie, Aurora Ilia, Tochter von Enea Ilia, einem der gefürchtetsten Schwarzmagier des ganzen Landes, für ein kleines, schwaches Mädchen gehalten, das man mal so eben überwältigen konnte, nachdem sie die Feige apportiert hatte? Das wiederum nahm sie ihnen mehr als übel, das war eine tätliche Beleidigung! "Keine Sorge, Zero-san... denen reißen wir gepflegt das Popöchen auf.", grinste sie, ehe sie einen ungefähr zwanzig Zentimeter langen Gegenstand in ihre Hand beschwor, der ein wenig Ähnlichkeit zu einer überdimensionalen Gabel hatte. Das würde zumindest jemand denken, der keinerlei Ahnung von Waffen hatte, denn in Wahrheit war das natürlich ein Dreizack, der sicherlich einigen anderen Menschen einen kalten Schauer über den Rücken laufen lassen würde. Dieses Teil vertrug sich nämlich bekannterweise ziemlich schlecht mit gewissen typisch männlichen Schwachstellen, wie man in der Vergangenheit hatte bemerken müssen - und diese Räuber waren allesamt Männer. Na ja, man musste sie ja nicht gleich kastrieren, weswegen sie dem Mutigsten der Kerle - zumindest war es der erste, der ankam - nur den Stab zwischen die Beine rammte, sich aber nicht mit ihm aufhielt, sondern dem zweiten auch gleich den Dreizack vor die Brust schlug, allerdings immer nur mit nicht scharfen oder spitzen Stellen. Das tat sie sicherlich nicht, weil sie Probleme damit hatte, andere zu töten, aber Zero hatte bereits beim Kaktus so gewirkt, als habe sie damit Probleme, da musste sie ihr nun nicht noch ein wunderschön blutiges Massaker liefern. Also hielt sie sogar nach dem dritten Niedergeschlagenen an und stützte sich lässig auf die Waffe, um den verbliebenen zuzulächeln und mit zuckersüßer Stimme zu fragen: "Nachschlag, die Herren? Oder wollen Sie sich nun nicht lieber schleunigst verziehen?" Es war schlussendlich wohl vor allem das Stöhnen des Mannes, der sich, die Beine zusammen gepresst und einen arg wehleidigen Blick auf dem Gesicht unter Tränen, den Schritt hielt und dabei am Boden lag, welches die Räuber doch recht schnell zur Einsicht brachte. Jedenfalls, wenn man aus der Geschwindigkeit ihres Abzuges Schlüsse ziehen durfte. "So... kannst du noch Zero-san?", fragte sie schließlich, während sie den Dreizack, den sie unterwegs ausgefahren hatte, wieder zusammen surren ließ, "Oder soll ich dich tragen? Dann sind wir hier deutlich schneller wieder raus...".