Wie hoch war denn die Wahrscheinlichkeit, dass Seraphim sich weg bewegen würde, wenn die Konsequenz aus dem Stehenbleiben war, dass er dem Rothaarigen auf sehr angenehme Art und Weise nahe kam? Ein schnell wieder verschwundenes Lächeln war über seine Lippen geblitzt, als Souta etwas von einem heißen Bad gesagt hatte, weil er sich dabei offenbar eingeschlossen hatte, obwohl er doch eine Verabredung hatte. Er würde jetzt nicht so dumm sein und ihm davon berichten, dass er eigentlich vergeben war, denn es war ja nicht das Bad, was ihn lockte, sondern eher die Temperaturbeschreibung - und seine Begleitung. Wenn er alleine war, machten Bäder bekanntlich keinen Spaß, was auch ein Grund dafür war, dass er Zuhause nur eine Dusche hatte, aber zu zweit... war das doch gleich etwas anderes. Er war zwar kein großer Fan von Schaumbädern, aber wenn Souta mit inbegriffen war, würde er noch alles tun, selbst wenn er es nicht mochte. In diesem Falle war es eher mangelnde Begeisterung, weil er sich nicht vorstellen konnte, das irgendjemand solche Bäder hassen konnte, aber der Rothaarige ließ diese nebensächlichen Dinge sowieso aus seinem Kopf verschwinden. In diesem Falle war es ein Glück, dass es so nass und kalt und ekelig draußen war, denn sonst wäre es durchaus möglich gewesen, dass er sich vielleicht einen Sichtschutz hätte besorgen müssen. Da allerdings sowieso niemand auf sie achtete und er fror, ergaben sich für ihn zumindest keine unangenehmen Konsequenzen. Souta machte es ihm allerdings reichlich schwer, denn auch wenn er ziemlich auf seine Arbeit konzentriert schien, so zündete es die Fantasie des Weißhaarigen praktisch an, wie er da unten auf dem Boden hockte... und er verfluchte KnackiMcStockpo zum ungefähr hundertsten Mal nur wegen dieser einen Sache. Warum hatte diese alte Hexe nur meinen müssen, es wäre in Ordnung, sich einfach so in seine Angelegenheiten zu mischen - und warum hatte sie so ein grausam präzises Timing dabei gehabt? Waren es ihre altjüngferlichen Sinne gewesen, die ihr gesteckt hatten, dass er so knapp davor war, an etwas zu kommen, was er schon länger suchte? Oder war es einfach die schiere Bösartigkeit in dem schildkrötenartigen Gesicht gewesen, die sie unterbrochen hatte? Es war müßig, darüber Theorien aufzustellen, denn er hoffte, diese Frau niemals wieder zu sehen - und weil das hier nicht ansatzweise mit der Situation auf dem Schiff vergleichbar war, immerhin nagelte Souta gerade Bretter aneinander. Natürlich hätte man darüber nun auch Witze reißen können, aber dazu hatte er gerade ebenso wenig Lust, wie zur Seite zu treten. "Hier oben müssen noch ein paar Nägel rein~", flötete er deswegen ganz unschuldig und nickte mit dem Kopf zu der Stelle, die er meinte. Nun war es an dem Kettenmagier, den Wellenbrecher fertig zu stellen, während er sich bereits sehr offenkundig nach Seilen umsah, mit denen er das Ding an sich befestigen konnte. Er mochte es heben können, wenn er flog, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er es einfach per Hand tragen konnte. Das waren immerhin zwei verschiedene Dinge und wenn er versuchen würde, dieses massive Holzkonstrukt festzuhalten, würde er sicherlich noch mindestens einen Einwohner dieser Stadt damit erschlagen. Da das Abzüge in der B-Note geben würde, musste er sich eben anders helfen... "Während ich den Wellenbrecher anbringe, kannst du dann schon beginnen, nach Leuten zu suchen, die so blöd sind, während dieses Unwetters weit genug Richtung Hafen zu spazieren. Diese sollte man besser evakuieren, denn du weißt ja wie das ist... man muss immerhin dafür sorgen, dass die Zivilisten in Ordnung bleiben." Vielleicht passierte sogar das unglaubliche und er traf seine Mutter dabei - dann würde er ihr nicht mehr ausweichen können, wenn er sie nicht in den Tod rennen lassen wollte. Das wiederum erwartete der Weißhaarige nicht und deswegen wäre es vielleicht eine interessante Idee, deren Ausführung allerdings weit außerhalb seiner Einflussnahme lag. Mit leicht lauerndem Ausdruck blickte er auf den roten Schopf unter sich - wollte dieser sich wohl nun erheben?

Souta, der, unschuldig, wie er nun einmal war, natürlich nichts über die verborgenen Gedanken und die Vorteile des kalten Wetters wusste, die momentan in einem Gehirn unter weißen Fluffhaaren rotierten, nagelte einfach ein Brett an einen Rahmen und lauschte dabei dem auf die Fabrikhalle klopfenden Regen, dem Geschnatter der übrigen Arbeiter und Seraphims Stimme, während sein Rücken hin und wieder das Kinn hinter ihm streifte, weil er sich in der Hocke umjustierte oder einen Nagel aus seiner Hand nahm. Als das Ganze auf der Unterseite letztendlich einigermaßen fest verankert zu sein schien – es rührte sich nicht, als er daran rüttelte, das war ein gutes Zeichen, schnappte er sich ein paar zusätzliche Nägel und schaute kurz nach oben, ehe er sich erhob, damit er dem Älteren nicht aus Versehen mit dem Kopf die Nase brach. Selbstverständlich wurde es nun ziemlich eng an diesem Rahmen, und es gefiel Souta auch nicht unbedingt, dass Seraphim spätestens als er selbst Hand anlegte und seinen Nagel festhielt, eine Hand frei hatte, aber dagegen konnte man momentan nichts tun, weswegen er auch davon absah, sich zu beschweren. Abgesehen davon hätte soetwas den Weißhaarigen wohl eher noch mehr amüsiert. Manchmal war er ja wirklich geradezu gruselig durchschaubar, aber es ging nun einmal nicht anders und er war insgeheim froh, sich nicht in einer derartigen Situation mit einem der bulligen Typen wiederzufinden, der vermutlich nach Schweiß riechen würde. Gerade stieg ihm vor allem der Eigengeruch des Dragonslayers in die Nase, vor allem, als er kurz das Gesicht umwandte, weil etwas im hinteren Teil der Halle schepperte. "Klar, ich sorge dafür, dass niemand mehr auf der Straße ist ...", meinte er, die Stimmlage etwas zu hoch für seinen Geschmack, aber ansonsten ohne Zeichen von Unbequemlichkeit in dieser Position. Schnell wandte er den Kopf wieder um und begann zu hämmern. Diese Konstellation erinnerte ihn direkt an die kitschigsten Sonnenuntergänge aller Zeiten, und zusammen mit dem Plastikring an seinem kleinen Finger war das eine miese Mischung. Er fühlte sich eingeengt, das war schlecht, wenn man so freiheitsliebend wie er war, andererseits heizte er sich gerade auf und es war so kalt ... Verdammt, konnten sie nicht einmal etwas machen, ohne, dass alles dermaßen lächerlich wurde?!
"Ähm ...", setzte er noch einer Weile an, weil er keine Nägel mehr hatte und die Seite nun recht stabil aussah – glücklicherweise, länger hielt er das hier nicht aus - und beugte sich ein Stück nach rechts, um sich umzudrehen, damit er diesmal nicht mit seinem Gesicht in dem des Anderen landete. "Du kannst jetzt ... Ich kann ... Ich muss zur nächsten Seite." Der Kettenmagier schluckte und leckte sich über die Lippen, wobei er versuchte, nicht allzu befangen auszusehen. Irgendwie war es verdammt still in dieser Baustelle geworden – man starrte sie doch nicht etwa an? Oh Gott ... Er brauchte ein Loch, in dem er versinken konnte.

Spätestens nach dieser Quest würden sich Tsunamis und ähnliche Naturkatastrophen auf der Liste der Abneigungen des Dragonslayers befinden, weil sie seine Zeit limitierten. Dass die Monsterwelle sicherlich einige Leute töten konnte, wenn er ihnen nicht half, war in diesem Zusammenhang eher zweitrangig. Warum konnte es kein Orkan sein, der die Stadt oder irgendeinen anderen Ort bedrohte? Er hätte ihn einfach aufessen können. Jetzt aber mussten sie einen albernen Wellenbrecher bauen, den er im Regen auch noch anbringen musste, alles Dinge, die so viel Zeit wegfraßen, dass am Ende kaum noch genug übrig war. Hätte er Zeit gehabt, dann wäre er nun nicht von Souta weggerückt und hätte ihn passieren lassen. Er wäre stehen geblieben und hätte ihm noch ein wenig ins Auge gestarrt, hätte den Abstand zwischen ihnen vielleicht sogar noch etwas verringert, durch seine Haare gestreichelt oder wenn er ganz besonders wagemutig war, hätte er ihn sogar geküsst, trotz des Risikos, dabei beobachtet zu werden. Dieser Moment war eigentlich zum genießen da, nicht zum möglichst schnellen Verfliegen, aber leider war ihm das nicht vergönnt. "Klar, klar.", machte er deswegen nur, ließ das Konstrukt mit einer Hand los und trat einen Schritt zur Seite, was genug Platz sein sollte, damit so ein Spargel wie Souta hindurch schlüpfen konnte. Er musste sich wohl noch daran gewöhnen, dass Souta zu enger Körperkontakt unangenehm war, wenn sie Leute beobachteten, auch wen er in Einsamkeit wohl eher keine Probleme damit zu haben schien,denn sonst hätte er ja wohl kaum vorgeschlagen, dass die beiden ein Bad zusammen nehmen sollten... und das hatte er doch, oder? Hoffentlich hatte er das nicht missverstanden, denn dann wäre er garantiert so grumpig, dass ihm nur noch Fell wachsen musste und er hätte das Zeug zu einer flauschigen Berühmtheit.
Als Souta den Standort gewechselt hatte, packte der Dragonslayer wieder fester zu, wobei er dennoch darauf achtete, sich an dem wenig bearbeiteten Holz keinen Splitter einzufangen. Zwar war er nicht ganz so schmerzempfindlich wie Souta, aber das änderte nichts daran, dass er keine Lust darauf hatte, sich auch noch ein Stück dreckiges Holz aus aufgeweichten Händen ziehen zu müssen. Wenn er sich am Ende dieser Quest keine Erkältung eingefangen hatte, war er schon sehr glücklich, da musste er nicht auch noch eine Blutvergiftung oder ähnliches provozieren. "Souta-chan, lass uns nach dieser Sache erst einmal vom Wasser fern bleiben...", meinte er mit einem Seufzen, als er sich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht wischte, "Ich habe davon erst einmal genug. Auch wenn die Kreuzfahrt wenigstens noch entspannend war, langsam wäre ein Szenenwechsel sicherlich angebracht, meinst du nicht auch?" Natürlich setzte er damit voraus, dass sie diese Quest nicht nur überleben, sondern auch zur vollen Zufriedenheit der Gilde ausführen können würden, aber das entsprach ja auch seiner sonstigen Einschätzung ihrer Fähigkeiten. Souta mochte eigentlich kein Magier sein, aber er war es dafür umso mehr und zusammen konnten sie sogar Naturgewalten trotzen, die nicht auf seinem Speiseplan standen.
Als schließlich der letzte Nagel gesetzt und die letzte Schraube geprüft worden war, suchte sich der Weißhaarige einige stabil aussehende Seile aus einer Kiste heraus und begann damit, den Wellenbrecher einzuschnüren. Solange er das Gewicht einigermaßen ausgeglichen an seinem Körper verteilen konnte, hatte er auch kein Problem damit, es im Flug zu transportieren, weswegen er einige Seile kreuzte, die er später über seine Schultern legen konnte. Es dauerte ein wenig, ebenso, bis er das Holzkonstrukt mit Soutas Hilfe aus der Werft herausgebracht hatte. Nun lag es an ihm, zum dritten Mal den Felsen anzufliegen - bloß hatte er dieses Mal ein so großes Objekt dabei, dass sich die Sache mit dem fehlenden Windwiderstand leider erledigt hatte. Was nützte es schon, wenn er nicht davon erfasst wurde, wenn der Wellenbrecher eh viel größer als er selbst war? "Wünsch mir Glück, Souta-chan... das könnte ich unter Umständen gebrauchen." Mit diesen Worten schlingerte er in den heftiger gewordenen Sturm hinein.

"VIEL GLÜCK!"
Souta wusste nicht, ob Seraphim seinen Schrei über den Wind hören konnte, der ihm vermutlich ziemlich heftig um die Ohren pfiff, aber es war auf jeden Fall einen Versuch wert, besonders, da Brüllen an sich gerade eine passende Reaktion auf ihre Lage war ... Es gefiel dem Kettenmagier nicht, dass Seraphim mit einer ganzen Ladung Holz in einen Sturm hineinflog. Am liebsten hätte er ihn einfach an der Ferse gepackt und zurückgezerrt, die Arme um ihn geschlungen und mit finsterem Gesichtsausdruck und einem Wattebausch unter der Achsel die Stadt verlassen, aber das konnte er nicht bringen, also stand er wie immer eigentlich, wenn der Weißhaarige dorthin abhaute, wo er ihm nicht folgen konnte, wie ein nasser Hundewelpe dem verschwindenen Körper hinterher und kaute auf seiner Unterlippe herum. Es war mittlerweile so stürmisch geworden, dass es regelrecht aus Eimern schiffte, was zumindest dahingehend vorteilhaft war, dass sich nur ein paar lebensmüde Fischer und ein paar Lausebuben draußen aufhielten, die ähnlich wie er zuvor in den Pfützen herumsprangen und lachten. Keiner von denen kannte ihn, also hatte er keine Probleme, sie aufzusuchen und in die Häsuer zu scheuchen – wenn er sich denn einmal von seiner Position wegbewegen könnte und das Auge vom Horizont wegnehmen könnte. Wenn er nun abstürzte? Oder was, wenn die Welle zu früh kam, und ihn einfach verschlucken würde? Souta verkrampfte die Hände zu Fäusten und fragte sich, ob er nicht vielleicht über das Wasser rennen könnte, wenn er in voller Geschwindigkeit loslief, aber das war unwahrscheinlich, schließlich war er keine Gottheit ... Er war gerade nutzlos. Das war ... gemein. Und unveränderbar, weil seine Stärken eben einfach woanders lagen. Es brachte also gar nichts, sich Sorgen zu machen, die er sich im Nachhinein sowieso nicht eingestehen würde, also wandte er sich vom Hafenbecken ab, schüttelte sich ein paar verirrte Regentropfen aus dem Auge und überquerte joggend den Platz, damit er nicht ausrutschte und trotzdem die Männer erreichte, die ihre Erträge in Körbe luden und sich durch ihre Regemäntel kaum vom Unwetter stören ließen, das in alle Richtungen dröhnte. Mit wachsender Unruhe betrachtete Souta die kreiselnden Wetterhähne und die flatternden Segel der umliegenden Schiffe. Seine Stimme wurde beinahe von der Umweltlautstärke fortgetragen, und er schlang die Arme um seine Brust, weil es furchtbar kalt war, aber er schaffte es doch irgendwie, die Aufmerksamkeit der Fischer zu erregen, die einen Blick auf sein Gildenzeichen werfen mussten, bis sie verstanden, was er eigentlich von ihnen wollte. Letztendlich schaffte er es, sie davon zu überzeugen, ihre Körbe zu packen und in ihre Lagerhalle zu verschwinden, was wahrscheinlich das Beste war, was er ohne direkten Beweis hinbekam. Mit geringer werdenden Abständen schaute er über die Schulter, dorthin, wo ein fliegender Koloss verschwunden war. Er hasste diese Stadt so sehr ... Wenn dieser Tsunami vorbei war, würde er niemals wieder hierherkommen, egal, wer dort leben mochte, egal, wie gut die rosa Kapseln in kleinen Flechtkörbchen ihrer Hotelbadezimmer rochen ... Woran merkte man eigentlich, ob sich so eine Riesenwelle schon ankündigte? Und wie sollte er störrisch aussehenden Kindern erklären, dass ihre Spielstunde vorbei war und sie nun sofort nach Hause gehen mussten, ohne ihre Entdeckerfreude anzuregen? Es gab schon seinen Grund, wieso er Wassermassen und Kinder im Zusammenhang vermied – das ging meist tödlich aus. Andererseiits war seine Aufgabe vermutlich ein Zuckerschlecken gegen Seraphims Situation ... Hoffentlich kam der klar. Hatte Souta schon erwähnt, wie nutzlos er sich gerade vorkam?

Seraphim hatte die Worte des Rothaarigen gerade noch so vernommen, ehe das Rauschen des Sturms alle anderen Geräusche verschluckte. Unter ihm donnerten Regentropfen auf schäumende See, jeder von ihnen einer Granate gleich, während sie Spuren an den Himmel malten, in feinen, hellen Schlieren, die dem Dragonslayer die Sicht nahmen und ihn beinahe blind fliegen ließen. Irgendwo über ihm konnte er Donnergrollen hören und war gleichzeitig erschrocken und dankbar dafür, denn wenn er nur den Donner gehört, nicht aber die Blitze gesehen hatte, so bedeutete das, dass wenigstens noch etwas Entfernung zwischen dem Auge des Sturms und ihm selbst lag. Dort würden wohl alle gewittrigen Handlanger des Tsunamis ihren Ursprung nehmen und dort durfte er sich nicht hineinverirren, nicht mit diesem Holzklotz, der an ihm hing. Der Himmel war in ein Grau getaucht, in dem sich nur dunklere Wolken abwechselten, aber kein bisschen Licht mehr durchzukommen schien. Als wäre der Tag spontan zur Nacht geworden, schloss dieser Sturm das Licht aus und hinterließ drohende Dunkelheit, die ihn dazu bewegte, sich noch ein wenig schneller zu bewegen, obwohl er jetzt schon schwankte, als habe er einen über den Durst getrunken. Das tat er seltsam unfreiwillig, denn eigentlich fühlte er sich wacher als je zuvor. Das war ein Phänomen, das er schon viel früher entdeckt hatte, damals, als er bei Grandine gelebt hatte: Wenn Gefahr im Verzug war, dann wurden die Sinne mit einem mal schärfer, auch wenn sie vielleicht etwas verzerrt arbeiteten. Stand man zum Beispiel unter Schock, dann fühlte man Temperaturen automatisch kälter, als sie eigentlich waren, während er nun genauer hinzuhören begann, auch wenn ihm das eher weniger brachte. Der Tsunami würde sich wohl kaum durch eine Ansage ankündigen und auch ansonsten rauschte es dermaßen durcheinander in seinen Ohren, dass er sie am liebsten zugehalten hätte, wenn er seine Arme nicht lieber zur Stabilisierung benutzt hätte. Die Luft roch nach Salz und dem leichten Verwesungsgestank der Meeresorganismen, der von manchen Menschen einer romantischen Ader nach "typische Seeluft" genannt wurde. Wellen schwankten, bäumten sich unter ihm auf, sodass er zweimal höher fliegen musste, um nicht von ihnen erfasst zu werden. Das Meer schien die Jagd auf ihn eröffnet zu haben, als wolle es ihn in seine alten Tiefen hinabziehen, ihn ersticken und dort für immer gefangen halten. Vielleicht gab es ja tatsächlich Nixen oder Sirenen, je nachdem wie man diese dämonischen Frauen nun nannte, die sich nach Gesellschaft sehnten - aber Seraphim hatte keine Lust, diese Rolle ausfüllen zu müssen.
Er brauchte wahrscheinlich doppelt so lange, bis der Felsen wieder in Sicht kam, auch wenn er das Gefühl hatte, dass dieser größer geworden war. Bedeutete das vielleicht, dass sich das Meer zurückzog, Atem holte, bevor es seinen tödlichen Groll gen Hargeon schleuderte? Irgendwoher mussten die Wassermassen doch kommen, da musste man bestimmt vorher seine Kräfte sammeln... er sollte sich beeilen. Vorsichtig versuchte er so genau wie möglich über dem Felsen zu schweben, ehe er sich herunter ließ und abschließend die Seile kappte, mit denen er den Wellenbrecher an sich selbst befestigt hatte. Nun kam der viel interessantere Teil: Er musste nicht nur dafür sorgen, dass das Holzgestell blieb, wo er es platziert hatte, sondern auch, dass es schwer genug war, um dem Ansturm der Riesenwelle zu widerstehen. Die Seilstücke wurden erst einmal um Vorsprünge gewunden, von denen er glaubte, dass sie halten mochten, ehe er sich umblickte und in Richtung weiterer Felsen davonraste. Stück für Stück, Stein um Stein, begann er nun, den Hohlraum des Holzkonstrukts aufzufüllen, auch wenn das deutlich länger dauerte, als er gehofft hätte. Noch sank der Wasserpegel allerdings weiter, weswegen er noch nicht erwartete, dass der Tsunami über ihn hereinbrechen würde, solange er noch am arbeiten war. Wenn das der Fall wäre, so müsste er wohl ganz schnell Reißaus nehmen oder austesten, wer von ihnen beiden schneller war: Der Sturm oder er selbst – das Jahrhundertrennen?

Das Schicksal war ein Miststück: Der schnellste Mann Fiores musste im Hafen herumrennen und auf Kinder einbrüllen, die ihm seine Geschichte einfach nicht abkaufen wollten, ohne seine Talente wirklich einsetzen zu können. Wenn es wirklich um die Wurst ging, hatte er nichts, um diese Stadt zu retten, die ohne Seraphim vermutlich einfach überwalzt werden würde. Und diese Kröten hatten dafür natürlich kein Verständnis, weil sie sich viel eher darum kümmerten, dass ihre Spielzeit nicht eingeschränkt sein sollte, dass sie hier draußen spielen wollten und dass Souta ein seltsamer Typ mit Augenklappe war, der eine Verzweiflung im Gesicht hatte, die eher beängstigend als beruhigend war. Natürlich half es der Situation auch eher weniger, dass er von oben bis unten mit Wasser vollgesogen war und deshalb beinahe schon wie eine Wasserleiche aussah, perfekt mit bläulichen Lippen und allem. Die Kinder, die ihn mit großen Augen anstarrten, sich aber nicht einen Milimeter bewegten, machten den Rothaarigen mittlerweile so wütend, dass er kaum an sich halten konnte. Allein die Tatsache, dass es komplett kontraproduktiv sein würde, wenn er Gewalt anwendete und er Kinder nicht schlug, hielten ihn davon ab, hier nicht vollends auszuflippen. Er hatte Angst vor Wasser, okay? Er war kurz davor von Wasser verschluckt zu werden, das war, als würde man einen Typen mit Höhenangst ganz oben auf die Spitze von Magnolias Glockenturm setzen. Außerdem wusste er, dass sein bester Freund gerade durch die Luft schwebte, inmitten von all diesem Mist, der da draußen wütete, und vielleicht schon weggeweht worden war. All diese Punkte machten ihn ... ungeduldig. Er hatte jetzt keinen Nerv, diesen Kindern ruhig und gelassen zu erklären, was mit ihnen passieren würde, wenn sie sich nicht verzogen, aber genau das schien sie eher zu amüsieren, so dass er sich nun entweder die Kehle heiserbrüllen konnte oder sich beruhigen musste. Letzteres war aus vorher genannten Gründen leider fast unmöglich ...
"Du kannst doch gar nicht beweisen, dass eine Welle kommt. Mama hat gesagt, dass ich nicht auf Fremde hören soll." Das vorderste der Kinder, ein kleiner Junge, der Souta traurigerweise ein wenig an sich selbst erinnerte, unterbrach seinen Monolog und runzelte skeptisch die Stirn. Ein paar Sekunden lang schwiegen alle Beteiligten, dann schnellte ein braungebrannter Arm durch die Luft, packte das Kind am Oberarm. Der Kettenmagier kniete sich auf den Boden und zerrte den Jungen näher zu sich heran, so dass er ihm direkt in die ängstlich geweiteten Augen starren konnte. "Pass mal auf ...", begann er, und das Kind zuckte zusammen, weil seine Stimme von einem nervösen Gebrabbel zu einem Zischen geworden war. "Du willst nicht sterben, oder?" Ein Kopfschütteln. "Gut. Ich bin Magier. Und ich sage dir, dass du deine Freunde nehmen sollst und nach Hause gehen sollst. Wenn dir die Welle keine Angst macht, dann vielleicht ich. Ich habe nämlich kein Problem damit, euch alle bewusstlos zu schlagen, irgendeine Tür einzureißen und euch in einen Keller zu schmeißen, bis die Welle vorbei ist. Hast du das verstanden?" Er wartete ein paar Sekunden, dann geschah natürlich das, was er erwartet hatte: Der Junge begann zu heulen und rannte zusammen mit seinen Kumpeln nach Hause, wo sie hoffentlich bleiben würden, bis der Sturm sich beruhigt hatte. Es war ja sowas von großartig, dass er gerade ein spielendes Kind zum Weinen gebracht hatte, ja wirklich, er konnte sich nichts Besseres vorstellen, als seine Fassung zu verlieren, nur, damit er sich umdrehen konnte und sich ans Hafenbecken stellen konnte, obwohl er natürlich genauso uneffektiv wie zuvor war. Wenigstens war er jetzt der Einzige in diesem Bezirk, der noch außer Haus war – und das würde sich auch nicht so schnell ändern, schließlich hatte er eine Verabredung mit einem Weißhaarigen, der sich wahrscheinlich nicht einmal ansatzweise soviel Zeit ließ, wie Souta ihm gerade mental ankreidete. Gigantische Meereswellen standen nun definitiv ganz oben auf seiner Abneigungsliste.

Diese Aufteilung war womöglich allerdings immer noch die bessere, denn man brauchte nicht besonders Fantasie, um sich vorzustellen, dass der Dragonslayer wahrscheinlich nicht einmal mehr gefragt hätte, bevor er die kleinen Kinder einfach irgendwie außer Gefecht gesetzt hätte. Er war nämlich nicht unbedingt besonders scharf darauf, sich mit kleinen Kindern zu unterhalten, weil er sie nicht mochte. Das lag an vielen Faktoren, unter anderem auch daran, dass Kinder praktisch die Nemesis der Menschen waren, die sein Lieblingshobby pflegten. Wenn er nicht früh verstanden hätte, wie wichtig es da war, höllisch aufzupassen, dann wäre Fiore inzwischen sicherlich schon voller strubbeliger Weißköpfe, die sicherlich den ein oder anderen Schabernack angestellt hätten. Andererseits vererbten sich Charakterzüge ja nicht, wie man an seinen leiblichen Eltern und ihm sehen konnte. er konnte sich zwar nicht mehr daran erinnern, wie die so gewesen waren, aber die Erzählungen der Leute hatten ausgereicht, um zu verstehen, dass der Apfel sich so weit vom Stamm wegkatapultiert hatte, wie nur irgend möglich. Seine Mutter war gütig gewesen, freundlich, nett und zu allem Überfluss auch noch Nonne, sodass die Wahrscheinlichkeit hoch war, dass sie allen ernstes noch Jungfrau gewesen war, als sie seinen Vater kennen gelernt hatte. Dieser wiederum schien wohl ein Mann von Ehre gewesen zu sein, ernst und tugendhaft, also die Sorte Mensch, die er nicht nur niemals sein würde, sondern auch für ihre Langweiligkeit verachtete. Regeln waren oftmals sowieso nur dazu gemacht worden, um Individualität zu unterdrücken und Ethik betonte nur noch zusätzlich die Schwäche der Menschen... wenn sie nicht diesen verhängnisvollen Ausflug getätigt hätten, wäre er sicherlich das genaue Gegenteil von Souta geworden und hätte ihn zudem wahrscheinlich nie kennen gelernt. Da musste er ja fast froh drüber sein... aber über das alles dachte er gerade überhaupt nicht nach. Dazu hatte er keine Zeit und keine Kraft mehr, weil er seine Konzentration dafür brauchte, immer wieder zum Wellenbrecher zurückzukehren, die Arme voller Steine, bis seine Hände wund waren und er kaum noch konnte. Dafür war der Hohlraum nun auch fast komplett gefüllt, sodass er abbrach und wieder in die Richtung zurück schwebte, aus der er seiner Meinung nach gekommen war. Hoffentlich verflog er sich nun nicht auch noch, denn dann war nicht sicher, ob er das Spektakel hier noch mit heiler Haut überleben würde.
Erst als die ersten Häuser am Horizont in Sicht kamen, atmete er auf, steuerte auf den Hafen zu und landete entkräftet neben Souta, der hoffentlich in der Zwischenzeit etwas anderes getan hatte, als Maulaffen feilzuhalten. "Ich denke das Ding ist sicher angebracht.", murmelte er nach einigen Sekunden Pause, ehe er auf wackeligen Beinen in Richtung Stadt davon stolperte. "Wir sollten hier weg, ich weiß nämlich nicht, wie lange es noch dauert, bis der Tsunami anrollt...", meinte er im Gehen und blickte sich ein wenig durch den Wind nach Souta um. Er hatte wirklich keine Lust mehr auf den ganzen Kram und vom Meer erst einmal genug.

Ja, es mochte gerade unglaublicher Zeitdruck herrschen und ja, am Horizont waren bereits Ansätze einer sich nähernden Gefahr zu erkennen, aber Souta hatte gerade absolut keine Augen für irgendwelche gigantischen und tödlichen Naturkatastrophen, die sicher noch ein paar hundert Meter von ihm entfernt waren, viel wichtiger war da diese mittlerweile schon beinahe gewohnte Luftverschiebung neben ihm, die den Auftritt eines Weißhaarigen ankündigte, der tatsächlich unverletzt einfach so zurückgekommen war. Der Jüngere sog einmal japsend die Luft ein und wollte dann seinen Mund schließen, nur um schon zu bemerken, dass er bereits geschlossen war. Mit einem Auge, da sicher so groß wie eine Untertasse war, starrte er den Körper des Himmelsmagiers an, der ganz cool verkündete, dass der Wellenbrecher sicher angebracht worden war und sich dann bereits zum Gehen wandte, während sein Partner noch zur Salzsäule erstarrt verharrte und die Beobachtungsmöglichkeiten der Menschen in den umliegenden Häusern überschlug, kalkulierte, rechnete. Er kam genau bis zu dem Punkt, an dem Seraphim sich wieder umdrehte, dann verwarf er sämtliche dummen Vorsichtsmaßnahmen und sprang dem Älteren einfach in die Arme, schlang ihm die Arme um die Schultern und drückte dessen Wange so fest an sein Ohr, das mit Sicherheit der Abdruck eines Ohrringes in dieser zurückbleiben würde. Zusammen mit einem gigantischen Seufzer löste sich ein Stein aus der Brust des Rothaarigen, doch er sagte nichts dergleichen, wartete einfach ein paar Sekunden, während er sich fühlte, als würde er gleich einfach weggeweht werden. Das war gerade nicht nur unmännlich, sondern schon richtgehend weiblich, aber wer sah sie schon und wer verbat einem Kerl eigentlich, seinen besten Freund zu zerquetschen, nachdem dieser sich in Lebensgefahr begeben hatte?!
Souta löste sich schließlich vom Körper des Weißhaarigen – alles in allem waren das sowieso allerhöchstens zehn Sekunden gewesen, eine wirklich sehr normale Dauer für Umarmungen – behielt aber in einem Anflug von Paranoia eine Hand an seinem Handgelenk, als würde er fürchten, dass er direkt wieder losfliegen würde. Hinter ihnen gab es ein ziemliches Getöse und als er über die Schulter schaute, sah er, dass sich eine Wassermasse auf das Hafenbecken zubewegte, die sich zwar relativ langsam bewegte, aber dennoch zur Eile anregte, also verlor er keine Zeit und freute sich fast darüber, dass er endlich auch einmal seinen Nutzen beweisen konnte, der ja wie bereits bekannt darin bestand, sich auf solch offenem Gelände binnen eines Wimpernschlages bewegen zu können. Manchmal erinnerte das auch etwas an Fliegen, wobei er natürlich am Boden gefesselt war und nicht den Wind kontrollierte, sondern vielmehr die Leistung aus seinem eigenen Körper erbrachte. Einen flüchtigen Moment lang dachte Souta darüber nach, wo man denn am besten Schutz vor so einer Welle suchte, die mit etwas Glück nicht mehr ganz so monströs sein würde, wie er das befürchtete, dann überlegte er, ob er Seraphim wohl dazu bringen könnte, sich von ihm tragen zu lassen. Letzteres beantwortete er recht schnell mit Nein, also riss er eher an seinem Arm und übernahm das Ruder, da er sich in dieser Stadt ja auskannte. Letztendlich legte er einfach nur den Weg, den sie schon zu Beginn der Quest gegangen waren, erneut zurück, was die beiden Magier wieder vor ihrem – mehrstöckigen – Hotel platzierte, was zudem noch ein gutes Stück in die Stadt hinein gelegen war. Nun musste er nur pitschnass die Lobby durchqueren, die Treppen hochstampfen, vor ihrem Zimmer stehen bleiben, die Tür aufschließen und erst in den Raum, dann zum Fenster stürzen, was wundervollen Meerblick versprach. Der vierte Stock war hoffentlich hoch genug, abgesehen davon war das Haus aus der für Hargeon typischen massiven Steinkonstruktion gebaut ... das konnte doch nicht einfach weggespült werden, oder? Außerdem wollte man doch die Welle gerade soweit abschwächen, dass sie die Leute in den Häusern eben nicht tötete, sondern nur das Hafenbecken überflutete ... Souta bemerkte kaum, dass er gerade wie ein aufgescheuchtes Hühnchen durch den Raum geisterte, aber das war ihm im Moment auch egal. Das war schließlich ein verdammter Tsunami, da konnte man schon einmal die Düse kriegen, wenn man Angst vor Wasser hatte, zumal sich gerade malerisch abzeichnete, wie die Naturgewalt auf den Hafen traf und ... alles zerstörte? Keinen großen Schaden anrichtete? Die Apokalypse einläutete? Souta hatte keine Ahnung, denn er hatte sich mittlerweile umgedreht und hielt sich das Auge zu, weil er wirklich nicht mit ansehen wollte, wie seine Heimatstadt dem Erdboden gleichgemacht wurde. Wenn das Meer ihn in den nächsten Sekunden holen sollte, würde er das schon merken ...

Uh~ Wenn Seraphim nicht durchnässt gewesen wäre und gefroren hätte, als ob sie sich hier in arktischem Klima befanden, dann wäre er sicherlich einen kurzen Moment vor Freude ganz schrumpelig geworden. So aber blickte er nur einige Sekunden überrascht ins Leere, während ihn ein schön warmer Körper umarmte und reagierte zu langsam, als dass er diese Geste hätte erwidern können. Hatte er nicht schon häufiger am heutigen Tag gedacht, dass Souta wirklich unglaublich süß sein konnte? Wenn er ihn nicht schon im nächsten Augenblick mit sich gezerrt hätte und dem Dragonslayer praktisch keine andere Wahl ließ, als den Wind unter seinen Füßen dazu zu bringen, ihn weiter schweben zu lassen, damit er nicht über seine eigenen Beine stolperte, hätte er ihm das vielleicht auch gesagt. Wenn nicht, hätte er ihn wohl einfach dafür geküsst, denn er konnte nach wie vor kaum fassen, dass er so willkommen geheißen worden war. Er überließ die Führung ihrer Flucht vor der Riesenwelle, die sich hinter ihnen bereits aufzutürmen begann, daher komplett Souta und verbrachte die Hetzjagd damit, vor sich hin zu lächeln und das Gefühl in seinem Körper zu halten, wie es gewesen war, als er ihn umklammert hatte. Es fühlte sich schön an, zu wissen, dass er sich vielleicht so etwas wie Sorgen um ihn gemacht hatte, weil ihm das klar machte, dass er ihm doch etwas bedeutete, so sehr er in letzter Zeit auch versuchte, ihr Verhältnis äußerlich freundschaftlich wirken zu lassen. Er wollte draußen nicht dabei gesehen werden, wie er ihn umarmte, weil Männer das untereinander eigentlich nicht taten und doch hatte er ihn fast angesprungen, als er zurück gekommen war... das war so schön! Er bemerkte kaum, wie sie in dem Hotel ankamen, das sie vorübergehend bewohnten, erst, als es Treppen hochging registrierte er, dass es nicht mehr auf ihn herab regnete. Im Zimmer angekommen cancelte er seinen Zauber und landete somit wieder auf dem Boden, wo er erst einmal damit begann, sich aus seiner triefend nassen Kleidung zu bemühen. Das war gar nicht so einfach, weil sie eiskalt an seiner Haut klebte und ihn nur noch mehr zum Frieren brachte. Als er gerade eine Etage tiefer gehen wollte, bemerkte er, wie unruhig Souta durchs Zimmer tänzelte - und ihm fiel wieder ein, dass er vielleicht wenigstens gucken sollte, inwiefern ihre Idee mit dem Wellenbrecher eigentlich Früchte trug. Das nasse Hemd warf er unter das Waschbecken des Badezimmers, ehe er zum Fenster trat und sich locker an die Fensterbank lehnte.
Er verstand gar nicht, was Souta eigentlich hatte... denn es schien, als sei ihr Plan zu seiner vollsten Zufriedenheit geglückt. Wo nun eigentlich Tod und Verderben herrschen sollte, schwamm der Hafen jetzt zwar wahrscheinlich in Wasser, aber nicht halb so schlimm, als wenn sie nichts getan hätten. Ein kleines Boot war auf die Seite geworfen worden, wobei der Mast abgebrochen war, aber ansonsten konnte Seraphim weder meterhohe Überschwemmungen noch Todesopfer sehen. Vielleicht waren ein paar Ratten in der Kanalisation gerade am Ertrinken, aber das störte ihn gerade überhaupt nicht. Seiner Neugierde war damit schon genüge getan, weil er wusste, dass sie ihre Pflicht getan hatten - und wie sagte man so schön: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Er hatte hier immerhin einen leicht panischen Rotschopf, den er doch unbedingt noch beruhigen musste... vollkommen uneigennützig, versteht sich. "Souta-chan~", schnurrte er, nachdem er seine Arme um den Körper des jungen Mannes geschlungen hatte und ihn auf die Hand küsste, die nach wie vor sein Auge bedeckte, "Das funktioniert nicht, ich kann dich immer noch sehen~" Machten kleine Kinder das nicht so? Dachten sie nicht, dass nichts sie erspähen konnte, was sie selbst nicht sehen konnten? Welch ein törichter Fehler... immerhin gab es da draußen Wesen, deren Sinne um ein Vielfaches schärfer waren als die eines Menschen.

Es gab vielleicht eine Sache auf der Welt, vor der Souta wirklich Angst hatte, die ihn regelrecht in Panik versetzte – und natürlich musste sein bester Freund in genau dem Moment zugegen sein, in der ihm die Furcht so sehr übermannte, dass er auf vollkommen lächerliche Weise reagierte. Da er einen spontanen Angriff von Wasser erwartet hatte, zuckte er recht heftig zusammen, als stattdessen etwas zwar Solideres, aber auch deutlich Sanfteres als eine Flutwelle ihn einhüllte, was sich spätestens nach einem Kuss auf seiner Hand und leise gehauchten Worten als die Arme des Himmelsmagiers mit zugehöriger Person herausstellte. Dass Seraphim derart entspannt auf die ganze Angelegenheit reagierte, trieb Souta dazu, vorsichtig aus seinem Handversteck herauszulinsen, einen prüfenden Blick auf violette Augen zu werfen, die nicht panisch, sondern eher belustigt aussahen, und dann über die Schulter zu blicken, wo ... es keine Toten gab. Es sah fast so aus, als wäre die Monsterwelle ohne große Schäden über den Hafen hereingebrochen, obwohl natürlich alles überflutet war. Keine zerquetschten Häuser und keine schwimmenden Leichen jedoch, das war ... das war wunderbar! Ungläubig blinzelnd drehte er den Kopf wieder zurück und legte Seraphim die Hände flach auf die nasse – und wie er soeben bemerkte – nackte Brust, da er sonst recht wenig Spielraum hatte, ehe er breit lächelte. "Wir haben einen Tsunami besiegt, Seraphim!", sagte er, mit einem mehr als nur dümmlichen Grinsen, und es war nicht zu übersehen, dass sich Souta im Moment mit Samtcape und Königskrone vor sich sah, angebetet von allen, die von seiner unglaublichen Heldentat erfuhren, die ja eigentlich vor allem dem Himmelsmagier zu verdanken war. Was? Ja ... Eigentlich hatte der Ältere die Stadt ja gerettet, da sollte nochmal jemand sagen, dass er egoistisch war oder sich nicht für Menschenleben interessierte, schließlich hatte er sein eigenes ja riskiert, um das der Anderen zu bewahren. "Du bist echt ziemlich großartig", lobte Souta also pflichtbewusst, weil er fand, dass der Drachenzögling sich das beste aller Adjektive redlich verdient hatte. Er hätte ihn auch dementsprechend gewürdigt, allerdings war es wohl ein bedeutend besserer Dienst, wenn er sich seiner Kleidung entledigte – die war ja nass und kalt und auch ein bisschen dreckig, also pellte er sich erst einmal aus der Umklammerung und anschließend aus dem Haufen tropfender Klamotten, den er zusammenknüllte und ins Bad schmiss, in das er seine Tasche mitnahm, und wo er auch trockene Sachen an seinen Körper beförderte – selbst wenn es nur eine Jogginghose und ein recht schlabbriges T-Shirt waren, da er ja sowieso so schnell wie möglich so heiß wie möglich baden oder duschen wollte. Als er zurückkam, setzte er sich auf sein Bett und seufzte. Da hatten sie wirklich einen Tsunami aufgehalten. Irre. Und jetzt saß er da, vollkommen erschöpft, aber gesund. War das denn zu fassen? Er konnte jetzt ohne Bedenken den Abend anklingen lassen, sich hübsch machen und dann ... Sein Blick geisterte zu Seraphim hinüber. Für einen Moment dachte er über die Situation nach, wog den Anblick von gerade mit dem traumhaften Körper der neuen Errungenschaft ab und fragte sich, ob diese Ronja wohl auch so cool war, in eine Monsterwelle zu fliegen, um eine Stadt zu retten. Die Antwort war relativ klar, also gähnte er ausdrücklich, hob die Arme in einer resignierenden Geste einmal in die Luft und blubberte theatralisch mit den Lippen. "Also eines ist sicher, ich setze heute keinen Schritt mehr vor diese Tür!" Dramatisch warf sich der Rotschopf daraufhin rückwärts auf die Matratze, wobei er seine nassen Haare ignoranterweise völlig ignorierte, und starrte zur Decke hoch, die tatsächlich immernoch intakt war. "Na ja. Außer zum Essen vielleicht ... Ich hab ein bisschen Hunger."