Nun, wenn Soutas Mutter auch nur annähernd in die Kategorie seiner Ziehmutter eingeordnet werden könnte, wären jedenfalls alle blöden Witze, die auf die Masse der Zeugerin einer Person abspielten, vollständig begründet gewesen, deswegen war der Satz des Rothaarigen nur zu einer Sache gut: Er sollte den Dragonslayer in seine Schranken weisen und ihm zeigen, dass es Dinge gab, die ihn nichts angingen. Gut, ehrlich gesagt hatte er auch nicht plötzlich erwartet, einen ganzen Schwall an Informationen zu bekommen, aber ein klein wenig hätte ihm schon gefallen. Da musste er wohl wirklich an seiner Idee festhalten und auf eigene Faust versuchen, den Aufenthaltsort Frau Itasas herauszufinden, das sollte doch nicht allzu schwer sein. Was er allerdings nicht tun würde, war Souta nun noch mehr in dieser Richtung zu bedrängen, weil man den Vorschlag, sich kurz zu trennen, auch als Ausweichversuch des Einäugigen interpretieren konnte und bevor er ihm tatsächlich langfristig weglief, wie er es schon einmal getan hatte, ließ er lieber diesen kurzfristigen Abstand zu. Er nickte daher und wandte sich langsam der gemächlich wogenden Flut zu, deren Rauschen zumindest in seinen Ohren den Regen ziemlich zuverlässig übertönte. "Bieberfieber...", sinnierte er, während seine Augen über Wellenberge und krachende Täler wanderten, als würden sie den Wegen einer Landkarte folgen. "Wenn die Möpse Schnäpse trinken, wenn vorm Spiegel Igel stehn" Das Meer war auf jeden Fall aufgewühlt, so viel konnte der Himmelsmagier sagen, immerhin schlugen die Wellen an die Kaimauern, als wollten sie beweisen, dass steter Tropfen nicht nur den Stein höhlte, sondern auch von Menschenhand geschaffene Bauwerke in Grund und Boden stampfen konnte. Leider hatte er nicht besonders viel Erfahrung mit den Gezeiten, weil er in einem Landstrich aufgewachsen war, in dem es zwar Berge und Wälder, aber eher weniger Wasser gab. Außer Teichen und Flüssen hatte es da wenig gegeben, in dem man schwimmen oder gar ertrinken konnte. Von der Entstehung eines Tsunami mal ganz abgesehen. "Wenn vor Föhren Bären winken, wenn die Ochsen boxen gehn, wenn im Schlafe Schafe blöken, wenn im Tal ein Wal erscheint~" Er bezweifelte auch, dass die Einwohner einer Hafenstadt wie dieser, die offenbar von ihrem Handel recht gut leben konnte, schon einmal eine derartige Riesenwelle erlebt hatten, denn sonst würde man eine solch extreme Sturmwarnung sicherlich nicht so ignorieren. Das wurde sie aber, wenn er sich nicht täuschte, denn noch immer waren Menschen unterwegs, arbeiteten sogar auf den kleinen Schiffen, die an den Stegen lagen. Wahrscheinlich reparierten unterbezahlte Mechaniker gerade in diesem Moment den ausgebrannten Maschinenraum, in dem er fast zu Tode gekommen war... er wäre wohl wirklich verbrannt, wenn Souta ihn da nicht herausgezogen hätte. "Wenn in Wecken Schnecken stecken, wenn die Meise leise weint, wenn Giraffen Affen fangen, wenn ein Mäuslein Läuslein wiegt..." Es hatte durchaus etwas hypnotisches, das Meer zu beobachten, das hatte er schon bei seinem ersten Besuch in Hargeon Town festgestellt. Grundsätzlich hatte er schon wirre Dinge in dieser Stadt erlebt, beispielsweise konnte er sich noch genau an einen Vorfall erinnern, der einen magischen Edelstein, eine Dragonslayerin und eine Menge Weltuntergang beinhaltete - auch damals hätte es ihn das Leben kosten können, wenn nicht zufällig die Retter auf dem Plan erschienen wären. Inzwischen war er sich nicht mehr sicher, ob er diese gebraucht hätte, immerhin war er stärker geworden, so viel stärker, dass ein paar Dragonslayer jagende Trottel ihm sicherlich weniger anhaben konnten... "Wenn an Stangen Schlangen hangen, wenn der Biber Fieber kriegt, dann entsteht zwar ein Gedicht, aber sinnvoll ist es nicht..." Warum gleich hatte Souta beschlossen, der Weißhaarige solle sich das Meer angucken? Was genau hatte er sich davon schon versprochen? Das einzige, was er nun sagen konnte, war, dass es Wellen aufwarf und in Unruhe zu sein schien, aber er war weder damit aufgewachsen, noch ein Meteorologe, der ihnen nun vielleicht ein besseres Urteil hätte abliefern können. So blieb ihm aber nach Beendung der Rezitation seines Gedichts nichts anderes übrig als mit den Schultern zu zucken und sich leicht gelangweilt nach seinem "Partner" umzudrehen. Wenn er wüsste, warum Souta das so seltsam betont hatte... vielleicht sollte er ihn fragen. Andererseits... war es irgendwie traurig, dass ihn das immer noch störte.

James Krüss - "Wenn die Möpse Schnäpse trinken"

Während Seraphim aufgrund der Wellenbewegung seine poetische Seite auslebte und den Wassertropfen somit eine literarische Lektion erteilte, hatte sich Souta mit in den Hosentaschen gesteckten Händen auf den Weg gemacht, ein paar Seeleute zu befragen. Der Grund dafür war recht einfach: Solange er sich von den Einheimischen fernhielt, würde es nicht wieder zu Konfrontationen kommen, die er unter Umständen vermeiden wollte. Letztes Mal war sein bester Freund dadurch ausgetickt und hatte den großen Prügler gespielt, so dass es den Rothaarigen ohnehin wunderte, warum man sie bisher nicht aus der Stadt geschmissen hatte. Manchmal war Hargeon Town unlogischerweise gastfreundlich, aber das galt eben nur für Besucher. Souta wusste, dass man als Bewohner ganz schnell unten durch sein konnte, ob man es nun darauf anlegte oder nicht. Sein Blick glitt zu den Fenstern der Häuser, welche sich mutigerweise bis an die Hafenmauern erstreckten, und er erinnerte sich an das Geräusch, welches Steine hinterließen, wenn man sie durch solche Glaskonstrukte warf ... Sein Auge juckte schon wieder, also wandte er sich ab und näherte sich stattdessen einem der kleineren Schiffe, welches gerade von ein paar Muskelmänner beladen wurde, die ihn als Näherkommenden recht neutral beobachteten. Das war ein gutes Zeichen. Wenn man ihn nicht kannte, konnte er nämlich durchaus einen professionellen und positiven Eindruck erwecken. Selbst durchnässt schaffte er es also noch, seine Schultern zu straffen und zu demjenigen der Träger zu schlendern, der noch am ehesten als Koordinator taugte, allerdings wohl auch nur deshalb, weil jemand ein Klemmbrett in seine mülleimerdeckelgroßen Hände gesteckt hatte. Souta bezweifelte, dass das Hirn des Riesen zu etwas anderem fähig war, als Häkchen zu setzen, aber man sollte Menschen ja nicht nach dem Äußeren beurteilen, weswegen er leger einen Arm ausstreckte und damit in beängstigend feste Schulterknochen piekste. Einen Moment lang fragte sich der Kettenmagier, ob der Andere überhaupt etwas gespürt hatte, doch diese Zweifel waren unnötig, da er sich im nächsten Moment umdrehte und ihn mit mürrischem Gesichtsausdruck betrachtete. Souta lächelte freundlich wie eh und je und nahm seine Hand wieder weg, nachdem er jetzt genügend Aufmerksamkeit genoss - unglücklicherweise von sämtlichen Trägern, die sich ihm nun ebenfalls näherten und damit etwas bedrohlicher aussahen als er das gerne hätte. "Hallo", versuchte er es daher immernoch locker, stemmte die Hände in die Hüften und machte einen halben Schritt zurück, weil aufschauen nicht so cool war, wenn er etwas von seinen Mitmenschen wollte.
"Was willst du?", war die Antwort des Koordinators, und seine Stimme klang genauso tief, wie er vermutet hatte. Ein bisschen erinnerte dieser Typ ja an einen Oger, wenn man ihn so fragte, aber das würde er nun lieber nicht aussprechen.
"Ich wollte wissen, ob ihr etwas von einem Tsunami gehört habt, der diese Stadt treffen soll." Noch immer war er freundlich, selbst, als die Männer einen amüsierten Blick austauschten, so als wäre er der dümmste Mensch auf Fiore.
"Denkst du, dann würden wir ausfahren? Wieso willst du das wissen? Wer bist du?" Gerade, als Souta den Mund aufmachte, um etwas zu antworten, was einer sarkastischen Zurechtweisung würdig war und dementsprechend nicht sonderlich nett geendet hätte, spürte er seinerseits, wie sich eine Hand auf seine Schulter legte. Das kam überraschend, doch er musste nicht schreien oder so - das war etwas für Mädchen. Während er also die Erinnerung an eine Nacht verdrängte, die gerade an seinem Unterbewusstsein kratzte, drehte er sich um und schaute direkt in das Gesicht einer Frau in seinem Alter, recht blass und mit schulterlangen, schwarzen Haaren. Sie sah der Frau aus seiner Erinnerung zwar ähnlich, war aber definitiv nicht bedrohlich, zumal sie ein hübsches blaues Kleid und eine weiße Weste trug. Es dauerte eine ganze Weile, bis er verstand, wieso sie trocken war, doch als er es bemerkte, sah er auch, wieso plötzlich keine Regentropfen mehr auf ihn fielen: Sie hielt einen hübschen Regenschirm mit Streifenmuster über ihre Köpfe und lächelte ihn an. "Hallo. Ich bin Ronja. Meinem Vater gehören ein paar Schiffe hier - du scheinst Probleme mit Bulko zu haben, kann ich dir helfen?" BULKO, ernsthaft? Souta durchforstete sein Gedächtnis nach einer Ronja und erinnerte sich an ein Wochenende in Magnolia Town, das irgendetwas mit Ahornsirup und Federn beinhaltete ... Aber diese Ronja war blond gewesen. Und hatte mehr Kurven gehabt, aus denen man ... Oh. Quest. "Ich bin ... Magier. Ich untersuche gewisse Gerüchte ... vielleicht kannst du mir ja dabei helfen?" Er verschränkte die Arme und legte eine Hand an sein Kinn, tat so, als würde er sie genauestens mustern, obwohl sein Auge nicht von ihrem wich.
Sie runzelte leicht die Stirn, als würde sie sich erst vergewissern müssen, dass er sie nicht veräppelte, doch dann erwiderte sie sein Lächeln. "Und woher weiß ich, dass du ein Magier bist?"
"Das sollte kein Problem sein." Ohne groß zu zögern ergriff er die Unterkante seines Shirts und lüftete das Geheimnis auf seinem Bauch, was in einem hübschen roten Pferdekopf bestand, das universelle Gildenzeichen. Schade, eigentlich hatte er gehofft, zumindest in seiner Heimatstadt auszukommen, ohne sich vor hübschen Frauen zu entblößen, aber das war wohl unmöglich. Oh well.

Literarische Ergüsse schön und gut, aber Seraphim hatte deutlich besseres zu tun, als den Tag an der Kaimauer im Regen zu vollbringen. Da er sich nicht die Mühe gemacht hatte, sich eine Kapuze aufzusetzen, hatten die Wassertropfen inzwischen ihren Eroberungsfeldzug durch seine Haare beendet und waren auf seiner Kopfhaut angekommen, die das allerdings nicht sonderlich störte. Das einzig auffällige war wohl eher, dass er ein Stückchen geschrumpft schien, denn wo seine Strubbelmähne im Allgemeinen ein ganzes Stückchen Körpergröße wettmachte, hing sie nun eher herunter und bewies, dass seine Haare länger waren, als man eigentlich vermuten würde. Im Grunde genommen war ihre normale Form geradezu lachhaft, wenn man bedachte, wie krude seine Haarwurzeln sein mussten, damit sie trotz ihres Gewichts noch in die Luft standen - aber die zusätzliche Last des Wasser hielten sie dann doch nicht aus. Den Regen aus weißen Wimpern blinzelnd, näherte er sich Souta, der scheinbar gerade in ein Gespräch mit einer hübschen jungen Dame mit Regenschirm vertieft war. Dass er gerade sein Hemd hochzog, ließ entweder darauf schließen, dass er auf ganz besonders primitive Art versuchte, sie anzubaggern oder dass sie gefragt hatte, ob er wirklich ein Magier sei, denn wie er wusste, befand sich Soutas Gildenwappen um seinen Bauchnabel herum. Damit hatte er es nach wie vor einfacher als der Dragonslayer selbst, denn bei dem prangte es auf seiner rechten Brust - Souta kam schneller an seines heran. Natürlich hatte es bei ihm grundsätzlich den Vorteil, dass er zur Not eben wirklich strippen musste, was er dann natürlich auch entsprechend ausdehnte - man musste ja wenigstens etwas von den Gesichtern der Anderen haben. Wahrscheinlich handelte es sich bei Soutas Grund um letzteren, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand wie er so etwas blödes tun würde. Außerdem sah das Mädchen zwar nicht schlecht aus, aber... sicherlich nicht gut genug, um so etwas abzuziehen. Seraphim hätte ihr übrigens auf die Frage, ob er ein Magier war, wahrscheinlich den Rock hochgepustet, zu schade, dass Souta so etwas nicht konnte - er war ja eher dazu in der Lage, ein stählernes Tentakelmonster zu spielen, wie es sicherlich in manch besonders seltsamer Fantasie vorkam. Dagegen war er ja noch eher klassisch. "Irgendwas bezüglich des angeblichen Tsunamis herausgefunden?", fragte er Souta, nachdem er der Schwarzhaarigen ein freundliches Lächeln geschenkt hatte und wägte ab, ob er dem Rothaarigen wie beiläufig den Arm um die Schultern legen sollte. Das praktische daran, ihm bestimmte Stempel auf die Stirn zu drücken, war nämlich, dass er dann weniger Möglichkeiten hatte, sich von ihm fortzustehlen. Andererseits würde er jemanden dafür hassen, weswegen er es unterließ und stattdessen das Gesicht Richtung Himmel wandte. "Das Wetter ist immerhin schon einmal nicht gut, aber ob es für einen Tsunami reicht..." "Es hat hier noch nie einen Tsunami gegeben.", meldete sich Ronja zu Worte, "Aber es stürmt hier in letzter Zeit durchaus öfter. Deswegen lassen sich Bulko und die anderen Männer davon nicht beunruhigen." War das eher gut oder eher schlecht? Gut insofern, dass die Stadt scheinbar nicht nur mit Weicheiern angefüllt war, schlecht, weil man ab einem bestimmten Punkt nun einmal weglaufen musste. Das lernte man schon früh, wenn man nicht dauernd behütet wurde, immerhin gab es Mächte, gegen die man nicht ankämpfen oder die man nicht aussitzen konnte. Menschenverstand war oft das Gegenteil von Heldenmut und für letzteren hatte Cyrus extrem wenig übrig. Die Helden waren sowieso immer nur die Dummen, die zuerst starben. Sie wurden zwar von allen vergöttert, aber wer brauchte schon die Anerkennung von so niederen Geschöpfen wie Menschen?

Souta beispielsweise mochte Anerkennung schon ziemlich gern und hätte mit Sicherheit auch eine flammende Rede über den Heldenmut geschwungen, wenn er Gedanken lesen könnte, doch so wie es momentan aussah, stand er einfach nur da, ließ sein Hemd wieder fallen und warf einen Blick auf Seraphim, der wie immer zu Momenten auftauchte, an denen er vielleicht ein kleines Abenteuer mit dieser jungen Frau hätte beginnen können. Falls es nämlich tatsächlich zu einer Monsterwelle kommen sollte, wäre das der beste Anmachspruch aller Zeiten. Und er konnte ihn auch gut und gerne in Zukunft noch benutzen, schließlich war ein Tsunami eine ernste Sache und wenn sie es schafften, das Ding aufzuhalten, konnte man davon ausgehen, dass man von ihrer Heldentat hören würde. Nicht, dass er es nur darauf anlegte, aber es war doch ein netter Nebeneffekt. Es war eines von Soutas größten Talenten, aus auf dem ersten Blick schlechten Dingen positive Kerne zu entnehmen. Ein einfaches Beispiel dafür war Seraphims Frisur: Zwar mochte er sie fluffig und stachelig am liebsten und trauerte dieser Konstellation ein wenig hinterher, wenn sie so flachgepresst aussah, andererseits war es ulkig, wie sie seine Kopfform umschmeichelten und er musste sich beherrschen, nicht die Hand auszustrecken und sie zu berühren. Das tat er natürlich nicht, weil das jeglichen Rest von Professionalität und - viel wichtiger - Heterosexualität in ihm zerstört hätte, also hob er lediglich eine Augenbraue, grinste ihn an und verschob das Betatschen auf später. Im Moment war Ronja wichtiger, die nun versuchte, alle drei unter ihrem Schirm Schutz zu bieten, weshalb Souta ihr den Gefallen tat, doch noch einen halben Schritt in Seraphims Richtung zu machen, wodurch sich ihre Schultern ein wenig berührten. Da jedoch niemand außer ihm selbst darin irgendwelche Unzulässigkeiten herausfiltern konnte - er war definitiv zu paranoid bei sowas - beließ er es dabei und schaute wieder in das Gesicht der jungen Frau, die genauso freundlich wie zuvor lächelte und irgendwie erwartungsvoll aussah. Eigentlich war es ja schon beeindruckend, dass hier alle Leute diese Tsunamiwarnung als Humbug abtaten. Bisher hatte er noch keinen gesehen, der auch nur um Ansatz beunruhigt gewirkt hatte - merkwürdig. Entweder gab es einen triftigen Grund, die Vorausdeutung nicht ernst zu nehmen, oder die Leute hier waren schlichtweg dumm. Letzteres wollte er nicht glauben, da ihn das indirekt auch beleidigte, also musste es einfach zu wenige Beweise geben. Da stellte sich die Frage ... Woher bekamen sie Beweise? Man konnte ja nicht einfach in die Zukunft schauen oder komplizierte Wetterbeobachtungen anstellen, dafür fehlte ihnen das nötige Know-How. Andererseits konnten sie die Bewohner unmöglich dazu bringen, aufgrund einer vagen Vermutung den Hafen zu räumen. Dort, wo Magie geachtet und verbreitet war, wäre das vermutlich etwas Anderes, aber Hargeon Town hatte relativ wenig mit Blue Pegasus zu tun. Sie besaßen nicht die nötige Autorität, um alle zu überzeugen und waren auch nicht genug, um gegen ihren Willen alles abzusperren. Bedeutete also, dass sie auf dem Trockenen saßen, ironischerweise. Außer natürlich ... "Gibt es eigentlich den Wetterturm noch?", fragte Souta beiläufig, so als hätte er nur davon gehört. Er hatte schon nach dem Gebäude Ausschau gehalten, es aber nicht sehen können, also nahm er an, dass man es irgendwann abgerissen hatte. Vielleicht waren sie aber auch einfach nur umgezogen, eine Hafenstadt ohne Wetterturm war ja etwas aufgeschmissen. "Ah ... Ich weiß nicht genau ... Oh. Doch. Das Team ist in den Leuchtturm umgezogen, da drüben. Glaubst du wirklich, dass ein Tsunami kommt?" Er musste ihrer Bewegung nicht folgen, um zu wissen, wo der Leuchtturm lag, also zuckte er mit den Achseln. "Ich möchte die Möglichkeit nicht ausschließen. An deiner Stelle würde ich aber den Hafen meiden ... Keine Angst, du kannst die Sache ruhig uns überlassen. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht." Mit einer gewissen Genugtuung nahm er den rosaroten Schimmer auf ihren Wangen wahr und die Tatsache, dass sie ihren Schirm noch etwas fester umklammerte. Sein Mundwinkel hob sich zu einem schiefen Lächeln. Konnte er nach der Welle ein Mädchen abschleppen, oder war es besser, wenn er direkt danach aus der Stadt verschwand? Sie musste wissen, dass er nicht lange bleiben konnte, aber vielleicht machte sie genau das ja auch so neugierig. Hatte er alles schon erlebt ... Hm. Das konnte unter Umständen zu einem Interessenkonflikt führen, den er vielleicht später mit Seraphim diskutieren sollte, der wusste da sicher Rat, schließlich glaubte Souta, dass der Ältere auch schon öfter in einer solchen Situation gewesen war. Und der Rothaarige hatte traurigerweise seit seiner Rückkehr keine Frau mehr gehabt. Was bedeutete, dass er seit MONATEN keine Frau mehr gehabt hatte. "Zur Sicherheit kannst du mir ja deine Adresse geben, dann schaue ich heute Abend mal vorbei und achte darauf, dass deine Eingänge abgedichtet sind ..."

Normalerweise ließ der Dragonslayer es ja nicht zu, wenn jemand neben ihm eine weibliche Person anbaggerte, die er auch nur im geringsten attraktiv fand, weil er Konkurrenz nicht besonders mochte. In diesem Falle hatte er aber eher ein Problem damit, nicht sofort loszukichern, als er Souta dabei beobachtete, schließlich fand er es irgendwie süß. Nicht ihre Reaktion, denn so etwas war er ja gewöhnt, sondern eher die Schiene, über die er an sie heranzukommen versuchte und die Tatsache dass er sich dabei auf genau die richtige Methode verlassen hatte. Es gab unterschiedliche Arten von Frauen, so viele, dass man sie wahrscheinlich nicht einmal katalogisieren könnte, wenn man es wollte. Es gab solche, die ein Herz für Verlierer hatten, solche, die einen Helden brauchten, einen Beschützer. Es gab die, die sich selbst für die Fee hielten, die den einsamen Cowboy von seinem Pferd ziehen konnte und ihn bei sich zu halten in der Lage war; die in jedem Verbrecher eine gute Seele erkannte und ihn von seinem Drang, böses zu tun, befreien wollte. Natürlich auch solche, denen ein großes Herz wichtiger als ein einigermaßen gefüllter Kopf war, jene, die jemanden suchten, den sie nach Lust und Laune manipulieren konnten und nicht zuletzt die, die von fehlender Intelligenz abgestoßen wurden. Wenn man sich längere Zeit mit Menschen und ihren Eigenheiten beschäftigte, bemerkte man, dass man diese Varianz zwar nicht verstehen, aber zumindest zuordnen lernen musste, um für den jeweils richtigen Typ immer das zu tun, womit man bei besagter Dame landen konnte. Seraphim tat sich da bei einigen schwerer als bei anderen, manche Rolle weigerte er sich sogar zu spielen, weil sie komplett unter seiner Würde lag. Soutas Bravourstück war offenbar genau das, was er sowieso zu verkörpern versuchte: Der strahlende Ritter, Beschützer in Not und dabei irgendwie knuffig wie ein flauschiges Kuscheltier. Ein Lächeln hatte sich auf Seraphims Lippen geschlichen, als er ihn einfach mal machen ließ, denn es war ja sein gutes Recht, die Person zu umwerben, die er sich da ausgesucht hatte - ebenso wenig wollte er selbst ja für ein solches Verhalten gescholten werden. Was Beziehungen oder einfach körperliche Gefallen dieser Art anging, war der Dragonslayer nämlich so liberal, wie man nur sien konnte. Für viele sogar eine Spur zu viel, im Grunde sogar noch mehr als Souta das jemals sein würde. Wahrscheinlich lag das daran, dass er nicht in den festen Konventionen der menschlichen Gesellschaft aufgewachsen war, sondern fernab dieser Wesen. Da die Tiere, die ihn umgeben hatten, nun einmal keinen besseren Sinn des Lebens kannten, als zu fressen und sich munter zu vermehren, hatte man sich bei denen ja schlecht etwas abgucken können: Nur die wenigsten pelzigen Viecher suchten sich einen festen Lebenspartner aus und blieben bei ihm. (Unter anderem Pinguine und Seepferdchen, aber es sollte verständlich sein, dass der Dragonslayer mit weder noch viel Kontakt gepflegt hatte, oder?)
Ach, er wollte heute Abend mal bei ihr vorbei schauen und gucken, dass was? Seraphims eine Augenbraue erhob sich unwillkürlich, während sein Mundwinkel zu zittern begann, was er aber schnell mit der Hand verbarg. Einen kurzer Blick zu Ronja später war klar, dass sie wohl nicht dieselben Assoziationen wie er gehabt hatte, aber das verwunderte ihn nicht. Man brauchte wohl auch eine gewisse geistige Grundeinstellung, um solche Worte sofort in diese ganz bestimmte Richtung zu lenken, die die meisten Menschen zum Glück nicht besaßen. Es wäre ja auch schlimm, wenn alle wie die beiden Magier wären, was würde an den Abenden dann wohl los sein... wahrscheinlich Zustände wie in diesen alten Bildnissen über sündhafte Zusammenkommen. "Ein Meteorologenteam, hm? Klingt doch ganz brauchbar. Vielleicht solltest du bei denen auch mal die Stabilität jeglicher Ein- und Ausgänge prüfen... Souta-chan.", meinte er mit leicht säuselndem Unterton, nachdem sie sich von Ronja entfernt hatten, die dem Rothaarigen doch tatsächlich beschrieben hatte, wo sie wohnte. Er persönlich hatte ja nichts dagegen, wenn Souta sich mit der vergnügte, solange er nicht gleich auf die geniale Idee kam, bei ihr zu bleiben. Dann wiederum könnte die Gute eines Tages eines sehr plötzlichen Todes sterben, immerhin gab es hier bestimmt irgendwo Klippen, von denen eine spontane Windböe einen armen Wanderer wehen konnte... aber da er nicht glaubte, dass sich da das Paar des Jahrhunderts gefunden hatte, blieb er in der Hinsicht recht entspannt.

Normale Menschen hätten bei so einem Kommentar sicher angemessen verschämt reagiert und ein wenig Reue für eine solch taktlose Verführungsaktion empfunden, aber bei Souta war das nicht so sicher. Er war schon einmal nicht normal, das hieß, alle Konventionen trafen nicht auf ihn zu. Dann hatte er in seinen Augen absolut keinen Grund, sich für etwas so Schönes schlecht zu fühlen, schließlich war das, was er auszuführen gedachte, ein wunderschöner natürlicher Akt, der in manchen Fällen sogar neues Leben schenkte. In seinen ganz sicher nicht, dafür würde er sorgen, aber das nahm der philosophischen Bedeutung ja nichts, fand er. Und natürlich zählte auch, dass er schon fast vergessen hatte, wie die schönste Sache der Welt eigentlich mit einer Frau war und er das sowohl beängstigend als auch traurig einschätzte. Dementsprechend happy war er natürlich, dass er Ronja heute Abend auf's Kreuz legen durfte. Kein Kommentar der Welt konnte einem Mann wie ihm diese Fröhlichkeit aus den Segeln blasen, und es war ja nun auch nicht so, als wäre er den Spott des Weißhaarigen nicht gewohnt, der natürlich die subtile Botschaft unter seinem ach so großzügigem Angebot herausgefiltert hatte. Allein die Tatsache, dass er so vollends verstanden wurde, ließ sein Herz ein wenig schmelzen. Es ging ihm nun wieder ausgezeichnet. Niemand wollte ihn verprügeln, es gab keine großartigen Zwischenfälle und er war für die Nacht bedient - konnte sein Leben eigentlich schöner sein? Es hätte ihn nicht gewundert, wenn der Regen jeden Moment aufgehört hätte, um die Großartigkeit des Tages zu vervollkommnen, doch so war es auch okay. Während sie so den Weg entlangschritten, der zum Leuchtturm führen sollte, der in dieser Helligkeit natürlich nicht aktiv war, nahm er plötzlich Anlauf und sprang in eine der sich bildenden Pfützen, dass das Wasser nur so herumspritzte - natürlich in angemessenen Abstand zu Seraphim, den wollte er nicht unnötig verdrecken. Als er fertig damit war, wie ein kleines Kind von einem Wasserloch zum nächsten zu hoppsen, blieb er vor dem Älteren stehen, griff seine Hände und drehte sich mit ihm im Kreis. Ja, er war definitiv jemand, der seine Freude nicht verbergen konnte und er hatte kurzzeitig vergessen, dass hier ein Tsunami lauern mochte, aber das war egal. Im Augenblick schaute niemand den gewundenen Weg zur umgezogenen Wetterstation nach oben, da war es nicht mehr so peinlich, den Körper seines besten Freundes an den Armen eine Pirouette vollführen zu lassen, zumal er es auch nur bei der einen beließ, ehe er sich wieder gefasst hatte und das Lachen in ihm sich zurückgezogen hatte. Letztendlich stand er wieder vor ihm und grinste wie ein Honigkuchenpferd. "Kannst du fassen, dass sie darauf direkt angesprungen ist?", fragte er mit weit aufgerissenem Auge, "Das wird lustig. Hey, ich erinnere mich an den Leiter dieses Forschungsteams. Der war schon vor Jahren ziemlich plemplem ... Und ihr habt normalerweise dieselbe Frisur." Wie um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, streichelte er nun doch über die momentan flachen Haare, weil er einfach nicht mehr widerstehen konnte - das fühlte sich aber auch vollkommen ungewohnt an.

Mit solchen Zuständen, wie derjenige, in dem der Kettenmagier sich gerade befand, hatte Seraphim wenig Erfahrung. Die einzigen Zeitspannen, in denen er tatsächlich vorbildlich enthaltsam gelebt hatte, waren seine Besuche bei seiner Mutter gewesen, die er mindestens einmal im Jahr tätigte, allerdings auch nicht allzu oft, da sie meist mit erheblichem Aufwand und unschönem Beiwerk verbunden waren. Zum einen wohnte die Urdrachin nämlich nicht gerade in Oshibana Town um die Ecke, sondern eher kilometerweit außerhalb jeglicher Zivilisation, zum anderen wurde es immer dann ungemütlich, wenn sich das Thema der Konversation seinem Leben zuwandte und der Art, wie er mit den Menschen umging. Während es ja auch böswillige oder zumindest sehr zynische Drachen gab, war die Himmelsdrachin eher ein Menschenfreund, schließlich hatte sie ihn ja auch nur aus gutem Willen und Gelegenheit gerettet. Er wiederum war eher das genaue Gegenteil und hatte auch nicht vor, sich in der Hinsicht zu ändern, sodass im Grunde genommen immer Streit entfachte, wenn es um seinen Lebenswandel ging. Und wie man sich denken konnte, war es nicht die weiseste Entscheidung, sich mit einem haushohen Drachen anzulegen, der einen bei zu großer Eskalation auch einfach mit einer Klaue an den Boden nageln konnte. Nun, er verehrte sie trotz dieser kleinen Meinungsverschiedenheiten mehr als jede andere Entität, die Fiore für ihn bereithalten konnte und daran würde auch dieser Streit sicherlich nichts ändern, aber er besuchte sie deswegen kaum länger als eine Woche, ehe er wieder in die Gesellschaft von Menschen zurückkehrte. Dieser Zeitpunkt war auch übrigens der einzige, zu dem man ihn einigermaßen ungepflegt herumlaufen sehen konnte, weil er mit leichtem, weißen Bartschatten irgendwie ein wenig suspekt wirkte. Auch einer der Gründe, warum er sich keinen Bart stehen lassen würde, neben der dann wahrscheinlich zu großen Ähnlichkeit mit dem Weihnachtsmann.
Doch auch wenn er nicht recht bewerten konnte, wie Souta sich fühlen mochte, freute es ihn, dass er scheinbar glücklich mit der Aussicht war, sich diese Kleine da als zusätzliche Questbelohnung einverleiben zu können. Moralisch war es sicherlich verwerflich, Schutzbefohlene für seine eigenen Zwecke einzuspannen - gerade auf so eine Art - aber da Seraphim das schon öfter getan hatte und mit Ethik und Moral sowieso eher weniger am Hut hatte, würde er diesen Aspekt einfach ignorieren. Zudem erleichterte es ihn doch etwas mehr als erwartet, dass Souta mit seiner Freude nicht hinter dem Zaun hielt und ihn sozusagen gleich wieder darin einband, denn das machte die geringe Chance, er würde ihn noch an diese Frau verlieren, noch ein Stück unwahrscheinlicher. Natürlich wusste er, dass Souta sowieso nicht der Typ für Beziehungen war, aber ein kleines bisschen Paranoia durfte er sich in dieser Richtung durchaus leisten, zumal sein Herz einen Hüpfer zu machen schien, als Souta sich mit ihm drehte. Natürlich ließ er sich das nicht anmerken, aber es war auf eine schrecklich kitschige Art schön gewesen, die Art von angenehm, die meistens mit Herzchen und Puderzucker garniert kredenzt wurde. "Wahrscheinlich ist sie wahnsinnig behütet aufgewachsen.", kommentierte er Soutas Frage und zuckte mit den Schultern, denn das war es, was ihm seine Erfahrung diktierte: Wenn man zu sehr beschützt wurde, lernte man nicht, dass Misstrauen in Maßen gesund war. Sollte er selbst jemals Töchter haben... was unwahrscheinlich war... würde er ganz eindeutig dafür sorgen, dass sie nicht so einfach auf einen dahergelaufenen Schönling hereinfielen - obwohl Souta natürlich ganz besonders hübsch war. Wenn er das nicht so eindeutig gewusst hätte, wäre das wohl vielleicht noch etwas reizvoller gewesen, aber hey, er nahm ihn auch so. "Ich sehe also aus wie ein durchgedrehter Wissenschaftler, ja?", fragte er gespielt streng und knuffte den Einäugigen in die Seite, was aufgrund des Regens ein nasses Matschgeräusch seitens seiner Kleidung provozierte. Nun mussten die beiden Magier sich also erst einmal zum Leuchtturm durchkämpfen, ehe sie vielleicht etwas vertrauenswürdigere Informationen bekamen als von den grobschlächtigen Hafenarbeitern.

Auf eine solche Frage hin sah es Souta natürlich erst einmal als seine heilige Pflicht an, einen Schritt zurückzutreten und den Weißhaarigen von oben bis unten zu mustern, etwas, was er nur ausgesprochen selten tat. Es gab einfach nie Gelegenheit dazu, seinen Mitmenschen das nötige Maß an Aufmerksamkeit zu schenken, selbst, wenn Seraphim momentan die ganze Zeit über auf ihn hockte, so tauchte doch immer etwas auf, was ihn fesselte, etwas, was seine Beobachtungen erforderte. Davon abgesehen war der Kettenmagier auch nicht der Typ, der stundenlang dasitzen und jeden Winkel des Körpers eines anderen analysieren konnte, dafür war er zu ungeduldig. Normalerweise reichte es ihm, Bruchstücke genauer zu erkunden, und er hatte ab und zu auch schon seinen Spaß daran, sämtliche Texturen, die eine biologische Hülle zu bieten hatte, genauestens zu untersuchen, aber das bedeutete ja nicht, dass er das rund um die Uhr so exzessiv tat. Bei Seraphim war das natürlich etwas Anderes - Souta wusste, dass er unter ständiger Beobachtung stand, sobald er einen Raum betrat, in dem sich der Ältere aufhielt. Das war interessant und ein wenig gruselig, aber dagegen konnte man nicht vorgehen, er war schließlich der Letzte, der jemandem davon abhalten würde, seine Schönheit zu bewundern. Sein bester Freund war an sich ja auch ein recht hübscher Kerl, also, für diejenigen, die das einschätzen konnten, und der Kettenmagier runzelte leicht die Stirn, während er ihn so begutachtete, ganz als hinge das Schicksal der Welt davon ab, dass er die tatsächlich weißen Wimpern des Himmelsmagiers zählte. Da war die Tätowierung auf seinem Jochbein, weiße Augenbrauen und violette Augen, alles natürlich kurios, aber im Gesamtpaket doch recht nett. Weiter unten hatte Seraphim einen breiteren Anbau, obwohl Souta mehr Muskeln hatte; deshalb flatterte das geliehende Hemd auch so abenteuerlich um die Mitte des Rothaarigen. Er hatte auf der Kreuzfahrt auch seine Freude damit gehabt, einfach mal in allen Kleidungsstücken des Anderen herumzulaufen, die er auftreiben konnte, einfach, weil das eine Erfahrung war, die er bei seinen weiblichen Bettgeschichten nicht machen konnte - das Resultat war amüsant gewesen, aber er würde wohl nicht langfristig auf Hosen umsteigen, die ständig nach unten rutschten, egal ob mit oder ohne Abhilfe seines 'besten' Freundes. Nein, er war Souta, Seraphim war Seraphim, so war das schon ganz in Ordnung, obwohl Seraphim natürlich eigentlich Cyrus war, aber den Namen mochte er nicht und benutzte er nur, wenn er besonders speziell sein wollte. Sah er also aus wie ein verrückter Wissenschaftler? "Hm ... Nur deine Haare, aber gerade siehst du eher aus wie ein begossenes Schaf." Sein Lächeln nahm dem Kommentar die ohnehin kaum vorhandene Schärfe, so dass er sich ohne schlechtes Gewissen umwenden und den kleinen Steilpfad zum Leuchtturm erklimmen konnte. Letztendlich standen die beiden vor einer rotlackierten Tür und zumindest der Rotschopf schaute nach oben, wo einige merkwürdig aussehende Gerätschaften aus den Fenstern ragten. Er nahm einen Moment, um die Kulisse auf sich wirken zu lassen, dann hob er die Faust und klopfte laut gegen die Tür. Nichts. Erst nach ein paar Sekunden warten und einem verwirrten Blick zu dem Dragonslayer hörte man das Klicken von gefühlt tausend Schlössern, dann öffnete sich die Rote einen Spalt breit und entblößte ein durch eine runde Brille überdimensional vergrößertes Auge, eingefasst von den buschigsten Augenbrauen, die Souta je gesehen hatte. Er hatte ungefähr eine Sekunde Zeit, den Mund zu öffnen, ehe die Tür ganz aufgerissen wurde und ein laufender Meter von Mann sich vor ihm aufbaute, gekleidet in einem klischeeartigen weißen Kittel und mit Seraphimfrisur, die sich allerdings zur Stirn hin bereits ausdünnte. Man konnte sehen, wie sich die Augen verengten, ehe der Alte einen Schritt auf ihn zumachte und dann ein Gerät aus seinem Mantel hervorholte, was ein wenig wie ein umgebauter Mini-Toaster mit angebautem Mikrofon aussah, wenngleich dessen Kopf irgendwie flacher war. Was auch immer es war, Souta machte Bekanntschaft damit, da der Wissenschaftler ihm das mit ziemlicher Wucht in den Bauch rammte, was dem Kettenmagier erst einmal einen überraschten Keucher entlockte, später dann ein empörtes "Au!". Als wäre nichts passiert, betrachtete der Alte kritisch das Gerät, welches in keinster Weise Leben zu beinhalten schien, dann wandte er sich Seraphim zu und schickte sich an, die Prozedur zu wiederholen. "Hey ... was zur Hölle?!" "Hab gehört, Magier sind in der Stadt. Hab ein Gerät gebaut, was Mana misst, das ist wichtig für magische Stürme ...! Endlich kann ich es ausprobieren ..." Oh, großartig. Der einzige Mensch, der ihnen brauchbare Informationen geben konnte, wollte sie also als Versuchskaninchen, das war ja wiedermal ganz klasse. Davon abgesehen glaubte er nicht, dass es Manamessgeräte gab, von daher war dieser Typ wohl einfach nur nicht ganz richtig im Kopf ... und ziemlich grob.

Ein begossener Pudel hätte es bei dem Volumenverlust seiner Haare und dem Blick, den er gerade zur Schau trug, sicherlich besser getroffen. Gespielt beleidigt hatte er den Rothaarigen zwischen nassen Strähnen angeblinzelt und war ihm dann ohne weitere Widerworte gefolgt, als er ihn als Schaf bezeichnet hatte, was eine Beschreibung war, die ihm zugegebenerweise nicht besonders gefiel. Zum einen hielt er diese Tiere für dumm. Wie konnte man nur den ganzen Tag auf der Weide stehen, sich nen Pelz wachsen lassen, Gras fressen und blöken? Zum anderen fand er Schafe auch nicht besonders schön, sondern eher plump und dümmlich, Dinge, die auf ihn seiner Meinung nach nicht zutrafen. Er war eigentlich ziemlich gewitzt und so klug, dass man ihn selten auf dem falschen Fuß erwischen konnte, aber vor allem war er nicht plump... der einzige Grund, aus dem seine Sachen an Soutas Körper schlabberten, war die ausgesprochene Zierlichkeit des Jungens, während er eben einen recht normalen Körperbau besaß. Vielleicht war er in der Hinsicht auch ein wenig eitel, aber er konnte sich das seiner Ansicht nach auch erlauben, immerhin wäre das alles Kritik auf einem hohen Niveau.
Es war vielleicht gar keine so schlechte Idee gewesen, ein Wetterbeobachtungsteam in diesen Leuchtturm zu versetzen, dachte er sich, als sie auf das Gebäude zugingen, das sich selbst im strömenden Regen noch durchdringend rot-weiß gegen das Grau des Himmels abhob. Es ragte hoch in den Himmel, sodass man von oben sicherlich eine fabelhafte Aussicht hatte, wenn das Wetter sich etwas verschönerte. Momentan war es wahrscheinlich lebensgefährlich, sich dort rauszuwagen, wenn man nicht zufällig fliegen konnte, denn eine heftigere Böe und man segelte gen Boden. Einen solchen Sturz würden wohl nur die wenigsten überleben... und dort ließ man einen Wissenschaftler herein, der von Souta als ein wenig plemplem beschrieben worden war? Solange er guter Gesinnung war und Helfer hatte, die seine genialen Anfälle unter Kontrolle zu halten wussten, stellte das wahrscheinlich weniger ein Problem dar, als wenn er sich selbst auf einmal zum Superschurken erhob und die wenige Aufmerksamkeit zu rächen drohte, die man ihm geschenkt hatte. Man kannte solche Charaktere doch, in jedem zweiten Buch kamen sie vor, mal mehr mal weniger authentisch. Dieses Mal hatte sich der Schreiber dieser Geschichte jemanden ausgedacht, der die Leser wohl eher zum Lachen bringen sollte, ein kleines, etwas hutzeliges Männlein, das tatsächlich in etwa seine Frisur, wenn auch deutlich weniger dichtes Haar hatte. Er sah allerdings auch nicht so aus, als würde er seiner Körperpflege besonders viel Zeit opfern, wie er da in der Tür stand, einen Kittel über einen zerschlissenen Ringelpulli geworfen, eine große Opabrille auf der Nase und ein Gerät in Händen, das er noch nie gesehen hatte. Vielleicht war er ja paranoid und hatte Angst vor Spionage oder Wanzen, nach denen er die beiden nun absuchen würde. Doch da hatte er Souta das Teil schon in den Magen gerammt und Seraphim machte einen halben Schritt vor, bereit den Kleinen noch einen Kopf kürzer zu machen, als dieser sich erklärte. Der Dragonslayer entspannte sich ruckartig, als er erklärte, es würde sich bei dem gerät um eine Art Manameter handeln, das er wohl erfunden habe und austesten wolle. Es hatte sich also nicht um einen Mordanschlag, sondern nur die Lieblosigkeit eines alten Mannes gehandelt, das war gerade noch verzeihbar - auch wenn es ihn ärgerte, dass er dem Augenklappenträger weh getan hatte, wo dieser doch so übertrieben empfindlich war.
Umso mehr zauberte es ein Grinsen auf seine Lippen, als er sich mit dem Gerät nun ihm näherte, das, noch bevor es ihn berühren konnte, einen schrillen Piep von sich gab, bevor es unangenehm knirschte und sich gar nichts mehr tat. "Aw nein... nun ist es kaputt. Ich fürchte, Sie werden noch etwas an der Feinjustierung arbeiten müssen...", schnarrte er mit leichter Schadenfreude in der Stimme und drückte den alten Mann zurück in die Tür, um ihm ohne zu fragen zu folgen und die Tür schließlich hinter dem Kettenmagier schloss. Hier drinnen war es wenigstens trocken, wenn auch nicht unbedingt heimisch. Wie man vielleicht wusste, bestand der Großteil eines solchen Bauwerks aus Wendeltreppen, während sich die echten Räume meist weiter oben befanden. "Ganz schön mieses Wetter, nicht wahr, Herr...?", fragte er, im Versuch, vielleicht doch noch ein wenig höflich zu klingen. Sie wollten immerhin Informationen von ihm haben - wo er doch schon sein tolles Gerät hatte austesten dürfen.

Während Souta sich den Bauch rieb und einen Blick aufgesetzt hatte, der an einen getretenen, beleidigten Hundewelpen erinnerte, kriegte sich der Wutzelmann gar nicht mehr ein und betrachtete Seraphim mit der Miene eines ... nun, eines verrückten Wissenschaftlers. Offenbar hatte er gerade den Traum aller Träume erfüllt bekommen, so dass es ihn nicht einmal übermäßig zu stören schien, dass er so unfreundlich in seinen Turm komplimentiert worden war. Die Trockenheit war wirklich angenehm, aber das war auch schon das Einzige, was er hier als positiv empfinden konnte. Wenn man ihn fragte, war Souta eher ein Freund von weiten Räumlichkeiten, in denen man sich auch anständig bewegen konnte. Dieser Turm war dagegen eher eng und einschränkend, nichts also, was er unbedingt länger besuchen würde, obwohl die Wendeltreppen natürlich cool waren und er sich fragte, ob er in voller Geschwindigkeit vielleicht auch an den Wänden hinaufrennen könnte - allerdings konnte er nicht einfach so über den Wissenschaftler hinweghüpfen, der immernoch Glitzeraugen machte und sich Seraphims Worte anhörte, als wäre er ein Heiliger. Der Kettenmagier konnte sich ein Schnauben nicht verkneifen, gab aber sonst keinerlei Kommentar zur Situation ab und ging stattdessen dazu über, sich das nasse Hemd auszuziehen, es zusammenzufalten und es sich über den Unterarm zu legen, wobei sein Auge durch den beschränkten Innenraum huschte. Der Wissenschaftler hatte es irgendwann geschafft, seine Begeisterung im Zaum zu halten und beobachtete Souta dabei, wie er den Saum seines Shirts richtete, was dem Rothaarigen etwas seltsam vorkam. "Jaja, scheußliches Wetter. Tann, mein Name. Wieso hat es bei dir nicht angeschlagen...?" Diesmal war der Kettenmagier auf eine Attacke vorbereitet, so daher war es nicht sonderlich kompliziert, der Gerätattacke auszuweichen und sich hinter Seraphim zu platzieren. Ein wenig misstrauisch lugte das grüne Auge daraufhin über dessen Schulter hinweg - er war ja genausogroß, da war es leider nicht so ertragreich, sich hinter ihm zu verstecken - auch nachdem der Professor das Gerät sinken gelassen hatte. Für alle Fälle behielt Souta die Hände an den Oberarmen vor ihm, so hatte er ein lebendes Schutzschild, denn er war wirklich nicht sonderlich scharf auf Schmerzen. "Ich bin Magier - aber ... Ich kann nur einen Zauber. Meine Stärken sind woanders. Bitte nicht mehr pieken." "Huh ... Interessant, wie schnell du mir ausgewichen bist! Ich würde dich gerne untersuchen ... Magie ist mein Hobby, weißt du. Oh, da kommt mir eine Idee!" Er klatschte in die runzligen Hände und drehte sich einmal im Kreis, offenbar überglücklich über seine eigene Genialität. "Ich hab wegen dem Wetter allen freigegeben, und ich werde euch alles sagen, was ich über den Tsunami weiß, wenn..." Er kicherte und deutete auf den Rothaarigen, der den Kopf schieflegte. " ... wenn ich ein paar Tests mit ihm machen darf!" Tests? Das klang vielversprechend. Im Grunde genommen hatte es Souta ja schon immer interessiert, ob seine Geschwindigkeit irgendeine medizinische Bedeutung hatte, andererseits hatte er nicht viel Lust darauf, sich einer Untersuchung zu unterziehen, die unter Umständen unangenehm werden würde. Fragte sich nur wie sturköpfig so ein Wissenschaftler war. Verrückte Leute hatten ja meist eine beeindruckende Willenskraft und die einzige Variante, die der Rothaarige kannte, um den Willen einer Person zu brechen, war Folter. Und das war natürlich keine Alternative. Na ja. Unter Umständen hatte Seraphim ja eine zündende Idee - er würde ihn doch nicht ausliefern, nur um ihn in Unterwäsche durch den Turm laufen zu sehen, oder?