Seraphim mochte Friedhöfe nicht besonders. Er fand, dass sie nach Tod rochen, nach Trauer und Einsamkeit, aber immerhin waren sie meist stille Orte, an die man sich zurückziehen konnte, wenn man seine Ruhe brauchte. Er hatte zwar nicht erwartet, dass Souta ihn ausgerechnet hier hin führen würde, aber es wunderte ihn auch nicht besonders, nun, wo sie durch die kleine Pforte traten. Wahrscheinlich hatte es etwas mit dem Ableben einer Person zu tun, dass er sich solche Vorwürfe machte, denn er schätzte den Kettenmagier nicht als eine Person ein, die besonders viel auf Besitztümer gab. Vielmehr schien er vom Leben fasziniert zu sein und betrachtete es wahrscheinlich als Frevel, wenn dieses ausgelöscht wurde. Es war nicht besonders schwer, zu bemerken, dass Souta aufgeregt war, nicht, nachdem dieser Seraphims Hand in die seine genommen hatte, die mit jedem Schritt, den sie taten, schwitziger zu werden schien. Es kostete ihn offenbar Anstrengung, nicht auf der Stelle umzukehren und erneut davon zu laufen, aber er stellte sich dieser Angst. Vielleicht hatte er die Eindringlichkeit seiner Worte verstanden, dass er ihn nicht würde noch einmal mit halbherzigen Lügen würde abspeisen können, aber wahrscheinlicher war, dass er gespürt hatte, dass jedes Geheimnis einmal herausmusste. Zumindest ging das den meisten Menschen so, die Seraphim getroffen hatte. Es gab sogar diejenigen, die ein solches keine fünf Minuten bei sich behalten konnten und ihm nach so kurzer Zeit bereits ihr Herz ausgeschüttet hatten, da hatte der Augenklappenträger doch wirklich länger durchgehalten, oder? Auch in Seraphims Leben existierten Augenblicke, von denen er nie jemandem erzählen würde, aber sie belasteten ihn auch nicht mehr als nötig, wenn er nicht daran dachte. Der Itasa hingegen schien mit jedem Meter unsicherer zu werden, als sei er sich nicht sicher, ob er das richtige tat, aber noch blieb er nicht stehen. Er wusste nicht genau, was er tun würde, wenn er nun einen Rückzieher machen würde, aber das einzige, was ihn dann davon abgehalten hätte, den ganzen Friedhof nach Hinweisen abzusuchen, wäre der Tsunami gewesen.
Das Grab, vor dem Souta schließlich stehen blieb, war ausgesprochen klein. Ein Kindergrab wahrscheinlich, es sei denn es hatte zu jemandem gehört, dessen Verwandten sich keinen größeren Platz leisten konnten. Die Lebensdaten des Toten sprachen jedoch für sich, gaben sie doch an, dass dieses Kind gerade einmal fünf Jahre alt geworden war, ehe es gestorben war. Der Name war es allerdings, der Seraphims Aufmerksamkeit sofort auf sich zog: Er trug nicht nur Soutas Nachnamen, sondern fing auch mit der Vorsilbe an, nach der Rothaarige das letzte Mal abgebrochen hatte, als er von einem Picknick seiner Familie erzählte. Suichuka... und auf einmal begann Souta zu erzählen. Einen kurzen Moment musste sich Seraphim erst einmal fangen, als so viele Informationen auf ihn herabprasselten, wie er nie und nimmer über den Kettenmagier zu erfahren erwartet hatte. Doch jedes Detail passte so gut zu den Dingen, die er schon vermutet hatte, dass es dieses Mal wohl die Wahrheit sein musste, die über seine Lippen kam und nicht die verräterisch fröhlichen Lügen, die er ihm sonst meistens auftischte. Nur eine einzige Sache wollte nicht in seinen Kopf herein: Wie konnte sich Souta die Schuld am Tod seiner Schwester geben? "Du kannst nichtmal schwimmen.", meinte er trocken, während der Regen auf sie hernieder prasselte und blickte auf den durchnässten, roten Schopf hinunter. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er sich neben ihn hockte und ihm einen Kuss auf die Schläfe drückte, an seine Stirn kam er immerhin gerade nicht heran. "Manchmal wirft dir das Schicksal Tatsachen in den Weg, deren Änderung nicht in deiner Macht steht. Warst du schonmal in Oshibana Town auf dem Friedhof?" Er verschränkte die Arme um seine Knie und blickte das kleine Grab an, das scheinbar der Auslöser für all den Kummer war, den er im Auge des Kettenmagiers sah. "Wenn du nur genau genug suchst, wirst du meinen Namen auf einem Grabstein finden, auch wenn man sich Mühe gegeben hat, ihn wieder zu entfernen. Ich frage mich immer noch, wer auf die seltsame Idee kam, meinen Eltern Gräber zu stiften... eine Streichholzschachtel hätte wahrscheinlich auch gereicht... Aber das ist auch gar nicht der Punkt." Einen Wimpernschlag blickten seine Augen ins Leere, ehe er sich wieder Souta zuwandte. "Deiner Logik nach, Souta-chan, habe ich den Tod meiner Eltern verschuldet. Ich war dabei und konnte nichts dagegen tun. Macht mich das nun zu ihrem Mörder?" Er streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingerspitzen den Namen des kleinen Mädchens nach, das hier wohl gelegen hätte, wenn man sie aus den Fluten, in denen Souta sie verloren hatte, geborgen hätte. Auch dies war ein ungewöhnlicher, langer Name, ebenso wie der des Rothaarigen selbst - aber ein deutlich schönerer. Wahrscheinlich hatte er den Namen von seinem Vater erhalten, während der ihre von seiner Mutter erdacht worden war, hm? "Weißt du, ich glaube, dass dieses Mädchen sehr glücklich war, dich als ihren großen Bruder zu haben. Ich bin mir sicher, dass du deine Sache in der Hinsicht gut gemacht hast. Normalerweise darf man Kindern aber nicht so früh die Verantwortung für das Leben eines Anderen übertragen und es ist ja nicht so, als habest du dich darum gerissen. Laut deiner Erzählung bist nicht du Person, die für all das zu Verantwortung zu ziehen ist, sondern dein Vater. Manche Menschen sollten einfach keine Kinder in die Welt setzen." Und zu denen gehörte er ganz eindeutig auch.

Soutas Herz machte einen kleinen Hüpfer, als Seraphim seine Antwort formuliert hatte. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, dass sich seine Brust noch enger verschnürte, weil er immernoch nicht glaubte, dass der Ältere wirklich verstanden hatte, worum es hier ging, doch dann schienen sich alle Muskeln in seinem Körper auf einmal zu entspannen. Es war, als hätte er die ganze Zeit einen Dorn im Fuß gehabt, und nun hatte man ihn entfernt. Er hatte einer anderen Person gestanden, wofür er sich so sehr verachtete – und natürlich hatte sie reagiert, indem sie ihn dafür auch noch küsste. Und von sich selbst erzählte, von toten Eltern. Natürlich war Seraphims Leben nicht Regenbögen und Einhörner gewesen, wie hatte er das annehmen können? Es war schon ironisch, dass sich ausgerechnet diese zwei verkorksten Typen gefunden hatten, um sich ihre Lebensgeschichten zu erzählen. Souta hatte hundert Worte gebraucht, um alles zu erzählen, was ihn bedrückte – und der Himmelsmagier hebelte mit nur einem Satz alle negativen Gedanken aus, war das eine Art Talent von ihm? Der Kettenmagier würde sich selbstverständlich dagegen sträuben, den Anderen als Mörder zu bezeichnen – das hätte er nicht einmal dann gekonnt, wenn er ihn dabei beobachtet hätte, wie er Unschuldige ermordete. Er verstand nicht, wie man dieses Wesen herzlos nennen konnte, das so auf ihn achtete und sich um ihn kümmerte, dass immer da war, wenn er es brauchte und ihn mit all seinen Fehlern akzeptierte. Der Rothaarige neigte den Kopf zur Seite und betrachtete die Profilansicht von Seraphims Gesicht, während dieser über den Namen seiner Schwester strich, so offensichtlich versuchte, all das zu verstehen, was in ihm vorging. Er konnte sich ausmalen, dass sein bester Freund bereits nach einer Möglichkeit suchte, seinen dummen, kaputten Geisteszustand zu reparieren – und das brachte ihn irgendwie zum Lächeln. Da war also jemand, der ihn wieder zusammensetzen wollte, jemand, der ihm die Hand hinhielt, wenn er mit dem Gesicht im Matsch landete. Eigentlich war das sein Job, so wie er sich für die ganze Welt und alle ihre Probleme verantwortlich machte, aber Seraphim stellte keine Bedrohung da, weil er glaubte, dass es nicht viele Menschen gab, für die er bereitwillig vor einem Grab hockte. Machte ihn das zu etwas Besonderem? Konnte es – und das klang jetzt kitschiger, als er es sich jemals eingestehen würde – konnte es sein, dass er die ganze Zeit versuchte, speziell, exotisch und besonders zu sein, weil er danach gesucht hatte, was es auch sein mochte? Auf eine beängstigende Art machte ihn das glücklich, auch wenn er nicht ganz wusste, was es bedeutete, dass er sich gerade schwindlig und fröhlich zugleich fühlte. Das kannte er nicht … oder hatte es vergessen. „Ich vermisse sie“, sagte er letztendlich auf traurige Weise nachdenklich, was zwar keine Antwort auf Seraphims Aussage war, aber spät genug kam, um zu verdeutlichen, dass er zumindest darüber nachgedacht hatte. Mit einem leichten Lächeln streckte er die Hand aus und holte Seraphims Finger ein, umfasste die Hand kurz mit festem Griff. „Und ich werde meinen Vater zur Rechenschaft ziehen, wenn ich ihn sehe. Bis dahin … Danke. Sie hätte dich gemocht, denke ich. Andererseits – wenn sie nicht gestorben wäre, hätte ich dich wahrscheinlich nie getroffen, hm? Glaubst du an Schicksal?“ Er lachte – ein unglaubliches angenehmes Geräusch, wenn auch leiser als sein übliches Gelächter, und sprang auf die Füße, beugte sich aber noch einmal nach unten gab Seraphim einen Kuss mitten auf den Kopf, ehe er ein paar Schritte weiter den Weg entlangging und sich mit ausgebreiteten Armen umwandte, so als würde er demnächst wegfliegen. Vielleicht würde er das. Er hatte das Gefühl, fünfzig Zentner leichter zu sein. „Ha! Lass uns die Welt retten, darauf habe ich jetzt Lust!“

Es schien dem Himmelsmagier, als sei die Sonne aufgegangen und würde einen Regenbogen über den gesamten Himmel spannen, als der Rothaarige lachte. Er hatte das schon oft getan, eigentlich ständig, aber irgendetwas sagte ihm, dass es dieses Mal nicht bloß Farce war, sondern vielleicht auch ein bisschen Ehrlichkeit mit sich trug. Es war ein schönes Geräusch, auch wenn es auf einen Satz gefolgt war, der Seraphim ertappt zusammen zucken ließ. Es wäre wohl nicht so gut gekommen, wenn er erklärt hätte, dass er im Grunde sehr froh über den Tod des kleinen Mädchens war, weil er den Rothaarigen wohl ansonsten nie getroffen hätte. Allerdings waren das so Dinge, die nicht in seiner Hand lagen, ebenso ordnete er den Tag im Feuer als schreckliches Ereignis ein, obwohl er sonst wahrscheinlich nur ein Windmagier der Gilde geworden wäre und super gut erzogen wäre. Das hatten zumindest ein paar der Bekannten seiner Eltern gesagt, als er neu nach Oshibana Town gekommen war, in denselben Sätzen, in denen sie auch über seine Eltern geschwärmt hatten. Wahrscheinlich wäre es nicht angebracht gewesen, Souta davon zu erzählen, wo seine Eltern doch scheinbar so anders gewesen waren. Er hatte ihm ja auch nicht erklärt, dass er es auch falsch von seiner Mutter fand, einfach zuzulassen, dass ihr Sohn sich so viel aufbürdete und wäre er nicht überzeugt gewesen, dass er sie von ganzem Herzen liebte, so hätte er vielleicht auch darüber hergezogen, wie naiv sie gewesen sein musste, um einen Mann wie seinen Vater zu heiraten. Es war nicht immer nur eine Seite Schuld, auch wenn dieser Fall durchaus ziemlich polarisierte. Doch des lieben Friedens willen hatte er seine Meinung diese Frau bezüglich verschwiegen, während er den Rest umso ernster gemeint hatte. Offenbar lebte Soutas Vater noch, auch wenn er nicht wusste, wo und es konnte ja passieren, dass man ihn irgendwann während beruflicher Reisen traf. Die Frage würde in diesem Moment sein, ob er klug genug war, um sich lebend aus der Affäre zu ziehen oder eben nicht... aber bis dahin war noch Zeit, die er mit ein wenig Gllück mit einem etwas fröhlicheren Souta verbringen durfte.
"Die Welt retten? Ach herrjee... ich fürchte das wird umständlich~", seufzte er deswegen und folgte dem herumkreiselnden Rothaarigen, bis er ihn eingeholt hatte. "Ich habe ja immer noch keine Ahnung, wie wir das anstellen sollen. Ich meine, das ist eine riesige Welle... und ich denke nicht, das einer von uns einen Zauber beherrscht, der auch nur annähernd in diese Größenordnung fällt." Immerhin war Souta eigentlich gar kein Magier, sondern ein recht talentierter Kämpfer, aber eben einer, der auch ohne Mana gut auskam. Das hatte man doch an dem Instrument des verrückten Wissenschaftlers gesehen, der ja offenbar doch in der Lage dazu gewesen war, ein Gerät zu bauen, das eingeschränkt funktionierte, wie es sollte. Und ohne Magie konnten sie wahrscheinlich keiner Naturgewalt Herr werden, oder? Immerhin hatte es einen guten Sinn, warum man solche Phänomene Katastrophen nannte, und der war nicht, weil man sie so einfach zähmen konnte. Vielleicht wusste der Kettenmagier ja Rat, auch wenn Seraphim sich sehr sicher war, dass er nun nicht irgendwelche Superkräfte aus dem Ärmel schütteln würde, von denen er noch nichts wusste.

Während sich Souta so um die eigene Achse drehte, sein Geist irgendwo in die Wolken abdriftete und er sich fragte, ob Dragonslayer eigentlich von Drachenschafen träumten, stockte er doch plötzlich, als der Weißhaarige näher kam und sein Gehirn mit der Frage anstrengte, wie man denn nun so eine Riesenwelle stoppte, denn das war ja ziemlich unmöglich und überhaupt. Selbstverständlich hatte Seraphim Recht – abgesehen davon, dass er selten Unrecht hatte – so dass sich die Weltrettung wohl doch ein wenig komplizierter gestalten würde, als er es zunächst angenommen hatte. Normalerweise war sein Improvisationstalent ja erste Sahne, aber momentan kamen nur ein paar kleine Wolken aus den Zahnrädern seines Hirns gequollen. Zumal der Tsunami an sich nicht ihr einziges Problem war. „Wir müssen auch noch irgendwie dafür sorgen, dass sich die Zivilisten vom Hafen fernhalten, was etwas schwer wird, wo unser einziger Beweis KnackiMcStockpos irrer Großonkel ist.“ Seine Arme verschränkten sich und er brachte den Körper wieder in eine einigermaßen normale Haltung, während er darüber nachdachte, was sie an Möglichkeiten ausschöpfen konnten. Fluten kamen in Hargon Town schon einmal vor, ebenso natürlich größere Wellen, aber das konnte alles von ein paar Sandsäcken aufgehalten werden. Hier bezweifelte Souta allerdings, dass soetwas aushelfen konnte. Das Einzige, was er an Zaubern fertig brachte waren Ketten, aber die waren wasserdurchlässig und abgesehen davon schaffte er gerade einmal eine … und hatte dann einen Arm belegt. Hier würden sie nicht kämpfen müssen, zumindest nicht gegen Gegner. Es schien eher so, als wäre ihr größter Feind die Zeit und die Unmöglichkeit des Auftrages. „Lass uns das doch einmal durchdenken“, meinte er also und setzte sich auf den engelhaften Schoß einer Statue, die gerade in Reichweite war, wodurch er sich direkt ein wenig behüteter fühlte, als er gut fand. Solche Flügel hatten schon etwas. „Wir müssen das Ding irgendwie abschwächen, sollten die Stadt dazu kriegen, keine Schiffe mehr rauszulassen und müssen den Hafen evakuieren, in ungefähr … acht Stunden? Unsere Beweise belaufen sich auf pure Vermutungen und werden niemanden überzeugen. Hm. Wir könnten Feuer in einem der Lagerhäuser legen“ Er hob eine Braue. „Oder wir lassen das mit dem Feuer. Sorry. Ansonsten – vielleicht – hm. Vielleicht sollten wir in die Bibliothek gehen und nach Meereskatastrophen suchen, ich habe keine Ahnung, wie man so ein Mörderteil aufhalten soll, tut mir Leid. Was fällt dir dazu ein?“ Er lehnte sich im Engelschoß zurück und betrachtete den Himmelsmagier erwartungsvoll. Souta war normalerweise nicht mit den Hirnaufgaben einer Quest betraut und suchte sich auch lieber diejenigen aus, in denen man draufhauen konnte. Das war total seine Sache - Riesenwellen aufhalten war doch eher für Superhelden reserviert, und von denen war er ja, wie man heute schon ausreichend gesehen hatte, ziemlich weit entfernt.

Seraphim war eigentlich nicht einmal schlecht darin, sich Pläne auszudenken, aber diese blieben meistens auf dem Boden der Tatsachen. Er hatte weder ein Talent darin, sich unmögliche Dinge vorzustellen, noch hielt er besonders viel davon, sich in Gefahr zu bringen. Da die meisten exotischen Ideen aber ein Risiko bargen, kamen sie in seinen Gedanken nur dann vor, wenn er sich dazu zwang - und dazu hatte er momentan keine Lust. Er hatte seine gute Tat des Tages eigentlich schon hinter sich, wenn er Souta so betrachtete, wie er da auf dem Schoße des steinernen Engels saß, aber es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als sich etwas aus der Nase zu ziehen, was ihr Problem aufhalten würde. Das Aufhalten es Tsunamis machten die beiden Magier immerhin nicht zum Spaß, sondern weil es eine Quest war, die irgendjemand der Gilde Blue Pegasus anvertraut hatte, deren Ehre er wiederum mit Zähnen und Klauen verteidigen würde. *Wer hat den Auftrag eigentlich erteilt...?*, dümpelte es durch seinen Kopf, *Wenn die uns alle keinen Glauben schenken wollen?* Am Ende war es wirklich noch der verrückte Wissenschaftler, der ja immerhin gewusst hatte, was auf die Stadt zukommen würde. Er hatte sich ansonsten aber von einer relativ gleichgültigen Seite gezeigt, was sein Schicksal und das der Menschen anging, die bei dieser Katastrophe umkommen könnten, sodass der Dragonslayer eigentlich nicht glaubte, dass die Quest von ihm ausgegangen war. Es musste also auf jeden Fall noch eine Person geben, die von der Sache wusste und der offenbar etwas daran lag, dass sie gestoppt wurde... aber das half ihnen jetzt auch nicht weiter. In seinen Gedanken waren die Menschen sowieso weniger das Problem, weil er gut darin war, sie zu verscheuchen. Zur Not tat er so, als würde er Amok laufen, zerdepperte ein paar Karren an Hauswänden und schrie ein wenig rum, das war nicht so das Problem für ihn (auch wenn es sicherlich einfühlsamere, weniger rabiate Methoden gab), das größere war eher die Welle selbst... er selbst konnte vor ihr davon fliegen, er war also nicht wirklich in Gefahr, aber das konnten alle anderen nicht. Wenn es irgendwie möglich gewesen wäre, hätte man am besten die ganze Stadt angehoben, die Welle drunter durchspülen lassen und sie dann wieder drauf gesetzt, aber so... was tat man den gegen kleinere Wellen, wenn man Sorge hatte, sie könnten zu kräftig werden... man baute Wellenbrecher. Diese nahmen den Schwung aus der großen Welle und teilten sie in weniger energetische auf, die dann natürlich auch weniger Probleme machten. Hm, das könnte eine Idee sein. "Lass uns nochmal zum Hafenbecken gehen, Souta-chan~", flötete er und marschierte auch schon in Richtung Eingangspforte davon, in der Hoffnung, Souta würde mitkommen und dann vielleicht auch die Führung übernehmen, weil er zwar ein außerordentlich gutes Ortsgedächtnis hatte, aber hier zuvor noch nie gewesen war. Das überraschte nicht, bezog er seine kompletten Kenntnisse über solche Dörfer doch aus seinen Kurzbeziehungen - und mit denen hatte er ganz andere Dinge getan, als Gräber zu besuchen. Sie würden einfach einmal das tun, was sie bisher versäumt hatten, einen kurzen Rundflug durch Wind und Wetter, um herauszufinden, ob es vielleicht irgendetwas kurz vor Hargeon Town gab, das sich dazu eignete, den Tsunami abzuschwächen. "An Überschwemmungen und leichtere Flutwellen ist man hier gewöhnt, oder?", fragte er im Gehen und blickte zu Souta zurück, "Denn es würde dann ja reichen, dem Tsunami an Wucht zu nehmen." Das war zwar immer noch deutlich leichter gesagt als getan, aber es hörte sich schon machbarer an, als eine solche Masse Wasser einfach verschwinden zu lassen.

Ganz wie man es von Seraphim gewohnt war, hatte dieser sich in relativ kurzer Zeitspanne doch tatsächlich einen Plan ausgedacht, den er zwar nicht in allen Einzelheiten darlegte, aber dem er offenbar dann doch soweit vertraute, dass auch Souta keine Einwände hervorbringen könnte (nicht, dass er das getan hätte). Mit einer fließenden Bewegung, die wie immer an Eleganz nicht zu überbieten war, aber leider von niemanden gesehen wurde, verließ er den Schoß seines Engels und trippelte stattdessen dem fleischlichen Äquivalent hinterher, nicht ohne noch einen letzten Blick zurückzuwerfen, der das Lächeln von seinen Lippen bannte. Aber als er sich wieder umdrehte, schien alles wieder gut zu sein, zumindest äußerlich, also durchquerte er den matschig werdenden Boden des Friedhofes enthusiastischer, als es für diesen Ort vielleicht angebracht gewesen wäre und schwor sich zugleich, nie wieder zurückzukommen. Welchen Sinn hatte es schon, an einem leeren Grab zu sitzen? Seraphim hatte Recht, wenigstens in diesem Punkt konnte er abschließen, wenn auch nur mit der Örtlichkeit an sich. Aber das war auch schon ein großer Schritt, auf den er ziemlich stolz sein konnte. Souta verzichtete diesmal auf das obligatorische Händchenhalten, obwohl das sicher zur Evakuierung einiger allzu konservativer Geister beigetragen hätte, und beschränkte sich darauf, hin und wieder mit der Schulter gegen den Älteren zu stupsen. Man hätte meinen können, er stolperte … So ein Zufall aber auch.
Als sie sich dem Hafenbecken erneut näherten, konnte man bereits einige Veränderungen bemerken, so hatte beispielsweise der Regen deutlich an Intensität zugelegt und schwemmte nun über die Ablaufrinnen, die im Boden eingelassen waren, ein bisschen Laub durch die Gegend. In der Ferne hatte sich der Himmel dezent vergraut, und Souta konnte nicht umhin, sich vorzustellen, wie es wohl aussehen würde, wenn eine meterhohe Welle sich am Horizont anbahnte. Wie man etwas Solchem die Wucht nehmen sollte, war dem Rothaarigen absolut schleierhaft, doch er vertraue in dieser Sache ganz auf seinen besten Freund, der hoffentlich schon konkrete Ideen hatte. Wenn es nach ihm ging, hätte er sich gerne irgendwann einmal umgezogen und sich mit einer anständigen Regenjacke ausgestattet, mittlerweile hatte sich nämlich auch seine Unterhose schon mit Regenwasser vollgesogen und er fror ganz schön. Wahrscheinlich würden sie nach dieser Tour sowieso alle beide mit einer Erkältung im Bett liegen und sich gegenseitig anstecken – wobei, konnte Seraphim soetwas auch heilen? - aber man musste ja keine Lungenentzündung herausfordern. Da Souta allerdings der letzte Mensch auf Fiore war, der sich über solch unmännliche Dinge beschweren würde, besonders, nachdem er heute sowieso schon deutlich zu emotional gewesen war, brachte er Seraphim sicher zum Hafenbecken, vermied es, auf die Fluten zu starren und juckte sich ein wenig unter der Augenklappe, die bei soviel Wasserkontakt ein wenig glitschig geworden war und daher lustige Flotsch-Geräusche machte. „Was genau machen wir hier?“

"An Badestränden, die dem Meer manchmal in zu großer Intensität ausgesetzt sind, findet man manchmal Wellenbrecher... wenn wir es hinbekommen würden, so einen hier zu bauen, in entsprechender Größe und Stabilität natürlich, dann hätten wir vielleicht eine Chance gegen den Tsunami...", erklärte Seraphim und blickte angestrengt in den Himmel über ihnen. Er hatte ja fast geahnt, dass ihm Zweifel kommen würden, wenn er erst einmal hier stand, aber nun war er sich wirklich nicht mehr sicher, ob er Souta auf diesen Rundflug mitnehmen wollte. Ihm selbst konnten weder widrige Böen, noch ein ausgewachsener Orkan etwas anhaben, weil dieses Element zu ihm gehörte, eins mit ihm war und er deswegen keinen Schaden von ihm zu befürchten hatte. Der Wind war sein Freund - aber nicht der des Rothaarigen. Während er selbst nicht allzu viele Probleme damit hatte, auch in einem reißenden Sturm noch sicher durch die Luft zu manövrieren, wusste er nicht, wie eine tatsächliche Angriffsfläche vom Wind mitgerissen werden würde. Wahrscheinlich würde der Einäugige ihn tüchtig ins Schleudern bringen, wenn er ihn mitnahm, weil er ja nicht seine Resistenz besaß - und wenn er ihn am Ende verlor, würde er sich das schwerlich verzeihen können. Im Gegensatz zu dem, was er dem Einäugigen am Grab seiner Schwester gesagt hatte, war er seiner Meinung nach nämlich durchaus fähig, ihn zu beschützen, daher durfte er ihn nicht dieser Gefahr aussetzen. Wahrscheinlich würde er trotzdem mitkommen wollen, aber das würde er nicht erlauben. Er hatte doch schließlich wirklich gute Argumente, oder? "Ich werde mir ansehen, ob ich einen geeigneten Platz für so etwas finde, bitte warte währenddessen hier. Ansonsten könntest du schon einmal versuchen, die Leute darauf einzustimmen, dass es mindestens eine fette Überflutung geben wird...", ließ er verlauten und sprang schon im nächsten Moment von der Kaimauer ab. Die ersten paar Sekunden schien er ins Meer zu stürzen, ehe sein Zauber griff und er davon schoss.
In einem Sturm zu fliegen, war nicht ganz so einfach, wie er gedacht hatte. Zwar hatte er immer noch kein Problem mit Flugwind, aber die Tropfen prasselten schwer in sein Gesicht und machten es ihm fast unmöglich, dauerhaft die Augen offen zu halten. Blind zu fliegen war aber auch keine gute Idee, denn selbst wenn es nicht viele Hindernisse gab, war der Sehsinn eines Menschen entscheidend an seinem Gleichgewicht beteiligt - und das brauchte er momentan umso mehr. Er sollte sich so eine schicke Fliegerbrille besorgen, sollte er noch einmal in eine solche Situation kommen, denn es war ein wenig nervig, sich dauernd das Wasser aus den Augen wischen zu müssen. Schließlich versuchte er, leicht schräg gegen die Richtung des Regens zu fliegen, sodass dieser ihm nur den Hinterkopf durchseichte, nicht aber seine Sicht mehr störte, als er ertragen konnte. Was suchte er eigentlich? Wenn sie einen Wellenbrecher bauen wollten, dann musste dieser verdammt stabil sein. Das würden sie also nur schaffen, wenn zumindest Ansätze schon gegeben waren, weil keiner von ihnen auch nur ansatzweise zu passender Magie in der Lage war. Wind war masselos und Soutas Kettenarme waren... putzig. Ein Felsen würde es vielleicht tun, wenn er an der richtigen Stelle stand - wie dieser da zum Beispiel. Plötzlich war er vor ihm aufgetaucht, sodass er fast dagegen geflogen war und bot ihm nun Schutz vor dem prasselnden Regen. Ein wenig außerhalb der Bucht, in den man den Hafen gebaut hatte, ragte er wie eine Art Findling aus dem Wasser und nahm somit fast die perfekte Position ein. Das einzige, was nun noch störte war, dass er auf halbem Weg weggebrochen schien, als sei er schon einmal den Gewalten auf diese Weise ausgesetzt gewesen und hatte dem nachgegeben. Er wäre vermutlich perfekt, wenn er etwas größer gewesen wäre... ob man daran wohl irgendwie würde arbeiten können? Nachdenklich trat er den Rückflug an und landete einige Minuten später wieder an Land. Blieb nur die Frage, wo Souta war...

Wellenbrecher also … Na ja, das war unter Umständen gar keine schlechte Idee. Souta hatte bisher noch keine dieser Gerätschaften gesehen, da die Wellen in Hargeon Town nie sonderlich hoch wurden, aber er nahm an, dass sie ein ziemlich großes Exemplar brauchen würden, damit ein Tsunami aufgehalten werden konnte. Woher bekamen sie so ein Teil? Es war Irrsinn zu glauben, dass man innerhalb eines Tages etwas derart Großes auf die Beine stellen konnte. Souta wusste zwar in etwa, wie man mit Hammer und Holz umging, war sich aber beispielsweise bei Seraphim nicht allzu sicher, da ihm der Ältere dann doch eher wie ein Verstandesmensch vorkam, wogegen er natürlich nichts einzuwenden hatte. Gegen dessen Plan, sich ganz allein auf die Suche zu machen, schon eher, denn Souta mochte es zu fliegen, wenn er ehrlich war. So sehr, dass er sich sogar dabei ertappte, dass er sich wünschte, er möge doch mit niemand anderen durch die Lüfte schweben, obwohl natürlich klar war, dass der Himmelsmagier das irgendwann schon einmal als Anmachspruch benutzt haben musste. Er würde es tun. Und er konnte ihn auch schlecht darum bitten, das Fliegen mit anderen zu unterlassen, das käme deutlich zu seltsam und würde wahrscheinlich eine Kettenreaktion von Spötteleien verursachen, derer er sich erst einmal nicht ausgesetzt sehen wollte. Seraphim ließ ihm schlauerweise keine Zeit, Einspruch zu erheben, da er einfach abdüste, so dass Souta nicht viel Anderes übrig blieb, als leise in die Luft zu fluchen und hinterherzugucken, wie sein bester Freund in den Himmel stieg. Das wurde auch nicht weniger seltsam. Egal.
Seine Aufgabe sollte also sein, die Dorfbewohner davon zu überzeugen, den Hafen zu räumen, beziehungsweise, sie auf eine kommende Flut vorzubereiten. Genau das tat er, er schritt das Gebiet ab und sagte jedem, den er traf, dass eine ziemlich große Überschwemmung vorausgesagt war und es daher ratsam war, sich heute Abend vom Hafenbecken fernzuhalten. Das klappte bei den meisten nicht sonderlich gut, wenngleich glücklicherweise einige dabei waren, die ihm die Sache abkauften und ihm versprachen, sich die Warnung zu Herzen zu nehmen. Dann gab es natürlich noch die Menschen, die ihn von früher erkannten und ihm lästige Fragen über seine Arbeit, seine Augenklappe und seinen Beziehungsstand stellten (besonders gruselig war diese Frage von einer älteren Frau, die, wie er wusste, Katzen sammelte und viel zu viel Make-Up trug. Eww …), ein paar luden ihn auch zum Abendessen ein, was ihn daran erinnerte, dass er heute nur ein extrem kleines Frühstück verzehrt hatte, so dass er einen hoffentlich verzeihlichen Abstecher in einem Süßwarenladen machte und mit einer bunt aussehenden Wundertüte zurückkehrte. Gerade, als er diese öffnete und hineinlinste, wobei er das empfindliche Papier mit dem Körper vor Regen zu schützen versuchte, sah er den Weißhaarigen wieder landen und nach etwas Ausschau halten, was wahrscheinlich er selbst war. Als braver Gildenkamerad trippelte er natürlich in seine Richtung und schob sich ein Kaubonbon in den Mund, ehe er einen kleinen, billig aussehenden Ring aus der Tüte holte und ihm das Teil einfach mal hinhielt, weil es nicht essbar war und er es daher nicht wollte, während er nach etwas suchte, was Schokolade beinhaltete. „Hier. Hast du etwas gefunden? Ich hab leider nicht allzu viel erreicht ...“

Seraphim war ein wenig perplex, den Rothaarigen mit einer knallbunten Süßigkeitentüte aufzufinden, doch schon wenige Sekunden später war die Überraschung vergangen und er rief sich ins Gedächtnis, dass Souta nun einmal schrecklich verfressen war. Da konnte man ihn anweisen, etwas wichtiges zu erledigen, aber sein Essen war eben präsenter. Hoffentlich hatte er den Menschen am Hafen die Informationen überbracht, wie er es ihm aufgetragen hatte, denn ansonsten musste er noch mit ihm schimpfen. "Heute morgen beim Frühstück habe ich dir schon gesagt, dass das nicht reicht...", meinte er und legte den Kopf schief, als der Rothaarige ihm etwas hinstreckte. Seine Augenbrauen hoben sich, ehe er ihn spöttisch anlächelte und ihm durch das tropfend nasse Haar fuhr. Er hatte sich im ersten Augenblick schon gewundert, was mit dem Einäugigen los war, dass er etwas Essbares mit ihm teilen wollte, aber es handelte sich bei näherer Betrachtung nur um einen Plastikring, einen dieser kitschigen Billigimitate, die man auch aus Kaugummiautomaten ziehen konnte. Wahrscheinlich wollte er ihn loswerden, weil er bemerkt hatte, dass er ihm wohl eher schwer im Magen liegen würde oder ganz und gar unverdaulich sein würde. Zeit, ihn ein wenig damit aufzuziehen! Der Tsunami konnte schließlich warten, auch wenn es wohl nicht mehr allzu lange dauern konnte, wenn man den Himmel betrachtete. "Ich fürchte, Souta-chan...", meinte er daher und schloss die sonnengebräunte Hand des Anderen um das Plastikschmuckstück, "Dass ich für diesen Schritt noch nicht bereit bin." Immerhin hatte er ihm gerade einen Ring unterjubeln wollen, was in ihrer Kultur ja oft mit einem Eheversprechen einherging. Das wiederum war der Dragonslayer nicht bereit zu leisten, nicht dem Kettenmagier und auch sonst niemandem, weil er die Ehe als eine Art Zwang einstufte, einen Käfig, aus dem man nicht ausbrechen konnte, Verantwortung, die er sich nicht aufzwängen wollte und eine Limitation seiner persönlichen Freiheit. Souta hatte seinen Vater mit Worten beschrieben, die teilweise auch auf ihn zutrafen, selbst wenn er sich nicht sinnlos betrank und im Allgemeinen Prioritäten zu setzen wusste. Er wusste, dass man mit ihm schlecht eine Beziehung anfangen konnte, weil er nun einmal Eigenheiten besaß, die dem im Weg standen. Da war zum einen seine Polygamie. Er würde nie auf die Idee kommen, seine Triebe nur noch an einer einzigen Person auszuleben, weil ihm das nicht reichte - und damit war zum anderen verbunden, dass er niemals dazu in der Lage sein könnte, jemandem treu zu sein. Was er wohl konnte, war genau eine Person von ganzem Herzen lieben, aber das bedeutete nicht, dass er seine Aktivitäten einschränken würde. Natürlich war er schon mit anderen Menschen geflogen, weil es tatsächlich eine fabelhafte Anmache war und zudem verdammt nützlich. Er würde auch andere Lippen küssen, Liebesschwüre in andere Ohren hauchen, all das, was man in einer Beziehung nicht einfach so tun konnte. Das lag in seiner Natur oder in dem Wesen, was diese aus ihm gemacht hatte.
"Da ist ein Felsen, draußen in der Bucht. Wenn man ihn ein wenig verstärken könnte und am besten noch etwas erhöht, dann könnte er uns sehr nützlich sein.", verkündete er und zeigte nach draußen ins spritzende Wasser, nur um zu bemerken, dass man dort nicht einmal die Umrisse des Felsens erkennen konnte. Die Frage war nun nur noch, wie man einen Felsen vergrößerte... immerhin bekam man selten Werbung, bei der es um solche Dinge ging, nicht wahr? "Ich weiß allerdings noch nicht recht wie... ich meine, ich könnte einigermaßen große Felsbrocken heranschaffen, wenn ich Seile oder so hätte, aber ich denke nicht, dass es reicht, wenn man sie einfach drauflegt. Außerdem haben wir kein Werkzeug, das macht es auch nicht gerade einfacher..." Vielleicht hatte der Kettenmagier ja doch noch eine Idee, die man umsetzen konnte?

Erst als er plötzlich gestreichelt und an der Hand berührt wurde, statt genau diese zum Kramen freizubekommen, warf Souta einen Blick darauf, was genau er denn da aus der Tüte entfernt hatte, das hatte er nämlich versäumt, andernfalls hätte er natürlich nie daran gedacht, ausgerechnet Seraphim das Teil hinzuhalten, das war nämlich dezent peinlich und verursachte den übrigen Spott, den man ja schon kannte. Natürlich würde er den Himmelsmagier niemals um seine Hand bitten, und wenn, dann ganz bestimmt nicht mit einem billigen Plastikring aus einer Süßigkeitenwundertüte, die er für das mickrige Kleingeld, was er in seiner Hosentasche gefunden hatte, erstanden hatte. Abgesehen davon müsste er dazu ja erst einmal bei seiner Drachenmutter hofieren, wie er das mit diesen Bräuchen so verstanden hatte, und er konnte sich nicht vorstellen, dass das allzu angenehm war. Das hatte dann ja wohl eher den Charme einer Kakerlake, die plötzlich anfängt, einen Menschen um einen solchen Gefallen anzupiepsen. Nein … Dazu würde es nicht kommen. Daher reagierte Souta auch recht cool auf diese Peinlichkeit, lief fast gar nicht rot an und zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm vollkommen egal, dass er gerade unbewusst kitschig gewesen war. „Du weißt, was dir entgeht“, flötete er trotzdem, damit nicht noch der Eindruck entstand, das Ganze wäre keine Absicht gewesen, um den Weißhaarigen zu ärgern. Nach einem Seitenblick und einem breiten Lächeln schob er sich den Ring einfach selbst auf den kleinen Finger, beobachtete ihn einige Sekunden lang und kramte dann weiter, um diesmal einen Lutscher zu Tage zu fördern. Bisher war er sehr enttäuscht von dieser Tüte – da hatte er sich wirklich mehr erhofft. Aber halt, eigentlich ging es ja gar nicht darum, sondern um einen Felsen, den sie irgendwie vergrößern sollten. Dafür bekam Seraphim erst einmal eine skeptisch erhobene Augenbraue, die leider durch den Lolli in seinem Mundwinkel und seinem Feuchtigkeitsgrades nicht wirklich ihre Wirkung entfalten konnte. „Ein Felsbrocken – na ja, wir könnten … Wie tief ist das Wasser? Vielleicht können wir ja Baumstämme in den Schlamm rammen oder damit irgendetwas anstellen … Ansonsten bin ich ziemlich ratlos.“ Souta war ja auch schließlich kein Experte für solche Dinge, nur weil er in einer Hafenstadt aufgewachsen war. So ein Wellenbrecher lag einfach ein wenig über seinem Tellerrand und war ihm daher ebenso wenig vertraut wie das Konzept der Ehe, die er allem Anschein nach gerade mit sich selbst geschlossen hatte. Na ja.