Während Naomi sich mit ihrem Schattenfäusten unsanft einen Weg durch die Kämpfenden bahnte landete hier und da links und rechts eine helfende Faust einen der Rüpel der drohte in seinem Kampf zu triumphieren. Die Durchschlagskraft der Magie war inzwischen wirklich stark und den normalen Schläger riss dies gerne man aus seiner Balance, einige der ganz schwachen gingen sogar bewusstlos zu Boden. Wenn sie sich doch zu Hause auch so mächtig wäre, doch dem war nicht so. Hier war sie durch ihre Magie dominant, doch zu Hause herrschte mächtigere Magier als ihre, zumindest noch, bald würde es anders sein und dann sollten diese Irrwichte sehen wo sie blieben. Doch zurück zu ihrer Suche. Wo war Ren, wo war ihr Freund hin verschwunden. Wahllos griff sie sich einen Kragen von den am Boden liegenden und schüttelte ihn unsanft „Wo ist dein Boss!“, fauchte sie den Kerl an, den sie gerade am Schlafittchen hatte. Der allerdings konnte ihr nur noch bedingt antworten, gestikulierte allerdings mit seinen Händen vage in eine Richtung mehr zur Mitte des Raumes. Das Mädchen ließ ihn daraufhin fallen und machte sich weiter auf den Weg, um irgendwann in der Tat zu dem Ort zu finden, wo sie ihren Begleiter vermutete. Sie beeilte sich ein wenig, wie es wohl um ihn stand?
Die Blondine durchbrach die Reihen der Kämpfenden und sah den noch recht ausgeglichenen Kampf der Zwei Riesen. Doch es war deutlich zu sehen, dass Ren mehr Schaden nahm, als der Koloss. Naomi hielt den Atem an, konnte er diesen Kampf gewinnen? Ihr verletzter Stolz glitt in den Hintergrund und Sorge überwältigte sie. Wenn sie nun eingriff, verletzte ihn dies mehr, als es eine Tracht Prügel würden? Nein, wenn der Kerl mit seinem elendigen Schläger nur einen festen Schlag landete, dann konnte er bösartigen Schaden anrichten, das durfte sie nicht zulassen. Aus der Menge heraus zauberte sie Ihre Schattenschlagen, welche sich sofort auf den Mann stürzten, das von Naomi bestimmte Ziel. Sich in seine Beine gruben, es war wichtig ihn zu immobilisieren. Vielleicht musste sie Ren nicht die ganze Arbeit abnehmen? Dieser Überraschungsangriff hatte deutlich seine Wirkung. Eines der dicken Beine des Mannes knickte ein. Blutete stark von den drei Bissen welche die Köpfe hinterlassen hatten, vielleicht hatten sie sogar einen Muskel beschädigt und definitiv das Fleisch verletzt. Das würde ihm helfen. „Ach verdammt doch nicht den, ich hab doch nur kurz an ihn gedacht“, grummelte sie mürrisch vor sich hin und sah dann zu Ren, „Tut mir leid, ich war etwas abgelenkt.“
Entschuldigend lächelte sie und wandte sich mit halbem Herz wieder der Menge zu, um hier und da einen Zivilisten aus einer unangenehmen Lage herauszuschleudern, da und dort jemanden einfach umzuhauen und mit ein paar nervigen Fledermäusen da und dort das Blatt zu ihrem Vorteil zu wenden. Manchmal war doch das Selbstbewusstsein eines anderen wichtiger als das eigene Ego, wobei er diese Einmischung vielleicht schon als störend empfunden haben könnte, doch konnte er jetzt gewinnen? Immer wieder wanderte ihr Blick zu ihm, um ihm entscheidenden Moment vielleicht doch noch einzugreifen und dieses Monster in Menschengestalt einfach nieder zu strecken. Denn das würde ihn erwarten, wenn er versuchen würde ihr den besten Freund wegzunehmen, den sie jemals haben konnte.

Wenn man Ren mit drei Worten beschreiben wollte, dann wären es wohl: Stark, stolz und stur. Es war ihm egal wie schwer verletzt er war, ob er blutete oder seine Sicht vor lauter Anstrengung verschwommen war… Er wollte nicht aufgeben und sich schon gar nicht von irgendjemandem besiegen lassen. So weit käme es noch! Dafür war er hier viel zu weit gekommen, hatte eine Art Zusammenhalt und Rückhalt erfahren, die ihm zuvor völlig unbekannt war und er war einfach zu stolz dafür. In seinem Leben hatte er so oft kämpfen und vieles einstecken müssen, aber er hatte sich nie zuvor ergeben. Sein Gegenüber schien es auch nicht mehr so leicht zu haben, also hegte der Hüne die Hoffnung, dass er das noch schaffen würde. All diese Leute verließen sich auf ihn und er wollte diese Quest unbedingt erfolgreich abschließen. Für sich selbst und vielleicht auch ein wenig für die Leute hier… Es war ihm wirklich wichtig in diesem Moment…
Als er also begann wieder auf sein gegenüber zu zulaufen, merkte er, dass er ein wenig ins Wanken kam. Er überlegte war er tun sollte und war sich dem noch nicht ganz bewusst, aber das war völlig egal, denn er war überzeugt davon, dass sein nächster Schritt über seinen Sieg entscheiden würde. Im nächsten Moment passierte etwas, was so schnell an Ren vorbeizog, dass er eine Weile brauchte, bis er es realisieren konnte. Als er dann sah, wie sein Gegner mit vor lauter Schmerz verzerrtem Gesicht zusammenbrach und sich das stark blutende Bein hielt. Er brüllte laut, weil es sicherlich höllisch wehtat, wie man ihm ansehen konnte…
Mit leerem Blick verfolgte der Akuma die schwarzen Schlagen, die sich zu Naomi zurückbewegten. Seine Augen trafen das kleine, blonde Mädchen, welches sich mit einer lächerlichen Ausrede dafür entschuldigte, dass sie das getan hatte. Wie Ren darüber dachte? Er spürte, wie das Blut in seinen Adern zu kochen begann. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er vergaß allen Schmerz und alles andere, was er soeben noch gespürt hatte. Der Hüne wurde von seinem Zorn übermannt. Wie hatte sie es wagen können? Das war sein Kampf gewesen! Und selbst wenn er verloren hätte, wollte er ihre Hilfe nicht! Sein Leben war ihm wichtiger als alles andere, aber er konnte es nicht ertragen, dass jemand auf ihn herabsah… Und sich dann auch noch so eine billige Entschuldigung zu überlegen… Ren war so sauer wie lange nicht mehr. Seine Augäpfel färbten sich in einem tiefschwarzen Ton und seine Augen leuchteten Naomi grün an. Das war nicht mehr menschlich… Doch bevor er die Kontrolle über den Dämon verlieren würde, schloss er die düsteren Augen und ließ sich auf die Knie fallen. Es tat weh… Alles. Sein verletzter Stolz und seine Wunden… Er sah nichts mehr, hörte nichts mehr und es interessierte ihn gar nicht mehr was hier passierte… Es war so, als wäre er nicht mehr in dieser Halle, in der die Menschen sich ihre Rechte und einen lang erwarteten Sieg über ihre Peiniger erkämpften. Eher fühlte er sich wie in den Nächten, in denen sein Vater ihn im Schrank versteckte. Stumm, machtlos, kalt…
Während Ren in seinem Zorn und Hass unterging, veränderte sich in den Hallen etwas. Die Gangmitglieder erkannten wie ihre beiden stärksten Mitglieder zu Boden gegangen waren. Niemand gab ihnen mehr Anweisungen oder Rückhalt, während der Riese versuchte sich robbend und mit den Händen voranziehend aus dieser Halle zu befreien. Es sprach sich herum und lief genau nach Rens Plan. Die Kampfmoral sank deutlich und die Dorfbewohner und Soldaten schafften es mehr und mehr Leute aus den Hallen zu jagen oder festzunehmen. Währenddessen kam ein Mann neben Ren an, blieb stehen und ging in die Knie. Er legte den Arm des Hünen um seine Schulter und sagte zu Ren: „Ich bringe dich hier raus, Magier. Du hast tapfer gekämpft.“ Ein Tropfen auf den heißen Stein. Dennoch öffnete Ren die Augen wieder und musterte mit den silbernen Iriden den Boss der Leibgarde des Bürgermeisters. Stumm schob er den Arm von seiner Schulter und lief allein hinaus. Der Mann nickte nur und sah sich nach seinen Leuten um… Sie hatten gesiegt… Nicht Ren hatte gesiegt, aber das wofür er gekämpft hatte, war geglückt. Und trotzdem fühlte er sich nicht gut. Er hasste dieses Gefühl, aber was er noch mehr hasste, war das Mitleid, welches ihm die Leute entgegen brachten. Es gab nichts was er schlimmer fand als Mitleid, darauf angewiesen zu sein oder Leute, die es darauf absahen. Das hatte er nicht nötig. Das wollte er nicht… Sollten sie doch alle zur Hölle fahren. Mit der anderen Bande würden sie nun sicher auch fertig werden… Die hatten sicher ohnehin die Hosen voll, weil es die kleinere Truppe war. Diese Menschen brauchten ihn nicht mehr und er hatte keinen Grund mehr hier zu sein. Lieber wollte er nach Hause oder irgendwo hin, wo er seiner Wut freien Lauf lassen konnte. Noch einmal würde er nicht so schwach sein… Er war hier fertig.

Sie konnte den Zorn sehen, er setzte sich so sehr von ihm ab, wie wabernde Schwaden die sich um ihren Hals legten, um sie zu erwürgen. Jetzt hatte sie ihn doch verloren. Wahrscheinlich war es besser, wenn sie lief, schnell wegrannte, denn gegen seine Wut konnte sie sich doch nicht wehren. Etwas wogegen sie machtlos war, sollte er sie doch einfach töten. Doch das würde es nicht sein, zu einfach doch, die Pein zu schnell vorbei. Wie konnte sie ihm jemals wieder gegenüber treten, er würde sie wahrscheinlich doch nur hassen, weil er nicht beschützt werden wollte, aber sie musste das über sich ergehen lassen? Wieso war diese klischeehafte Verteilung so ungerecht. Irgendeine der Wachen, oder vielleicht sogar eine Gruppe Bürger mussten den Anführer seinem Ende zugeführt haben, denn er war am Boden. Von einem schmerzenden Bein starb man nicht, das wusste Naomi, aber der Mensch war nicht länger auf dieser Erde zugegen, weshalb es um ihn wohl oder übel geschehen war. Jetzt flohen die übrig gebliebenen Bandenkrieger. Nicht mehr so stark, nicht mehr vereint wie sie es vorher noch gewesen waren als sie sich als die Stärksten gefühlt hatte. Sie sah, dass man Ren aufhalf und schüchtern trat sie nähe: "Entschuldige, dass ich mich einmischte, aber das war meine Rache dafür, dass du mir den niederen Gegner zugewiesen hast, es fühlt sich für mich nicht minder deprimierend an."
Dann verneigte sie sich hastig und rannte davon. Klar war, dass sie ihm niemals wirklich davon laufen konnte, aber wieso sollte er dem Mädchen folgen, es gab nichts mehr was ihn zwang weiterhin in ihrer Nähe zu sein und sie musste zurückkehren in ihren Käfig, sonst würde die Tür wohl nie wieder aufgehen. Diese Quest hatte schon mehr Arbeit benötigt als die anderen und war deshalb sicher bald ein Streitpunkt am Esstisch der Familie, wenn es darum ging, ob Naomi erneut hinaus gehen durfte. Heiß rannen ihr die Tränen über das Gesicht, dauernd eckte sie bei dem einen, bei dem einzigen Menschen an, den sie doch so sehr für sich gewinnen wollte. Wahrscheinlich sollte es einfach nicht sein, musste sie doch auf diese liebe Wärme verzichten die er ihr manchmal schenkte, wenn sie ihn auf einem guten Fuß erwischte. Hier und da musste sie überraschten Menschen ausweichen, welche sie sicher als eine ihrer beiden Retten identifizierten. Wollten ihr scheinbar sogar danken, oder einfach nur aus überschwänglicher Freude über die Rettung etwas nettes sagen, doch das Kind wollte von diesen Menschen, von ihrer Freude und von dem Kampf nichts mehr hören, denn jetzt wo alles gut war, war alles schlecht.
Irgendwann hatte sie atemlos den Gasthof erreicht und stürzte und stolperte dort in das Zimmer welches sie mit Ren belegt hatte. Kurz ließ sie sich auf seine Bettseite fallen, drückte das Gesicht fest in sein Kissen, doch... es war frisch bezogen. Keine Spur mehr, die darauf hinwies, dass er mit ihr hier gewesen war, kein Briese seines Geruchs mehr, den sie erhaschen konnte. War er überhaupt mit ihr hier gewesen oder hatte sie sich das nur eingebildet? Kinder träumten viel, oder? "Aus der Traum", sie strich das Kissen wieder glatt und nahm ihre Sachen an sich. Erneut eilig hinterlegte sie Geld, ob es genug war, ob sie überhaupt etwas zahlen musste als Held der Stadt oder ob es Ren wieder in seiner Ehre als Mann beleidigen würde, das interessierte sie nicht mehr, es war sowieso zu spät. Ein wenig verwirrt war die Dame schon, als sie alleine aufbrach, hastig, fast hätte sie sogar vergessen sich zu verabschieden und dann war die kleine Lady de Avillion aus der Tür und würde wohl diese Stadt so bald nicht wiedersehen.
Am Bahnhof stoppte ihre Flucht vor Schuld und Angst, denn der Zug richtete sich nun mal nicht nach dem Fluchtplan eines Kindes. Also stand sie dort am Gleis und wartete darauf, dass der Zug nach Oshibana eintreffen würde. Dort musste sie hin und während sie ihren Gedanken kreisen ließ war es ihr als hätte alles andere um sie herum angehalten. Ein Schatten eines Mädchens stand am Bahngleis und wartete auf den Zug in das Heim, in welches sie nicht zurückkehren wollte. Keinen und doch jeden Gedanken an den Freund gebend, den sie so gerne bei sich hätte, dessen Zorn sie jedoch mehr fürchtete, als die Rückkehr in den Kreis der ungeliebten Familie. Irgendwann würde dann wohl der Zug das Kind mit sich reißen.

Der Akuma war gerade dabei die Halle zu verlassen, als Naomi auf ihn zukam. Sie wirkte verschüchtert, doch Ren kümmerte das im Moment nicht besonders. Er sah sie an, verzog dabei jedoch keine Miene. Sie entschuldigte sich für ihre Tat… Nachdem sie ihm aus Mitleid ins Gesicht gelogen hatte, hatte dies nicht mehr viel Wert für ihn. Sie sprach von Rache? Je mehr sie sprach, desto schlimmer wurde es. Er hatte auf sie vertraut und ihr eine leichtere Aufgabe gegeben, damit se auch noch nach den anderen Leuten sehen konnte, während er kämpfte. Immerhin war er nicht gut darin sich um andere zu kümmern und dass er niemandem einen stärkeren Gegner als sich selbst aufhalste, war eher ein Zeichen dafür, dass sie seine Sympathie hatte. Aber nun fühlte er sich hintergangen. Dass er ihr das irgendwann verzeihen würde, war eigentlich ziemlich sicher, doch wie lang das dauern würde, war momentan nicht klar. Er dachte gar nicht daran im Moment diese Entschuldigung anzunehmen. Nur kurz sah er ihr in die Augen und noch während sie sich verbeugte, ging er einfach. Er wankte weiter in Richtung des Ausganges… Hier gab es nichts mehr zu tun für ihn.
Kaum trat Ren die ersten Schritte aus der Halle hinaus, merkte der Hüne, dass das Ganze anstrengender gewesen war, als er gedacht hätte. Verdammt. Er musste zu einem Arzt. Allerdings war es dunkel. An wen wandte man sich da am besten? Viel weiter käme er jedoch nicht mehr, da er zu viel Blut verloren hatte. Vermutlich war es nicht unbedingt schlau von ihm gewesen einen solchen Kampf so lang zu kämpfen, aber er war zu stolz um sich zu ergeben oder gar Hilfe zu holen… Schon gar nicht, wenn er es nicht von allein verlangte. Als er jedoch in eine der Gassen blickte, während es in der Halle immer ruhiger wurde, blickte in der Bürgermeister der Stadt an. Dieser schien ziemlich schockiert von seinem Anblick zu sein. War es so schlimm? Ren konnte es nicht mehr richtig wahrnehmen. Der Mann stolperte auf ihn zu und fragte nach seinem Befinden. Ren äußerte nur, dass er einen Arzt sehen müsse. Außerdem gab er einen Bericht darüber ab wie es abgelaufen war. Alles war nach Plan verlaufen, die Bande beruhigte sich und wurde festgenommen. Er erklärte auch, dass er davon ausging, dass die andere Bande sich zurückziehen würde und wenn nicht würde der Aufmarsch auch ohne die Magier reichen. Der Bürgermeister bedankte sich hunderte Male und zückte ein Telefon um einen Krankenwagen zu holen. Er war ja sicherlich nicht der Einzige, der ein bisschen was abbekommen hatte…
Nachdem der Wagen angekommen war, wurden alle Verletzten behandelt. Ren hatte darauf bestanden, dass sich erst um die Dorfbewohner gekümmert wurde, bevor er an der Reihe war. Immerhin war das hier sein Job und die Leute hatten es freiwillig gemacht. Da wollte er ihnen auch seinen Respekt zollen. Als er dann soweit war, sagte ihm der Auftraggeber, dass er das Geld der Gilde zukommen lassen würde. Naomi war ja schon weg, also wäre es etwas blöd, wenn er das nun entgegen nahm. Er wollte sie auch erst einmal nicht mehr sehen… Der Hüne hob seine Jacke vom Boden auf, verabschiedete sich und ging zum Bahnhof. Es war eine völlig andere Zeit, zu der er auf den Zug für die Heimfahrt wartete als Naomi. All das war ihm egal. Er hatte seinen Auftrag erledigt… Erst einmal wollte er nach Hause und sich von all dem erholen… Danach hatte er vielleicht wieder einen freien Kopf, um über diese Tage nachzudenken.