Als der Vermummte die Gasse betrat ließ Naomi Rens Arm los. Es könnte ihn schwach wirken lassen und das war er nicht. Sie hatte hier wahrscheinlich einen der stärksten jungen Männer vor sich, den sie kannte. Seine Kindheit war scheinbar genau so herzlich gewesen wie ihre und er sollte als der wunderbare Mann gesehen werden, den sie in ihm sah. Dass dies fremden Personen schwer fallen würde, weil er einfach nicht so wirkte, wie seine Begleiterin ihn in ihrem Herzen eingebrannt hatte. Brav stand sie erneut in seinem Schatten und lauschte dem Bericht des Vermummten, der sich an seiner Stimme als der Bürgermeister herausstellte. In dieser Stadt schien so einiges nicht ganz rund zu laufen, angefangen bei dem Herren selbst, der es scheinbar den Banden sehr einfach möglich gemacht hatte sich nicht nur hier zu etablieren, nein, sondern auch die wichtigsten Organe der Stadt in ihre Gewalt zu bringen. Neben seiner Wenigkeit auch die Polizei, welche eigentlich gegen solche Organisationen vorgehen sollte. Ein wenig genervt war Naomi davon schon. Wie konnte man als Oberhaupt einer Stadt auch nur eine Terrorquelle für die Leute, für deren Wohlergehen man verantwortlich war, dulden. Klar war es immer eine unangenehme Aufgabe solche Störenfriede aus dem Weg zu räumen, aber wenn ein kleines Mädchen wie sie sowas in Angriff nehmen konnte, dann er erstrecht.
Doch wie gesagt, er war erbärmlich, nicht nur weil er einfach ein armes Würstchen war, der natürlich nicht wollte, dass seiner Familie etwas passierte, sondern im Großen und Ganzen einfach erbärmlich. Weil er scheinbar nicht einmal seiner eigenen Sekretärin vertrauen konnte, weil er das Wohlergehen seiner Stadt in die Hände zweier Fremder legen musste, damit alles wieder besser wurde. Dennoch würde Naomi sich dazu durchringen etwas zu unternehmen. Immerhin gab es in dieser Stadt Menschen, die er verdient hatten in Frieden zu leben, nicht jederzeit von irgendwas bedroht oder eingeschüchtert zu werden. Das er irgendwelche Truppen zusammentrommeln wollte war sicher hilfreich, aber standen diese auch loyal zu ihm, oder waren sie auch unterwandert? Die Blondine würde in dem Fall davon ausgehen, dass es auch dort Spione der Banden gab und somit würde alle Pläne, die er mit diesen Männern vorhatte auch an die Banden weitergehen. Wenn dem nicht so war, dann war es gut, aber momentan musste man davon ausgehen, dass der Feind bestens über alles informiert war und sicherlich dagegen vorgehen würde mit aller Macht, die ihm zur Verfügung stand. Es sei denn, man tat den bösen Fehler und unterschätzte sie, doch zuerst musste man davon ausgehen, dass der Feind keine Fehler machte.
Als sich der Bürgermeister wieder entfernt hatte sprach Ren das an, was beiden wahrscheinlich gerade im Kopf herumgeisterte. Sie konnten dabei ihr Leben verlieren, es war ein ganz schön aussichtsloser Kampf gegen eine Übermacht, die sie nicht besonders gut einschätzen konnten. In dieser Halle hatten sie die Schläger gesehen und es hatte nicht gut ausgesehen, doch Naomi war sich sicher, sie würde es versuchen und wenn es nicht klappte, dann klappte es eben nicht. Doch ein Magier von Blue Pegasus konnte diese Stadt nicht einfach sich selbst überlassen, weil er um sein eigenes Leben bangte, wobei das eigentlich gar nicht der Fall war. "Meine einzige Angst, ist es zu versagen und den Menschen dieser Stadt keine Besserung zu bringen, aber wenn ich nichts tue, wird sich auch nichts ändern", sie blickte zu Ren hinauf und schenkte ihm ein liebliches Lächeln, "Dieser Krieg wird heute Nacht ein Ende finden und ich hoffe, dass mein Fliegengewicht hilft die Waage auf die Seite der Stadt zu kippen." In der Tat was war schon das Leben eines Einzelnen, wenn man ihm eine ganze Stadt gegenüber stellte, die kleine Magierin war sich nicht sicher, ob es Mut war, der sie gepackt hatte, oder blanker Wahnsinn.

Da standen sie nun… Zu zweit, ganz allein in einer dunklen Gasse. Und Ren hatte eine Frage in den Raum gestellt, über deren Antwort man sich ganz genau Gedanken machen musste. Es konnte über ihr Leben entscheiden, ob sie von hieran weitergingen oder nicht und dieser Tatsache waren sich wohl gerade diese beiden Magier sehr bewusst. Wie Ren darüber dachte, hatte er ganz bewusst erst einmal für sich behalten. Er wollte nicht, dass seine Entscheidung Naomi in irgendeiner Art und Weise beeinflusste. Ob ihre das bei ihm nicht genauso tun würde, tat nichts zur Sache. Gerade war es ihm wichtiger, dass sie selbst eine freie Entscheidung treffen konnte.
So hörte er ihr aufmerksam zu als sie zu erklären begann. Für einen Magier einer großen Gilde waren diese Worte vermutlich löblich und heldenhaft. Ren kaufte ihr ab was sie sagte, doch er würde das wohl nie im Leben mit diesen Augen sehen können. Wie er sich entschieden hätte, wenn er Naomis Meinung nicht zuvor gehört hätte? Bei ihm war das Ganze nämlich definitiv nicht so sicher, wie für die Blonde. Ren hatte in seinem Leben so Vieles durchstehen müssen, dass er einfach gelernt hatte sein eigenes Leben über alle anderen Standards und über jede Moral zu stellen. Sicher war das keine ganz einfache Entscheidung für einen Mensch, der irgendwo tief drin noch menschlich war, aber Vernunft war ebenso menschlich, wie der Wille zu überleben. Lag also Vernunft im Willen und Leben vieler oder in seinem eigenen? Ren seufzte und man merkte ihm sicher an, dass ihm diese Entscheidung nicht ganz so leicht und natürlich von der Hand ging. „Wir werden unser Bestes tun.“, sagte er dann recht entschlossen und blickte Naomi streng an. „Aber wenn das eine Falle ist oder wir merken, dass das zu keinem guten Ende führt, dann will ich, dass du so schnell verschwindest, wie du kannst, okay?“ Sicher würde er auch gehen, aber er würde seinen Kopf sicher nicht in ihre Hände legen. Es war seine eigene Verantwortung seinen Arsch zu retten. Ren wusste, dass Naomi schneller war als er und er würde nicht dulden, dass er sie in einem solchen Moment ausbremste. Wenn es um Leben oder Tod ging, war jeder sein eigener Henker…
Was er wohl fühlen würde kurz bevor all das los ging? Ren empfand diesen Abend und dieses Ereignis noch als so fern, obwohl es ganz nahe war. Es war einfach so unglaublich, dass er und Naomi bei einer so großen Sache in einer so großen und wichtigen Stadt dabei waren. Vor allem, dass sie die treibende Kraft und die Befehlsgeber sein würden, war kaum vorstellbar. Der Akuma war es nicht wirklich gewohnt das Leben anderer wohlmöglich in die Hände gelegt zu bekommen. Sicher, vielleicht mal eines oder zwei auf einer Quest… Aber so viele Menschen? Diese Verantwortung zu tragen, fiel Ren ziemlich schwer. Das war der Punkt, an dem ihm bewusst wurde, was für eine große Sache diese Quest war. Er hatte sich selbst in der letzten Zeit ziemlich verändert und war reifer geworden… Das merkte er zunehmend, wenn er auf sich zurückblickte. Das war ein großer Schritt… Den sollten die beiden bewusst gehen.
Bis zum Abend beschloss Ren es mit Naomi gemeinsam ruhig anzugehen. Sie kundschafteten noch einmal heimlich die Gegend um ihren Zielpunkt aus, ruhten sich dann ein wenig aus und aßen etwas Gutes. Der Wirt hatte gesagt, dass man, vor einer großen Aktion etwas Herzhaftes und Gutes zu sich nehmen musste. Für Ren fühlte es sich an wie eine Henkersmahlzeit… Der gute Mann wusste ja nicht, was heute noch passieren würde, aber dieser Spruch war in diesem Kontext wie ein Tritt in Rens Weichteile. Das hatte er nicht hören wollen… Die Zeit verging und jeder Blick auf die Uhr brachte sie dem Abend näher. Bald würden sie sich auf den Weg machen… Zu einem Ende für diese Stadt. Ob ein Happy End oder Bad End würde sich noch im Laufe des Abends zeigen müssen…

Naomi und Ren waren sich einig, sie würden dieser Stadt zeigen, dass sie nicht von allen Leuten verlassen wurde, aber Ren machte sofort klar, dass sie sich aus einer gefährlichen Situation zurückziehen sollte, wenn es denn zu einer kommen sollte. Jetzt noch nickte sie ihm zu, denn sie würde ihn niemals zurücklassen. Keinen ihrer Gildenkollegen würde sie in einer solchen Situation zurücklassen und schon gar nicht jemanden den sie so sehr mochte wie Ren. Doch vielleicht musste es gar nicht dazu kommen, immerhin konnten sie auch das Glück auf ihrer Seite haben und einen Sieg davon tragen ohne weitere Komplikationen. Doch zuerst wanderten sie noch etwas durch die Stadt, sahen sich hier und da um, versuchten sich so noch ein besseren Bild zu machen, aber es war so wenig Zeit, um sich auf so etwas großes vorzubereiten. Als sie zurückkehrten in ihre Herberge bekamen sie ein gutes stärkendes Essen und es war wirklich ein Meisterwerk. Ein wirklich wunderbares Essen, wie aus der heimischen Küche. Rio hatte manchmal gekocht, wenn er wusste, dass Naomi von einer Quest zurückkam. Er war eigentlich ein wirklich guter Koch, nur leider etwas eingeschränkt. In diesem Augenblick fühlte sie sich besser, auch wenn der Abend schon wieder wie ein schwerer Schatten über ihnen hing, war Naomi doch zufrieden mit allem.
Am Anfang des Abends hatte sich ins Zimmer begeben, mehr noch ins Badezimmer und dort hatte sie die falschen Haare entfernt, nun mit doch eher kurzen Haaren fühlte sie sich leichter, sie war schwerer zu fassen und alles in allem fühlte sie sich vielmehr so wie sie war. Danach kehrte sie wieder an Rens Seite zurück, dort wollte sie sein, bis der Abend kam und sie sich auf den Weg zu ihrem Schicksal machte. Ein Schicksal, welches sich noch nicht ganz entschieden hatte, ob es ihnen wohlgesonnen war, oder ob es sie in die finstersten Tiefen stürzen wollte. Als sie vor die Tür traten nahm das kleine Mädchen wieder die Hand ihres Begleiters: "Bitte versprich mir, dass wir uns egal wo es sein wird..., bitte versprich mir, dass wir uns widersehen Ren." Etwas was er unbedingt versprechen musste, sie war sich zwar sehr sicher, dass es nach einem eventuellen Tod nichts weiter gab, kein Leben danach, keine Widergeburt, keine Hölle, kein Paradies, doch das war gerade egal. Sie wollte es und sie wollte glauben, dass egal was jetzt gleich passieren würde, dass sie ihren Freund widersehen würde. Tief atmete sie ein und konzentrierte sich noch einmal auf sich selbst. "Dann mal los."
Jetzt würden sie sich auf den Weg machen, auf den Weg zum Treffpunkt mit dem Bürgermeister und seiner kleinen Privatarmee, die er gegen diese Banden führen wollte. "Ich habe schon einmal Menschen umgebracht", platzte es plötzlich aus ihr heraus. Damals hatte sie Angst um Seraphim gehabt, der von einer Gerölllavine begraben worden war und dabei das Bewusstsein verloren hatte. Banditen hatten ihn in ihr Lage mitgenommen und zwei von ihnen hatten sterben müssen oder zwei, hatte sie mehr als zwei getötet? Sie war sich schon nicht mehr sicher, aber das wusste sie, sie hatte diese Menschen getötet, namenlose, gesichtslose Gestalten, dennoch verfolgte es sie. Auch die Puristen, es waren doch Menschen gewesen und jetzt würde sie wahrscheinlich wieder töten müssen, viele Menschen für einen Frieden? Für ihr eigenes Leben? Für Ren? "Doch damals musste ich jemanden retten, der mir etwas bedeutete, ich habe Angst davor, aber ich werde alles tun was sein muss." Da war sie sich sicher.

Nun war es so weit. Ren richtete sich auf um den Schutz dieses Gebäudes voller freundlicher und herzlicher Menschen zu verlassen um möglicherweise genau für diese ins Messer zu laufen. Erhielt zwar viel von sich, aber er wusste genauso gut wie der Bürgermeister, dass er und Naomi ohne die Hilfe der Leute hier keine Chance hatten. Der Hüne hatte jedoch in den letzten Stunden für sich beschlossen, dass er sich von all diesen Dingen nicht aus der Ruhe bringen lassen würde. Sicher würde er sich sehr darauf konzentrieren müssen auf sich und Naomi zu achten, aber es brachte nichts, wenn er sich nun deshalb verrückt machte und sich immer wieder vor Augen führte, dass er an diesem Abend noch sterben könnte. Unsinn… Das hatte er nicht vor, also würde das auch nicht passieren. Dass Naomi mal wieder direkt nach seiner Hand fasste, als sie nur die Zimmertür verließen, ließ den Magier aber erahnen, dass seiner Begleiterin das Ganze nicht angenehm war. Auch mit ihren Worten machte sie deutlich, dass sie offenbar ein wenig Angst davor hatte, dass ihnen hier etwas passieren könnte. Ren war zäh und er glaubte daran, dass Naomi schlau genug war auf sich aufzupassen. Wenn nicht, würde er ihr schon helfen, aber das würde er ihr nicht zuvor auf die Nase binden, weil sie sonst sicher wieder beleidigt wäre, dass er auf sie herunterblickte. Frauen nahmen einem immer Sachen übel, die doch eigentlich nett gemeint waren! Auf ihre Worte hin reagierte er also mit einem frechen Grinsen. „Sicher. Was denkst du denn? Ich lasse mich doch nicht von irgendwelchen Dorftrotteln umbringen, oder hast du das vor?“ Absoluter Hohn. Und es lag nicht daran, dass Ren seine eigenen Sorgen irgendwie überspielen wollte. Sie sollte sich dem bewusst sein, dass auch Ren dieser Sache mit Respekt gegenüber trat. Was jedoch noch im Raum stand war, dass er ihr keine Angst machen wollte. Daher gab er sich zuversichtlich und selbstsicher…
Nachdem sie nur wenige Schritte aus ihrer Herberge herausgesetzt hatten, begann Naomi ein Thema anzuschneiden, welches Ren in der Regel nicht so lieb war. Gegenüber Naomi konnte er damit jedoch umgehen. Er schielte zu ihr herüber, hatte den Blick aber noch immer nach vorn gerichtet. Es schien sie zu bedrücken daran zu denken, dass man möglicherweise töten müsste. Ren lachte leise und blickte ein Stück weiter gen Himmel. Er hatte sich erst mit diesen Dingen auseinander gesetzt, als das Blut schon an seinen Händen klebte. Und dennoch bereute er es nicht… „Diese Welt ist grausam Naomi.“, sagte er ziemlich trocken und emotionslos. „Wenn du die Wahl zwischen einer reinen Weste und sich dem Tod zu ergeben oder deine eigene Seele zu verderben um weiterzuleben, was ist dann wohl die menschliche Wahl?“ Er sah sie nicht an, während er das sagte. Das war kein Thema, bei dem man sonderlich emotional werden sollte, fand er. „Ähnlich verhält es sich mit den Dingen, die du schützen willst. Alles, um was es sich im Leben dreht, ist der eigene Wille. Man trifft oft eine Entscheidung, die man nie mehr ändern kann, ist sich dem sogar bewusst und das ist in Ordnung, so lang man den Weg einschlägt, bei dem man sich sicher ist, dass er mit dem eigenen Gewissen vereinbar ist.“ Sein Grinsen wurde noch breiter, als er sich über eine der vielen Narben an seinem Oberkörper strich. „Ich habe mehr Sünden begangen, als ich mit beiden Händen zählen könnte und doch bin ich mir sicher, dass ich, selbst wenn ich dafür in die Hölle komme, nichts bereuen würde.“ Hoffentlich half ihr dies ein bisschen. Er würde ihr sicher nichts vorwerfen, wenn sie sich sicher war die richtige Entscheidung zu treffen. Immerhin war er der Letzte, der über richtig und falsch urteilen sollte… nach all diesen Menschen…

Die beiden Magier näherten sich dem Treffpunkt an und Ren wurde ganz flau im Magen. Was wenn es immer noch eine Falle war? Sie hatten ohnehin jetzt keine andere Wahl mehr. Als sie durch die letzte, düstere Gasse wanderten, hörte Ren Schritte hinter sich. Sofort blieb er stehen und drehte sich um. Ein bekanntes Gesicht stand vor ihm mit einer Waffe in der Hand und deutlich angespannt. „Ach, wir kooperieren nun, ja?“ Nein, dass hatte er sich nicht verkneifen können. Genauso wenig wie das herablassende und schelmische Grinsen auf seinen Lippen. „Aus freien Zügen.“, antwortete der Anführer der Stadtwache, trat einige Schritte heran und reichte Ren die Hand. Er hielt diese Worte für eine Lüge, doch man würde sehen, was dieser Mann so leisten konnte. „Trotz allem nehme ich diese Aufgabe sehr ernst und werde mich bemühen unter deiner Führung das Beste zu leisten.“, betonte der Glatzköpfige und Ren schüttelte seine Hand. Allerdings blieb noch eine Sache offen… „Unsere Führung.“ Er deutete auf Naomi und kaum tat er dies, reihten sich hinter dem Mann massenhaft Soldaten von allen möglichen, verschiedenen Rängen auf. Viele wirkten ängstlich, andere stolz und einigen konnte man absolut nicht ansehen, was sie fühlten. „Als Bürger dieser Stadt ist es unsere Pflicht und es ist schon lange an der Zeit eine Wende einzuleiten… Lang genug wurden wir von diesen Tölpeln verspottet! Unter der Führung dieser beiden Magier werden wir das Lager dieser dreckigen Bande niederreißen und jedem einzelnen von ihnen die gerechte Strafe zukommen lassen!“, sprach er an die Truppe, vermutlich um ihr Mut einzureden. Seine Worte waren recht leise gewesen und doch hatte man sie in der schmalen Gasse gut vernehmen können. „Selbst wenn es unsere Leben kosten wird, werden wir für unsere Stadt einstehen.“, kam plötzlich eine andere Stimme aus einer Nebengasse. Vor ihnen stand ein riesiger, muskulöser, junger Mann und hinter ihm eine weitere, kleine Armee mit Männern in ähnlichen Uniformen, wie es die Stadtwache trug. Allerdings hatten sie das Symbol auf der Brust, welches am Rathaus zu sehen war. Sicher die Leibwache des Bürgermeisters… „Wir sind allerdings nicht allein zu eurer Unterstützung gekommen.“, erklärte er und deutete auf eine weitere Gasse, die in diese überging. Dort standen einige einfache Dorfbewohner. Männer und sogar Frauen, egal welchen Alters. Sie waren bewaffnet mit Mistgabeln, Schaufeln und anderen lächerlichen Waffen, doch sie wirkten weitaus überzeugter als die Soldaten der Stadtwache. Dann deutete der Führer der Leibwache des Bürgermeisters auf Ren und Naomi. Vermutlich sollten sie die letzten Worte sprechen bevor sie sich auf den Weg machten, um dieses Höllenloch zu stürmen. Er blickte kurz auf die eben noch unsere Blondine und sagte ihr leise: „Wir sollten wohl etwas mehr Vertrauen in die Menschheit haben, huh?“ Wenn er nun daran dachte, dass er geglaubt hatte all das hier könnte eine Falle sein, schämte er sich fast. Aber das lag an seinen Erfahrungen… Er wollte nichts zu bereuen haben. Also überlegte er sich die folgenden Worte ganz genau:
„Bis vor wenigen Minuten hatte ich nicht viel Hoffnung für diese Stadt. Ich glaubte, dass hier niemand unsere Hilfe will und dass wir allein das niemals schaffen können. Jetzt blicke ich in all eure Gesichter und erkenne den Willen, nach dem ich die letzten Tage vergeblich gesucht habe: Es wird Zeit alles zu geben, um eure Heimat zu retten! Also reißt euch zusammen, damit ihr am Ende nichts zu bereuen habt und mit Stolz in ein schöneres Leben treten könnt! Ich bin nicht die beste Wahl für eine Führungsposition, aber ich werde mein Bestes geben, um eure Stadt von diesem Fluch zu befreien!“ Er war kein Mensch für solche Reden. Zwar hatte er von solchen Situationen oft gelesen, doch hatte er nie geglaubt, dass er einmal der Gute in einer solchen Geschichte war. Dieses Gefühl war komisch, aber es gab ihm stolz, dass man ihm das zutraute. Dass er jemals vor einer Menschenmenge stehen würde und all diese Personen ihn mit hoffnungsvollen Augen anblickte, hatte er nie erwartet. Diese Gilde, sein Zufluchtsort schien ihn tatsächlich zu verändern, doch im Moment war das ein gutes Gefühl… und er würde hier nicht sterben. Es gab sicher eine Person, die ihre Hände schützend über ihn halten würde, denn sie hatte ihm schon einmal den richtigen Weg gewiesen. Er blickte zu seiner kleinen Kollegin und stupste sie an. Genauso wie es sein Moment gewesen war, war es auch ihrer. Sie hatten lang genug dafür gearbeitet und das könnten ihre letzten Worte sein, die sie für ein hoffentlich richtiges Ziel aussprachen. Also sollte sie sich auch dazu äußern dürfen… Für sie war die Gildenarbeit, genau wie für Ren, alles was ihr noch blieb, oder nicht?

Während sie zum Treffpunkt gingen zerstreute Ren ein wenig ihre Sorgen. Auch wenn sie sich immer noch ein wenig Sorgen machte, war mehr als sicher, dass sie ihn niemals wirklich verlieren würde, ganz egal was diese Nacht mit sich bringen würde. Denn was einmal in ihrem Herzen festsaß, kam da so schnell nicht wieder heraus. Dieses kleine Organ war ein Hochsicherheitstresor, der das was dem kleinen Mädchen wichtig war, wohl behütete. Sie lächelte ihn sogar an, so herzlich und liebevoll wie immer. So war sie eben, auch wenn ihr Lächeln in letzter Zeit eigentlich mehr eine falsche Maske gewesen war und kein Ausdruck wirklicher Freude. Doch jetzt war sie froh, sie war sogar sehr froh, dass sie sich gerade auf den Weg geben hatten, um gemeinsam diese Stadt zu retten. Sie würden ihrer Gilde einen guten Ruf geben. Die Magier würden selbst vor aussichtlosen Situationen nicht zurückschrecken und für die schwachen unter den Menschen auch ihr Leben riskieren. In ihrem Kopf erklang bereits epische Orchestermusik zur Untermalung des Moments wo der Held, in dem Fall Ren, mit seinem Sidekick, Naomi, in die Schlacht zog, um das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Da kam auch schon der Treffpunkt in Sicht und das kleine Mädchen ließ ihren Begleiter los und fuhr sich durch das nun kurze Haare, es würde schon gut werden.
Kaum in der Gasse angekommen standen sie schon einem alten Bekannten Gegenüber, der Hauptmann der Stadtwache, der schon gleich meinte, dass er schon wollte, dass seiner Stadt geholfen wurde und dass er sich Rens Kommando unterordnen würde. Ein wenig traurig war es schon, dass man ihr keinen Respekt zollte, aber so war es eben, wenn man nach nichts aussah, außer kleinem Mädchen. Doch Ren berichtigte ihn sofort und dafür bekam er einen dankbaren Blick. Dann allerdings begann es in ihr zu kribbeln als sich die Polizeitruppe vor ihren Augen aufbaute, das waren schon ordentlich Männer, doch das war noch nicht alles, auf der anderen Seite kam scheinbar gerade die Privatwache des Bürgermeisters zusammen, angeführt von einem Hünen wie Ren einer war und hinter ihnen tatsächlich Bewohner dieser Stadt. Sie waren mit Heugabeln und allem anderen was weh tun konnte angerückt, um ihr zu Hause zu beschützen und das Kribbeln in Naomi wurde stärker, war es das, was alle großen Anführer vor einem Kampf fühlten, wenn sie sahen, wie sich ihre Soldaten treu und vertrauensvoll vor ihnen aufbauten, um für das gemeinsame Ziel in die Schlacht zu gehen, bis zum letzten Atemzug und vielleicht sogar noch darüber hinaus alles zu geben?
Ren hatte bereits ein paar Worte dazu verloren, aber dabei wollte die Blonde es nicht belassen, ihn ihr Pochte etwas, was heraus wollte, etwas was sie den Menschen mitteilen wollte, immerhin war sie genauso wichtig wie jeder andere von ihnen und sie wollte in der Erinnerung dieser Menschen bleiben. Nicht als ein Name der irgendwo stand, nicht als ruhmreiche Erwähnung in der Zeitung, nein, in ihren Herzen, als jemand der die Flamme ihrer Leidenschaft entzündet hatte und sie so dazu angespornt hatte, sich selbst von dem Übel zu befreien. Also schwang sich das Mädchen kurzerhand auf einen Müllkontainer von dem aus sie jeden der Anwesenden überblicken konnte. "Polizisten, Soldaten, Zivilisten, heute Nacht sprechen wir mit einer Stimme! Dies ist die Nacht in der wir alle Bürger sind, Bürger dieser schönen Stadt und unser Ziel ist klar. Eine freie Stadt in der unsere Kinder auf der Straße spielen können. Schluss mit der Angst vor diesen terroristischen Großmäulern, die in großen Gruppen denken sie könnten uns klein halten, weil sie sich Einzelne herausnehmen. Heute Nacht, zeigen wir ihnen, dass wir ebenfalls wie eine Gruppe zusammenhalten! Heute Nacht werden wir frei!" Kurz war alles still und Naomi fragte sich fast, ob es vielleicht etwas zu übertrieben gewesen war.
Doch dann setzte Applaus ein, Jubelrufe und lautstarke Zustimmung, diese Menschen waren bereit zu kämpfen. Sie selbst sprang von ihrem Müllpodium herab an die Seite ihres Begleiters und grinste ihn an. "Wir werden sie besiegen, wir haben bereits gewonnen."

Was für ein krankes Hirn dachte sich ein Szenario aus, in dem ein so aussichtslos verdorbener Mann wie Ren ein Held sein sollte? Diese Ironie zog an dem Hünen keineswegs vorbei. Wie er sich in dieser Position fühlen sollte, war ihm aber nicht so wirklich bewusst. Eigentlich war er immer der Böse gewesen. Man warf ihm kalte, zornige oder ängstliche Blicke zu und wenn er daran dachte, was für eine Unruhe er gestiftet hatte, als er das erste Mal in diese zivilisierte Welt kam und nun eine Armee an Polizisten befehligte, musste er beinahe ein wenig lachen. Er war noch vor wenigen Jahren so oft festgenommen wurden, dass er sich gar nicht mehr daran erinnern könnte, selbst wenn er wollte. Und dann auch noch solche Worte vor diesen Menschen loszuwerden. Wenn sie nur wüssten wer er war, dann würde ihm wohl niemand auch nur einen Schritt folgen. Aber vielleicht war Oak Town die erste Stadt, in welcher der Name Akuma nichts Böses verheißen würde? Der Gedanke brachte ihn fast ein wenig in Verlegenheit…
Und während er so darüber sinnierte wie er eigentlich in eine solche Situation geraten war, bemerkte er, dass seine kleine Begleiterin es sich tatsächlich wagte das Wort an sich zu reißen. Ren schmunzelte, als diese vielen Menschen ihr gegenüber ganz still wurden und sie zum Schluss auch noch bejubelten. Mit Sicherheit hatte Naomi das noch nötiger als er. All das hier… Ein wenig Rückhalt, Stolz und Anerkennung. Dabei wusste der Hüne nicht einmal ansatzweise in welcher Situation sich seine kleine Begleiterin tatsächlich befand, aber das was er sehen konnte, reichte aus um zu wissen, dass ihr das alles hier wirklich gut tat. Kaum hatte sie ausgesprochen, lächelte er sie sogar kurz an. Ein erstaunlich ehrliches und warmes Lächeln für Ren… Als er es bemerkte, wandte er sich schnell ab und blickte zu dem Truppenführer der Soldaten. Er nickte diesem zu und die Männer machten sich bereit. Es war so weit…
Die drei Gruppen teilten sich in den Gassen auf, sodass sie das Lager der Bande umzingeln konnten. Es sollte niemand entkommen… Alle sollten ihre gerechte Strafe für das bekommen, was sie getan hatten. Nicht nur, damit sie etwas daraus lernten, sondern auch ihre Feinde merkten, dass mit dieser Stadt nicht zu spaßen war. Ren hatte sich persönlich vorgenommen direkt den Anführer auszumachen und auszuschalten. Denn das würde ihnen einiges an Moral kosten und sie deutlich zurückschlagen. Er erinnerte sich an diese wenig schöne Frau, die sie in ihren ersten Stunden in dieser Stadt getroffen hatten… Sie war sicher auch ein wichtiges Ziel. Naomi und Ren gingen direkt gerade aus an eine Front des Gebäudes, auf den anderen Seiten verteilten sich die anderen Truppen. Sie hatten abgemacht, dass die beiden Magier die Bande herauslocken würden und ablenken würden, während die anderen die seitlichen Eingänge versperrten und dann von allen Seiten auf die Mitglieder losgingen. So konnten sie das Gebäude stürmen noch während alle darin waren. Ren und Naomi hatten somit sicher einen gefährlichen Moment vor sich, doch da man sie zu zweit nicht allzu ernst nehmen würde, glaubte Ren, dass sie nicht allzu viel zu befürchten hatten.
Als sie vor den riesigen Türen der alten Halle standen, blickte Ren noch einmal zu seiner Begleiterin und fragte sie, ob sie bereit war. Nachdem sie ihm dieses Zeichen gegeben hatte und er wusste, dass alle an ihren Positionen waren, hob der Hüne seinen Fuß an und rammte seine Stiefel in die Eisentür. Dies hinterließ eine ordentliche Beule in dieser und sorgte für einen kurzen Aufruhr in der Halle, bevor alles ruhig wurde. Ren und Naomi wichen ein Stück von der Tür zurück und warteten auf ihre Begrüßung. Es dauerte nicht lang, da öffnete ein großer, muskelbepackter Mann die Türe. Er sah ziemlich angefressen aus und blickte Ren sofort mürrisch an. Dieser grinste jedoch, wie immer, absolut überheblich und winkte dem Mann zu. Das freute den natürlich wenig und er brüllte Ren an: „Was fällt dir ein? Hast du’n Problem oder so?“ Kopfschüttelnd verschränkte Ren die Arme vor der Brust. „Nicht ich direkt… Aber die Stadt. Ihr seid die Spinner, die sich Black Furys nennen, richtig?“ Wütend stürmte er auf Ren zu, als auf seiner Schulter eine Hand auftauchte und ihn blitzartig bremste. Diese Person musste kräftig sein… Kaum lag die Hand dort, wurde der Mann zurückgezogen, fast geworfen, und hinter der herannahenden Person platziert. Ein bekanntes Gesicht… Das war doch die Frau, an die Ren sich noch gut erinnern konnte! Sie hatte sich blicken lassen, als die Menschen darüber diskutierten was mit der anderen Gruppierung passierte… Dann waren sie also die vorherrschende Bande… Die nicht besonders schöne Frau stellte sich mit verschränkten Armen Ren gegenüber und blickte ihn genervt an. „Letzte Chance: Verzieht euch.“ Plötzlich hörte der Hüne ein Tuscheln aus den hinteren Reihen. „Das ist doch die… Bahnhof…“ Er verstand nicht alle Worte, aber das sollte schon reichen. Ren war sich sicher, dass sie Schuld an der Sache waren, die bei ihrer Ankunft passiert war. Sein Körper spannte sich an und völlig entgegen dem Plan war der Akuma kurz davor diese Truppe allein zu attackieren, weil er so wütend wurde. Doch ein Blick zu seiner Begleiterin reichte, um ihn daran zu erinnern, dass er sein Leben hier nicht sinnlos aufs Spiel setzen durfte. „Ihr seid nicht in der Position uns etwas zu befehlen.“, antwortete er also nur recht ausdruckslos und stemmte die Hände in die Hüfte. „Ergebt euch jetzt, lasst euch festnehmen und wir alle hier ersparen uns einiges an Ärger…“ Doch erneut nahm man ihn nicht wirklich für voll. Die vielen meist großen und starken Männer brachen in Gelächter aus, machten sich über Ren lustig und ließen einige dumme Sprüche fallen. Doch all das war genau das was sie gewollt hatten. Sie sollten sich Zeit lassen, sich auf all das hier konzentrieren und nach Möglichkeit nicht direkt gewalttätig werden… Genau das taten sie auch… Die einzige Person, die Ren die ganze Zeit eher gereizt, als amüsiert ansah, war die Frau. Ob sie…? „Sagt dem Boss Bescheid und holt die Waffen.“, kommandierte sie nur knapp und kassierte dafür einige fragende Gesichter. Doch niemand wagte es ihre Worte in Frage zu stellen. Mist. Sie schien den Köder schon gerochen zu haben. Ren entledigte sich seiner Jacke und ballte die Hände zu Fäusten… Hoffentlich kam gleich das Zeichen der anderen… Wenn die alle angriffsbereit waren, würden kaum viele Sekunden übrig bleiben um sich vorzubereiten… Er atmete tief durch… Gleich würde es losgehen…

Er lächelte, es war ein warmes Lächeln, ein liebevolles und es war selten. Ehrlichkeit, etwas was Ren selten in seine Gefühle steckte, es sei denn, sie waren von negativer Art. Doch so schnell wie es gekommen war, so schnell verbarg er es auch wieder, doch es hatte sie gefreut, für den Moment den sie es gesehen hatte, war es wie ein kleiner Stern am Himmel, der nur für sie alleine schien, der nur für sie da war und den sie immer dann sehen konnte, wenn sie ihn brauchte. Ein warmes Gefühl wickelte sie ein, sie fühlte sich jetzt gerade wohlgeborgen, fast so wohl wie in seinem Arm, als sie nach einer elendigen Diskussion endlich wieder zum Schlafen gekommen waren. Nun war es so weit, sie machten sich auf den Weg zu dem Lager der Bande und Ren klopfte in höflicher Manier mit einem kräftigen Fußtritt an die Tür. Naomi blieb an seiner Seite, hier war sie sicher, dass sie alles schaffen konnte, was sie nur wollte. Es war nicht nur für diese Stadt, nicht nur für ihn, sondern auch für sich. Auf sein Klopfen bekamen sie natürlich auch eine Reaktion, immerhin waren Leute dort drin, denen man normalerweise nicht auf die Pelle rücken sollte und auch generell nicht wollte, weil sie gefährlich waren.
Die Konversationen, die geführt wurden liefen eigentlich so, wie das Mädchen es erwartet hatte. Man nahm sie nicht so wirklich ernst, die Männer machten sich eher lustig über die zwei Magier, die dort an ihrer Tür standen. Einsam und verlassen, angeblich alleine und ihnen ausgeliefert. Doch so war es nicht, selbst wenn sie nicht mit dieser Miniarmee aufgetaucht wären, waren sie noch lange nicht harmlos. Naomi würde ihnen schon zeigen, dass sie das nächste Mal besser Erfolg haben sollten, wenn sie versuchten jemanden von einen Zug zu stoßen. In ihr steckte mehr als nur ein kleines Mädchen und das würde sie ihnen gerne mitten ins Gesicht schlagen, doch etwas war faul. Die Frau war viel zu ruhig für jemandem, dem man gerade vor den Karren gefahren war. Irgendwas war hier nicht richtig. Dann erinnerte sich das Mädchen daran, was sie gedacht hatte, als sie sich auf den Weg gemacht hatte. Sie schien es zu ahnen vielleicht sogar zu wissen, hatte es ihr jemand geflüstert und hatten sie bisher nur nichts getan, weil sie wussten, dass sie gewinnen würden, weil im Zweifelsfall ihre Verbündeten sich gegen die Gruppe wenden würden? Sie war so ruhig, als sie den Männern befahr die Waffen zu holen, klar wusste Bescheid was hier lief.
Die Schattenmagierin spannte sich an, sie sagte nichts mehr, sie musste nicht sprechen, es war alles gesagt worden und dennoch war da mehr, mehr was sie beschäftigte, Dinge die sie noch nicht sehen konnte, die aber bald auf sie hereinbrechen würden. Im Inneren wurden gerade die Kräfte mobilisiert, man konnte immer mehr Stimmen sich erheben hören. Zustimmung oder genervte Töne, wahrscheinlich weil sich einige auf die nächste Gelegenheit freuten wieder Blut zu vergießen, andere wollten wohl lieber die Gemütlichkeit des Diebesnest genießen, statt schon wieder Aktion zu haben. Hatten sie in den letzten Tagen scheinbar genug gehabt, doch jetzt war es vorbei. Die Augen des Kindes trafen die der Frau, das war es doch, oder etwa nicht?

Immerhin war Ren nun etwas schlauer als vorher. Diese Frau, so strikt und sicher sie auch wirkte, war nicht die Chefin dieser Bande. Dennoch schien sie ein hohes Tier zu sein, denn die Männer folgten ihren Worten, ohne auch nur eine Sekunde an ihren Worten zu zweifeln. Niemand wagte es ihr etwas entgegen zu bringen und alle folgten stur ihren Anweisungen. Sie musste stark sein, das sah man ihr nicht nur an ihrem bulligen Körperbau an. Wenn ihre Selbsteinschätzung gesund war und sie nicht nur posierte, um ihre Kollegen wie Marionetten zu koordinieren, dann mussten Ren und Naomi vorsichtig mit ihr sein. Dabei wollte er sich doch dem Boss widmen… Aber ein zweites hohes Tier war wohl etwas für Naomi, oder nicht? Er war sich sicher, dass auch sie so helle war zu begreifen, dass es wichtig war diese Frau nicht unbedingt auf die Soldaten oder die Stadtbevölkerung loszulassen…
Eigentlich war nun der perfekte Moment für einen Angriff gekommen. Sie alle machten sich bereit, waren noch in dem Haus und nicht wirklich fähig sich schnell auf den Kampf zu konzentrieren. Doch wo blieben nur die anderen? Scheinbar dauerte es doch länger, als sie gerechnet hatten. Vor allem jetzt, wo durch diese dumme Kuh alle alarmiert waren, war es ein kritischer Moment. Sollten sie wirklich alle Mann auf Ren und Naomi losgehen, hatten diese ein Problem. Ren konnte zwar einigem Standhalten und die Magie von der Blondine war auch gerade offensiv nicht zu unterschätzen, aber wer wusste was die hier für Geschütze auffahren würden, wenn es um einen richtigen Kampf ging? All diese Dinge machten Ren sorgen, doch das überhebliche Lächeln des Magiers schien nicht verschwinden zu wollen. Seine selbstsichere Fassade gab er definitiv nicht auf. Schon gar nicht vor irgendwelchen Punks. Er hatte schon genug Straßenkämpfe hinter sich um zu wissen, dass man bei so etwas immer hoch pokern und keine Angst zeigen muss. In dem Moment kam das Zeichen… Ein lautes Geräusch, wie ein Knall und plötzlich stürmten aus allen Richtungen Menschen vor den Eingang des Gebäudes. Endlich waren sie nicht mehr allein. Ren, der sonst so sichre in seinem Handeln war, fiel jetzt sogar richtig ein Stein vom Herzen. Aber nun war das überhebliche Grinsen echt. „Dann wollen wir mal…“, sagte er in Richtung der Frau, die nun zum ersten Mal etwas Mimik zeigte und angefressen war. „Stürmt das Gebäude!“, rief er dann fordernd zu seiner kleinen Armee und streckte den Arm in Richtung der einzigen Eingangstür die sie nutzen konnten. „Dazu müsst ihr erst an mir vorbei.“ Die Frau schien nicht allzu begeistert von ihrem Plan zu sein und wollte sie mit aller Macht aufhalten. Aber sie durften keine Zeit verlieren. Also blickte Ren zu Naomi und sagte leise: „Ich kann mich doch auf dich verlassen, oder? Beschäftige sie… Ich bin bald wieder bei dir.“ Wenn sie das tun würde, konnte Ren mit den anderen Männern das Gebäude stürmen und während sich alle mit den niederen Bandenmitgliedern befassten und Naomi die gruselige Frau beschäftigte, konnte Ren nach dem Bandenführer suchen.
So gab er das Zeichen und alle stürmten los, an der Frau vorbei in das Gebäude. Dass Ren diese Gruppe anführte, war immer noch irgendwie komisch für ihn. Im Laufen konzentrierte er sein Mana in seinem Arm und dieser färbte sich, als schwarze Schuppen auf seiner Haut wuchsen. Damit würde er mehr aushalten. Mit dem Arm voran, ähnlich einer Art Footballspieler, lief der Hüne durch die Mengen. Hier und da schubste er Leute zur Seite, schlug ihnen ins Gesicht oder trat sie, damit er weiterkam. Dabei bekam er schon ein paar Rückschläge ab, aber für den starken Riesen war sowas nur halb so wild… Er suchte eine ganz bestimmte Person… Und gerade brach hier ein riesiger Kampf auf dem Schlachtfeld der Lagerhalle aus. War das nicht spannend? Ren liebte das. Wenn es wirklich eine große Liebe des Magiers gab, dann war es der Kampf… Wahrscheinlich weil das Leid anderer ihm Kraft gab und der Triumph das Blut in seinen Adern kochen ließ. Er dachte nur kurz an Naomi, war sich dann aber sicher, dass sie stark genug war allein zurecht zu kommen. Das hieß nicht, dass er nicht sobald er konnte nach ihr sehen würde, aber wer wusste schon, wie lang das dauern würde? Ren würde diesen Mann finden und ihn vernichten. Das war sicher!

Naomi schmollte. Klar war die Frau ebenfalls ein wichtiger Gegner und man musste sie aufhalten, aber wieso wurde ihr eigentlich automatisch der untergebene zugeteilt? Weil dieser auch weiblich war? Weil die Frau wohlmöglich schwächer war, als ihr Anführer? Ganz egal welche Erklärung es dafür geben wollte, die Schattenmagierin schmollte. Denn auch wenn sie ihren Kollegen schätzte und wusste, dass er sich gut verteidigen konnte, war sie, zumindest von ihrer Warte aus die Stärkere. Klar, dass sie körperlich wahrscheinlich keine hier gewachsen, aber darum ging es doch auch gar nicht. Sie war eine Magierin mit tödlichen Zaubern, die in der Lage waren sehr viel Schaden anzurichten, von Ren wusste sie bisher nur, dass er die Magie nutzte, welche sie sich als Zweitmagie auserkoren hatte, nicht zuletzt, weil er sie nutze, doch der Zauber, den er eben gewirkt hatte, der war einer der einfachsten und ließ deshalb noch keinen wirklichen Schluss darauf zu, wie gut er denn wirklich war. Natürlich war er so schon stark, aber man brauchte mehr als Kraft, um den Anführer einer solchen Bande zu besiegen. Doch das war nicht alles, er wäre bald wieder bei ihr und sie sollte sie nur beschäftigen? Soweit würde es noch kommen, dass sie so lange brauchte, dass er ihr nach seinem Vorhaben noch zur Hilfe eilen konnte.
Während also um sie gerade ein wenig die Hölle losbrach musste Naomi sich mit der männlichen Schlägerbraut befassen, die sich scheinbar schon damit abgefunden hatte, dass sie jetzt ein kleines Mädchen verprügeln würde. "Hör mal Kleine, halt einfach still, dann tu ich dir nicht zu sehr weh, okay." Ein wenig frustriert schnaubte Naomi aus und verschränkte die Arme: "Wenn sie das nächste Mal von ihren Idioten jemanden vor einen Zug werfen lassen, seien sie sicher, dass er danach auch tot ist, oh warten sie, es wird für sie kein nächstes Mal geben." Danach widmete sich das Kind eigentlich nur noch ihren Angriffen, die Kleinen ihrer Zauber gingen ihr inzwischen so einfach von der Hand, sie konnte so viele von diesen um sich hauen, wie sie wollte, ohne, dass sie große Probleme hatte. Also machte es gar nichts, dass sie die Dame mit einigen ihrer Schattenfäuste bombardierte, die inzwischen doch einen angenehmen Schaden zeigten. Hin und her getrieben von den kleinen schwarzen Fäusten, welche auf sie hernieder regneten hatte sie gar keine Zeit, sich in irgendeiner Form auf das Mädchen zu zubewegen oder daran zu denken selbst irgendwie auszuholen. Während Die Fäuste nun durch nervige Fledermäuse ersetzt wurden bereitet Naomi ihren schleichenden Tod vor, der sich in Form eines Schlangenkopfs der Shadow Snakes an sie heranpirschte und sich wie es bei Naomi üblich war, in ihrem Hals verbiss und versuchte ihr die Luft abzuschnüren. Doch dagegen konnte sie sich wehren, scheinbar doch stärker als vermutet.
Doch auch das sollte nicht weiter stören, denn ein weiterer Zauber war bereits unterwegs. Hornblade Shadow. Aus dem Schatten des Kindes löste sich ein dunkler Speer und auf ihren Wink hin schoss dieser los, um sich in die Brust ihres Opfers zu bohren. Tödlich verletzt sank die Frau zusammen und die Triade der Schattenspiele hatte ihr Ende. Das Mädchen blickte auf sie hernieder und schüttelte den Kopf, "Wenn es nach mir ginge, dann wäre ich nicht gegen sie Angetreten, sie alle sind mir zuwider und für den Tod eigentlich zu schade, aber diese Stadt braucht Frieden, mehr als es sie braucht." Das Kind machte sich auf den Weg in die Halle.

Als ob Ren seine Begleiterin tatsächlich unterschätzte. Der Hüne wusste genauso gut wie sie, dass ihre Magie mit Sicherheit stärker war als die seine. Dennoch würde er ihr nicht einen schwierigeren Gegner zumuten. Das hatte alles etwas mit seiner Selbsteinschätzung zu tun. Der Magier war da etwas eigen… Er fühlte sich stark und hatte sich in seinem Leben immer selbst durchsetzen müssen. Darum mutete er sich, selbst wenn es jemanden gab, der die Aufgabe besser hätte machen können, immer das Schwierigste zu. Vermutlich war er einfach zu egozentrisch und eitel, um sich einzugestehen, dass es vernünftiger wäre Naomi den stärkeren Gegner niedermachen zu lassen. Und selbst wenn es bedeuten würde, dass er verletzt kniete und auf ihre Hilfe hoffen musste… Ren war zu stolz um sich solche Dinge einzugestehen. Er würde, abgesehen von einer Situation, die ihn wirklich das Leben kosten könnte, niemals darauf kommen jemanden für seine eigene Haut um Hilfe zu bitten. Selbst wenn das schwere Verletzungen oder Narben bedeuten würde. Dazu war er einfach zu stur…
Und so war er absolut selbstsicher auf dem Weg zum Boss der Bande, damit er diesen besiegen konnte. Hatten sie erst einmal den Kopf zerschlagen, würde sich der Rest von allein geben. Davon war Ren überzeugt. Dass es die Soldaten und Bürger nicht einfach hatten, konnte er im Augenwinkel erkennen. Zwar waren auch sie bewaffnet, doch diese Bande hatte dahingehend die besseren Ressourcen. Erstaunlicherweise waren aber alle Helfer in dieser Situation auf der Seite der Magier deutlich kampffähiger, als der Akuma erwartet hatte. Das war erleichternd, aber dennoch wollte er keinesfalls unnötig Zeit verlieren!
Nach einer Weile des Suchens und Durchkämpfens, durch die Massen, kam Ren vor einem erstaunlichen Mann an. Er war wirklich so klischeebehaftet, dass der Akuma sofort davon überzeugt war, dass es sich hierbei um die richtige Person handeln musste. Dieser Mann war noch ein ganzes Stück größer als Ren selbst, was erstaunlich war, da er ja ohnehin schon die zwei Meter Marke geknackt hatte. Außerdem wirkte er noch muskulöser, verruchter und durch eine Glatze und eine fiese Narbe im Gesicht perfekt für die Position eines bösen Buben. Er sah Re zornig an, da er an dessen Arm wohl erkannt hatte, um wen es sich bei dem Magier handelte… Was dann passierte, ging ziemlich schnell. Ren wurde von dem Mann mit einem riesigen, metallenen Baseballschläger attackiert und musste sich zur Wehr setzen. Er war froh, dass es sich bei dem Mann um einen reinen Muskelberg handelte, der sonst nichts weiter draufzuhaben schien. Der Anführer sagte kein Wort zu dem anderen Hünen und versuchte ihn mit kräftigen Schlägen niederzustrecken… Er war schneller als Ren, was es ihm nicht wirklich leicht machte. Nur selten schaffte er es auszuweichen und die Schläge abzublocken, war für den Akuma zwar möglich, aber nicht ganz schmerzfrei. Hier und da kassierte auch der andere einige Schläge, doch Ren war sich nicht sicher, ob er das schaffen konnte… Dieser Kerl schien ausdauernder zu sein als der Hüne selbst… Er war mindestens genauso stark und mit seiner Waffe hatte er in Verbindung mit seiner Geschwindigkeit sehr gute Chancen. Nach einer Weile standen die beiden sich sichtlich erschöpft gegenüber… Ren blutete aus der Nase und im Gesicht und auch der andere sah nicht wenig angeschlagen aus. Immer wieder nutzte der Magier seine Dämonenarme, doch es schien einfach nicht zu reichen. Das alles hier dauerte ihm viel zu lang, doch seine Magie war zu schwach… Wenn er etwas wagen würde, wusste er nicht, ob er die Kontrolle über seinen Dämon behalten könnte. Das konnte er in der Nähe von so vielen Zivilisten nicht herausfordern… Konnte er diesen Kampf gewinnen? Oder würde ihm vielleicht ein blonder Engel helfen? Sicher würde er nicht danach fragen, aber sein Verletzungen sprachen für sich… Ren war lange nicht mehr in einem Nahkampf unterlegen gewesen… Wie peinlich…