Naomi war in der Tat etwas, was man als "Lovely Item" bezeichnen konnte. Wenn man sie an die Hand nahm, konnte wahrscheinlich der bulligste und gruseligste Kerl niedlich wirken. Immerhin hatte er sich ja des kleinen Mädchen angenommen, dass so zierlich und hilflos schien, dass man es einfach nur lieben und beschützen wollte. Die meisten allerdings machten sich nicht die Mühe hinter diese Fassade zu sehen und vielleicht doch mehr zu entdecken, als einfach nur niedlich. Etwas was vielleicht auch positiv zu werden war, denn das kleine blonde Mädchen wollte dieses Image so lange es ging für sich nutzen. Dass sie recht müde war stimmte nur zur Hälfte. Klar hatte sie gegen ein weiteres Schläfchen nichts einzuwenden, aber eigentlich war es nicht dringend nötig. Dennoch war es sicher schlau schon mal Schlaf vorzutanken, denn wenn sie nach Hause zurückkehrte, würden sie sicher wieder ein paar schlaflose Nächte erwarten. Es war wirklich lieb von Ren, dass er ihr die Tür aufhielt und sie lächelte ihn mit einem, "Danke", auf den Lippen an als sie hindurch ging. Dann ließ er sie auch ins Bad, auch wenn nicht viel zu tun war. Sie legte ihr Kleid ab und öffnete ihr Haar. Das hätte sie auch locker vor ihm machen können, aber nun gut, so war es eben.
Nun trat sie ebenfalls in Unterwäsche und Unterhemdchen, diesmal hatte sie nicht sein Shirt abgreifen können, zurück ins Zimmer. Dort legte sie ihr Kleid über die Lehne eines Stuhls und kroch dann ins Bett, krabbelte zu ihm und kuschelte sich an seine Seite: "Würde es dich sehr stören mich in den Arm zu nehmen?", erkundigte sie sich und zum ersten Mal musste sie nicht nach oben sehen, um in seine Augen zu blicken. Hier waren sie quasi auf eigener Augenhöhe, weil ihre Köpfe beide auf den Kissen lagen. Eine Vorstellung die sie mochte, etwas was sie gerne öfter hätte, was aber nicht möglich war, denn sie war eine Mischung aus Rapunzel und Anti-Dornröschen. Sie lebte gefangen in einem Haus und schlief so gut wie nie, es sei denn, der Mangel wurde so stark, dass es sie einfach niederstreckte und Akira gab ihr wieder eines seiner komischen Kräutermittel. Doch diese wollte sie aus reiner Paranoia so wenig wie möglich nehmen, was passiert wohl mit ihr, wenn sie vom Narkotikum betäubt in ihrem Bett lag? Nein, sie wollte es sich nicht ausmalen, nicht jetzt wo Ren bei ihr war und eigentlich der Schutz ihrer Träume war.

Als Ren aus dem Fenster blickte, machte er sich Gedanken über allerlei Dinge. Wie diese Sache wohl ausgehen würde? Ob sie diese Bikergangs jemals stellen könnten und mit wessen Hilfe? War der Bürgermeister wirklich der Schlüssel in dieser Geschichte? Und dass die Soldaten da nicht mit drinnen steckten, konnte der Hüne nicht glauben. Nachdenklich beobachtete er eine Laterne, die im Dunkeln dauernd flackerte und fragte sich wie gefährlich ihr Auftrag wirklich war. Weshalb hatte er sich nicht vorher Gedanken darüber gemacht, dass etwas schiefgehen konnte? Eigentlich hielt er sich selbst ja für ziemlich reif, doch momentan zweifelte er ein wenig an seiner Einschätzung. Er hatte nur daran gedacht, dass das kein einfacher Job war, bei dem er sich wieder langweilen würde und dass er dann mal ordentlich etwas zu tun hätte, doch dass er sich da möglicherweise zu viel zugemutet hatte, kam ihm jetzt erst in den Sinn. Sicher waren er und Naomi keine schwachen Magier mehr, die noch am Anfang ihrer Karriere standen. Dennoch war eine ganze Gang zu viel für die beiden Blue Pegasus Anhänger, weshalb Ren ein wenig an sich zu zweifeln begann. Doch all diese Bedenken steckte der Große in eine Schublade und verschloss sie vor der Welt. Seine Sorgen gingen niemanden etwas an…
Als Naomi aus dem Bad wiederkam, war er so in seinen Gedanken, dass er glücklicherweise nicht für voll nahm, dass sie nicht so gut bekleidet war wie das letzte Mal. Er machte seine letzten Schritte ins Bad um sich selbst einmal das Gesicht zu waschen und sich die Zähne zu putzen und danach am Ende mit der Blondine ins Bett zu fallen. Prinzipiell störte ihn diese Sache nicht, wäre da nicht die Tatsache, dass es ihr vielleicht zu nahe gehen könnte und das wollte er nicht. Sich in größere Dinge zu verstricken als die, in denen er ohnehin schon steckte, würde keinen von ihnen beiden besonders glücklich machen. Dass sie auf Augenhöhe waren, war für den großen Mann recht ungewöhnlich. Es gab nicht viele Menschen denen er ins Gesicht blicken konnte, ohne auf sie herabzusehen. Und solche Situationen hier fanden recht selten statt. Ihre Frage warf wieder Bedenken bei ihm auf… Das war wie das mit dem Küssen. Warum forderte sie das immer wieder ein, wenn er doch versuchte ihr immer so klar wie möglich zu machen, dass er dafür nicht gemacht war? Er hatte versucht sie abzuschrecken, ihr einen Korb nach dem anderen verpasst und dennoch stellte sie ihm solche Fragen direkt ins Gesicht, ohne auch nur eine kleinste, schmerzvolle Regung in ihrem Gesicht zu zeigen. Es war faszinierend wie mutig sie war und wie viel sie davon einstecken konnte, denn Ren zweifelte daran, dass er das so lang mitgemacht hätte. Doch was tat er nun? Sie waren unter sich und eigentlich war es für ihn keine Sache der Unmöglichkeit das zu tun. Nur würde sie wieder mehr erwarten, wenn er nun nachgab? Er schluckte ein Seufzen herunter, weil ihn dieses ganze Zwischenmenschliche wie immer überforderte. Dann nickte er aber kurz, rückte ein Stück näher an das Mädchen heran und legte einen Arm vorsichtig um sie. Da fing es ja schon an. Wie machte man das? Ren benutzt die kräftigen Arme eher um jemanden zu schlagen oder in den Schwitzkasten zu nehmen, aber eine Umarmung war dem Hünen völlig fremd. Die letzten richtigen Umarmungen mit anderen Menschen waren die mit den Jungen gewesen, die ihn gerettet und aufgenommen hatten. Aber das hier war eine ganz andere Geschichte. Vor allem war sie ja immer noch ein zerbrechliches Mädchen, auch wenn sie innerlich recht stark war. Nachdem er das recht zögerlich hinter sich gebracht hatte, löschte er das Licht, kniff die Augen zu und sagte: „Sorry, ich bin nicht gut in solchen Dingen.“ Aber das wusste Naomi sicher. Für sie zählte sicher ohnehin nur der Wille… Doch ob er das wollte, konnte er selbst nicht beantworten. Um von seiner Aussage abzulenken, begann er einfach eine Melodie zu summen und hoffte, dass sie einfach einschlafen würde, da ihr dies ja nicht immer leicht fiel…

Sie sahen einander in die Augen und sie konnte sehen, dass sie wieder zu weit gegangen war. Er wollte nicht und das gleich zweifach. Er wollte ihr nicht nahe kommen, aber klar wieso sollte er dies auch wollen. Wer wollte schon Nähe aufbauen, wenn diese einem eigentlich immer nur Schmerz bereitete. Naomi wollte, aber das war wahrscheinlich etwas anderes. Das kleine blonde Mädchen wollte sich geliebt und gewollt fühlen, sich dieses geborgte Gefühl als Alibi ihres Lebens sehen. Da waren doch immer noch Menschen die glücklich waren, wenn sie in ihrer Nähe war. Dass sich dies auch anders ausdrücken konnte, als sie es wollte, das war da wohl nicht so eingeplant. Gerade hatte sie sich weggedreht, als er unbeholfen die Arme um sie legte. Er war so ungeschickt und ungelenk, es war als wollte er sie kaum berühren. Dazu noch diese Entschuldigung, wie ein eiskalter Dolch schnitten diese Worte tief in ihr Fleisch, wenn er sie doch einfach geschlagen hätte und ihr gesagt hätte, dass sie ihn nicht belästigen sollte, dann hätte sie zumindest einen physischen Grund sich schlecht zu fühlen, doch dieses ekelhafte stechen, irgendwo undefiniert in ihrer Brust, von dem sie wusste, dass es eigentlich nicht da war. Etwas, was nicht mal Seraphim kurieren konnte, wenn er all seine Magie darauf verwendete.
Dann begann er leise zu summen, aber dieses Mal war es alles andere als beruhigend, er wollte sie schnell einschläfern, wollte dass sie weg war im Reich der Träume, da wo sie nicht mitbekam was er tat oder dachte. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten und laut aufgeschrien. Stattdessen drehte sie sich wieder zu ihm und lächelte ihn an, wohl wissend, dass er es wahrscheinlich kaum sah. "Schon gut, ich schlafe im Bad", ihr Finger hatte kurz auf seinen Lippen geruht bevor sie sich aus seinem Arm rollte und sich daran machte das Bett zu verlassen. Alleine, sie musste es alleine schaffen, alleine stehen und alleine fallen. Wieso lief es eigentlich immer darauf hinaus? War die Dusche eigentlich groß genug? Schätzungsweise ja, wenn sie die Beine anzog und im Bad gab es ja auch noch Handtücher, mehr brauchte sie nicht, klar würde Ren sicher jetzt protestieren und sie zurückholen. Eigentlich hoffte sie darauf, dass er sie zu sich zurück nahm und ihr sagte, dass doch so alles richtig war, aber das wäre nur eine Lüge um sie nicht weiter zu belasten. Doch das würde ihn belasten und genau das wollte Naomi nicht sein, eine Last, sie wollte immer eine Freude sein, doch es ging nicht.
Im innersten ihrer Seele würde sie wohl immer ein kleiner Parasit sein, der auf die Zuneigung die andere erfuhren gierte, der ebenso geliebt und gepflegt werden wollte und so Menschen immer wieder in Situationen trieb die ihnen ungemütlich waren. Naomi stand, sie hatte es zumindest bis aus dem Bett geschafft und plötzlich war es kalt. Unter der Decke an seiner Seite war es so wunderbar warm gewesen und sie wollte sich so gerne zurück kuscheln, aber das war falsch, man durfte andere Menschen nicht zu Dingen nötigen, die sie nicht wollten, allein das schon war eigentlich eine Verletzung ihres Rechts.

Ob Ren jemals in seinem Leben ein ganz normaler Mann werden würde? Naomi vergaß wohl immer wieder, dass sie neben sich einen mehrfachen Mörder und einen absolut nicht umgänglichen Menschen hatte, der sich nur für sie bemühte so zu sein, wie es die Gesellschaft von ihm erwartete. Es lag ihm fern anderen Menschen nahe zu sein, ihnen von sich selbst zu erzählen oder irgendeine Art von Beziehung zu ihnen einzugehen. Und nun steckte er in dieser Situation, in der er Naomi eigentlich mochte, aber nicht über seinen eigenen Schatten springen konnte, weil er einfach nicht der Mensch für so etwas war. Sie war immer nett zu ihm gewesen und verstand ihn. Außerdem konnte er mit ihr sogar über seine Vergangenheit reden, ohne dass er verurteilt wurde. Doch das reichte eben nicht, denn das was er bekam, konnte er nicht zurückgeben. Naomi verlangte für das was sie ihm gab für ihn unmenschliche und unvorstellbare Dinge. Für ihn waren diese Berührungen nichts wert, weil er einfach als Kind nie zu schätzen lernte, was eine Bindung wirklich bedeutete. Er mochte das Mädchen und wollte sich bemühen es ihr so recht wie möglich zu machen, damit sie sich gut fühlte, aber seine Empathie und sein Verständnis reichten einfach nicht weit genug dafür zu verstehen wie die Gefühlswelt anderer Menschen funktionierte… Einfach weil er sein ganzes Leben nur nach dem Motto lebte: Fressen oder gefressen werden. Und ehe ihm jemand zu nahe käme, der ihm etwas antun könnte, tat er das lieber. Doch nun befand er sich in einer Situation in der etwas anders war. Plötzlich ging es um Geben und Nehmen, wobei er nur das eine gelernt hatte und das war sicher nicht jemandem etwas Gutes zu tun. Er wollte es versuchen, einfach weil er das erste Mal Mitgefühl für einen Menschen empfand, sich in jemanden hineinversetzen konnte, selbst wenn es nur der Ansatz war. Doch es reichte einfach nicht… Es reichte nie… Und das machte ihn zornig. Ren reagierte auf Rückschläge nicht mit Trauer, sondern mit Zorn. Wieso konnte er das nicht? Was stimmte bei ihm nicht? Jeder andere Mann wäre mit Sicherheit froh, wenn eine Frau nach seiner Liebe bettelte, aber er sah das eher als bedrängend an und konnte nicht darüber hinweg. Er war kaputt und daran konnte auch kein blondes, liebes Mädchen etwas ändern. Und es würde weder ihn noch sie glücklicher machen, wenn es ewig so weiterging, dass er es versuchte und es im Endeffekt nur mehr schadete als alles andere. Sollte er sich von ihr abwenden? Aber was wenn ihr dann noch Schlimmeres wiederfuhr? Wer würde dann dafür sorgen, dass sie aus ihrem Gefängnis befreit wurde, wenn nicht er?
Er hörte sie sagen, dass sie im Badezimmer schlafen würde und fragte sich, absolut wütend über seine eigene Unfähigkeit, was er schon wieder falsch gemacht hatte. Eigentlich hatte er sich doch bemüht ihr entgegen zu kommen. Er nahm sie in seine Arme, so gut er konnte. Seine Kräfte zu regulieren, war nicht immer ganz einfach, aber er bemühte sich irgendwie das zu machen, was ihrem Anspruch entsprach. Ren brachte es sogar über sich für sie die Lieder zu singen, die ihn selbst verletzten, wenn er über sie nachdachte, nur damit sie schlafen konnte und glücklich war. Doch seine größten Bemühungen reichten nicht aus… Egal was er versuchte, er konnte ihren Ansprüchen nicht gerecht werden. Einen Moment lang überlegte er, ob er ihr vorschlagen sollte sich nach der Quest nicht wiederzusehen, aber er konnte den Gedanken nicht verkraften nicht zu wissen was mit ihr geschah. In seinem Leben hatte er sich nicht oft an Menschen gebunden, war immer unsicher und vermeidend und konnte nicht über seinen eigenen Schatten springen. … und wahrscheinlich änderte sich das auch nicht.
Als sie neben dem Bett stand, richtete er sich auf und setzte sich auf die Bettkannte mit dem Gesicht zum Fenster. „Wenn dann gehe ich woanders hin.“, erklärte er ruhig und machte ihr Platz auf dem Bett. Dass er die Bedürfnisse anderer über seine eigenen stellte, zeigte schon allein, dass der Hüne zumindest etwas Empathie dazugewonnen hatte. Aber es reichte nicht und ob es noch viel mehr werden würde, konnte niemand genau sagen. „Ich weiß nicht, wem von uns beiden ich hier etwas vormache.“, begann er nun mit einem zornigen Unterton in seiner Stimme, wobei sich dieser nicht gegen Naomi richtete. „Du kannst von mir verlangen was du willst und ich werde immer mein Bestes tun, aber wir müssen ehrlich zueinander sein… Ich kann deinen Erwartungen nicht gerecht werden. Nicht einmal, weil ich es nicht wollen würde. Ich wäre gern anders, aber ich kann nicht.“ Diese Sache hatte der Hüne sich selbst mit Sicherheit noch nie eingestanden. Eigentlich betitelte er sein Leben immer als perfekt, so lang er lebte und es ihm selbst gut ging. Doch wie hatte er es gelesen? Sind die kleineren Bedürfnisse befriedigt, strebt man höhere Ziele an. Aber momentan war er sich ziemlich sicher, dass er das nicht bewältigen könnte. „Was einmal in Scherben liegt, kann nicht wieder komplett geflickt werden.“ Er stand auf und war im Begriff zu gehen. Resignation machte sich in dem jungen Mann breit, da er das Gefühl hatte, dass er auf jedem Schritt zur Normalität sich einen weiter zurück sehnte, um wieder weiterkommen zu können. Aber er ging nicht, weil ihn etwas entsetzte. Die Erkenntnis nicht voranzukommen, hatte ihn scheinbar mehr betroffen, als er dachte, dass es überhaupt noch möglich wäre. Und so lachte Ren leise, während er merkte, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Etwas, von dem er glaubte, dass sein Körper es nicht mehr konnte, weil er innerlich so verdorben und verdorrt war…

Naomi fuhr herum, als er sagte, dass wenn dann er woanders schlafen würde: "NEIN!", es klang fast panisch. Es musste endlich aufhören, zwischen ihnen gab es so viele Dinge über die sie schwiegen, welche sie nicht aussprachen, weil es ihnen unangenehm war. Das kleine blonde Mädchen hielt viel zurück, doch wenn sie jetzt nicht sprach würde sie etwas zerstören war sie niemals hatte auch nur in Gefahr bringen wollen. Ren hatte begonnen zu reden und seine Worte spiegelten ihre Gedanken wieder, sie konnte verstehen was ihn bewegte, denn sie war genauso ratlos wie er. Mit leisen Füßen stieg sie aufs Bett und ging zu ihm hinüber, nun erneut wieder fast so groß wie er. Er klang sauer, kein Wunder, dazu hatte er auch jedes Recht. Immerhin war sie so schrecklich aufdringlich und darauf konnte man schon sauer sein. "Du bist nicht der einzige der sich oder anderen hier etwas vormacht", begann sie zu sprechen und legte eine ihrer Hände zwischen seine Schulterblätter. "Es tut mir so sehr leid, dass ich dich so sehr mag. Es tut mir so leid, dass ich immer diese unmöglichen Dinge von dir verlange. Bitte trau dich doch nein zu sagen, wenn du etwas nicht tun willst", sie legte ihren Kopf in seinen Nacken und biss sich kurz auf die Lippe.
"Ich habe nur wenige Menschen, die ich wirklich lieb habe und alle sind sehr rar gemacht worden. Dich sehe ich nur auf Quests und ich weiß, dass du Nähe nicht so klasse findest und dennoch verlange ich sie immer wieder, weil ich sonst zerbreche. Es tut mir so unendlich leid, dass du darunter leiden musst, dass mein Herz wie ein trockener Schwamm alles aufzusaugen versucht was es bekommen kann. Eigentlich wollte ich mich mit dem anderen Schlafplatz nur bestrafen, aber ich kann auf keinen Fall im Bett bleiben, wenn du nicht da bist. Es wäre also würdest du meine Strafe tragen und dann würde ich mehr leiden. Wahrscheinlich genau die richtige Strafe für mich, ich könnte sogar verstehen, wenn du mich niemals wiedersehen willst. Eigentlich sollte ich so dankbar sein, dass du immer dein möglichstes versuchst und mich erträgst, aber manchmal fühle ich mich wirklich nur ertragen und ich fühle mich dann schlecht, weil ich so eine Last bin." Ihre kleinen Ärmchen umklammerten ihn, ihr Gesicht drückte sie an seinen Rücken, während auch sie ein paar Tränen verlor. Es schmerzte, diese Angst ihn zu verlieren, die Angst, dass er einfach gehen würde und dass sie ihn nie wieder sah. Irgendwie musste sie ihn doch halten können.
"Gib mir meinetwegen Ohrfeigen, wenn es zu viel wird und ach was weiß ich, wirf mir Gummitiere an den Kopf oder halte mir bösartige Vorträge, aber bitte lass mich nicht allein. Ich weiß, dass du meine Gefühle nicht erwiderst und damit muss ich leben, aber bitte lass mich nicht alleine", da glitzerte etwas auf seiner Wange und sofort wanderte die kleine Hand in sein Gesicht und strich es ab. Den Finger in den Mund gesteckt stellte sie fest es war salzig. Gerade hatte er zu lachen begonnen, aber er weinte. Er war sicher genau so verwirrt wie sie. Sanft drückte sie ihre Wange an seine, sie wollte nicht dass er weinte, aber ihre Nähe würde dies wahrscheinlich und verstärken, vielleicht sollte sie doch versuchen aus seinem oder am Ende noch dem generellen Leben zu scheiden, damit sie ihn nicht mehr quälte.

Da stand er also vor dem Bett und wusste nicht wirklich was er mit dieser Situation überhaupt anfangen sollte. Der Hüne konnte sich kaum mehr daran erinnern wann ihm das letzte Mal die Tränen gekommen waren und doch konnte er die Erinnerungen daran sofort wieder abrufen. Mit diesem salzigen Geschmack verband er immer wieder das brechreizerregende Kratzen von Sand in seinem Hals und Atemnot. Es gab nicht was Ren mehr hasste, als weinen zu müssen. Und doch lachte er gerade darüber, weil er sich ein wenig menschlicher fühlte. Vor wenigen Monaten hatte sich Ren nach nichts mehr gesehnt als danach immer weniger Mensch und mehr Dämon zu werden, aber nun erleichterte ihn dieses kleine Stück Menschlichkeit doch etwas. Er war nicht komplett unnormal, aber auch nicht normal. Genau genommen war er beides und nichts wirklich…
Natürlich widersprach ihm Naomi. Das war eigentlich immer so, wenn er etwas ernst meinte. Sie machte das sicher nicht absichtlich um ihn zu ärgern, aber es reizte ihn gerade in Momenten wie diesem sehr. Er wollte der Situation nämlich recht gern entfliehen, aber sie ließ ihm nicht die Möglichkeit dazu. Und natürlich begann sie auch über die Dinge zu sprechen, die Ren am liebsten unter den Teppich kehren würde. Es funktionierte nicht, wenn sie sich einigten, aber wenn nicht, gab es auch Probleme. Fliehen, wäre wirklich die einfachste Option gewesen, aber sie hatten scheinbar beide denselben Gedanken, dass sie einander nicht allein lassen wollten. Erneut hatte er Mitleid mit ihr, während sie so sprach, obwohl es ihm ja eigentlich sehr schwer fiel so empathisch zu sein, ging es bei Naomi immer erstaunlich leicht. Es störte ihn nicht sonderlich, dass das Mädchen sich an ihn drückte, so wie es ihn eigentlich nie sonderlich berührte. Aber genau das war eben das Problem. Der Hüne wischte sich stumm die Tränen aus dem Gesicht, während das Mädchen ihm ihr Leid klagte und ihn bat doch irgendetwas zu tun, damit sie sich nicht allein fühlte. Dann nahm er ihre Hände von sich, um ihren Griff zu lösen und drehte sich zu ihr. Sein Blick war ernst, sagte nichts und nur die roten Augen ließen noch den Anschein übrig, dass er soeben in Tränen ausgebrochen war. Obwohl Ausbruch wohl auch das falsche Wort dafür war, immerhin hatte er darüber gelacht.
In seinem Kopf schwankten zwei Positionen. Eine war sehr wütend auf Naomi, weil sie nur an sich selbst dachte. Sie dachte nur daran nicht allein sein zu wollen, dass er es ihr recht machen sollte und dass sie immer nur verlangte und dann beleidigt war, wenn er nicht gab. Es machte ihn zornig, nein nicht ihn. Den Dämon, sein Ego, das was ihn ihm nicht menschlich war. Dieser Teil in ihm würde sie gern wegstoßen und zurücklassen, um zu dem Leben zurückzukehren, was für ihn einfach gewesen war. Es legten sich böse Worte in seinen Gedanken zurecht, die vermutlich reichen könnten um Naomi in ihrer Situation in den Tod zu stürzen. Doch auf der anderen Seite bedeutete dieses Mädchen dem Mann ihn ihm etwas. Er wollte gern tun, was sie verlangte, damit sie glücklich war. Wollte ihr sogar die Berührungen geben, nach denen sie sich sehnte und wünschte sich teilweise sogar, dass er dasselbe empfinden könnte, damit einfach alles besser wurde. Doch auch das war keine Alternative, denn Rens Herz würde mit Sicherheit für keinen Menschen so empfinden können. Er selbst war sich momentan sicher, dass eine andere Hälfte zu ihm noch so passend sein könnte und er würde bei ihren Berührungen, abgesehen von der Angst seinen Kopf zu verlieren, kein Gefühl empfinden. Sogar seine Scham hatte ja seine Grenzen… Der Hüne legte mit eiskaltem Gesicht die Hand an seine Stirn und murmelte: „Das ist mir zu viel.“ Es war der Mensch in ihm, der gegen seinen Dämonen einen Kampf austrug, den keiner von beiden eindeutig gewinnen konnte. Er bekam Kopfschmerzen… schrecklich unangenehme Schmerzen. „Du willst Grenzen von mir?“ Er ließ ihre Hände los und sah sie ernst an. „Verlang nichts von mir, was ich dir nicht geben kann. Du bist nicht die einzige hier, die kaputt ist. Denk nicht nur an dich, sondern auch daran, dass ich, so falsch ich auch funktioniere, trotzdem Gefühle habe.“ Er stockte und lachte. Aus seinem Mund klang das so ironisch. „Ja, es ist eine Last für mich, dass ich dir nicht das geben kann, was du willst. Aber du bedeutest mir etwas und deshalb versuche ich es, auch wenn ich dabei nichts empfinde oder es nicht richtig kann. Es ist nicht dasselbe wie ich dir bedeute, aber du bist mir wichtig. Aber du stößt mich jedes Mal wieder vor den Kopf, wenn du mir Vorwürfe deswegen machst, denn ich werde nie etwas daran ändern können, dass das Menschliche in mir Mangelware ist.“ Dann seufzte er und strich sich die Haare aus dem Gesicht, die leicht vor seinen Augen hingen. „…Denn wenn du es mir so schwer machst, kann ich dir nicht garantieren, dass dieses Gefühl in mir ewig den Zorn und den Wunsch aufzugeben, besiegen kann…“ Dann nahm er sie, so einfühlsam es ihm möglich war, in die Arme und drückte sie an sich. Er wollte sie nicht allein lassen, ganz egal wie hart diese Worte sicher klangen, aber wenn er es ihr nicht begreiflich machte, würde sie das wohl nie so verstehen...

Er löste sich aus ihrem Griff und drehte sich zu ihr herum und sie konnte es an seinen Augen sehen, er hatte geweint, aber wieso genau, das wusste sie nicht. Er sah kühl aus und dann die Aussage, es wäre ihm zu viel, sie hatte verspielt, es war wohl vorbei. Nun es war wahrscheinlich besser, wenn sie ihn einfach in Ruhe ließ. Diese Quest konnte er wohl nicht alleine bewältigen, aber in Zukunft musste sie wohl ohne ihn Leben. Wieso musste sie eigentlich alles und jeden aufgeben, der ihr so sehr ans Herz wuchs, wieso konnte es darunter nicht einen geben, der ihre Gefühle zumindest auf ähnliche Weise wiederspiegelte. "Es tut mir leid", es war wie eine Art Mantra, was sie von sich geben konnte und in neun von zehn Fällen war es das was sie sagen wollte. Sie hatte nicht seine scheinbar eh labilen Gefühle schädigen wollen, sie wollte ihm nicht weh tun und sie würde von jetzt an, auch nichts mehr verlangen. Doch da, da war doch ein kleiner Hoffnungsschimmer, hatte er nicht gesagt, dass sie ihm etwas bedeutete? Nur ein wenig vielleicht? Nicht genug, als dass sie irgendwas wirklich verband, aber genug, dass er sich scheinbar immer Unannehmlichkeiten machte. Sie war diejenige, die alles Missverstand und deshalb alles so schwer machte.
"Es tut mir leid, dass ich das nicht so deutlich gesehen habe, ich sah nur die Überwindung, die du gebraucht hast. Ich habe mich wie ein verdorbenes Essen gefühlt, was nur gegessen wird, um den Gastgeber nicht zu beleidigen. Ich will dir nicht vor den Kopf stoßen, aber ich dachte du müsstest dich dann weniger quälen", sie senkte den Blick und starrte zu ihren Füßen, wahrscheinlich hatte sie seinen Zorn mehr verdient als alles andere. War er doch der einzige Mensch, der wirklich ein Recht darauf hatte sauer auf sie zu sein und sie für die Dummheiten zu bestrafen, mit denen sie ihn folterte, die ihn quälten und sie ebenso. Unsicher fühlte sie sich auf ihren Beinen und eigentlich war sie sicher, dass sie jeden Moment einfach nachgeben würden und sie stürzen ließen, doch dazu sollte es nicht kommen, denn ohne Vorwarnung nahm Ren sie in den Arm. Es war so ungewohnt sanft und plötzlich war er ihr so nah, wie sie es sich eben noch gewünscht hatte, ohne Zögern, ohne Ekel und Angst, wieso hatte es eben nicht so geklappt wie jetzt, was war jetzt anders? "Bitte verzeih mir, ich bin nicht ganz so rational, wenn es um dich geht."
Auch konnte sie sich nicht vorstellte, wie es in ihm aussah. Irgendwo gab es scheinbar einen kleinen Platz, der ihr gehörte, etwas was sie eigentlich kaum glauben konnte. Nicht, weil sie glaubte er würde sie belügen, nein es war einfach unvorstellbar, dass jemand wie Ren Platz für sie schuf, weil er dafür anderes verdrängen musste, was ihm sicher großes Leid bereitete. Davon war sie spätestens jetzt überzeugt, aber wie sollte sie ihm helfen, was sollte sie tun, um ihn mit ihrer Art nicht weiter zu verletzen. Gut, sie konnte aufhören zu reden, aber das war auch suboptimal. "Ich weiß, dass wir nicht gleich fühlen, aber ich kann meine Gefühle genauso wenig abstellen, wie du deine abstellen kannst. Du bestehst immer darauf, dass du keine hast, aber es ist das Gegenteil. Ich wünschte ich könnte dafür sorgen, dass meine Worte nicht nur neue Spieße sind, die sich in deine Seele bohren, damit es für dich angenehmer ist, wenn ich bei dir bin", sie war leise, hatte sie das wirklich aussprechen wollen, oder waren es ihre Gedanken, die dummerweise über ihre Zunge entfleucht waren? Was auch immer es war, es war das was sie die ganze Zeit schon sagte auf mehr oder minder umständliche Weise.

Es war wie er es erwartet hatte. Er konnte es versuchen wie er wollte… Selbst den warmen Körper eines Mädchens in den Armen zu halten, das ihm mehr bedeutete als fast alle anderen Menschen, regte gar nichts in ihm. So oft hatte er gelesen, was es bedeutete, wenn man jemanden mochte oder gar liebte, wie es sich anfühlen sollte und welches Gefühl es hinterließ. Doch Ren spürte davon nichts. Er hatte Angst, dass Naomi etwas zustoßen könnte und wenn er daran dachte, wie ihr Onkel sie behandelte, dann kochte der Zorn in ihm über, doch dieser zwischenmenschlich typische Wille nach Körperkontakt und ein angenehmes Gefühl dabei, konnte er nicht empfinden. Er wusste nicht einmal welche Person ihn zuletzt auf diese Weise umarmt oder ob es jemals jemand getan hatte. An eine angenehme Berührung seines Vaters konnte er sich nicht erinnern, sondern nur an welche, denen er am liebsten stets ausgewichen wäre. Nicht einmal gute Worte waren aus seinem Mund gekommen, wenn es um ihn ging. Und wenn man bedachte, was er seinem Sohn antun wollte, konnte man davon ausgehen, dass er auch nie von irgendjemandem geliebt worden war. Vielleicht seine Mutter, doch diese hatte nicht lang genug leben dürfen, um ihm diese Erfahrung zu schenken…
Aber mit Worten umzugehen, hatte der Hüne gelernt und so verstand er ganz genau was Naomi ihm sagen wollte. Wahrscheinlich hätte er sich mehr erklären sollen und sie hätten dieses ganze Problem nicht. Er verstand wohl am meisten wie es sich anfühlte ungewollt zu sein, wobei er das hinter sich gelassen und verdrängt hatte. Sie ihm Arm zu halten, störte ihn gerade nicht besonders, aber fühlte sich nicht sonderlich wohl. Mit Sicherheit war das ein schlechtes Gewissen, weil er seine Situation nicht deutlich genug gemacht hatte. Diese Sache mit den Gefühlen verstand der Hüne noch immer nicht. „Vielleicht war keine Gefühle nicht der richtige Ausdruck, da magst du Recht haben.“, begann er recht ausdruckslos und stützte sein Kinn auf ihrer Schulter ab. „Aber ich meinte damit eher, dass ich bei jeglichem körperlichen Kontakt nichts empfinde. Ich kann dich umarmen und wohlmöglich sogar küssen, aber ich fühle nichts dabei und das finde ich nicht fair, wenn es dir dabei anders geht.“ Über so etwas zu reden, fiel selbst Ren schwer, weil es nicht nur unangenehm, sondern für ihn eine große Schwäche an seiner Persönlichkeit war. „Du, als Mensch, bedeutest mir schon was und wenn dir was passieren würde, würde ich sicher Amoklaufen, aber es ist nicht dasselbe wie bei dir und das werde ich sicher auch niemals lernen können.“ Wieder stockte er kurz und lachte darüber, weil es so ironisch klang. Er war ein erwachsener Mann und bekam nicht einmal das auf die Reihe und das Schlimmste daran war: „Was ich nie gelernt habe, wird nun wahrscheinlich auch nicht mehr kommen und daher wollte ich dir keine Hoffnungen mit solchen Dingen machen.“ In dieser Aussage steckte zwischen den Zeilen viel mehr als er ausgesprochen hatte. Er entschuldigte sich nicht nur dafür, dass er immer Abstand zu diesen Dingen gesucht hatte, sondern stellte auch in den Raum, dass es etwas war, was er möglicherweise sogar gern können würde. Mit Sicherheit wäre es sogar leichter, wenn Ren so für sie empfinden könnte, wie sie für ihn. Wäre es nicht einfach, wenn er wie jeder andere Mensch lieben könnte? Jemanden heiraten, Kinder kriegen und ein ruhiges Leben haben, klang in aller Menschen Ohren gut und simpel. Für Ren war es unbegreiflich und in so weiter Ferne, dass er sich seine eigenen Kinder nicht einmal vorstellen konnte. Für ihn stand das alles außer Frage, weil er in seinem ganzen Leben so etwas nicht widerfahren hatte und daher glaubte er nicht daran, dass das jemals etwas werden würde. Er dahingehend doch ein klischeehafter Mann, denn sich direkt zu entschuldigen und über solchen Gefühlskram zu reden, war ihm äußerst unangenehm. Stattdessen löste er die Umarmung, packte ihre Hand und ließ sich auf das Bett fallen, sodass er sie mit sich zog. Das eigentliche Ziel war sie nicht unter sich zu begraben, weil er für so ein zerbrechliches Mädchen sicher Tonnen wog. Er schloss die Augen und blieb einfach liegen, weil er den Moment schweigend hinnahm… Müde war er allerdings gerade gar nicht.

Ihre Augen waren geschlossen, und so hing sie halb in seinem Arm und stand noch halb auf dem Bett. Irgendwo dazwischen eben und es war okay. Was war eben so schwer gewesen, dass sie es nicht hatte hinnehmen können? Dann bestätigte er ihre Aussage über seine Gefühle und legte scheinbar seinen Kopf ein wenig auf ihrer Schulter zur Ruhe. Das war in Ordnung und sie konnte nun ihren eigenen ein wenig dagegen lehnen. Während er versuchte zu erklären, was ihn bewegte oder eben auch nicht bewegte lauschte sie schweigend. Sie würde ihn darin nicht unterbrechen, es war für ihn sowieso schon schwer genug darüber zu reden, da musste sie ihm nicht dazwischen gehen. Wobei sie leicht rot wurde, als er meinte, dass ihr Verlust ihn scheinbar wahnsinnig machen würde. Etwas was zwar nicht wirklich positiv war, aber in diesem Sinne war es doch so gut zu wissen, dass sie ihm etwas bedeutete, dass er sie trotz allem doch mochte, scheinbar sogar sehr. Weiterhin schien er der Meinung zu sein, dass man lernen konnte, jemanden zu lieben. nein, entweder man mochte jemanden, oder man mochte ihn nicht. Klar war diese Einstellung immer wieder revidierbar oder durch anderes zu ersetzen, aber man konnte nicht lernen zu lieben, man tat es einfach oder man tat es nicht.
Das wichtigste an dieser Sache war, Ren tat es, vielleicht nicht auf die Weise, welche sie sich gewünscht hätte, aber sie bedeutete ihm scheinbar eine Menge, eine große Menge. Eigentlich hatte sie wieder etwas sagen wollte löste er die Umarmung auf, irgendwie terminierte dies alles, besonders, als er ihre Hand so komisch festhielt. Doch schon im nächsten Moment wurde wieder alles ins Chaos geschoben, als Naomi sich plötzlich im Bett auf oder halb auf ihm wieder fand. Krasse Umstellung zu eben, aber eigentlich eine schöne. Er hatte die Augen geschlossen und sie streckte sich zu seinem Ohr: "Du kannst es doch schon, du hast es doch eben selbst ausgesprochen. Sicher ist ein Amoklauf kein Beweis von Zuneigung, aber die Beschreibung verdeutlicht, dass du mich magst, mich lieb hast. Ich gebe dir recht, du bist nicht verliebt, aber das erwartet auch keiner und dafür wird es bei dir einen besonderen Menschen brauchen, dass ich es nicht bin ist für mich vielleicht schade, aber ich bin dennoch froh, dass ich bei dir sein darf. Sag nicht immer, dass du es nicht kannst, ich denke du brauchst vor mir nichts verstecken." Wahrscheinlich war es sogar der Grund, wieso sie hier liegen durfte, wieso sie seine Lieder hörte und wieso er sich immer noch mit ihr befasste.
Vorsichtig kuschelte sie sich an ihn, Müdigkeit war nicht mehr vorhanden, die Angst ihn zu verlieren hatte ihren Puls so schrecklich in die Höhe getrieben, dass sie kaum noch daran denken konnte überhaupt die Augen zu schließen, aus Angst er könnte weg sein, wenn sie diese wieder öffnete. "Wenn ich es je schaffe aus meinem Knast auszubrechen, darf ich dich dann besuchen?", fragte sie leise in die Dunkelheit und gegen den warmen Körper ihres Begleiters gekuschelt. Er war wie eine Wärmflasche, es konnte kaum etwas schöneres geben, als sich an ihn zu kuscheln und dabei ganz entspannt zu sein. Wahrscheinlich hätte er dagegen einige Gegenargumente, aber die zählten für eine kleine Naomi nicht, niemals!

Still und regungslos lag der große Ren auf dem Bett. Seine Augen waren geschlossen und er atmete ganz ruhig, während er in seinen Gedanken versank. Eigentlich war er immer der laute, ruppige Kerl, doch in einigen Momenten genoss sogar er mal die absolute Stille und war derjenige, der nichts zu erwidern hatte. Er hörte Naomi zu, doch er wollte dazu nichts sagen. Auch wenn sie sagte, dass er seine Gefühle doch schon ausdrücken konnte, sah er das ganz anders. Es war für ihn eine unglaubliche Überwindung schon so etwas zu sagen und er war sich selbst nicht einmal sicher, ob das was er sagte immer so stimmte, weil er das alles nicht verstand. Etwas in ihm schreckte immer wieder davor zurück überhaupt irgendwas dazu zu sagen und wollte all dem entfliehen, aber er wusste, dass das keine Alternative war, wenn ihm tatsächlich etwas an diesem Menschen lag. Als sie dann sagte, dass es für sie schade war, dass er sie nicht liebte, fühlte er sich erneut vor den Kopf gestoßen. Es fühlte sich an, als hätte er etwas falsch gemacht, obwohl er wusste, dass es sein Recht war nicht so empfinden. Dennoch konnte er von diesem Gefühl nicht abkommen. Es musste eine ganz besondere Person kommen, für die er so empfinden konnte? Selbst wenn er es irgendwann einmal tat, würde er sich mit Sicherheit Naomi gegenüber schuldig fühlen. Auch wenn er selbst noch nie so empfunden hatte, wusste er was es bedeutete ein gebrochenes Herz zu haben. Sicher war es ein anderes Gefühl gewesen, aber als sein Vater ihn verstoßen hatte, war es ähnlich gewesen.
Er fühlte sich wie eingesperrt in dieser Situation, aber er wusste ganz genau, dass er das niemals aussprechen würde. Genauso sehr war ihm bewusst, dass er darunter früher oder später möglicherweise zu leiden hatte, doch er zog es vor es zu verdrängen, bis es so weit war. Sollte sich doch der Zukunftsren darum kümmern! Er glaubte ohnehin nicht daran, dass es ein Gegenstück zu ihm gab. Wer ließ sich auf eine Beziehung ein, in der kaum Körperkontakt erlaubt war? Wo Emotionen nicht ausgesprochen wurden und man sein eigenes Leid stets in sich hinein fraß? Er glaubte nicht daran, dass es eine zweite Person wie ihn gab, obwohl viele Menschen genau das behaupteten. So wie auch Naomi offenbar daran glaubte, dass irgendwann die richtige Person für jeden einzelnen kam. Er war sich ziemlich sicher, dass sie ihm das nur sagte, weil sie bei ihm daran glaubte und nicht bei sich selbst… Immerhin wusste er genauso gut wie sie, dass sie darunter litt, dass sie diese eine Person unter all den Herren nicht finden konnte, aber mit Sicherheit hatte sie andere Sorgen, die sie auch ansprach…
Da kam er von seinen egozentrischen Gedanken ab und erinnerte sich daran, wie er das Mädchen von ihrer „Heimat“ abgeholt hatte. Er wusste nicht genau, wie sie in diesem Haus behandelt wurde, aber er ahnte, dass es alles andere als gut war. Irgendetwas in ihm forderte ihn auf danach zu fragen wie es dort war. Doch wusste er auch, dass es ihn wieder unmenschlich wütend machen würde. Also schluckte er es herunter, denn er konnte ihr ohnehin nur dann helfen, wenn sie es von ihm verlangte. „Sicher, so oft und lang du willst.“, antwortete er also nur mit ruhiger Stimme und hatte die Augen immer noch fest geschlossen. „Wenn du ausbrechen willst, lass es mich wissen. Ich werde dir jederzeit helfen.“, fügte er noch hinzu. Er wusste ganz genau, dass sie einen Zeitpunkt finden würde, um ihrem Gefängnis zu entfliehen und dann würde er da sein um ihr zu helfen. Selbst wenn es bedeutete um die halbe Welt dafür zu reisen. Denn immerhin waren sie so etwas wie Freunde und obwohl Ren so etwas in seinem Leben nur sehr selten hatte, wusste er genau an welche Regeln man sich als Freund zu halten hatte.