Natürlich hätte Naomi ihm auch einfach sagen können, dass er sich das Gesicht eingesaut hatte. Aber eine Gelegenheit ihm auf den Schoß zu krabbeln und es selbst zu machen konnte man kaum verstreichen lassen. Sie mochte seine Nähe, auch wenn er sich das vielleicht nicht erklären konnte. Für sie war er ein wirklich wunderbarer Mensch, dem sie gerne all ihre Zeit schenken wollte. Zu dumm, dass er, was das anging, etwas sehr eingerostet war, weil man das vergessen hatte, als er aufwuchs. Etwas wofür sich sein Vater hoffentlich schämte. Nach einer kurzen Kuschelzeit für sie schob er sie allerdings von seinem Schoß, in der Tat sollten sie vielleicht wirklich bald schlafen. Doch da war schon die nächste Freude, sie dürfte wieder sein Shirt tragen. Für ihn war dies wahrscheinlich bedeutungslos, aber für Naomi war diese Geste etwas wirklich Nettes. Also wartete sie, bis er aus dem Bad zurückkehrte und ihr das Shirt zu warf, um das Bad ebenfalls kurz aufzusuchen. Dort zog sie sich um und öffnete ihre Zöpfe. Ihr eigenes Haar war inzwischen ein gutes Stück gewachsen, bald konnte sie sich sicher von dem künstlichen Zeug verabschieden. Wie freute sie sich auf den Tag, auch wenn sie ihren kurzen Schopf etwas vermisste. Es war so viel leichter gewesen, sich darum zu kümmern.
Andererseits hatte auch Ren diese wunderschönen langen Haare. Sie waren einfach wunderschön und sattsehen konnte man sich daran nicht. Ordentlich hatte sie ihre abgelegte Kleidung zusammengelegt und Rens Shirt übergezogen. Als sie dann an die Badzimmertür ging und das Licht löschte, war der Raum vor ihr fast Nachtdunkel nur hier und da konnte man die Sonne an den Rändern der Vorhänge durchscheinen sehen. Doch das war genug, um Naomi Einsicht in den Raum zu geben. Ihre Kleidung legte sie auf dem Stuhl ab und dann sah sie Ren an, der gerade ebenfalls nach ihr sah. Er saß auf der Bettkante und in seinem Gesicht zeichnete sich gerade dieses freche Schmunzeln ab. Mit einem Klopfen auf die Matratze neben sich fragte er, ob sie ein Lied wollte. Was für eine überflüssige Frage. Natürlich wollte sie! "Ja!", sie strahlte, als sie neben ihn aufs Bett krabbelte, "Das wäre wirklich wunderbar." Ob er mit ihr kuscheln würde? Löffelchenliegen war eine tolle Sache, die Frage war nur, ob er sich dafür begeistern ließ. Zum Singen war sitzen wahrscheinlich eh die bessere Alternative, Liegen machte es nur recht anstrengend und das sollte es nicht sein. So kuschelte sich das Mädchen vorerst in das Kissen und sah zu ihrem Begleiter hinauf.

Ein wenig nachdenklich saß Ren mit einem Lächeln auf den Lippen auf der Bettkante und dachte darüber nach, was er Naomi eigentlich vorsingen würde, wenn sie darauf bestand. Ehrlich gesagt, ging Ren davon aus, dass sie ja sagen würde. So sehr wie sie sich das letzte Mal darüber gefreut hatte, würde sie ein Angebot von ihm ganz bestimmt nicht ablehnen. So richtig müde war der Akuma nicht wirklich. Er hatte ja auch nicht solche Probleme mit dem Schlafen wie Naomi. Abgesehen davon, dass er einen unruhigen Schlaf hatte, wenn es zu heiß oder er aufgewühlt war, konnte Ren eigentlich immer gut durchschlafen. Da dies aber in der Regel nicht oft vorkam, war es für ihn relativ schwierig einfach so mitten am Tag zu schlafen. Zwar sah er einen Sinn darin seine Energie für die Nacht aufzuladen, aber es würde wohl trotz allem schwer fallen zur Ruhe zu kommen…
Ren strich sich gerade die langen Haare aus dem Gesicht, als Naomi das Licht löschte und er mit seinen silberfarbenen Augen den Raum absuchte. Irgendwie war es angenehm, dass er durch die wenigen Sonnenstrahlen, die durch die Vorhänge drangen, noch etwas mehr sehen konnte als bei Nacht. Auch wenn er das niemandem erzählen würde, war der junge Mann ein wenig sehr paranoid, was die Nacht anbelangte. Vor allem wenn er sie nicht allein verbrachte, machte er sich nicht selten Gedanken darüber was er tun würde, wenn ihn jemand attackierte. Da sie gerade auch nicht sonderlich willkommen in dieser Stadt waren, wie an der Attacke auf Naomi erkennbar gewesen war, machte ihn das nur umso nervöser. Diese Sache war ohnehin noch nicht ganz abgeschlossen für ihn, auch wenn er es zum Wohle ihrer Aufgabe in den Hintergrund gedrängt hatte. Der Gedanke, dass ihr etwas hätte zustoßen können, machte ihm mehr Gedanken, als er es gewohnt war und auch gerade weil sie dieses Gespräch zuvor gehabt hatten, bei dem er ihr vermutlich wieder wehgetan hatte, war die Sache noch unangenehmer. Sollte er sich dafür vielleicht entschuldigen? Sie wirkte nicht so, als würde sie ihm das noch übel nehmen, nach allem was passiert war… Eher schien sie gerade ziemlich entspannt. Wie konnte sie selbst so ruhig bleiben in ihrer Position? Ein wenig in diesen Gedanken versunken, beobachtete Ren wie die junge Dame sich auf das Bett begab und begeistert kund tat, dass sie ein Lied von ihm hören wollte. Er wartete ab bis sie sich hingelegt hatte, räusperte sich und begann dieses Mal ein anderes Lied für sie zu singen. Erneut hatte er ein Lied gewählt, dessen Text deutlich emotionaler war, als man es von ihm kannte. Es war wieder einer der Texte gewesen, den er in den Sachen von seiner Mutter gefunden hatte, aber das würde er Naomi nicht auf die Nase binden. Er sang für sie und dass er dabei immer wieder die Lieder wählte, die ihm viel bedeuteten, musste er ihr nicht sagen. Nein, konnte er auch gar nicht, denn das wäre ihm zu unangenehm. Während er sang, hatte er sich dem Mädchen zugewandt und war für sein sonst so aufbrausendes Gemüt sehr entspannt und ruhig. Als er fertig war, atmete er tief durch und blickte zu Naomi, die sich an das Kissen gekuschelt hatte. Dann legte er sich hin und blickte in ihre Richtung… Ihm ging vieles durch den Kopf, aber sagen wollte erst einmal gar nichts. Nachdem er den Kopf aufs Kissen gelegt hatte, schloss er die Augen, griff nach Naomis Hand und murmelte: „Ich hoffe du kannst heute schlafen.“ Das Zudecken sollte sie übernehmen, nicht dass er wieder irgendwas tat, was andere Menschen sauer machen könnte. Dafür hatte er ja ein Talent…

Eingekuschelt lag Naomi neben ihm auf dem Bett und freute sich schon auf das Lied. Sie hatte es die ganze Zeit in ihrem Herzen gehabt. Nachts hatte sie es leise vor sich hingesummt, wenn sie Angst hatte oder einsam war. Wenn sie in ihrem Bett gelegen und sich gewünscht hatte, dass er da wäre und wieder für sie sang. Jetzt war er wieder bei ihr, hatte sich zu ihr ins Bett begeben und setzte zum Singen an. Es war ein anderes Lied, aber mindestens genau so schön wie das Lied zuvor. Mit geschlossenen Augen lauschte sie auf die Stimme ihres Freundes und genoss die Zuwendung und Zuneigung, die sie in dieser Weise von ihm empfangen konnte. Die so unschuldig und rein war, dass man nichts dagegen einwenden konnte, so sehr man es sich vielleicht auch wünschen würde. Als sich sein Kopf niederlegte, sah sie in seine grauen Augen und lächelte. Glücklich, das war sie jetzt, sie hatte großes Glück einen so wunderbaren Freund wie ihn zu haben. Er griff ihre Hand und sagte etwas. "Ich danke dir dafür", mit ihrer kleinen Hand hielt sie seine fest. Sanft verhakte sie ihre Finger mit seinen, jetzt war sie sicher, keiner konnte ihr mehr wehtun, denn Ren war doch da, wie ein Wächter.
Wie ein Kuscheltier hielt sie den Arm des Magiers an sich gedrückt und kuschelte damit. Viel lieber noch hätte sie sich enger an Ren gekuschelt, aber sie würde ihn damit wahrscheinlich etwas überfordern. Immerhin war der Riese nicht ganz so kuschelig wie sie und das respektierte sie. Es war schon wunderbar, dass er überhaupt so viel mit sich machen ließ, immerhin musste er eigentlich überhaupt nichts, aber er sorgte sich um sie und ihre Sicherheit. Sicherheit wickelte sie ein, Wärme und Geborgenheit. Dank des kleinen Nickerchens im Zug war sie eigentlich nicht sehr müde gewesen, aber all diese kuschelige wohlige Atmosphäre lullte sie ein und ließ sie zumindest entspannen. Zuerst war da noch das sanfte Atmen des jungen Mannes neben ihr und dann nichts mehr, ihr Kopf war in leerer Schwärze versunken. Fester klammerte sie sich an den Arm, der nun mehr oder minder zu ihrem Eigentum mutiert war. Irgendwas ließ sie unruhig werden, etwas war da, was ihr nicht gefallen wollte. Schon legte sich ein bösartiger Schleier über ihren Schlaf. Das Lachen ihres Onkels erfüllte ihre Ohren und sein finsteres Gesicht erschien vor ihren Augen: "Du entkommst mir nicht!" Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und sie drückte sich enger an Rens Körper.
Hier war sie sicher, das drang sogar bis in die Tiefen ihrer Träume hinein. Normalerweise würde man sagen, dass die Schatten nun verschwinden mussten, aber je mehr Schatten da waren, desto besser fühlte sie sich, also war bald alles wieder in Schwarz getaucht, bis ihr Körper sich meldete. Meinte sie müsste sich so langsam mal wieder erheben, genug geschlafen, fast zu viel für ihre momentane Gewohnheit, aber was war nicht viel im Gegensatz zu wenig bis gar nicht. Blinzelnd öffnete die ihre Augen und merkte, dass es in der Tat Zeit war, aufzustehen. Immerhin wollten sie und Ren bald los. Sanft rieb sie ihre Wange gegen die von Ren und murmelte in sein Ohr: "Aufstehen." Möglich, dass er selbst eh wach war, denn im Gegensatz zu ihr, hatte er sicher nichts nachzuholen gehabt und wohl nur gedöst.

Ren brauchte oft lange Zeit um wirklich zur Ruhe und zum Schlaf zu kommen. War er allerdings nicht einmal müde, dauerte das noch etwas mehr Zeit, als er es ohnehin schon gewohnt war. Trotzdem er die Augen zukniff, nachdem er die Hand des Mädchens genommen hatte, wartete er nahezu ungeduldig darauf, wie sein Körper zur Ruhe kam. Doch das tat er nicht…
Er fühlte ganz genau, wie Naomi ihre Finger um seine legte und seinen Arm quasi als Plüschtier missbrauchte. Das war eigentlich etwas, was dem Akuma nicht so sehr gefiel, denn das schränkte ihn ziemlich in seiner Freiheit ein. Für die Magierin tat er sich jedoch sogar das an. Zu schlecht war sein Gewissen, wegen dem, was sie in letzter Zeit wegen ihm hatte ertragen müssen. Er selbst, die Situation am Bahnhof, seine viele, unschönen Worte, mit denen er ihr Herz brach und noch dazu bekam sie bestimmt zu Hause auch noch Ärger, wenn sie sich auf jemanden wie ihn einließ. Normalerweise störte ihn so etwas nicht, doch in diesem Moment tat sie ihm Leid, da sie immer so gutmütig ihm gegenüber war. Eigentlich war sie auch ein wirklich toller Mensch… Nur war er nicht die Person, die so etwas schätzen konnte. Sie dankte ihm für sein Verhalten, doch wusste er, dass er sicher viel mehr hätte für sie tun müssen, so gut wie sie zu ihm war…
Krampfhaft kniff er die Augen zu, in der Hoffnung bald einzuschlafen. Sicher war Naomi schon eine ganze Weile weg, denn ihr Atem war so regelmäßig und ruhig geworden, dass sie selbst das sicher gar nicht so hätte regulieren können. Als er gerade, nach all der Zeit, ein wenig eingedöst war, spürte er, wie Naomi sich kräftiger an seinen Arm drückte. Sie wirkte unruhig und angespannt, ganz im Gegensatz zu vorher. Er öffnete die Augen kurz und sah, wie sich ihre Haltung verändert hatte. Ob sie wohl schlecht träumte? Ren rückte vorsichtig ein Stück näher heran und überlegte, was man da tun konnte. Er war nicht gut in sowas… Bei ihm war nie jemand ans Bett gekommen und hatte ihn getröstet. Generell hatte er immer nur eine sehr neutrale Haltung von seinem Vater aus bekommen, da dieser Körperkontakt meist ablehnte. Er drehte sich auf die Seite und blickte sie kurz nachdenklich an. Ein wenig unkoordiniert und zittrig legte der Hüne dann seinen freien Arm um die Schultern des Mädchens. Mit Sicherheit war sein Gesicht vor Scham rot geworden, aber das konnte hier sowieso keiner sehen! Erstaunlicherweise fühlte er sich etwas besser. Ob es an dem Körperkontakt oder daran lag, dass er ihr etwas Gutes tat, wusste er nicht. So oder so erleichterte es sein Gewissen und so kam er dann endlich bald zur Ruhe und nickte auch eine Weile ein…
Ren fiel häufig in einen tiefen und traumlosen Schlaf… Wenn er träumte, dann waren es meist keine guten Träume. Auch hatte er selten irgendwelche Fantasien oder Ähnliches, denn seine Traumerlebnisse beschränkten sich sehr oft auf die Vergangenheit und dabei war jedes einzelne Erlebnis so, wie es in der Realität war. Darum mochte er Träume nicht besonders, denn sie ließen ihn immer wieder erleben, was er eigentlich vergessen wollte. Dieses Mal hatte er Glück… Als er in seinem schwarzen, traumlosen Nichts versunken war, spürte er nach einer ganzen Zeit ein erstaunlich angenehmes Gefühl in seinem Gesicht. Naomis Stimme brauchte eine Weile, bis sie zu ihm durchdrang, dann begriff er aber sofort wo er war und was sie hier taten. Als er jedoch die silbernen Augen aufschlug, blickte er der Blondine nicht nur direkt ins Gesicht, nein sie war auch noch so nahe, dass er ihren Atem auf seiner Haut spüren konnte. Er brachte kein Wort heraus und blickte sie mit weit aufgerissenen Augen an… Gut dass es dunkel war, sonst würde man sehen, dass er rot anlief. Das war wirklich ein wenig unfair von ihr! Das hätte sie doch ahnen können, dass ein nicht umgänglicher Mensch wie Ren so reagierte. „N-Naomi…“, murmelte er leise und bewegte sich kein Stück. „Guten Morgen… oder wie auch immer man dazu jetzt sagen sollte…“, lenkte er ab und versuchte unauffällig wegzurücken. Um ehrlich zu sein, war er nämlich zu stolz um ihr gegenüber zuzugeben, dass es ihn beschämte sich in einer solchen Situation zu befinden!

Nun fühlte Naomi es erst, Ren hatte seinen Arm um sie gelegt, sie lag also in seinem Arm. Nun noch näher als zuvor und die Weise, wie seine Stimme doch leicht zitternd ihren Namen hervorbrachte. Nun wurde sie auch etwas rot. Was für eine verzwickte Situation gerade. Er bewegte sich vorerst nicht, weshalb sie auch etwas regungslos war. Irgendwie war es schon schön, ihm so nahe zu sein, doch es war schrecklich, zu fühlen, zu wissen, dass es für ihn gerade alles andere als angenehm war. Als er sie nach einer verwirrten Begrüßung sanft wegschob, stand sie schnell auf. "T-tut mir leid", ein sicherer Griff hatte ihre Kleidung gefasst und sie verschwand im Bad, versteckte sich vor diesem merkwürdigen Gefühl hinter der Tür. Doch Unsinn, man konnte sich vor Gefühlen nicht verstecken, man konnte sie nur leugnen, wenn es dunkel war, war das recht einfach, denn ein Gesicht und besonders die Augen eines Menschen sprachen oft bände und verrieten ihn und seine Absichten. Während ihr Herz, welches gerade einen Marathon hinter sich gebracht hatte, sich wieder beruhigte zog Naomi sich wieder um. Machte sich dabei ein wenig frisch und richtete ihr Haar wieder her. Jetzt sah sie wieder wie ein niedliches kleines Mädchen aus, was kein Wässerchen trüben konnte.
Doch wie sehr wünschte sie sich in dieses Bett zurück, zurück in seine Arme, eingehüllt von Wärme und Geborgenheit, das Gefühl vor der peinlichen Erkenntnis, wie nah sie einander doch waren, in einer Haltung, die vielleicht etwas zu intim gewesen war, obwohl doch nichts passieren konnte. Bei Seraphim wäre es wahrscheinlich keine Frage gewesen, dass er sie neckend sogar noch näher zu sich geholt hätte, aber bei dem Weißschopf hatte es auch eine ganz andere Bedeutung, er spielte dann mit ihr, seinem Kuscheltier. Ren spielte nicht, alles was er tat, war ihm ernst und wichtig. Lustig war, dass er doch nur das Beste für sie wollte. Naomi brachte ihrem Beschützer sein Shirt zurück: "Danke fürs Leihen." Noch so eine Sache, die widerspiegelte, wie sehr Naomi ihn eigentlich mochte, aber für ihn wahrscheinlich einfach nur eine unerklärliche Macke war. Kurz zog sie einen Vorhang beiseite und sah hinaus, es war dunkel, wie sie es sich erhofft hatten. Die Straßenlaternen brannten hier und da an den Straßen. In den Gaststätten und Restaurants saßen noch Leute zusammen, die sich unterhielten, bald würden auch sie nach Hause gehen und hoffen, dass der Krieg, welcher gerade in der Stadt gastierte, nicht an ihre Haustür klopfen würde. Naomi und Ren würden genau dieser Gefahr entgegen gehen.
"Ich denke es ist so weit", meinte sie und drehte sich wieder zu ihm um, Licht anmachen wäre sicher eine gute Idee, aber war Dunkelheit nicht so viel besser? So viel sicherer? Nein eigentlich nicht, es war ein Irrglauben, in dem man sich befinden konnte, aber im Schutze der Nacht, wurde vieles getan, was das Tageslicht nicht sehen sollte. Wahrscheinlich hatte der Mond deshalb so viele Krater. Sorgenfalten, weil unter seinem Licht die Menschen ihren Albträumen entgegen sahen. Das kleine blonde Mädchen würde heute wohl nicht die Nacht verträumen, ihr stand eine Aufgabe bevor.

So ein Mist… Auch wenn Ren sich dies nicht gern eingestand, war er für solche Dinge oder eher Situationen nicht gemacht. Wenn er sich in solch intimen Momenten befand, bemerkte der Hüne, dass sein Körper auf so etwas, trotz seiner eigenen Einschätzung, dass es ihn vermutlich nicht allzu sehr stören würde, sofort reagierte. Ren hatte weder körperlich noch emotional von einer anderen Person eine ähnliche Art von Nähe erfahren, wie sie Naomi ihm nahezu ganz natürlich entgegen brachte. Ob ihm das Gedanken machte? Hin und wieder schon, aber er versuchte nach wie vor diesen Abstand zu halten, weil er weder jemanden verletzen, noch sich selbst etwas tun lassen wollte. So versuchte er sich ganz souverän irgendwie aus dieser Situation raus zu mogeln, auch wenn ihm bewusst war, dass schon durch sein kleines Stottern eben klar geworden war, dass es ihn irgendwie aus der Fassung gebracht hatte. Er war eben doch kein ganzer Dämon, sonst würde er bei einer solchen Kleinigkeit kein Herzrasen bekommen. Was für viele Menschen sicher ein angenehmes Gefühl war, wirkte auf Ren irgendwie beklemmend und verwirrend, weswegen er es gar nicht erst versuchte sich daran heranzutasten, sondern viel mehr noch etwas mehr Abstand nahm. Dass es aber auch nicht ganz an ihr vorbeiging, bemerkte er daran, dass die Blondine ganz schnell ihre Klamotten schnappte und davon huschte. Hinzu kam sogar noch, dass sie eine Entschuldigung gestammelt hatte. Ob es ihr also ähnlich ging? Als sie die Badezimmertür hinter sich schloss, seufzte Ren erleichtert… Dafür war er nicht gemacht, wirklich nicht. Selbst wenn das absolut menschliche in ihm dazu geneigt war etwas zu wagen, war doch sein Hirn im Weg, welches ihn dazu ermahnte, dass man nichts wieder rückgängig machen konnte… Ein Fehler und das was man hatte, lag in Scherben…
Während das Mädchen im Badezimmer verschwunden war, ließ Ren sich einfach erstmal auf den Rücken fallen und atmete tief durch. Er strich sich die Haare aus dem Gesicht und starrte einen Moment an die Decke. Und jetzt? Was würden sie von nun an tun? Sie begaben sich in wenigen Minuten in die Höhle des Löwen und Ren hatte keinen Plan. Noch dazu war er besorgt, dass Naomi noch einmal Opfer eines Attentats werden könnte. Sollten sie das wirklich ohne Informationen tun? Nur wie lang sollte man noch auf eine Gelegenheit warten? Der Akuma legte seine Hand auf die Brust und versuchte sich mit seinem Herzschlag selbst zu beruhigen. Was irritierte ihn gerade so? Er musste den Kopf wieder klarkriegen, sonst konnte er hier niemandes Sicherheit gewährleisten. Kurz darauf kam Naomi wieder aus dem Bad und er hob den Kopf an, als sie ihm das Shirt zuwarf. Während das Mädchen einen Blick aus dem Fenster ins Dunkle warf, raffte der Hüne sich auf und zog sein Shirt wieder an. Es roch nicht mehr nur nach ihm, sondern hatte auch diese typisch feminine Note von Naomi. Dieser Geruch störte ihn jedoch nicht sonderlich, weil er ihn eigentlich immer wahrnahm, wenn sie in der Nähe war. Obwohl es nun natürlich stärker war… Er schlüpfte in die paar Klamotten die er hatte und ging voran zur Tür, vor der er jedoch kurz stehen blieb. „Damit das noch mal klar ist… Du musst besonders auf dich achten, denn ich gehe davon aus, dass du weiterhin eher das Ziel von Angriffen sein wirst. Erstens wirkst du auf andere wie leichte Beute und zweitens könnte man auch davon ausgehen, dass man mich damit ködern kann.“ Obwohl Ren dem Mädchen viel zutraute mittlerweile, stimmte die zweite Sache sogar erstaunlich genau. Wie wütend er wohl würde, wenn ihr tatsächlich etwas passierte? „Geht’s dir soweit gut?“, fragte er noch, als er die Türklinke in die Hand nahm und mit der anderen ihre Hand vorsichtig fasste. Es wäre gelogen, wenn er behaupten würde, dass er bei einer so großen Sache nicht Sorgen hatte… Auf der anderen Seite würde er das nicht zugeben, schon gar nicht vor Naomi und nach dem was am Bahnhof passiert war… Wenn sie ihm nicht mehr vertrauen konnte, wem dann?

Als sie sich wieder umdrehte, war er schon wieder an der Tür mit der Hand am Griff hielt er ihr seine entgegen, während er sie noch mal ermahnte, wirklich vorsichtig zu sein und sich nach ihrem Befinden erkundigte. Doch bevor sie ihm antwortete, kuschelte sie sich an ihn heran. Das Gesicht direkt gegen seine Brust drückend. Ein wenig Angst hatte sie auch, auch wenn sie sich immer sagte, dass es dafür keinen Grund gab. "Mir geht es gut und ich verspreche vorsichtig zu sein", noch mal rieb sie ihr Gesicht sanft an seine Brust, das was sie eben gerne getan hätte. Doch nun war es weniger intim sie waren nicht mehr ganz so nah beieinander, aber dennoch wollte sie in seiner Nähe sein. Es war merkwürdig, wie sich ihr Geruch mit seinem auf seinem Shirt vermischt hatte. Es war ein gutes Gefühl, das sie so gut zusammenpassten. Doch auch irgendwie merkwürdig, dass selbst das wahrscheinlich sein Herz nicht erweichen würde. "Ich hab dich lieb", diesmal war es sogar so viel mehr gemeint, wie es mit einer anderen Satzstellung geklungen hätte. Lustig, dass sie das eine Mal, wo sie dies bereits gesagt hatte, erklären musste, dass sie eben nicht verliebt war, doch gerade fühlte es sich an, als wäre es diesmal genau andersherum.
Kurz schüttelte sie die Gedanken aus ihrem Kopf heraus und beendete ihren Satz, "also pass bitte auch gut auf dich auf, wenn dir etwas passiert, wird etwas in mir sterben und davor hab ich Angst." Fest hielt sie seine Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. Wenn sie dieser Tür hinter sich brachten, war er für ein paar Minuten wieder ihre Freund. Nicht irgendein Freund, sondern der Freund. Der Mensch, der in ihrem Leben am meisten zählte, wobei sich dabei gerade eigentlich kaum etwas änderte, zumindest von ihr aus. Dass es für ihn auf sicherlich nicht so innig war, konnte sie sich denken und doch behütete er sie wie man es mit jemandem tat, den man sehr mochte und das machte sie sehr glücklich. Doch war es traurig, dass sie für ihn zu einer Gefahr, oder eher einem Köder werden konnte, das durfte nicht sein, deshalb würde sie einfach niemals ein Köder werden. Der Witz dabei war, das konnte schneller passieren als einem lieb war. Seraphim war auch schon einmal Köder gewesen, als ein Erdrutsch sie überraschte und ihn niederstreckte, doch damit war hier in der Stadt wohl nicht so bald zu rechnen, oder? Nun gut, dafür gab es hier andere Tücken, auf die sie achten mussten und darauf war sie vorbereitet.
Gemeinsam mit ihm verließ sie das Zimmer, wandelte mit ihm zurück zum Eingangsbereich, wo sie auf die junge Frau trafen, die sie aufs Zimmer gebracht hatte. Leicht überrascht schien diese festzustellen, dass sie in der Tat in der Nacht hinausgehen wollten. Mit einer Hand winkte Naomi ihr: "Wir werden später zurückkehren", sagte sie und verließ mit Ren die Gaststätte, in der sie nächtigen würden, um ihrer eigentlichen Aufgabe entgegen zu gehen, die nun im Schutz der Nacht richtig beginnen sollte.

Bei dem Hünen stellte sich gerade eine erstaunlich gedrückte Stimmung ein. Der Gedanke daran, dass sie sich nun nach draußen begaben, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung davon zu haben was sie dort erwartete, beschäftigte ihn innerlich schon sehr. Es war unsagbar unangenehm daran zu denken, dass ihnen beiden alles hätte passieren können… Er hing diesmal nur nicht allein an seinem eigenen Leben. Doch so etwas würde er nicht aussprechen, um ihr keine Angst zu machen. Obwohl er die Türklinke eigentlich schon in der Hand gehabt hatte, schien Naomi noch nicht ganz so nach Gehen zu Mute zu sein. Sie drückte sich an seine Brust und rieb ihren Kopf an ihm. Ausdruckslos blickte er auf sie herunter… Einerseits weil er ohnehin nicht wirklich mit so etwas umgehen konnte, andererseits weil der Gedanke immer näher rückte, dass das vorbei wäre, wenn einem von ihnen etwas zustieß. Nicht dass er das so zwingend nötig hatte, aber er wollte ihr etwas Gutes tun und das wäre dann wohl vorbei. Während sie sich an ihn drückte und erklärte, dass es ihr gut ging und sie auf sich aufpassen würde, streichelte er mit der Hand über ihren Kopf, blickte sie aber dennoch ausdruckslos an. Als sie sagte, dass sie ihn lieb hatte, wurde ihm gleich noch ein wenig unwohler. Ren war es nicht gewohnt, dass ihn irgendjemand mochte. Die letzten Personen, denen er tatsächlich am Herzen gelegen hatte, waren die Brüder, welche sein Leben gerettet hatten. Doch das war vergangen… Er hatte sie vergessen und mit ihnen das Gefühl jemandem etwas zu bedeuten. Leise gab er ein zustimmendes Geräusch von sich, als Zeichen dafür, dass er ihre Gefühle anerkannte. Ob er genauso empfand? Das konnte er sicher nicht einmal beantworten, wenn wirklich darüber nachdachte…
Sie toppte dieses unangenehme Gefühl jedoch noch damit, dass sie sagte, dass etwas in ihr sterben würde, wenn ihm etwas zustieß. So viel? Ren konnte und wollte auch nicht verstehen, wieso dieses Mädchen solche Gefühle für den Hünen hegte. Er war niemand, der aus dem Nichts kam und obwohl er nie jemandem so am Herzen lag, bedeutete er diesem Mädchen so viel. So viel, dass sie leiden würde, wenn ihm etwas passierte… Der Gedanke gefiel ihm nicht wirklich… Nein, er schätzte es sogar, dass ihn jemand mochte und das freute ihn auch. Aber sein Leben lang war er nur für sich selbst und seine eigenen Gefühle verantwortlich gewesen… und nun stand da dieses Mädchen, dem er mit dieser Aussage etwas schuldete. Eigentlich konnte es ihm doch egal sein, oder nicht? Er empfand ja nicht so für sie, wie sie für ihn… Und trotzdem… Er fühlte sich verantwortlich für die kleine Blondine…
Ohne weiter darüber nachdenken zu wollen, drehte er sich wieder um und öffnete die Tür, durch die sie dann beide schritten. Er war erstaunlich schweigsam, dafür dass er sonst so eine große Klappe hatte, als er die Tür hinter ihnen schloss. Gemeinsam mit Naomi ging es runter in das Erdgeschoss, wo die Frau von vorhin sie erwartete. Sie schien entsetzt zu sein, weil die beiden nach draußen wollten. Auch versuchte sie es ihnen auszureden und berichtete ihnen erneut von den Problemen hier. Ren versuchte sie damit zu beschwichtigen, dass sie auf sich Acht gaben und dass er sich auskannte. Außerdem war er ja ein starker Mann… Sie schien immer noch besorgt, wünschte ihnen dann jedoch alles Gute. Draußen angekommen, stand da auch noch der Wirt, welcher gerade die Fensterläden zuklappte. „Wohin zu so später Stunde?“, fragte auch er mit ernstem Blick. Ren lächelte ihm entgegen und erklärte, dass sie sich ein wenig die Stadt bei Nacht ansehen wollten. Und noch einmal dasselbe… Erneute Warnungen, Angebote sie zur abendlichen Show im Gasthaus einzuladen und, und, und… Niemand wollte sie hier gehen lassen. Ren zweifelte, ob sie dazu in der Lage wären damit klarzukommen, wenn die Menschen es so sehr fürchteten… Ob sie wohl gerade lächelnd in ihren Tod liefen? Er ließ sich von den Gedanken nichts anmerken und legte seinen Arm um Naomi, während er erklärte, dass er sie schon beschützen würde… Es war komisch, aber das würde er bestimmt tun.
Die ersten Schritte auf dem kühlen Pflaster waren von einer absoluten Stille geprägt. Man konnte keinen Ton hören, so als würden um die Zeit alle sofort zu Bett gehen. Die Schritte der beiden Magier hörte man ganz bestimmt bis in die Häuser. Ob die Menschen das fürchteten? Es war kühl geworden… Ren konnte seinen eigenen Atem sehen, während sie unter den Laternen entlang liefen. „Kalt?“, richtete er fast automatisch an das blonde Mädchen, wobei seine Stimme trotz flüstern einige Meter weit hallte. Scheinbar war gar nichts… Sie zu zweit in einer ungewissen Dunkelheit. Ob das die Ruhe vor dem Sturm war? Kein Anhaltspunkt, nicht einmal eine Ahnung welche Richtung die richtige war und sie liefen hier serviert auf dem Präsentierteller. Seine Sorgen konnte er verbergen, aber ob Naomi damit so wohl war? Vielleicht beobachtete man sie… oder fiel sie gleich an… Man konnte nie wissen.

Wieder legte er seinen Arm um sie, natürlich würde er sie beschützen. Auch wenn die Leute dieser Stadt scheinbar nicht der Meinung waren, dass er dies schaffen würde. Ruhig kuschelte sie sich an seine Seite, während er zum gefühlten tausendsten Mal erklärte, dass sie wirklich rausgehen würden und auch sicher waren. Tief atmete sie ein und vergrub ihr Gesicht an seiner Seite. Er roch so wundervoll, dass sie vergessen konnte, dass sie sich eigentlich auf einer Art Mission befanden, wenn sie nicht dauernd daran erinnert würde. Nun hatte sie mit Ren zumindest die Tür des Gasthofes hinter sich gebracht und dennoch wurden sie aufgehalten. Denn dort liefen sie in den Wirt, der sie ebenfalls davor warnte hinaus in die Nacht zu gehen und sie zu irgendeinem Affentheater einlud, den er in seiner Gaststätte veranstaltete. Es wäre eh nicht Naomis Art von Unterhaltung gewesen, aber es war so lästig, dass die Leute sie dauernd von ihrer Arbeit abhalten wollten. Waren die Vorgänge in dieser Stadt wirklich so schrecklich, dass man sie unter keinen Umständen gehen lassen wollte? An die Seite ihres Beschützers gedrückt fand sie dann endlich einen Weg hinaus in die dunkle Stadt, welche gerade noch fremder geworden schien, als sie es eigentlich war und sie war glücklich, das Ren bei ihr war und sicher auf sich und sie achtete.
Dann waren sie allein, allein in den Straßen der Stadt, es war still, zu still dafür. Zumindest für die Tatsache, dass hier angeblich zwei randalierende Banden sich gegenseitig die Köpfe einschlagen wollten. Es hatte ein wenig was von einem Horrorfilm der besonders schlechten Sorte. Über all ihren Sorgen hörte sie dann Rens Stimme, die sie in ihrer angenehmen Tonart fragte, ob ihr kalt war. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Temperatur zur Nacht hin abgenommen hatte, so was passierte, wenn man von allem so abdriftete und sich von einem Kerl ablenken ließ. "Es geht, denke ich", war ihre Antwort, nicht gerade das Selbstbewusstsein in Person, aber das wurde von ihr auch nicht erwartet. Sollte ihr aber wirklich kalt werden, da war sie sich mehr als sicher, konnte sie darauf zählen, einen wahren Gentleman an ihrer Seite zu haben. Sie starben zwar so langsam aus, aber Naomi hatte einen gefunden. Was Ren zu einem solche machte? Es brachte ihm keinen Profit, keine höhere Stellung irgendwo und auch sonst keine Vorteile, die sich monetär aufwiegen ließen und dennoch war er der wundervollste Begleiter für eine solche Nacht, den sich das Mädchen hätte vorstellen können.
Noch immer träumte sie nachts davon, einmal mit ihm zu tanzen. Ob dabei jemand zusah, oder überhaupt Musik spielte, das war egal, auch die Garderobe sollte ihr einerlei sein. So lang sie nur seine Hände nehmen und ihm die Führung überlassen konnte. Vielleicht sogar hier in der Stadt, nach ihrer Aufgabe, in einem versteckten kleinen Hinterhof, wo der Wein schon die Mauern emporkletterte und kein Mensch im Mondschein Ausschau hielt, ob sich da noch jemand auf der Straße bewegte. Was für eine kitschige Vorstellung und dennoch ließ sie Naomi nicht los, während sie nun Schritt für Schritt ihrer Aufgabe entgegen gingen. Bald würde sie die Schatten dieser Stadt dafür nutzen das Unheil aus ihren Mauern zu vertreiben, sodass des Nachts wieder mehr glückliche Besucher ihre Straßen betreten konnten, ohne Angst vor Tod und Terror. Wer waren eigentlich diese Leute und was bedeutete diese Stadt für sie, dass sie sich scheinbar um das Existenzrecht in ihr streiten mussten. Wenn einem etwas wirklich wichtig war, dann tränkte man es doch nicht in Blut oder etwas doch? Was auch immer dieser merkwürdige Leute dazu geritten hatte, die Blue Pegasusmagier würden es sicher herausfinden.

Für ihre Verhältnisse war Rens zarte Begleiterin erstaunlich still geworden. Normalerweise hatte er Naomi mit einem ziemlich großen Mundwerk in Erinnerung. Sie ließ sich nur ungern etwas sagen und wenn man sie unterschätzte, nahm sie dies sonst sehr persönlich. Doch egal wie oft sie angesprochen wurden, dass es in der Stadt bei Nacht gefährlich war, schien es Naomi doch immer noch nicht sonderlich zu berühren. Oder war es das nicht? Der Akuma merkte, dass sich das blonde Mädchen stets an seine Seite drückte, ihn festhielt und augenscheinlich vor den mahnenden Worten der anderen flüchtete. Fürchtete sie sich etwa? Oder vielleicht reizte es sie aus? Erst war Ren tatsächlich davon ausgegangen, dass sie unberührt von all diesen Tatsachen war, aber er selbst hatte ja seine Sorgen nicht versteckt gehalten. Hätte er das tun sollen? Vermutlich hätte sie sich dann sicherer gefühlt und würde sich nicht so vergraben. Zumindest war das seine momentane Vermutung. Sie sprach lediglich auf die Aufforderungen und Fragen des Hünen hin und hielt sich sonst eng an seiner Seite ganz still und heimlich zurück. Das war er wirklich nicht von ihr gewohnt… Hoffentlich machte sie sich nicht allzu große Sorgen, sonst wäre sie bei einem wirklichen Problem noch starr vor Aufregung.
Der Akuma lief ebenfalls recht schweigsam über das Kopfsteinpflaster, welches in der Dunkelheit nur von wenigen Laternen erleuchtet würde. Jedoch war er nicht aus der reinen Angst heraus so leise geworden, sondern überlegte wohin ihr Weg sie führen sollte. Ren ging davon aus, dass sich solche Banden nicht unbedingt mit Vorliebe in Mitten der Stadt aufhielten. Also wäre wohl ihr erster Anhaltspunkt, dass ihr Weg sie aus dem Dreh- und Angelpunkt dieser Großstadt verschwinden sollten. Und der Gedanke, welcher die Blondine gerade heimgesucht hatte, kam auch bei Ren wenig später an. Sie liefen schon ein wenig ganz klangheimlich vor sich hin… Doch die Stadt schien menschenleer, sodass man weder jemanden sehen noch hören konnte. Waren sie vielleicht zu früh dran? Zur falschen Zeit am falschen Ort? Der Akuma blickte verschwiegen auf seine Begleiterin, welche immer noch keinen Zentimeter von seiner Seite gewichen war. Vielleicht sollte er sie nach ihrem Wohlbefinden fragen… Obwohl er sich sicher war, dass sie es nicht zugeben würde, wenn sie sich tatsächlich fürchten würde. Sie hatte bisher immer darauf bestanden mit ihm auf einem Niveau zu stehen und schimpfte, wenn man sie nicht als ebenbürtig ansah. Da wollte er nicht den Eindruck machen herablassend zu sein… Nicht etwa, weil er sie nicht gern ärgern würde damit, aber es war nicht der rechte Moment dafür…
Was hatten sie eigentlich vor? Selbst wenn sie einen Stützpunkt der Banden entdeckten, wusste Ren noch nicht so recht was sie dort machen würden. Es war unablässig, dass sie dort nach Informationen suchten, doch wenn sie erwischt wurden, hatten sie sicher ein großes Problem. War aber dämlich, dass sie keine Unterstützung bekamen… Sie hatten aber bisher nur bei der Stadtwache angefragt… Vielleicht sollten sie sich morgen bei den freundlichen Gasthausangestellten mal nach anderen Instanzen erkundigen. Dass ihm so etwas immer einfiel, wenn es schon zu spät dafür war. Mist… Ach richtig, er wollte noch klären, was sie heute tun würden. Er legte seinen Arm ein wenig enger um Naomi, um sie zu sich heranzuholen, damit er leiser mit ihr reden konnte. „Ich denke für den Moment ist es am besten, wenn wir beide uns nur umsehen und herausfinden wo die Leute sitzen. Ein Eingriff oder Konfrontationen wären zu gefährlich. Wir müssen uns morgen noch einmal an jemanden wenden, der uns vielleicht helfen kann ein paar Leute zu mobilisieren…“ Kurz verstummte das Flüstern des jungen Mannes, als er zu ihr herunterblickte und überlegte, wie sie sich tarnen sollten. Die Pärchengeschichte hatte ihnen bisher ja auch jeder abgekauft… „Sollte irgendjemand auf uns zukommen, bleiben wir bei der Tarnung als ahnungsloses Touristenpaar, okay?“ Das gefiel doch Naomi sicher umso mehr ihn als ihren Partner darzustellen, oder? Ren störte es bei der Arbeit recht wenig und er gewöhnte sich an Naomis Nähe zumindest soweit, dass er nicht mehr allzu peinlich berührt war. Als sie langsam ein wenig weiter außerhalb der Innenstadt angekommen waren, bemerkte der Akuma so langsam leise Geräusche. Je weiter sie gingen, desto heller und lauter wurde es. Hier musste irgendein Treffpunkt sein und zwar größer als die üblichen Gaststätten und –Häuser… In der Ferne entdeckte er eine große, heruntergekommene Lagerhalle, in der Licht brannte und lauter Gesang erklang. Konnte dies tatsächlich schon die richtige Anlaufstelle sein? Immerhin schienen sie dann in eine Situation zu platzen, die nicht ganz so gefährlich war… Dort schien eine eher positive Stimmung zu herrschen, wenn man dem Saufgesang so lauschte…