Natürlich glaubte Naomi bei sich nicht daran. Das Mädchen war sich nun recht sicher, dass es eigentlich keinen Menschen auf dieser Welt gab, der sie wirklich liebte. Der Kassanova der Gilde hatte nichts für sie übrig, weil sie scheinbar sein kleines Kuscheltier Schrägstrich Spielzeug war, bis sie groß genug war, um mit ihr Dinge anzustellen, die er sonst mit Eintagsfliegen machte. Ren liebte sie auch nicht, weil er als großer starker und missmutiger Kerl natürlich nicht lieben wollte, durch Fehlerziehung einer scheinbar nicht ganz so emotionalen Familie auch nicht wirklich wusste was das überhaupt war und nicht zuletzt, weil sie nicht der richtige Mensch für ihn war. Blieb da noch der merkwürdige kleine Metalldrache, aber allein die Idee er könnte ein Mädchen mögen, bei dem er in der Bibliothek einem Mord beiwohnen musste war einfach lächerlich. Nicht zu vergessen der Rotschopf den sie kennengelernt hatte, der eigentlich einer der Gründe für ihr Unglück war, da war sich selbst Naomi sicher, dass sie es nicht einmal versuchen wollte. Von diversen merkwürdigen Fairy Tail Magiern die sie durch Zufälle kennengelernt hatte, indiskutabel. Es kostete sie keine Kraft alle Laute zu unterdrücken, doch die Tränen der Verzweiflung zurück zu halten, das war schon schwieriger und sie hatte es noch nie wirklich geschafft, denn sonst war kein andere bei ihr gewesen. Dennoch war mit einem energischen Handwischen alles vorbei.
Innerlich jedoch stürzte sich das Kind in ein Drama. Ein kleines schreiendes Kind, welches sich kaum mehr anderes artikulieren konnte als schreien und weinen, dabei mit den Fäusten und Füßen den Boden zu verdreschen. Es war als wäre jemand dabei ihr Silberbolzen in den Körper zu hämmern, dieser verdammte Schmerz gegen den eigentlich nur starke Psychopharmaka oder Chloroform helfen könnten. Ein guter Schlag auf den Kopf wäre da vielleicht auch ganz hilfreich. Alles was ihr half zu vergessen was hier war, was es ihr hier erschwerte. Unterbewusst kauerte sie sich ein wenig zusammen. Rio hatte doch gesagt, dass jemand den man lieben konnte jemand war, den man mochte wie einen guten Freund nur ein wenig mehr? Hatte er, allerdings hatte das wahrscheinlich vorgesehen, dass dieser jemand sie genau so sehr mochte und wer tat das schon? Ihr wurde schlecht, wenn doch nur endlich der Morgen anbrechen würde um sie aus dieser Lage zu befreien. Doch dann holte Rens Stimme sie wieder zurück, er hatte auf ihre Ausbruchspläne geantwortet und diese Antwort war in der Tat überraschen positiv. Sie durfte vorbeikommen, so lang sie wollte? Etwas überrascht sah sie zu ihm hoch: "Wirklich?"
Es war ja schon nett, dass er meinte, dass sie ihm Bescheid geben sollte, wenn sie Hilfe brauchte, aber dass er sie wirklich bei sich aufnehme wollte. Es war wirklich schrecklich schwer depressiv zu sein, wenn man so einen Freund hatte. "Du bist ein wunderbarer Freund", meinte das kleine Blondchen und drückte sich zurück an die Brust ihres Begleiters. Auch wenn er wahrscheinlich niemals der Freund für sie sein würde, war es ein wundervolles Gefühl, dass sie befreundet waren.

Ein guter Freund… Dass jemand mal zu Ren sagen würde, dass er ein guter Freund wäre, hätte er, bis er Naomi kennengelernt hatte, niemals für voll genommen. Er hätte sogar darüber gelacht, hätte das jemand behauptet. Ren war nie ein guter Mensch gewesen. In seinem Leben hatte er so viele moralisch verwerfliche Sachen angestellt, dass man es kaum mehr aussprechen wollte. Und das Schlimmste daran war, dass er es nicht einmal bereute. Alle Dinge, die er in seinem Leben angestellt hatte, waren notwendig gewesen. Und da konnten sie noch so abgrundtief böse und herzlos sein… Wenn es um ihn selbst ging, kannte Ren kaum Grenzen. Und wie menschlich er war, wenn es darauf ankam, war auch noch fraglich. Er war sich ja noch nicht einmal ganz sicher, ob er wirklich lieber Mensch oder Dämon wäre. Natürlich sehnte er sich öfter mal danach normal zu sein, aber den Dämonen fühlte er sich dennoch mehr verbunden als der Menschheit. Ein schwieriger Punkt für Ren, aber früher oder später würde ihm irgendetwas dabei helfen seine Position zu finden. Naomi hatte ihren Teil dazu ja sogar schon beigetragen…
Sie schien sehr überrascht von seinem Angebot zu sein, dass sie ihn ruhig des Öfteren besuchen dürfte. Klar wäre das kein Vergleich zu den Behausungen die sie gewohnt war. Ren hatte in seiner winzigen Behausung nur das Nötigste und für ihn Wichtigste. Neben alten, teilweise kaputten Möbeln und unzähligen Büchern und CD’s gab es da nicht viel zu sehen. Was Kultur anging, war der Hüne dann doch sehr gut ausgestattet, weil das ja seine einzige Liebe war. Ansonsten war es weder hübsch, aber zweckgerichtet eingerichtet. Ein Apartment für einen jungen Mann eben. Ren konnte sich kaum vorstellen, dass Naomi da längere Zeit verbringen wollte, aber sie war ohnehin ein Mädchen, das ihn immer wieder überraschte. Es machte ihm erneut nicht viel aus, dass das Mädchen sich an ihn drückte und seine Nähe suchte. Ein wenig fragte er sich, wie es sich wohl anfühlte, wenn man so etwas genießen konnte. Das einzig Positive, was Ren an dieser Art von Körperkontakt sah, war die Wärme, das andere Menschen ausstrahlten. Es war nicht so, dass Ren irgendeine positive Erinnerung an die Wüste hatte, aber in seinem Kopf machte Wärme irgendwie ein heimatliches Gefühl aus. Als empfand er nicht direkt für den Menschen etwas, der an ihn klebte, sondern verband nur dessen Körperwärme mit seiner Heimat. Ein bisschen schräg, aber das war er nun einmal.
Auf ihre Worte reagierte der Hüne diesmal nicht. Er zeigte keine körperliche Regung und gab kein Wort von sich. Stattdessen hielt er eine Weile inne und atmete langsam durch, um wieder zur Ruhe zu kommen. Dann begann er Naomi einmal über den Kopf zu streicheln. Er hoffte, dass seine innere Ruhe vielleicht ein wenig übersprang. „Wir sollten erst einmal schlafen. Sonst haben wir nichts mehr von der Zeit, die uns dafür bleibt.“, erklärte er ruhig, noch immer mit geschlossenen Augen. Er wollte sich auch nicht mehr wirklich über all diese Dinge unterhalten. Ren brauchte Abstand von all diesen schwierigen Dingen, die er nur schwer begreifen konnte…

Nun musste es wohl endlich genug sein, sie konnte seine Hand auf ihrem Kopf spüren und das fast schon gezwungene ruhige Atmen hören, welches er von sich gab. Vielleicht sollte sie doch noch versuchen zu schlafen, auch wenn sie gerade schon gar nicht mehr müde war. Ein wenig hatte sie auch Angst, weil sie irgendwie fürchtete, wenn sie einschlief dann würde er sie einfach verlassen, weil sie ihm doch zu lästig war und er alles nur gesagt hatte, damit sie ihm endlich seine Ruhe ließ und dann war sie für immer alleine und sich selbst überlassen in dieser schon viel zu grausamen Welt und das wollte sie nicht. Dennoch wies er sie noch darauf hin, dass die Zeit, welche sie zum Schlafen brauchen auch ruhig genutzt werden sollte und sie nickte: "Ist gut." Das Mädchen schloss also die Augen und wartet, sie hörte sein Herz schlagen, hörte die gleichmäßigen Atemzüge und versuchte sich davon wie üblich einwickeln zu lassen. Zusammen mit dem vertrauten Geruch, der ihr wahrscheinlich immer als Indikator dafür gereichen konnte, wer gerade bei ihr war. Ihre Nase war zwar nicht besonders gut, aber ihre liebsten Freunde würde sie mit ihr auch unter hunderten noch herausfinden, ohne Probleme, zumindest war dies ihre Hoffnung, falls man irgendwann auf die Idee kam, sie bräuchte keine Augen mehr.

Klack, es war als hätte einfach jemand irgendwo einen Schalter umgelegt und es war heller. Irgendwie hatte Naomi eigentlich gedacht, es wäre vor einer Sekunde noch dunkel gewesen, doch als quasi eine Sekunde später, zumindest nach ihrem momentanen Zeitempfinden her ein Lichtstrahl auf ihre geschlossenen Lieder viel schreckte sie auf. War alles in Ordnung, hatten sie verschlafen, hatte sie geschlafen oder war dies einfach nur ein irrer Trick der Natur, der einfach sagte, dass sie nun aufstehen sollte, wo sie gerade daran gedacht hatte zu schlafen? Ein Blick auf die im Raum befindliche Uhr sagte eindeutig, dass etwas Zeit vergangen war, aber das Mädchen hatte davon nichts mitbekommen. Sie war immer noch so verstört und aufgewühlt wie zuvor, ihr Schlaf, sofern er denn wirklich stattgefunden hatte, war traumlos und erholungsfrei gewesen. Der nächste Blick schwenkte zu Ren, er war noch da, zumindest eine gute Nachricht an diesem Tag. Ob er noch schlief oder nur die Augen geschlossen hatte konnte sie nicht genau sagen, aber das war auch nicht so wichtig. Beim ersten Erwachen hatte sie gemerkt, er wollte sie nicht so nah bei sich haben, deshalb streckte sie ihren Arm aus und strich sanft über seinen Kopf: "Aufstehen."
Er war wahrscheinlich schon wach gewesen, Ren war relativ oft bereits wach, wenn sie erwachte oder wachte mit ihr gemeinsam auf. Beide standen gerne mit der Sonne auf und diese hatte sie gerade geweckt. Eigentlich wollte sie sich gerne noch weiter an ihn kuscheln, aber sie mussten sich fertig machen und den Bürgermeister besuchen, erst die Arbeit und danach eigentlich auch kein Vergnügen, die Arbeit war das Vergnügen, etwas was eigentlich traurig war, aber damit konnte man leben, wenn man Gildenmagier war. Vorsichtig stand sie auf und machte sich auf den Weg ins Bad, wo sie sich einer Reinigung unterzog, sich wieder ihre Zöpfchen band und ihre Kleidung wieder anzog. Es war merkwürdig nicht gerade Rens Shirt zu tragen, aber diesmal hatte sie es nicht geliehen, etwas was sie wohl nicht mehr tun würde, sie musste wohl etwas Abstand von ihm haben, damit er nicht irgendwann flüchtete.

Das Gehirn des jungen Ren hatte die unangenehme Angewohnheit ihm in den kürzesten Schlafzeiten die unangenehmsten Träume zu bescheren. Er wusste nicht warum, aber irgendwas an dieser Sache mit Naomi musste ihn an die Wüste erinnert haben…
So träumte er von dem düsteren Kämmerchen in dem er sich hoffnungsvoll versteckte, wenn er vor der schrecklichen Realität mit seinem Vater ausbrach. Er empfand genau dieses Gefühl, welches er dann immer verspürt hatte und hörte das leise Summen, seiner kindlichen Stimme, die krampfhaft versuchte aus diesem Ort auszubrechen. Dabei hatte er immer die Augen zugekniffen und sich fantastische Geschichten von einem Leben in Freiheit ausgemalt. Aber er hasste diesen Moment, wenn das Klirren der Weingläser oder das laute Knallen des zerberstenden Holzes ihn aus dieser traumhaften Illusion herausholte. Selbst in seinem Traum hörte er dieses grausame Musikstück, welches seine Nerven zu Drahtseilen spannte und seinen ganzen Körper erstarren ließ. Es war wie ein Tanz, den Ren niemals führen konnte… Er spürte sogar im Traum, wie ihm dieses bedrängende Gefühl die Luft abschnürte und gerade als all das ausartete und er den Sand quasi in seinem Mund schmecken konnte, hörte er eine Stimme, die ihm sagte, dass er wieder aufstehen musste. Doch es war nicht dieselbe gewesen, die ihm damals auf die Beine geholfen hatte… Sie war weiblich. Seine…?
Erschrocken riss Ren die Augen auf und packte fest nach Naomis Handgelenk, welches sich über seinem Kopf befand und ihn berührte. Sein Herz raste und man sah ihm an, dass er sich von etwas Schrecklichem befreit hatte. Er schwitzte, war blass und ließ zittrig das schmale Handgelenk seiner Begleitung los. „E-E… Entschuldige.“, stammelte er, als er sich die Hände auf die Augen zu pressen begann. Nach einigen tiefen Atemzügen nahm er wieder normale Farbe an und beruhigte sich. Wo kam das nun ständig her? Er hatte das alles so lang hinter sich gelassen. Dabei glaubte er doch, dass er diese Dinge vergessen hatte… „Hab ich dir wehgetan?“, fragte er unvermittelt, als er die Hände von seinen Augen nahm und sie anblickte. Natürlich tat es ihm leid, dass er sie so gepackt hatte und er hoffte, dass es nicht zu stark gewesen war. Aber sie war ja auch nicht aus Glas. Vermutlich sollte er wirklich lieber allein schlafen… Immerhin war er irgendwo doch unberechenbar, wenn man gerade solche Situationen betrachtete… Er schwieg eine ganze Weile, wartete stumm auf dem Bett sitzend ab, bis sie aus dem Badezimmer zurückkehrte und tat dann dasselbe wie sie. Nachdem er sein Gesicht mit kaltem Wasser abgespült hatte und sich seinen geschundenen Körper im Spiegel ansah, war er sich wieder bewusst, dass er seiner eigenen Hölle entkommen war. Wenn er daran dachte, dass es Naomi ähnlich gehen konnte, wie es ihm damals ging… Aber genauso wie er nichts zu bereuen hatte, würde sie eines Tages sicher auch so weit sein. So verließ er das Badezimmer wieder und blickte in ihre Richtung, an ihr vorbei. „Können wir los?“ Richtig, sie mussten zum Bürgermeister und es wurde Zeit, dass er sich endlich wieder auf das konzentrierte was hier wichtig war. Ansonsten lief er doch noch ins Messer, so wie er abschweifte…

Als sie ihm sanft durchs Haar strich packte er zu, wohl nicht so stark, wie er es vermochte, aber doch schon recht ordentlich. Doch Naomi störte das weniger, man konnte sagen es war normale Härte, weshalb sie sich auch nichts von vielleicht leicht aufkommendem Unbehagen anmerken ließ. Viel mehr beunruhigte sie, dass er so blass war. Eigentlich war er doch nicht so schreckhaft, oder doch? Was hatte ihn im Schlaf so sehr verfolgt, dass es ihn auch noch jetzt nicht aus seinen Fängen gelassen hatte. War es am Ende sogar gut gewesen, dass sie ihn geweckt hatte. Doch er beruhigte sich, zwang sich quasi zur Ruhe und sie konnte fühlen, wie alles in ihm langsam ruhiger wurde. Am liebsten hätte sie nun wieder den nahen Kontakt zu ihm gesucht, aber das würde ihm kaum helfen, ihr vielleicht, doch hier ging es um ihn. Nun fragte er, als er sie wieder ansah, ob er ihr wehgetan hätte. Mit einem noch recht besorgten Lächeln schüttelte sie den Kopf: "Du hast mir nicht weh getan, ich denke nicht, dass du dazu in der Lage wärst, wenn du es nicht wirklich darauf anlegst." Was eigentlich nicht heißen sollte, dass er sich dafür anstrengen musste, aber Naomi glaubte, dass immer wenn er unterbewusst wusste, dass sie da war, in ihm eine Art Schutzmechanismus einrastete.
Körperkontakt war eigentlich auch keines seiner Probleme, aber wenn sie es war, die Nähe bei ihm suchte war er doch etwas zaghaft. Schamhafte Röte hatte sie in seinem Gesicht entdecken können, doch warum dieses Verhalten, wenn sie ihm doch nicht so am Herzen lag? Ach was machte sie sich darüber überhaupt Gedanken? Als sie aus dem Bad kam beschäftigte sie sich allerdings immer noch mit diesen Überlegungen, kam aber irgendwie immer auf den Nenner, dass es keinen Sinn machte, einfach weil es mit seinen Aussagen nicht überein stimmte. Als sie dann fertig waren und er fragte ob sie los konnten. Bestätigend nickte sie ihm zu: "Ja, wir sollten keine weitere Zeit mehr vergeuden." Bestimmt griff sie nach seiner Hand, verhakte ihre schlanken Finger mit seinen und lächelte ihn an, "Ich bin froh, dass du da bist." Hatte sie sich nicht vorgenommen ihm das öfter zu sagen, weil er es wahrscheinlich einfach mal hören musste, weil es sogar die Wahrheit war und weil es im Ansatz beschrieb war er ihr bedeutete? Selbst wenn nicht, er war wichtig für ihr Leben und sie war froh, dass es ihn gab, auch wenn man ihn nicht speziell für sie geschaffen hatte.
Mit ihm an der Hand suchte sie sich wieder den Weg durch das Gasthaus. Vorbei an einigen verschlafenen Gästen, die scheinbar trotz mehr Schlaf noch viel müder wirkten als die zwei Magier. Ebenfalls vorbei an der Wirtstochter, die scheinbar gehört hatte, dass die zwei wirklich die Nacht über draußen in den Straßen gewesen waren und nicht einen Kratzer davon getragen hatten. Ein merkwürdiger Blick wurde von der blonden Magierin mit einem netten Lächeln quittiert und kurz mit der freien Hand bewunken ehe sie sich an der Seite ihres Begleiters durch die Tür wieder auf die Straßen der Stadt begab.

So richtig wohl in seiner Haut fühlte sich der Hüne immer noch nicht. Er hatte keine besonders erholsame Nacht hinter sich gehabt und das spürte er bei jedem Schritt. Statt ausgeruht, fühlte er sich eher heimgesucht von seinen Problemen, aber er wollte ja nicht jammern und so steckte er das weg, obwohl sein Körper sich noch schwach fühlte. Als er, noch immer etwas träge, aus dem Badezimmer kam und fragte, ob sie sich aus dem Weg machen konnten, stimmte Naomi seinen Gedanken zu: Sie hatten keine Zeit zu verlieren. Dann trat sie jedoch wieder an ihn heran, schnappte nach seiner Hand und bekundete, als wäre es das Normalste der Welt, dass sie es genoss an seiner Seite zu sein. Der Hüne schwieg darüber, ließ den Griff ihrer Hand über sich ergehen und folgte ihrem Zog aus der Tür heraus. Im Lokal war es noch erstaunlich ruhig, sodass nur wenige Leute die beiden zusammen sahen. Ihre Show schien allerdings immer noch seine Wirkung zu zeigen und alle behandelten sie wie ein Paar. Für Ren war das noch immer eine interessante Art der Behandlung, denn normalerweise begrüßte man den Hünen vorsichtiger und aggressiver. Momentan schien aber Naomi seine Ausstrahlung zu neutralisieren und statt einem bösen oder ängstlichen Blick kassierte er auch das, was man Naomi entgegen brachte. Dieses Gefühl war merkwürdig… Besonders die Wirtstochter schien sich darüber zu freuen die beiden zu sehen, weshalb Ren sich bemühte ihr ein freundliches Gesicht zu zeigen. Man war hier so nett zu ihm… Das kannte der Hüne nur schwer. Dennoch würde Oak Town nicht eine seiner Lieblingsstädte werden. Das war ihm dann doch etwas zu altmodisch hier alles…
Kaum waren sie auf der Straße, erkundigte Ren sich, so freundlich es ihm möglich war, bei Passanten nach dem Weg zum Bürgermeister. Was er zu hören bekam, erfüllte ihn nicht mit viel Freude, aber er würde sich so leicht nicht geschlagen geben. Das Büro des städtischen Bürgermeisters war leicht zu erreichen, da es mitten im Zentrum platziert war. Es hieß jedoch, dass er stets und ständig viele Termine und so kaum Zeit dafür hatte mit den Bürgern Kontakt aufzunehmen. Wer einen Termin bei ihm wollte, musste sich schon sehr frühzeitig melden und man bezweifelte vor den beiden Magiern immer häufiger, dass sie mit ihrem spontanen Auftreten nicht weit kommen würden. Ren hoffte auf ihr Gildenzeichen… Wenn das keine Unterschrift für die Bedeutung ihres Auftrittes war, was dann? Der Hüne ließ sich den Weg erklären und ließ sich kaum lang aufhalten. Mit schnellem Schritt begaben die beiden sich in das oberste Verwaltungsgebäude der Stadt: Dem Rathaus.
Vor einem hübschen, erst neu gestalteten Haus blieben die beiden stehen. Es hob sich deutlich von den alten Fachwerkhäusern rund herum ab, da es solide mit roten Backsteinen gepflastert worden war. Vor der Tür standen doch tatsächlich die alten Freunde von Naomi und Ren: Zwei Dorftrottel der Stadtwache. Die hielten ihn nun auch nicht mehr auf. Mit einem überheblichen Lächeln auf den Lippen und Naomi an der Hand trat er an die Tür heran und bedeutete den versperrenden Blockierern sein Anliegen. Diese waren skeptisch, wussten nicht, wie wichtig und relevant die Aussage des Hünen war. Ein Blick auf sein Gildenzeichen und ein wenig hochtrabendes Gerede überzeugte sie dann doch und sie ließen die beiden durch. Da folgte auch schon die zweite Hürde: Eine kleine, dickliche Frau an der Rezeption hatte es nahezu perfektioniert beim Nichtstun geschäftig auszusehen. Mit einem Augenrollen trat Ren an sie heran und versuchte ihr die Wichtigkeit ihres Kommens zu verdeutlichen, doch streng wie sie war, machte sie doch sehr deutlich, dass der Bürgermeister keinen spontanen Besuch wünschte. Selbst auf ihr Gildenzeichen hin machte sie dicht… Was sollten sie tun? Diese Frau zu überzeugen, würde wohl noch einiges an Arbeit und Zeit kosten, die sie eigentlich nicht hatten… Wieso sperrte sich diese Stadt nur so jeglicher Hilfe entgegen? Das stank irgendwie…

Sie erreichten das Rathaus recht zügig. Ren war scheinbar kein Mann der Probleme damit hatte nach dem Weg zu fragen, sein Problem war lediglich eine verwertbare Antwort zu bekommen. Wenn das süße kleine Mädchen nicht dabei gewesen wäre, hätten sicher einige der Menschen die Flucht vor ihm ergriffen bevor er überhaupt gefragt hatte, weil er natürlich auch nicht wirklich so aussah, als wäre er der nette Herr von nebenan. Doch das war etwas was das Mädchen an ihm mochte, die Menschen die verwegen, gruselig oder rau aussahen mochten diese Eigenschaften vielleicht auch verkörpern, aber eigentlich waren sie sehr nette Menschen, denen andere gerne aus dem Weg gingen, weil ihr Aussehen und oberflächliches Verhalten sie abschreckten. Doch nicht die alten Bekannten der Polizei, die sie vor dem Rathaus antrafen. Okay, vielleicht doch ein wenig, aber was half es auch mit diesen merkwürdigen und inkompetenten Aushilfsbeamten zu reden. Hatten sie überhaupt eine richtige Ausbildung genossen? Naomi glaubte nicht so recht daran. Klar hatte das Mädchen gehört, dass Polizisten gerne auch Bürohengste waren, aber diese waren wahrscheinlich einfach nur unfähig was ihre Arbeit anging. Kein Wunder also, dass die zwei Magier am Ende des kleinen Hindernisses doch an ihnen vorbei durch die Tür gehen konnten und das für sie momentan das wichtigste Gebäude in der ganzen Stadt darstellte.
Doch kaum darin angekommen sahen sie sich schon Auge in Auge mit einem neuen Hindernis. Eine gelangweilte, wahrscheinlich für ihre Arbeit zu gering bezahlte und deshalb chronisch flaue Empfangsdame oder Sekretärin. Irgendwo hatte die kleine Schattenmagierin so etwas schon einmal gesehen. Auf ihrer Quest mit Seraphim, die allererste die sie gemacht hatte. Damals hatte eine solche Dame allerdings einen Ring geklaut und während Seraphim diese in ihrem Haus abgelenkt hatte war Naomi herumgeschlichen und hatte das Schmuckstück gesucht und gefunden. Diese hier allerdings war nur ein Hindernis, eines was es zu überwinden galt. Ren gab sich alle Mühe mit wirklich vorbildlichem Benehmen und mit logischen Erklärungen einen Weg für sie zu öffnen, doch auch die Gildenzeichen eröffneten ihnen keine Möglichkeit den doch so sehr benötigten Bürgermeister zu treffen. Die Blondine begab sich vor an den Thresen und versuchte nun ihre letzte Option zu nutzen, die auf diesem Parkett benutzt werden durften. Dies war nicht die Straße, kein rauer Ton, keine Drohungen, es musste überzeugt werden und was war überzeugender als ein kleines Mädchen was bitte, bitte sagte? Eigentlich nichts, aber diese Dame schien dabei die selbe Einstellung zu haben wie der Himmelsdragonslayer, sie schien Kinder zu hassen, also kam man auch damit nicht weiter.
Dennoch sollte es ein kleiner Erfolg sein, denn plötzlich ging eine Nebentür auf und ein Mann trat heraus. Anders jedoch als das Mädchen erwartet hatte war er von einer normalen Statur, trug einen recht feinen grauen Anzug und einem gepflegten Kinnbart. Die braunen Haare waren kurz gehalten und auf seiner Nase saß eine unscheinbare Brille. "Was ist hier für ein Radau?" Radau? Sie waren doch wirklich sehr normal gewesen, also Lärm hatte Naomi anders in Erinnerung, aber vielleicht war er auch einfach nur absolute Stille gewohnt. Die Dame am Empfang zuckte zusammen: "Entschuldigen sie Sir, diese zwei wollen einfach nicht gehen, dabei habe ich ihnen schon mindestens tausend Mal gesagt, dass Sie nicht zu sprechen sind." Die Magierin ging auf den Mann zu: "Es tut mir wirklich sehr leid, dass wir sie so sehr gestört haben, Naomi Kagekami von der Gilde Blue Pegasus, es ist wirklich wichtig, dass wir mit Ihnen reden Sir", redete sie auf ihn auf, doch er drehte sich schon wieder weg und wollte wohl gleich wieder durch die Tür. Mit eine Grätsche, die einen Fußballer wahrscheinlich neidisch gemacht hatte und die nur möglich war, weil die Putzfrau scheinbar einen guten Job machte, schlidderte Naomi an dem Man vorbei und schlug mit dem Ausgestreckten Fuß die Tür zu. "Bitte, es ist wichtig."

Es war nicht nur so, dass der als Akuma bekannte Magier nicht sonderlich beliebt beim Rest der Menschheit war. Hinzu kam auch noch, dass er zwar theoretisch sehr viel Ahnung von Höflichkeit und gutem Benehmen hatte, aber das praktisch nur sehr ungern anwandte. Hin und wieder blieb ihm jedoch keine andere Wahl als dieses Opfer zu bringen und sich zu benehmen. Etwas, was er nicht gern tat, aber wenn es sein musste, quälte er sich halt mit diesen unnötigen zwischenmenschlichen Floskeln herum. Nichtsdestotrotz war Ren ja irgendwo auch ein hübscher Mann, wenn auch unter einer rauen Schale und manchmal konnte dies Eindruck machen. Manchmal… Dieses Mal offenbar nicht. Ren fuhr alle Geschütze auf um diese blöde Kuh hinter dem Tresen zu überzeugen. Ren hatte mehr und mehr das Gefühl, dass diese Stadt sich nicht helfen lassen wollte. Aber er ergab sich bestimmt nicht. Der Akuma hatte sich in seinem Leben noch nie ergeben müssen und selbst an den härtesten Grenzen hatte er sich immer wieder aufgerappelt, um am Ende doch das zu bekommen, was er wollte. Da brauchte diese alte Ziege sich gar nicht querstellen. Am Ende setzte er seinen Kopf ohnehin durch! Aber egal welche Geschütze er auffuhr, diese Kuh weigerte sich partout ihnen weiterzuhelfen. Sogar das Gildenzeichen brachte sich nicht weiter…
Dann öffnete sich jedoch nicht nur eine Tür, sondern auch eine Chance. Aus ihr heraus trat ein Herr mittleren Alters, der offenbar genervt über die Lautstärke im Flur war. Nun ja, auch Ren empfand es nicht als laut, aber wenn man arbeitete, konnte das möglicherweise schon etwas stören. Also, was nun? Tatsächlich stellte er sich als der Bürgermeister heraus, wie die Frau durch ihre Worte erkennen ließ und es wurde sehr deutlich, dass es seine Entscheidung war niemanden sprechen zu wollen. Doch wie er es von seiner energischen, zierlichen Begleiterin erwartet hatte, ließ sie ihn nicht entkommen. Auch als er sich wortlos abwandte, flitzte sie ihm nach und versperrte ihnen den Weg. Naomi flehte ihn nahezu an ihnen zu zuhören und Ren zeigte erneut das Gildenzeichen der Magierin, immerhin wollte er vor einer hohen Persönlichkeit nicht unbedingt strippen, und mit einem Seufzen blieb er stehen und rief seine Sekretärin zu: „Holen Sie mir meine Akten aus dem Untergeschoss. Ich habe heute noch einiges zu tun.“ Sie nickte und huschte hinter ihrem Tresen hervor, bevor sie eine Tür hinter sich schloss und die Treppe hinunter ging. Der Mann blickte sich nervös um, dann sprach er leise: „Ich weiß was ihr vorhabt, aber das ist nicht der richtige Ort um darüber zu sprechen. In fünf Minuten treffen wir uns in der Gasse hinter dem Gebäude. Ich werde da sein. Versprochen.“ Dann wandte er sich ab und sagte laut: „Unfassbar, dass ich mich in meinem Amt immer wieder mit Stümpern herumschlagen muss.“ Und ging zurück in sein Büro. Ren hatte verstanden. Er nahm Naomi schweigsam an die Hand und ging zu der Treppe, die sie wieder nach unten führte, als ihnen die Frau mit den Akten entgegenkam. „Wie schade, dass der Mann sich nicht einmal kurz Zeit für uns nehmen kann…“, sagte er mit enttäuschtem Gesicht, woraufhin die Frau ein selbstsicheres Lächeln aufsetzte, das so viel bedeutete wie: „Ich habs euch ja gesagt!“ Wirklich eine dumme Kuh. Wenn der Bürgermeister nicht einmal in seinem eigenen Büro offen sprechen konnte, war das schon bedenklich… Aber es schien wenigstens einen Menschen in dieser Stadt zu geben, der ihre Hilfe tatsächlich annehmen wollte…

Naomis kleiner Rutsch schien seinen Effekt gehabt, denn der Mann nahm sich nun zumindest etwas mehr Zeit für sie und konnte nicht mehr einfach in sein Büro verschwinden. Nun zeigte ihm ihr Kollege das Gildenzeichen an ihrem Arm. Wieso ließen sich die Kerle dieses Zeichen eigentlich immer an Stellen anbringen, die man nicht einfach mal vorzeigen konnte, wenn es doch als Ausweis für die Gildenzugehörigkeit diente. Nun gut, wie man es nahm, es konnte natürlich auch angenehm sein, wenn sich Leute wie Seraphim dann für eine Zurschaustellung ihres Gildenzeichens ausziehen musste oder sogar wollten. So lang sie dabei war, war es kein Muss und demnach alles in Ordnung. Das kleine blonde Mädchen sah zu dem Mann hinauf, der nun scheinbar seine Laune ein wenig zu ändern schien. Als er seine Tipse wegschickte und diese somit aus den Augen schickte passierte allerdings etwas sehr merkwürdig. Er flüsterte irgendwas darüber, dass er sich mit ihnen in einer Gasse hinter dem Rathaus treffen wollte. Scheinbar war es hier gefährlich, über Dinge zu reden, welche sie gerade verfolgten. Leicht seufzte sie und senkte den Blick, betroffen davon, dass es auch anderen Menschen noch so ging wie ihr, scheinbar Gefangene in ihrem eigenen Heim oder hier war es wohl der Arbeitsplatz und hier ging es wahrscheinlich nicht nur um ihn, vielleicht sogar seine Familie.
Zum Abschluss schimpfte er noch einmal auf die zwei Magier, scheinbar um die Abfuhr, die er ihnen angeblich gegeben hatte auch glaubwürdig zu machen. Als Ren die Blondine an die Hand nahm und mit ihr den Rückweg antrat drückte sich diese gedankenversunken an seinen Arm, legte ihre Arme um den seinen und schloss kurz die Augen. Irgendwie ging es ihr immer noch oder schon wieder schlecht, diese Stadt war wirklich kein guter Ort. Hier beging sie nur Fehler, Fehler die sie wahrscheinlich seine Freundschaft kosten konnten und würden. "Ren, diese Stadt macht mich krank, ich hoffe wir schaffen das bald", sie sprach leise und drückte sich an seinen Arm. Den Blick der Dame, die gerade mit den gewünschten Akten zurückkehrte, den sah sie nur aus dem Augenwinkel und er war ihr gelinde gesprochen herzlich egal, denn sie wusste, dass es anders war. Gleich würden sie sich mit diesem Kerl treffen und wenn nicht, würde sie ihn eigenhändig aus seinem Büro zerren und irgendwo an einen Stuhl fesseln, bis er endlich mit ihnen sprach. So weit kam es noch, dass man sich total veralbern lassen musste, wenn man die Aufgabe hatte aus einer Stadt einen besseren Ort zu machen, die einem gar nichts bedeutete.
Weiterhin an seinem Arm ging sie mit ihm auf diese Gasse zu, in der sie auf den Mann treffen würden, hoffentlich. Noch war Naomi sich nicht sicher. Er hatte sich gefürchtet, wollte nicht gehört werden, wollte vielleicht auch die Hilfe der Magier, aber ob er sie sich diese deswegen auch holen wollte oder konnte, immerhin schien er sich dafür auch an seiner Empfangsdame vorbeischleichen zu müssen, aber immerhin konnte er diese selbst irgendwie beschäftigen, damit er heimlich vorbei kam. Diese Gasse war erneut recht dunkel und klein, wahrscheinlich gut, weil sie überschaubar war, aber es konnte auch eine bösartige Falle sein. Leicht drückte sie sich an die Seite ihres Begleiters, fast als versuchte sie darin zu verschwinden.

Ganz egal wie ernst Naomi diesen Satz gemeint hatte: Diese Stadt machte auch Ren irgendwie krank. Sie lebten in ihrer lächerlichen Scheinwelt und bildeten sich ein, dass alles schon wieder gut werden würde, wenn sie es nur lang genug ignorierten. Was war das für eine Pseudosolidarität? Auf der einen Seite behaupteten sie, dass sie füreinander einstanden, weil sie doch eine Stadt waren und zusammen gehörten und auf der anderen drehte man sich um, wenn eine Person von diesen Gangstern überfallen wurde. Wie ironisch war das bitte? Wenn selbst der Bürgermeister, derjenige, der für die Sicherheit seines Volkes einstehen sollte, seine Augen vor all diesen Dingen verschloss, bis endlich jemand kam, der sie da rausholte. Magier waren wichtig, ohne Frage, aber hatte man es so weit kommen lassen müssen, dass sie sich da allein nicht mehr herausholen konnte? Sicher dachte man am Anfang, dass alles sich wieder legen würde, mit der Zeit… Doch das tat es nicht und nun mussten zwei Helden kommen und die Welt retten. Und diese Rolle stank Ren gewaltig. Da lebte er lieber in eine Welt mit dem einen Gesetz: Gefressen oder gefressen werden. Denn dort war die Welt fair. Man machte sich keine heile Welt vor, weil es diese nicht gab. Das war blanker Hohn… Aber was sollte er schon sagen? Hier war er ein Niemand und musste seiner Aufgabe nachkommen. Also tat er dies auch und schluckte grimmig diese idiotischen Gegebenheiten einfach herunter…
Stillschweigend lief Ren die Treppe hinunter, vorbei an den Wachhunden aus dem Gebäude heraus. Die Aussage von Naomi hatte er einfach so im Raum stehen lassen, genauso wie er ihre Anhänglichkeit gerade ignorierte. Im Moment war es ihm ziemlich egal, weil er die Hoffnung hatte, dass sie dieses Treffen endlich weiter vorantreiben würde. Was sie sonst machen sollten? Er wusste es nicht. Niemand schien die Magier hier für voll zu nehmen und generell liefen sie eher vor einer Lösung weg, als ihre Arme nach ihrer Freiheit auszubreiten. Sie lebten in einem so weit entwickelten Land und versteckten sich vor einer Gefahr. Lächerlich. Ren machte diese Situation so zornig. Und so blieb er in der Gasse stehen und lehnte sich an eine der Wände. Er hatte nicht das Gefühl, dass hier eine Falle lauern würde und selbst wenn… Das sollte man sich mal wagen. Er würde hier alles auseinandernehmen wenn möglich, so niedrig, wie seine Laune in den letzten Minuten gesunken war. Wenn das jetzt nichts wurde, wann dann?
Plötzlich bog der Mann mit verhülltem Gesicht um die Ecke. Er blickte sich mehrfach nach allen Richtungen um, als wäre er völlig paranoid. Erleichtert seufzte er und ging auf die beiden Blue Pegasus Magier zu. Mal sehen was er zu sagen hatte… Hoffentlich nur Gutes. „In meiner eigenen Stadt kann ich nicht mal frei sprechen… Jämmerlich, nicht?“, murmelte er ein wenig bedrückt und verbeugte sich dann vor den beiden. „Es fiel mir nicht leicht eure Hilfe anzufordern. Vor allem, weil ich euch nicht viel unter die Arme greifen kann…“ Wieso konnte er nicht? Er war hier der Machthaber? Wie konnte er sich von solchen Pfeifen unterdrücken lassen? Ren wurde immer stinkiger, versuchte aber ein wenig Empathie zu zeigen.
Dann erklärte der Mann recht ausführlich was für eine große Macht diese beiden Banden an sich gerissen hatten. Sie schienen ihre Hände in allen Schichten der Stadt zu haben… In den Arbeiterbetrieben, der Gastronomie, sogar der Polizei… Die Soldaten wurden mit guter Zahlung bei der Stange gehalten und der Bürgermeister mit der Unversehrtheit der eigenen Familie bestochen. Man hatte scheinbar an jede wichtige Persönlichkeit in dieser Stadt gedacht, um sich eine möglichst sorgenfreie Basis zu schaffen. Die länger vorherrschende Bande wurde sogar zu Beginn, trotz ihrer falschen Machenschaften geduldet. Etwas, was der Bürgermeister sich heute als Fehler eingestand, weil er so das Feld frei machte, für die Trittbrettfahrer, die nun für den Bandenkrieg in der Stadt angezettelt hatten. Er wusste sich selbst nicht mehr zu helfen, konnte niemanden offiziell einschalten und so waren die Magier seine einzige Hoffnung gewesen, denen er nicht einmal über den Postweg übermitteln konnte, dass er der Auftraggeber war, weil man ihn stets im Blick hatte. Dann wurde das Ganze jedoch sehr abenteuerlich…
Er erzählte, dass ihnen kaum noch Zeit blieb, da heute Abend eine große Sache geplant war. Man müsse die Banden ein für alle Mal entwurzeln! Und sein Ziel war kein Kleines, sondern tatsächlich die regierende Gang… „Noch heute müssen wir sie aufhalten! Wenn wir das nicht schaffen, wer weiß was dann mit der Stadt passiert… Ist die stärkere Bande einmal niedergeschlagen, so hoffe ich, dass auch die anderen sich auflösen… Ich werde euch meine persönliche Garde zur Verfügung stellen und auch die Stadtwache mobilisieren. Es wird Zeit etwas zu tun…“ Das klang wirklich wenig durchdacht. Es schien seine letzte Hoffnung zu sein und er schien sich auch völlig darauf zu verlassen, dass die andere Bande in sich zusammenfiel… Dann machte er einen Treffpunkt mit allen Einheiten fest: Bei Sonnenuntergang vor der Lagerhalle. Wie gruselig. Ren hatte keine Sicherheit und der Mann konnte ihm auf die Schnelle auch keine geben, weil er einzig und allein seine Verzweiflung gegenüber den Magiern ausdrücken konnte. Was wenn all das eine Falle war? Wenn sie einfach ins Messer liefen? Sie hatten wohl keine Wahl, denn sie sollten diesen Machtkampf anführen… Ren war sein Leben lieb und mit gemischten Gefühlen beobachtete er, wie der Mann sich nach mehrfacher Verbeugung von den beiden verabschiedete. Als er weg war, seufzte der Hüne. „Du weißt, dass uns das den Kopf kosten könnte, nicht? Willst du es dennoch wagen?“, richtete er mit ernstem Blick an die Blondine. Ob er gehen würde, verriet er erst einmal nicht.