Wenn es eine Person gab, die mit ihrer Magie hausieren ging, war das Seraphim. Taktisch gesehen war es ja klug, mit solchen Informationen hinter dem Rücken zu halten, weil es ja angehen konnte, dass das Gegenüber vorhatte, einen in nächster Zeit zu töten und dazu die Schwachstellen der eigenen Magie verwenden würde. Wahrscheinlich hätte Seraphim ähnlich wie Ren gehandelt, wenn er ein ganz normaler Mensch mit einer vollständig alltäglichen Magie gewesen wäre, aber das war er nicht. Der Weißhaarige war ein Dragonslayer und da er zu den Menschen gehörte, die diesen Magier über alle anderen Zweibeiner setzten, war das etwas, auf das er stolzer als vieles andere war. Er hatte die Ehre erfahren, von einer verehrungswürdigen Drachendame aufgezogen zu werden, was etwas war, das er herauskehrte. Diese Gilde hatte er nicht etwa ausgewählt, weil er bereits einmal hier gewohnt hatte und sogar hier geboren worden war - immerhin hatte er das ja vergessen - sondern, weil Blue Pegasus im ganzen Land für seine Verehrung der Drachen bekannt war. Böse Zungen nannten sie Spinner, eine Sekte oder sonstige Dinge, weil sie das einzig Richtige taten, was so niedere Wesen wie Menschen tun konnten, nämlich, den Drachen Respekt entgegen zu bringen. All diese Leute, die es für übertrieben hielten, den schuppigen Geschöpfen eine derartige Aufmerksamkeit entgegen zu bringen, waren einfach noch nie in den Genuss ihrer Gesellschaft gekommen... denn diese war nicht nur angst- und respekteinflößend, sie hinterließ auch einen tiefen Eindruck in der Seele, weil man geradezu spüren konnte, wie weise diese gottähnlichen Geschöpfe wirklich waren. Was konnten Menschen, deren Lebenszeit so kurz war, denn wissen von den Wundern der Welt, von ihren Geheimnissen? Gar nichts - ganz im Gegensatz zu den Drachen. Lange Rede, kurzer Sinn: Natürlich würde Seraphim Ren seine Magie unter die Nase reiben - und zwar schön langsam und genüsslich.

"Eine Hand wäscht die andere?", fragte er mit spöttischem Blick, der praktisch 'Du kannst mir die Füße waschen, Jungchen~' kommunizierte, "Aber natürlich werde ich dir Auskunft geben, wenn du das begehrst..." Die Betonung dieses Worts wiederum hätte jeden in Alarmbereitschaft versetzt, der Seraphims Hobbys kannte, aber da Ren kein allzu geselliger Mensch war, kannte er sich mit dem Tratsch der Stadt wohl eher weniger aus. Er erinnerte sich noch gut daran, dass Naomis Ziehvater bereits beim ersten Blick auf ihn wusste, wer er war und was er so tat, um sich seine Abende zu vertreiben, was, wenn man bedachte, dass seine Tochter ihn eingeladen hatte, sicherlich hochgradig beunruhigend war. Noch ein Schrittchen wurde auf Ren zugemacht, ehe ein breit lächelnder Weißhaariger säuselte: "Ich bin der Himmels Dragonslayer, Akuma-chan~" Das 'Und ich könnte dieses Haus einreißen, wenn ich es nur wollte' ließ er freundlicherweise weg, aber viel verändern würde das wahrscheinlich nicht. Sicherlich konnte der Riese eins und eins zusammenzählen, immerhin war er Mitglied einer Gilde, die Magiern wie der aufdringlichen Grinsebacke ein hohes Maß an Respekt entgegen brachte. Er sollte daher wissen, was man sich alles über die Söhne und Töchter der Drachen erzählte, auch wenn es sich objektiv gesehen bei ihnen auch nur um normale Menschen mit einer besonderen Ausbildung handelte... oder zumindest fast, nicht wahr? Konnte Seraphim sich nicht von Wind ernähren? Das war ja keine Frage des Trainings, immerhin konnte Ren zwar versuchen, sich diese Fähigkeit anzueignen, aber wahrscheinlich würde er im Prozess verhungern. Also mussten sie doch einen Teil der Drachenmagie verinnerlicht haben - was sie seiner Meinung nach klar über die Menschen hob. "Um also zum Thema zurück zu kommen~", er verkniff sich, unter seinen Fingernägeln nach Schmutz zu suchen, der sowieso nicht vorhanden war, "Welche Magie beherrschst du?"

Wer hatte denn auch mit so etwas rechnen können? Also mal ehrlich… Unter allen Magiern, die es weit und breit auf dieser Welt gab, musste Ren genau den verrückten Irren erwischen, der natürlich gern mit seiner Magie herausplatzte. Der Akuma ging ganz einfach davon aus, dass Menschen mit einer speziellen Fähigkeit, welche sie ja maßgeblich von allen anderen unterscheiden, nicht allzu geschwätzig wären. Immerhin verschaffte es einem ja im Kampf einen großen taktischen Vorteil und man offenbarte ja nicht nur sein Können, sondern auch seine Schwächen, wenn man damit hausieren ging… Doch gerade den Magier, den er hier vor sich hatte, juckte es scheinbar rein gar nicht. Ren ahnte, dass der Weißhaarige sich dieser Tatsachen und Fakten bewusst war, denn auf den Kopf gefallen, schien er trotz seiner nervigen Art nicht zu sein. War es vielleicht nur um Ren vorzuführen?
Dass er also auf die Aussage des Akuma erneut abwertend reagierte, blendete der Hüne einfach mal aus. Wenn er meinte blöd zu gucken, nahm Ren ihn mittlerweile ohnehin nur noch weniger ernst, denn das war kindisch. Ja richtig, wenn er erst einmal die Phase überwunden hatte, in der er sich maßlos einfach provozieren ließ, funktionierte sein Gehirn wieder so gut, dass er auch das Verhalten anderer nüchtern einschätzen konnte. Mit Tratsch kannte sich der Langhaarige nun wirklich nicht aus. Ihn interessierte es herzlich wenig was andere Leute taten, so lang er nicht direkt mit ihnen im Kontakt stand oder es ihm irgendetwas brachte das zu wissen. Wenn er jedoch wüsste an wem alles sich der Engel vergriffen hatte, würde er vermutlich umso mehr nach Abstand suchen, denn das wäre ihm gänzlich unheimlich. Frauen die ihm zu nahe kamen, waren ja schon eine Sache, mit der er so gar nicht konnte, aber Männer… Das wiedersprach ja allem, was sich gehörte! Zu sagen es wäre unnormal, war vermutlich intolerant, aber da der Wüstenjunge ohnehin noch nicht besonders lang die Normalität kannte, war für ihn alles was diesem Idealbild wiedersprach ein wenig unheimlich und mysteriös. Eben nicht ganz so üblich oder normal… Nicht, dass Ren davon Ahnung hatte, aber er persönlich hatte das noch nie erlebt. Es störte ihn auch nicht sonderlich was andere Menschen so trieben, nur sollten sie es am besten nicht unbedingt mit ihm tun… Und dann kam es aus ihm heraus…
Es war nicht einmal nur das was er sagte, sondern auch wie. Höhnisch, amüsiert und dabei kam er Ren sogar noch näher. Der Himmelsdragonslayer Seraphim… Na klar, war ja auch zu einfach, oder? Das mit dem Engel war nun sowas von sicher. Wer sonst in der Gilde sollte noch so direkt auf dieses Wort passen? Himmel, Seraph, Engel… das passte wie die Faust aufs Auge. Mal ganz von der Charakterbeschreibung von Naomi abgesehen. Auf seine Magie schien er sehr stolz zu sein und Ren war sich sicher, dass seine Offenheit nun auch damit zusammenhing, in welchem Gildenhaus sie sich befanden. Ren war zugegebenermaßen nicht sonderlich an den Drachen interessiert. Das heißt, dass er sich schon gern einmal eine Geschichte oder etwas anderes darüber durchliest und Informationen neugierig annimmt, aber er verehrt sie nicht oder Ähnliches. Da ihm jedoch viel an der Gilde liegt, was leider emotional bedingt und daher unumgänglich ist, tritt er ihnen und ihren Ziehkindern schon mit Respekt gegenüber. Was heißt Respekt… Eigentlich hat er ja zunächst vor jedem eine gewisse Art von Respekt, aber bei Seraphim wäre sie, wenn er nicht der wäre der er ist, schon längst verspielt. Egal… Dafür, dass er sich nun dort hineingeritten hatte, musste er auch das tun, was er angekündigt hatte. Eine Hand wäscht die andere… „Verstehe. Ich bediene mich an Dämonen Take-Over Magie…“ Woher auch der Name Akuma verständlicher Weise kam. Tada! Da waren sie sich mit der Kopplung von Name und Magie doch gar nicht so unähnlich, oder? Naja… Im Vergleich zu einem Dragonslayer war Rens Magie nicht allzu stark. Die komplette Verwandlung war schon sehr eindrucksvoll und stark, doch davon war der Akuma auch noch sehr weit entfernt… Er hatte sich viel zu lang nur auf das körperliche Training konzentriert und dies hang ihm nun nach. Dennoch wusste das sein Gegenüber ja nicht und Take-Over war vielleicht schon ein wenig interessanter als plumpe Elementarmagie… Da gab es ja noch die Dragonslayer die ohnehin jeden normalen Elementarmagier in den Arsch beißen konnten… Aber vielleicht war Ren ja damit langweilig für sein Gegenüber geworden, denn es war ja doch deutlich simpler… Man konnte ja noch hoffen, oder?

Dämonen-Take Over war tatsächlich eine bessere Antwort als jede Elementarmagie es sein konnte, weil Seraphim ein wenig etwas gegen Magier hatte, die solche ausübten. Zudem war sie natürlich auch eher langweilig, doch es kam dem Dragonslayer immer wie Magiediebstahl vor, wenn er diese Menschen die Elemente bändigen sah. Diejenigen, die diese Kräfte besaßen, waren eigentlich die Drachen, also sollte es seiner Meinung ihr Privileg sein, sie an andere weiter zu eben. Dass die menschengemachte Elementarmagie deutlich schwächer und uninteressanter war, war da nur ein schwacher Trost und sorgte im Allgemeinen nicht dafür, dass er solche Magiediebe deswegen höher schätzte. Besonders kritisch sah er Windmagier, weil es diese waren, die seine eigene Magie verschnitten hatten... da war ein Take Over doch noch besser. "Dämonen... ich habe eine Bekannte, die sich des Untoten-Take Overs bedient...", meinte Cyrus stirnrunzelnd und blickte Ren abschätzend an. Konnte es Zufall sein, dass jemand, der seinen Namen mit Akuma angegeben hatte, sich dieser Magie bediente oder war das so gewollt? Entweder er hatte nämlich gelogen, was seine Magie anging oder er hieß gar nicht Akuma - oder das Schicksal hatte sich einen Ulk erlaubt. Alle drei Varianten waren möglich, obwohl er geneigt war, ihm das mit der Magie abzunehmen. Den Namen wiederum eher nicht, zumal er hier unter Umständen einen neuen Punkt gefunden hatte, mit dem er den Riesen aufziehen konnte. Der begann nämlich langsam tatsächlich, ihn zu langweilen. Wahrscheinlich glaubte er sich damit am Ziel, weil er der Meinung, war dass ihn das dazu bewegen würde ihn in Ruhe zu lassen, aber inzwischen mochte das keine Alternative mehr sein. Seraphim hatte sich nun einmal in den Kopf gesetzt, sich mit dem Großen zu unterhalten - auf seine ganz eigene, spezielle Art und Weise natürlich - also sollte er mitspielen, wenn er nicht die Konsequenzen spüren wollte. "Du bist auf einmal so kurz angebunden, Akuma-chan... wenn das überhaupt dein richtiger Name ist...", schnurrte er mit traurigem Unterton, als würde es ihn bedrücken, ehe er Ren ein breites Grinse schenkte. Seraphims Gefühlsäußerungen waren nicht immer ernst zu nehmen und konnten manchmal sogar bedeuten, dass man besser aufpasste, was der Dragonslayer nun genau meinte. In diesem Falle schien er nämlich etwas ausgebrütet zu haben, was dem Dämon nicht allzu gut gefallen würde. "Also, Akuma-kun... da ich soeben beschlossen habe, dass wir den Tag zusammen verbringen werden - so als Gildenkollegen - finde ich, dass wir uns an die frische Luft begeben könnten... das ist doch viel schöner als hier, oder?~" Ja, und da ließ er sich auch nicht reinreden. Seraphim besaß eine sehr dominante Persönlichkeit, die keinen Widerspruch duldete, wenn er sich erst einmal ein Ziel gesetzt hatte. "Nach dir~"

Take-Over Magie war schon etwas ganz Besonderes. So empfand es zumindest Ren, denn für ihn war diese Magie absolut kein Zufallstreffer gewesen, sondern es war genau das, was einfach perfekt zu ihm passte. Während er als Junge in immer schiefere Bahnen abrutschte, kam die Dunkelheit immer näher und die Dämonenmagie fiel ihm quasi als Krönung in die Hände. Er hatte sich schon immer für solche Mythen interessiert und sich mit der Geschichte von Dämonen befasst. Naja, er war eigentlich generell recht belesen, aber das gehörte für ihn auf jeden Fall zu einem der wichtigsten Themen. Ob das anderen Magiern auch so ging? Es war schwer zu sagen, ob sich Seraphim großartig mit Engeln befasste, nur weil es seine Magie und auch sein Name irgendwie nahe legten. Außerdem hatte er, im Gegensatz zu Ren, eine größere Verbindung zu den Drachen als zu seiner Magie, oder? Jedenfalls füllte es den Akuma schon ein wenig mit Stolz zu sagen was er konnte. Egal ob Seraphim nun interessiert oder ablehnend reagiert hätte, es war für ihn so oder so eine Sache, über die er zwar nicht häufig, aber gern sprach.
Als er nun also anmerkte, dass er jemanden mit Untoten Take-Over Magie kennengelernt hatte, wurde Ren ein wenig neugierig. Dämonen waren schon eine düstere Sache, aber sich an Körpern von toten Menschen als Mittel zum Zweck zu bedienen, war vermutlich noch einen Zacken schärfer. Nichtsdestotrotz empfand Ren diese Art des Take-Overs auch als ziemlich spannend und er hätte es gern einmal gesehen… Allerdings waren die interessanten Themen schnell wieder vom Tisch, als der junge Mann begann sich darüber zu beschweren, dass Ren so kurz angebunden war. Wow. Hier scherte sich jemand so absolut überhaupt nicht darum, dass man unerwünscht war, hm? Ren musste sich ziemlich zusammenreißen, um ein Augenrollen zu vermeiden. Wieso konnte der Typ nicht einfach klein bei geben? Sicher war er so verwöhnt, dass er es nicht gewohnt war nicht das zu bekommen, was er gern haben wollte. So ein Drachenbalg bei Blue Pegasus bekam sicher gut Zucker in den Arsch geblasen. Dass er seinen Namen anzweifelte, ließ Ren dann aber aufhorchen. Ernsthaft? Wenn er Akuma hieß und Dämonen Take-Over hatte, inwiefern war das weniger auffällig als Seraphim zu heißen und Himmelsmagier zu sein? Ernsthaft? Also wenn hier die Namen nicht echt wirkten, dann ja wohl beide nicht! Aber dazu sagte er lieber nichts. Je langweiliger er war, desto besser war es doch sicher… Hoffentlich. Leider schien Seraphim aber noch immer nicht damit einverstanden zu sein sich ein neues Hobby zu suchen. Stattdessen machte er nun sehr deutlich, dass er noch den ganzen Tag mit Ren verbringen wollte. Es wäre gelogen, wenn er behaupten würde, dass er etwas vorgehabt hätte… Dennoch konnte er sich sicher eine millionen Sachen vorstellen, die besser waren als das hier. Und darunter zählte vermutlich sogar das abreißen seiner Fingernägel… Seine Mimik veränderte der Hüne nicht, hatte aber auch nicht vor wortlos und blind hinter dem Dragonslayer herzudackeln. „Sag mir wohin du willst und was du dort tun willst. Dann sage ich dir, was ich davon halte. Ohne Grund bewege ich mich eher ungern.“, versuchte er irgendwie diplomatisch zu klingen. Er hatte es im Gefühl, dass Ablehnung hier nicht viel bringen würde und ob er ihn irgendwo langweilte oder hier, spielte nun auch keine große Rolle mehr. Problematisch war nur, dass er da vor ihm nicht geschützt wäre. Auf der anderen Seite war es fraglich, ob er ihm ohne Grund einfach etwas tun wollte? Das wäre merkwürdig… Bevor er also folgte, wollte er wissen was Seraphim vorhatte und das sogar ohne ihm direkt einen Korb zu geben. Wenn das keine diplomatische Reaktion war, was dann?

Och, Ren wollte sich also nicht pauschal in die Höhle des Drachens begeben und sich Seraphims Willkür ausliefern? Den Grund dafür konnte man sich doch nicht ernsthaft vorstellen, immerhin war dieser doch so ein netter, vertrauenserregender Mann, genau die Sorte, der man kleine Kinder anvertraut. Wahrscheinlich würde er sie im nächsten Wals aussetzen, wenn sie sich nicht als Weibermagnet eigneten… aber das taten sie traurigerweise oft. Auch Naomi hatte das zu Anfang getan, als sie in diesem Zug auf seinem Schoß gesessen hatte, weil es nicht mehr genug Plätze gegeben hatte. Tatsächlich hatte sie es entgegen aller Erwartungen geschafft, den Dragonslayer nicht zu nerven, sodass er auf die Aussetzungssache verzichtet hatte, mal ganz davon abgesehen, dass er sie ja in einer Gildenangelegenheit begleitete und daher nicht alle Freiheiten hatte, die er ansonsten genoss. Man hatte sie ihm damals beinahe ebenso resolut aufgedrängt, wie er sich gerade dem Riesen aufdrängte – und ebenso wie Ren hatte er sich damals nicht wehren können. Der Große hatte nämlich das Problem mit der Stellung der Söhne und Töchter der Drachen in dieser Gilde, denn sie besaßen in ihr beinahe so etwas wie Narrenfreiheit. Sicherlich kam es auch nicht gut an, wenn man einen von ihnen im Gildenhaus angriff, aber das war nicht Seraphims Grund, aus dem er sich momentan hier aufhielt. Er war vielleicht vorsichtig, aber er wusste die eigenen Fähigkeiten doch ganz gut einzuschätzen. Analog dazu unterschätzte er gerne seine Gegner, was in Kombination miteinander dafür sorgte, dass er keine Angst vor Ren hatte. Er hatte generell vor fast gar nichts Angst, weil er sich für etwas so viel besseres hielt, dass ihm nichts das Wasser reichen konnte… und selbst vor Drachen hatte er mehr tiefschürfenden Respekt, als Angst. Die einzige Person, die ihn so etwas spüren lassen konnte, tat dies nicht, weil er ihn bedrohte, sondern weil er sich allemal Sorgen um ihn machte. Er konnte sich nämlich nicht vorstellen, was passierte, wenn ein gewisses Rothaar sich selbst verletzte oder irgendetwas tat, was es in Gefahr brachte… eben diese Person war es auch gewesen, die ihn dazu gebracht hatte, sich etwas mehr mit dem Heilaspekt seiner Magie zu beschäftigen. Natürlich waren seine Studien in dieser Hinsicht noch lange nicht ausgereift, aber mit der Zeit würde das schon noch kommen. Natürlich lernte er diese Zauber nur für eine Person, denn da er sich ja nicht selbst heilen konnte, blieben ja nur wenige Menschen übrig, zu deren Gunsten er so etwas unternehmen konnte… die Caritas war er nämlich nicht, er gab ja schließlich auch keine Almosen oder spendete. Das fand er albern.
Nun hatte Ren Seraphim also in den Zugzwang gebracht. Schlaues Kerlchen, immerhin musste er so eine kleine Denkpause einlegen, um sich zu überlegen, was er dem Take Over-Magier anbieten könnte, denn eigentlich war ihm das wo ja vollkommen egal. Es ging ihm um das wie, darum, ihn ein wenig zu ärgern, nicht aber darum, sich an einen bestimmten Ort dafür zu begeben. Es blieben also einige Möglichkeiten übrig, als er so darüber nachdachte und dazu gehörten zum Beispiel eine sehr interessante Ausstellung, eine gastronomische Einrichtung, überhaupt nichts oder sein Zuhause… zusammen gefasst also zum Großteil Dinge, die man dem Riesen nicht andrehen konnte. Er sah mit seinen zerfetzten Klamotten nicht gerade wie ein kulturell gebildeter Mensch aus und ob er ihn zu sich nach Hause begleiten wollte war ebenso fraglich wie Seraphims Bereitschaft, solch einen schmutzigen Menschen in seine Wohnung zu lassen… also strichen sie das lieber. Blieb etwas, das sowieso ein wenig in Seraphims Magengrube zwackte, zumal Ren ein wenig wie ein ausgehungerter Windhund aussah. „Was hältst du davon, wenn wir was essen gehen?“ Oh ja, wie oft bekam man schon eine Einladung zum Essen von einem Wildfremden mit komischem Humor, der auch noch aussah, als erwartete er eine Zusage und nahm dann nicht an? Zudem man nicht wissen wollte, wie jemand, der meist alles bekam, was er wollte, auf eine Ablehnung reagierte… „So unter Kollegen~“

Soweit so gut… Blind einem Fremden zu folgen, war etwas, was vermutlich kein Mensch gern freiwillig machte. Mal ganz davon abgesehen, dass einige vielleicht wahrhaft so dumm waren und es einfach taten, ließ Ren sich das nicht gefallen. Und selbst für den Dragonslayer war sicher die simple Frage danach was er denn vorhatte ganz sicher kein Beinbruch oder? Zwar zwang es ihn dazu sich erst einmal Gedanken darüber zu machen, was er überhaupt tun wollte, aber das tat weder ihm noch dem Hünen selbst weh. Ren ahnte schon, dass Ablehnen keine Alternative war, aber wenn er daran dachte, dass der Dragonslayer sich nun auf etwas festsetzen musste und Ren somit nicht mehr aus dem Konzept bringen konnte, dann war das schon ein kleiner Sieg für den Akuma. Sicher kein Großer, aber bei Seraphim war Ren mit allem zufrieden, was sich ihm bot. In seinem ganzen Leben war Ren noch keiner Person begegnet, die ihm so an den Fersen klebte. Meist wurde er die Menschen schnell durch seine etwas eigene Art oder dadurch los, dass er sie absichtlich vergraulte. Bei Seraphim hatte weder das eine noch das andere gezogen und er hatte das Gefühl, dass dieser Typ auch ganz genau wusste wie wenig Lust Ren auf die ganze Sache hier hatte. Nichtsdestotrotz hatte Ren sich dafür entschieden das jetzt auszubaden, denn jeder Fluchtversuch würde das Verlangen des Engels danach Ren auf die Nerven zu gehen sicher nur noch vergrößern…
Also stand die Frage im Raum: Was hatte der Dragonslayer denn nun vor? Er schwieg einen Moment, was Ren in dem Fall so deutete, dass er sich jetzt erst darüber Gedanken machte, wo er eigentlich hatte hingehen wollen. So lang es in keine Gegenden ging, die für Ren gefährlich waren, sollte das schon klar gehen. Wobei Ren sich selbst fragte, an welche Orte dieser Typ sie hätte bringen können, dass er nur für den Akuma gefährlich war? Nein, so ein hochnäsiges, verzogenes Drachenbalg ließ sich doch sicher nicht auf irgendwelche mysteriösen und gefährlichen Orte ein… Dass er seinen Willen gern durchsetzte, hatte er ja schon sehr deutlich gezeigt. Ren fragte sich ein wenig, ob ihm irgendjemand mal erklären könnte, dass Menschen keine Spielzeuge waren… Allerdings bezweifelte er, dass er sich so etwas sagen ließ und er wollte nicht derjenige sein, der sich diese Aufgabe antat. Was der Dragonslayer dann aber tatsächlich vorschlug, war halb so schlimm wie Ren erwartet hatte. War das eine Einladung zum Essen? Oder blieb er dann auf der Rechnung sitzen? Er hatte ein schlechtes Gefühl dabei… Wollte dem Typen aber auch nicht noch einmal deutlich sagen, dass er das zu zahlen hatte. Wer wäre er denn dann? … Egal. Ren nickte stumm. Ein Essen sollte schon in Ordnung sein, vor allem weil Essen doch immer eine gute Sache war, oder? „Klingt annehmbar. Dann zeig mir mal den Weg, Kollege.“, stimmte er also zu und ging durch die Tür des Gildenhauses. Hoffentlich bereute er diese Entscheidung nicht ganz so bald, wie es ihm sein Bauchgefühl bisher gesagt hatte…

Seraphim hatte nun weder objektiv noch subjektiv etwas dagegen, für das Essen eines wahrscheinlich leicht ausgehungerten Riesen aufzukommen, solange er ihn dafür in seiner Nähe behalten konnte. Nicht, dass er ihn wahnsinnig attraktiv oder so etwas fand, aber es machte Spaß, seine Reaktionen zu beobachten, eben, weil sie so ganz offensichtlich darauf aus waren, uninteressant zu sein. Er hatte im Gefühl, dass der Größere ihn wahrscheinlich gerne am Kragen packen und gegen eine Wand schleudern würde, aber es wahrscheinlich besser wusste. So ging es Seraphim auch manchmal, immerhin hatte auch er schon einmal Menschen auf diese Art behandelt, weil sie es gewagt hatten, einen bestimmten Rothaarigen zu verletzen. Dennoch hielt er sich meist zurück, wenn ihn der Drang überkam, jemandem weh zu tun, was allerdings auch daran liegen mochte, dass er wusste, dass es gemeinere Arten der Heimzahlung gab. Ein Schlag in den Magen oder sonst wo hin, tat nur einen kurzen Moment lang weh, während seelische Wunden nicht nur langsamer verheilten, sondern auch bedeutend mehr schmerzten. Tatsächlich war es für ihn ein legitimer Grund, mit jemandem anzubandeln - das aus dem Vorhaben heraus zu tun, ihm möglichst viel Schaden zuzufügen. Auf solche Methoden würde sich Ren wiederum wahrscheinlich nicht verlegen, so kam er ihm einfach nicht vor. Ob er besonders zivilisiert war, darüber ließ sich streiten, aber eigentlich schätzte er ihn als harmloser als sich selbst ein, wenn man denn schon so viel sagen konnte.
Seraphim grinste und machte ein paar Schritte in Richtung Ausgang, ehe er kurz den Kopf drehte, um sicherzugehen, dass Ren ihm auch brav folgte. Zum Glück schien dieser nicht auf dumme Gedanken zu kommen, sodass er sich schließlich unter freiem Himmel wiederfand und tief einatmete. Egal, wie sehr er das Gildenhaus von Blue Pegasus mochte, er konnte nicht umhin kommen, festzustellen, dass es ziemlich müffelte und man öfter frische Luft hinein lassen sollte. Der einzige Grund, warum er es also darin aushielt, war nicht nur seine Zuneigung, sondern auch die Höhe der Räume, in denen sich das Ganze wenigstens etwas verteilte. "Du hattest meine Frage noch gar nicht beantwortet, Akuma-kun~", säuselte er nach einem zufriedenen Blick in die Weiten des Himmels über ihm, "Was isst du gerne? Nicht, dass ich genau das treffe, was du so gar nicht haben kannst - das wäre ja eine Verschwendung~" Wenn man von seinem seltsam singenden Ton absah, könnte man doch fast meinen, er sei ein netter, junger Mann, dass er sich so um das Wohl seines Kollegen sorgte. Tatsächlich wollte er sogar, dass es ihm gefiel, aber das hatte weniger nette Beweggründe. Er konnte ihn so immerhin länger bei sich halten... zudem waren Informationen über seine Mitmenschen immer hilfreich.

Dass sich Rens Lust mit Seraphim essen zu gehen immer noch in Grenzen hielt, war gar nicht mal so leicht zu verbergen. Wo er zuvor noch die Taktik verfolgt hatte den Weißhaarigen abzuschütteln, indem er sich uninteressant darstellte, dachte er nun darüber nach einfach ein wenig normal zu sein. Dabei musste er sich mit Sicherheit einige Male zurückhalten und seine Wortwahl überdenken, doch dass sein Gegenüber nicht von ihm ablassen wollte, schien mehr als nur offensichtlich zu sein. So ging er also die wenigen Schritte durch die Tür des Gildenhauses und setzte die Füße in den abgelatschten Stiefeln auf das Kopfsteinpflaster. Wenn man es ganz objektiv betrachtete, war es eigentlich gar nicht mal so schlimm das alte Gebäude zu verlassen, da das Wetter recht nett war. Auch Ren verband mit dem Gildenhaus viel Positives, weil es für ihn ja die Zuflucht gewesen war, nachdem er seiner persönlichen Hölle entkommen war. Ren sah darin die letzte Mitgift seiner Mutter, welche ihm den Weg gewiesen hatte, auch wenn sie selbst davon wohl nie etwas geahnt hatte… Jedenfalls mochte er die Gilde, obwohl er das mit Sicherheit niemals so sagen würde, aber es lag ihm einiges daran dort bleiben zu dürfen… Trotzdem war dieses für ihn so heimatliche Gebäude oftmals zu gut besucht, zu voll und die Ausstattung war auch nicht mehr so frisch, weswegen es nicht immer ganz so angenehm darin war…
Aber nun waren die beiden ja draußen, an der angenehm warmen Luft, wobei Ren dies nicht wirklich genießen konnte, weil er einen kleinen, weißhaarigen Teufel im Nacken sitzen hatte. Diesen schien es zumindest etwas positiv zu stimmen, dass der Akuma sich hatte überreden und entführen lassen. Es war schon gewagt den Schutz des Gildenhauses zu verlassen, doch Ren glaubte daran, dass auch dem Weißhaarigen etwas an seiner Position in der Gilde lag. Wäre es da also angebracht spontan und ohne wirklichen Grund jemanden nieder zu machen? So lang es nur verbal war, konnte Ren dem schon irgendwie standhalten, auch wenn er die Worte von Naomi nicht vergessen konnte. Eigentlich war es nicht besonders nett so voreingenommen von jemandem zu sein, aber der Warnung der Blondine traute er irgendwie… Obwohl… Irgendwie musste sie ja auch mit ihm ausgekommen sein, oder nicht? Worin lag da wohl der Grund? Wie gewann man einen so speziellen Menschen für sich? Ach wieso dachte er darüber nach? Eigentlich wollte er ihm ja nicht näher kommen, als er es ohnehin schon war. Die Worte des jungen Mannes weckten Ren ein wenig, nachdem sie sich ja nun draußen befanden. Dieser wollte nämlich nun noch einmal wissen was der Hüne gern hätte. Wenn man es so sah, war diese Einladung schon eine ziemlich nette Geste und er wollte sogar wissen was Ren interessierte. Ob er es nur tat, um den ablehnenden Hünen ruhig zu stimmen, wusste er nicht wirklich, aber man konnte anderen Menschen, trotz eines gewissen Abstand, vielleicht eine Chance geben… Oder? Dass Ren es schwer fiel diese Frage zu beantworten, konnte man aber bestimmt auch sehen. Er kam ins Grübeln und kratzte sich am Kopf. Was aß er denn gern? Da fiel ihm das gemeinsame Essen mit Naomi ein! „Hm… Ich bin da nicht so anspruchsvoll, aber wenn es dir Recht ist, wäre ein Steak eine gute Idee.“ Er wollte ja nun auch nicht wirklich direkt sagen, dass sie dahin gehen sollten. Immerhin wurde er ja eingeladen, da wäre das ein wenig dreist… Was der andere wohl dazu sagte?

Steak war... so klischeetypisch, dass der Wunsch des Blauhaarigen ein schiefes Lächeln auf die Lippen des Dragonslayers zauberte. Natürlich: Echte Männer aßen Fleisch. Am liebsten besonders viel und besonders oft, auch wenn doch klar erwiesen war, dass allzu viel rotes Fleisch sehr gesundheitsschädlich war. Andererseits rasierten sich echte Männer auch nicht, stanken nach Schweiß und kratzten sich mit Vorliebe an gewissen hängenden Organen, alles Dinge, auf die Seraphim verzichten konnte. Einige von seinen Neidern behaupteten gerne, dass der Himmels Dragonslayer kein richtiger Mann war, weil seine sexuellen Präferenzen von denen der Masse abwichen, aber im Grunde genommen definierte sich dies doch weder über die Wahl seiner Partner, noch über sein Lieblingsessen - zumal Seraphim sicherlich nichts gegen Rens Vorschlag einzuwenden hatte. Seraphim mochte zwar Geflügel grundsätzlich lieber, aber gegen Fleisch hatte er tatsächlich selten etwas, vielleicht war das also doch eine typisch männliche Geschichte. "Steak... war zu erwarten gewesen~ Dann weiß ich, wo wir hingehen.", säuselte der Weißhaarige und strich sich eine wild in die Peripherie stehende Haarsträhne aus dem Gesicht. Wie gut traf es sich doch, dass er wusste, wo man in dieser Stadt so etwas bekam, in ansprechender Qualität natürlich. Seraphim hielt nichts von schlechtem Essen, was einer der beiden Gründe gewesen war, weswegen er Kochen gelernt hatte (der zweite war, dass man damit das weibliche Geschlecht beeindrucken konnte) und war gerne bereit, ein wenig mehr Geld dafür auf den Tisch zu legen, wenn es sich denn auch lohnte. Ren wiederum sah eigentlich so aus, als ginge es ihm vor allem darum, genug im Magen zu haben, um satt zu werden... Leute, die kein Geld hatten, waren irgendwie bedauernswert. Was war er doch froh, dass er geschickt genug war, sich das, was er brauchte, zu ergaunern... was würde er nur tun, wenn er dessen nicht fähig war? Natürlich konnte er sich von Luft ernähren, aber Geld hatte einfach den großen Vorteil, dass es das Leben versüßte. Seraphim war nun einmal jemand, der es sich gerne gut gehen ließ, auf seine spezielle Weise und wenn man das wusste, konnte man ihn vielleicht auch besser verstehen. All seine Handlungen zielten nur darauf ab, seinen persönlichen Lustgewinn zu maximieren, sei es indem er sich die Damen- und Herrenwelt zu Füßen legte oder Menschen piesackte, also Dinge tat, die ihm Spaß machten. Schaffte man es, sich in dieses Muster einzupassen, hatte er ja auch keine Probleme damit, mit diesen bestimmten Menschen etwas besser auszukommen... so ähnlich hatte Naomi das ja auch gemacht. Sie hatte es zum Beispiel von Anfang an vorgezogen, ihn mit "Seraphim-sama" anzureden, was ihn sicherlich milder gestimmt hatte, auch wenn er persönlich dies vehement abstreiten würde. Danach hatte sie darauf verzichtet, auf zu krassen Konfrontationskurs mit ihm zu gehen und hatte alle Spitzen seiner Seite sehr defensiv pariert, sodass er irgendwann darauf verzichtet hatte, sie zu ärgern. Stattdessen hatte er sich auf andere Dinge konzentriert, wie die Tatsache, dass sie zuckersüß war und nun kamen sie doch ganz gut miteinander aus, nicht wahr? Es war nicht unmöglich, mit ihm auszukommen, aber es erforderte eindeutig große persönliche Opfer. Wer diese nicht zu bringen bereit war, der würde es schwerer haben, sich mit ihm zu verstehen, auch wenn es sicherlich sehr vorteilhaft war, mit ihm befreundet zu sein. Immerhin konnte er heilen...
...und er hatte praktisch für alles Geheimtipps, was man in Oshibana oder generell auch in anderen Städten so tun konnte. Beispielsweise wusste er ein vorzügliches Steakhouse, das er ansteuerte, sobald Ren seinen Wunsch geäußert hatte. Das schöne daran war, dass es selten überlaufen war, weil es nicht auf große Werbung setzte, sondern darauf, dass die Kunde seiner Qualität sich unter den richtigen Menschen verbreitete - nämlich denen, die sich das auch leisten konnten. Es war nun nicht so, als handele es sich um den schlimmsten Edelschuppen, aber wirklich billig war das Essen dort sicherlich nicht - aber umso köstlicher. Allein der Geruch reichte aus, um den Dragonslayer stundenlang gefangen zu halten, während ein gefühlter Speichelbach aus seinen Mundwinkeln rann... wenn Ren es dort nicht wenigstens ähnlich ging, hatte der Junge keinerlei Geschmack. "Kannst du kochen, Ren-kun?~", fragte er nach einer Weile, denn einen kleinen Fußmarsch brauchte es durchaus bis zu ihrem Wunschziel. Natürlich hätte er Ren auch einfach hochheben und mit ihm hindüsen können, aber das tat er im Allgemeinen nur mit Leuten, die er flachlegen wollte, sonst war das eindeutig zu viel Aufwand für zu wenig Entschädigung.

~Pausiert~