Der junge Mann aus der Wüste hatte deutlich Potenzial Naomi heftig zum Lachen zu bringen. Allerdings verkniff sie sich das gehörig. Allerdings ging es ihr ein wenig auf den Keks, dass er scheinbar Freude daran hatte, alles irgendwie negativ erscheinen ließ, sobald sie es sagte, allerdings musste sie damit klarkommen. "Weißt du, das hört sich toll an, die junge Dame, die ich damals bei mir hatte, hat auch keinen um den Finger gewickelt, sie hat mich gefesselt an die Räuber übergeben, war eine große Hilfe, in solchen Situationen nützen weder niedliche Augen noch ein weiblicher Körper, außer man will zu den Fesseln auch noch eine gröbere Behandlung haben, welche ich ebenfalls bereits hinter mir habe und ich muss sagen, es war das ruhige Bad, was ich nehmen wollte nicht wert. Ich bin vielleicht noch nicht erwachsen genug, um meinen Körper als Pfand für irgendwas einzusetzen", wusste er überhaupt, wovon er sprach, Bilder in Naomis Kopf manifestierten sich, Phantomschmerz kehrte zurück und am liebsten hätte sie laut geschrien und irgendwo gegen gehauen. Doch auch das unterließ sie, denn einen ganz so verzweifelten Eindruck wollte sie dann doch nicht hinterlassen. Allerdings hatte sie die Knie an den Körper herangezogen und die Arme darum gelegt. Sich am liebsten zu einer kleinen Kugel gerollt und davon gekugelt.
Was Lynx anging schienen sie jedoch auf einen Nenner zu kommen, immerhin etwas, wo sie sich einig waren. Sie hatte gerade den Kopf auf die Knie gelegt, als er sich erneut erklärte. Diese Erklärung rang ihr ein Schmunzeln ab. Männer würden denken er wäre ein Bro? Onkel Gideon würde ihn dafür grillen lassen. Masaru und Akira würden wahrscheinlich schräg gucken und sich befreien und Seraphim, kurz schenkte sie Ren einen prüfenden Blick, der würde den Kerl direkt in sein Schlafzimmer ab zitieren. "Also ich kenne mindestens einen Kerl, der dich danach sicher mit nach Hause nehmen würde, aber nicht als Bro, sonder mehr als Spielgefährte und ich kenne mindestens ein weibliches Wesen, was nicht so verblendet ist zu denken, ihre Wäsche wäre das, was du damit erreichen wolltest. Aber gut, ich will dir deine Meinung lassen, es gibt sicher genug Menschen, die so denken, wie du es beschrieben hast." Das Mädchen erhob sich und arbeitet sich Richtung Ausgang vor. Es war wirklich schwerer diesen Kerl zu mögen als sie erwartet hatte, aber auch das würde sie noch hinbekommen immerhin hatte sie einen Dickschädel und den würde sie durchsetzen. So ätzend konnte er nicht sein, dass sie ihn nicht mögen konnte.
Dennoch war seine Meinung dazu, wie Frauen bei der Arbeit vorgehen sollten reichlich herabwürdigend. Ob er mit dieser Art von Charme schon jemals einer Frau die Zunge gelockert hatte? Hoffentlich nicht, denn das wäre wirklich ein schwarzer Tag für Frauen allgemein. Heiratsantrag mit den Worten: Verkaufe mir deinen Körper und ich deale damit? Dumpf schlug Naomis Stirn gegen die Tür des Waggons als sie die Augen zusammengekniffen sich nach vorne hatte fallen lassen. Ein Flüstern in ihrem Kopf, sie wusste noch, was Jonathan an dem Morgen sagte, an dem er ihr mehr Schmerz beigebracht hatte, als sie je erklären könnte und würde. Niemand sollte Genaues darüber wissen, obgleich einer wahrscheinlich besser wusste, als sie selbst, was vorgefallen war, aber das war nicht Ren, vielleicht wusste er, was passiert war, aber nicht welche Umstände es zu einem wiederkehrenden Horror machten. Die Tür ging auf und das blonde Mädchen stolperte heraus.

Als Souta das letzte Mal eine Wohnung bezogen hatte, war er ein Teenager gewesen, der nichts besaß, außer eben das, was er am eigenen Leib trug, daher hatte sich der Umzug relativ einfach gestaltet. Doch im Laufe der Zeit – und man mochte fast meinen, dass der Rothaarige für seinen anfänglichen Mangel an Möbel aufkommen wollte – hatte sich das kleine Apartment in Hosenka Town mit Leben gefüllt, mit Pflanzen, Büchern und generell eben mit dem Kettenmagier. Es war sein Reich gewesen, eine typische Junggesellenbude, die zwar immer sauber, aber nie ordentlich gewesen war. Dann war er Hals über Kopf aufgebrochen, hatte die Wohnungstür abgeschlossen und alles darin hinter sich gelassen, um durch Fiore zu irren und letztendlich sogar mitten im Wald zu landen. Es war dementsprechend einige Monate her, dass er das letzte Mal längerfristig in ein Haus eingezogen war, das kein Hotel war – und er hatte noch nie jemanden gehabt, der mit ihm Bücherkisten, Topfpflanzen und Bettgestelle schleppte, der ihm dabei half, seine Regale aufzubauen, die Küche zu beladen, der sich anhörte, dass Souta der schnellste und einer der geschicktesten Menschen Fiores war und die Wahrscheinlichkeit 0,0% betrug, dass er von einer noch so wackeligen Trittleiter fiel, weil er eine Lampe aufhängen wollte und der das Teil trotzdem festhielt, einfach so. Das war alles neu und aufregend, ungewohnt sogar. Sonst war er immer nach draußen gegangen, um Spaß zu haben und sich mit Leuten zu treffen, aber nun verstand er den Charme des Zuhausebleibens, immerhin gab es seit Kurzem eine Person, vor der man sich kaum verabschieden konnte, ehe sie auch schon wieder an seine Haustür klopfte, ganz egal ob er gerade auf der Couch gammelte oder unter der Dusche stand, wobei Souta ja insgeheim vermutete, dass es eine Relation zwischen dem aus seinem Badezimmerfenster nach oben dringenden Wasserdampf und seiner Klingel gab, aber man wollte tüchtigen Einzugshelfern ja nichts Bösartiges unterstellen, also hatte er auch davon abgesehen, derartige Dinge anzusprechen und sich stattdessen darauf konzentriert, das einzige Foto, das er besaß, in einen Bilderrahmen zu stecken und es unter eine Smileyuhr an seiner Küchenwand festzunageln, wo er es immer sah, wenn er den Kühlschrank besuchte. Im Grunde genommen wäre der Rothaarige zufrieden damit gewesen, sich in seine Wohnung einzuigeln und sich höchstens einmal nach draußen zu begeben, um eine Etage höher zu klettern (wobei er herausgefunden hatte, dass man an der Fassade auch ganz wunderbar hochkonnte, um dann über den Balkon einzusteigen), aber leider neigten sich seine Nahrungsvorräte langsam dem Ende zu. An sich kein Problem, er konnte ja einkaufen gehen, aber dazu brauchte man bekanntlich Geld, und das war ... Na ja. Das war größtenteils für Mietvoranzahlungen, unbedingt ersetzenswerte Möbel und Kleinkram draufgegangen. Da er Seraphim nicht um Geld anpumpen wollte – das war definitiv unter seiner Würde – dachte er in den letzten Tagen öfter darüber nach, sich eine neue Quest zu angeln, schließlich war seine Magiertätigkeit eigentlich das Einzige, was er wirklich zu Geld machen konnte, wenn man so ehrenswert war, seine Künste nicht für Glücksspiele zu benutzen, aber darauf käme er als ehrliche Haut natürlich nie. Die Gilde an sich mochte er zwar nicht wirklich, aber er konnte immerhin die Faszination für Dragonslayer verstehen und konnte sich dazu herablassen, riesengroße Reptilien cool zu finden, daher sollte es kein Problem sein, mit den anderen Mitgliedern auszukommen, vorausgesetzt, sie waren nicht allzu fanatisch bei der Sache und zwangen ihn nicht, "Ode an die Nüstern" oder soetwas zu singen. Als trotz Hyperaktivität erstaunlich fauler Mensch hatte Souta aber natürlich damit gewartet, sich aus der Wohnung zu zwingen, bis sich etwas über ihn ergoss – wie ein Tsunami, ahahaha – dem er nicht ausweichen konnte, weil er eben alles bis auf den letzten Drücker verschob. Glücklicherweise war sein Tsunami also keine Mietmahnung und kein Hungertod, sondern ein weißhaariger Magier, der ihn ungefragt aber wenigstens nicht ganz gegen seinen Willen mit sich in das Gildenhaus von Blue Pegasus zerrte, was seiner Meinung nach schon von Weitem einem abartigen Gestank ausdünstete, der nur von den Drachenschuppen kommen konnte, die man dort verbrannte. Trotzdem war es natürlich DIE Chance auf Kohle, also beschwerte er sich nicht – wann tat er das eigentlich jemals, mal ehrlich? - und folgte auf den Fuß, mit fröhlicher Laune und lockerem Gemüt. Es brauchte nur ein bisschen Sonnenschein und angenehme Gesellschaft, um ihn zumindest äußerlich glücklich zu machen, aber heute war er innerlich auch ganz entsetzlich flauschig, woher das kam, wusste er selbst nicht so genau, aber es war ja auch egal. "Heute ist ein toller Tag!" Er machte einen Schritt nach vorne und tänzelte einmal um den Weißhaarigen herum, driftete zur Seite ab und rammte fast eine etwas verschreckt aussehende Passantin, die er mit einem charmanten Lächeln abspeiste und kurz abcheckte, ehe er sich wieder auf eine Ebene mit Seraphim begab. "Ich bin so gut drauf~ Sera~phim, Seraphi~him, Seh~eraphim ..." Hatte der eigentlich schon mal bemerkt, wie melodisch man seinen Namen aussprechen konnte oder war er eher nicht der Typ dafür, der auf offener Straße herumträllerte?

Ob Souta wohl schon einmal darüber nachgedacht hatte, warum der Dragonslayer sich mit seinem Nachnamen vorstellte, anstatt einen seiner Vornamen zu verwenden? Das lag sicherlich nicht daran, dass diese hässlich waren oder unrühmliche Bedeutungen hatten, die Wahrheit war einfach nur, dass sein Familienname sie in Sachen Eleganz und Melodik noch um längen schlug. Der Name Seraphim wirkte nicht nur deutlich unschuldiger und heiliger als ihr Träger, sondern war auch lang genug, um nicht verschluckt zu werden, jedoch kurz genug, um einfach im Gedächtnis kleben zu bleiben, kurz: Er war ziemlich perfekt. Zudem hatte sein Vorname sich zu etwas etabliert, was nur einigen wenigen Menschen preisgab, weil er enger mit seiner Kindheit verknüpft war, wo man ihn laut Berichten zu gerufen hatte. Inzwischen war er aber nicht mehr Kleincyrus, der am Rockzipfel seiner Mutter hing und auf alles erst einmal schüchtern und zurückhaltend, wenn nicht gar ängstlich reagierte, sondern Seraphim, der dem Neuen hinterherjagte und ihm an die Wäsche wollte - um das mal zu vergleichen. Es war deswegen durchaus angebracht, sich mit einem anderen Namen anreden zu lassen, zumal alle seine Verwandten tot waren und niemand sonst so heißen würde wie er - das wäre ja auch zu schön. "Macht es Spaß, meinen Namen in die Länge zu ziehen, Souta-chan?~", flötete er spöttisch, als sein Trabant beinahe eine Passantin umgerannt hätte und hielt nach weiteren Menschen aus, die Souta unter Umständen sonst niederwalzen würde. Nicht, dass ihn das persönlich stören würde, aber er musste sich nicht unbedingt mit Bewohnern der Stadt streiten, in deren Gilde er arbeitete - zumindest nicht, solange es dafür keinen triftigen Grund gab. Er nutzte sie davon abgesehen sowieso meist nach Strich und Faden aus und wenn man sich in die richtigen Kreise bewegte, wusste man dort über ihn Bescheid. Allerdings waren die meisten dieser Klatschtanten eh in keinem relevanten Alter oder Aussehenszustand, weswegen es ihn nicht sonderlich interessierte, was sie über ihn dachten. Die einzigen Momente, in denen dieses Informationsnetzwerk nervig war, waren solche wie im Haus einer Gildenkameradin, in dem ihr Vater ihn wahrscheinlich realistischer als sie eingeschätzt hatte, obwohl das in diesen Falle nicht angebracht gewesen war.
Das Gildenhaus von Blue Pegasus war nicht zu verfehlen und unverwechselbar. Nicht nur sah es aus wie eine monströse Kathedrale, die der Unterwelt samt Schuppen und Klauen entsprungen war, man (oder zumindest er) roch es auch noch Meilen gegen den Wind, weil in Räucherstäbchenhaltern statt eben diesen langsam Drachenschuppen vor sich hin schmorten. Da diese von Natur aus recht hitzeresistent waren, hielten sie im Allgemeinen deutlich länger als alle Räucherstäbchen, die je von Menschenhand erschaffen worden waren, sodass der Verbrauch der Gilde sich in Grenzen hielt. Alles andere hätte Seraphim auch nicht gutheißen können, da man zwar nur die Schuppen von bereits toten Drachen sammelte, aber selbst das bedeutete im Grunde Leichenschändung... alle Dinge hatten zwei Seiten, die ab und an mal in Betracht gezogen werden mussten. Als Seraphim durch den Eingang schritt, die Hände in den Taschen seiner dunklen Jeans, die Sweatshirtjacke locker um seine Gestalt wehend, war bereits klar, dass es heute wohl schwer werden könnte, an einen sinnvollen Auftrag zu kommen. Wenn das Wetter schlecht war, traute sich niemand aus dem Haus, war es dagegen so schön wie heute, fiel allen ein, dass sie ja mal etwas Geld in die Kasse bringen konnten. Er fragte sich manchmal, wie viele Leute wohl einfach nur Mitglieder in der Gilde geworden waren, um damit ordentlich zu verdienen und wie wenige die eigentliche Idee dahinter wertschätzten. Violette Augen fuhren nach oben, wo steinerne Drachen die Säulen der Wände zierten und aus schlitzförmigen Pupillen auf die herabsahen. Wenn sein Zeitplan es zuließ, würde er wohl mal wieder seine Mutter besuchen gehen, denn das war langsam überfällig - doch erst einmal musste er diese nervigen Leute von seinen Quests wegscheuchen! "Hey, macht mal Platz!", warf er mit leicht barschem Unterton in die Runde, als er sich dem Questboard näherte, das momentan eher einem Ameisenhaufen ähnelte. Die wenigen, die seiner Aufforderung keine Folge leisteten, wurden einfach beiseite geschoben, bis er einen guten Blick auf die aushängenden Aufträge werfen konnte. Es dauerte auch nicht lange, bis er etwas fand, was ihm zusagte. "Wie wär‘s mit dem hier...?", fragte er schließlich und deutete auf einen Zettel, der eine in seinen Augen recht erschwingliche Quest verkündete.

Souta hatte natürlich Erfahrung damit, Teile von Namen zu verschweigen, auch wenn seine Gründe natürlich etwas pragmatischer als die von Seraphim waren: Sein voller Name war einfach schrecklich. Lang, schwer und mit einer unangenehmen Bedeutung behaftet lag das "Itasa Soutanobu" auf der Zunge, während "Souta" kurz und knackig war. Man konnte ihn angenehm schreien, ja, durch den Vokal am Ende konnte man ihn sogar ins Unendliche verlängern, was beispielsweise ein Vorteil war, den sein Name gegenüber dem seines Gildenkameraden hatte. Aus eigener Erfahrung wusste der Rotschopf nämlich, dass man höchstens in der Mitte mit langen Vokalen arbeiten konnte, so dass es in ganz extremen Situationen höchstens zu Verstümmelungen des eigentlich so schönen Wortes kam. Und schön war es ja, bedeutete es nicht "Engel" oder soetwas Ähnliches? Vollkommen falsch zwar, aber dennoch bedeutungstragender als die plötzliche Gewichtszunahme, die sein eigener Name verkündete. Letzteres war natürlich vollkommen aus der Luft gegriffen, da Souta einfach nicht dick wurde, egal wie viel er aß. Sein Stoffwechsel hatte da nämlich immer noch ein Wörtchen mitzureden und das bestand meist aus einem dicken, fetten NO zu überflüssigen Pfunden. Der einzige Weg, spontan zur Kugel zu mutieren, wäre für ihn also ohnehin nur die Produktion von kleinen Wattebäuschen, aber nicht einmal das funktionierte so rein anatomisch, also musste er sich darüber keine Sorgen machen und einfach nur akzeptieren, dass sein Name eben keine herausragende Bedeutung hatte, mit der er angeben konnte. Als wäre das ein gewichtiger Faktor, wo er doch eigentlich nicht einmal einen Grund dafür brauchte, mit irgendetwas anzugeben ... Na ja. Kurz überlegte Souta, ob es vielleicht witzig wäre, einen Scherz darüber zu machen, dass man das mit dem tollen Nachnamen ja theoretisch ändern könnte, entschied sich dann aber dafür, dass das vermutlich nur in seinem Kopf lustig war und statt eines entgeisterten Blickes vermutlich eher einen Konter in seine Richtung hervorrufen würde, und er wollte wirklich nicht einmal mental in ein Brautkleid gesteckt werden. Er ging deshalb eher dazu über, durch die Gegend zu wirbeln und dabei natürlich niemanden zu rammen – er war schließlich geschickt genug, um ein paar Menschen auszuweichen, während er eine spontane Ballettaufführung gab – außer hin und wieder die Schulter des Weißhaarigen, aber selbst der sollte ja mittlerweile wissen, dass der hin und wieder scheinbar zufällige Körperkontakt des Rotschopfes in Wirklichkeit einfach nur subtilere Varianten der echten Sache waren, die er sich in der Öffentlichkeit nicht ganz zu tun traute: Eng Schulter an Schulter zu stehen hatte zum Beispiel durchaus etwas von Händchenhalten, auch wenn der tatsächliche Akt fehlte. Souta wusste selbst nicht ganz, warum er den Älteren eigentlich immer anfassen wollte. Vielleicht versuchte er zu kompensieren, vielleicht wollte er sich nicht mit der weiblichen Rolle zufrieden geben und deshalb das tun, was der Mann eigentlich so tat, abgeschwächt natürlich. Und selbstverständlich gab es da eigentlich überhaupt keine Rollen, weil sie ja nicht einmal eine Beziehung hatten, aber wenn es die geben würde, dann wäre Souta eben ganz klar nicht die Frau, sondern einfach nicht so sehr der Mann wie der andere Mann. So. Wer brauchte schon Rollenbilder? Abgesehen davon, wer sagte schon, dass Seraphim ihn genauso toll finden würde, wenn er eine Frau war? Wieso dachte er darüber eigentlich nach? Er wollte doch nur durch die Gegend wirbeln ...
Zum Glück wurden seine Gedanken bald unterbrochen, weil es schwierig war, in einem Gewusel von Leuten den roten Faden innerhalb seines Kopfes zu erhalten, zumindest für jemanden wie Souta, der ja doch eher extrovertiert ausgerichtet war und somit immer wieder von hübschen Gildenmitgliedern abgelenkt wurde, die ihm Lächeln oder Blicke zuwarfen, die er allesamt erwidern wollte. Das Questbrett interessierte den Rothaarigen nicht allzu sehr, weil Seraphim schon damit beschäftigt war, ihnen das Ansprechendste auszusuchen, so dass er sich eher mit dem Strom der Leute tragen ließ, bis er letztendlich gegen den Rücken des Älteren stieß, weil sich die Schaulustigen wieder enger um das heiß begehrte Brett drängten. Souta legte dem Himmelsmagier die Hände auf die Schultern ("Ah, Seraphim!"), damit er ihn nicht aus Versehen umrempelte und ging auf die Zehenspitzen, damit er besser sehen konnte, worauf er zeigte. Für ein paar Sekunden studierte er das Ausgeschriebene still. Hm ... ein Spion also. Das klang doch eigentlich wirklich recht gut. Er hatte schon länger keine Aufklärungsarbeit geleistet, abgesehen davon mochte er Marokkasu Town ja eigentlich. Dort konnte man viel machen, weil es eben die Hauptstadt war. "Okay, lass uns das Ding einsacken", meinte er, etwas gepresst, und wedelte mit dem Arm, bis er den Zettel greifen konnte. Enthusiastisch riss er die Aufgabe vom Brett und zog sich dann aus der unmittelbaren Ameisenhaufenreichweite etwas an den Rand des Gildenhauses zurück, damit er die Details genauer studieren konnte, die ihn eigentlich nicht wirklich interessierten, weswegen er den Zettel auch eher für Weißhaarige verwahrte, die schon eher darauf bedacht waren, alles zu planen. Sofern die nicht schon zertrampelt worden waren, verstand sich.

Der Grund, aus dem Seraphim sich für diese Quest entschieden hatte, war schlicht gesagt seine Faulheit. Zwar hatte er nichts dagegen, das eine oder andere Mal an seine körperlichen Limits zu gehen und sich seine Grenzen dabei neu zu definieren, aber zu oft in einer Reihe musste er das nicht tun. Vor etwa zwei Wochen hatte er eine gesamte Woche der Arbeit gewidmet, wenn man das mal so nennen wollte, und hatte Piraten und einem Tsunami gezeigt, dass man sich nicht mit dem Himmels Dragonslayer anlegte, also fand er, dass er es nun mal wieder etwas langsamer angehen lassen durfte. Das Problem, was sich dabei Magiern aufdrängte, war allerdings das System, nach dem ihre Quests belohnt wurden: Für schwierigere, oft riskantere, Arbeit gab es natürlich auch mehr Lohn, was ziemlich selbstverständlich war, wenn man so drüber nachdachte. Ganz ohne einen finanziellen Anreiz wollte der Dragonslayer allerdings auch nicht arbeiten, zumal er sich sicher war, dass er nicht derjenige war, der am meisten davon profitieren würde, sondern der Augenklappenträger. Eine Quest zu finden, die nicht Leib und Leben gefährdete - zumindest nicht auf anstrengende Art und Weise -, die aber immer noch genug Jewel einbrachte, war eine Gratwanderung. Deswegen war er froh, dass er diesen Auftrag gefunden hatte, der ihn zur Abwechslung eher weniger körperlich, sondern eher mehr geistig fordern würde. Es ging, wenn man dem Anschrieb Glauben schenken wollte, darum, einen Spion zu fangen, jemanden, der Regierungsinformationen von höchster Stelle klaute und dann an diejenigen weitergab, die damit nur Unheil anrichteten. Der Auftrag würde sie ins Herz der Regierung von Fiore führen, nach Marokkasu Town, wo er vergleichsweise selten nächtigte. Umso häufiger ging er dort ins Theater oder besuchte Konzerte, weil es dort von Zeit zu Zeit wirklich gute Veranstaltungen gab. Sein letzter Besuch dieser Art war im Café Bijou gewesen, wo ein sehr virtuoser, aber dafür recht wenig männlicher Pianist seine Aufwartungen gemacht hatte. Einen Abend lang hatte er sich in Klangorgien ergeben, die den Zuhörern wechselnd Gänsehaut und Lächeln entlockt hatten, bis er schließlich unter stürmischem Applaus die schachbrettartig gemusterte Bühne verlassen hatte. Am selben Abend hatte er auch eine interessante junge Dame kennen gelernt, die ihm mit fortgeschrittener Zeit fast die Hand gebrochen und ihn gebissen hatte... alles so Dinge, die als Teil einer Erzählung vielleicht seltsam anmuteten, aber damals vollkommen natürliche Konsequenzen waren. Schließlich hatte er ein Kartenspiel gegen sie gewonnen und ihr damit ihren Vornamen entlockt, den sie zuvor nicht hatte preisgeben wollen. Vielleicht würde er diese Yureiko ja noch irgendwann mal wieder treffen, das würde sicherlich sehr interessant werden, vor allem, sollte sie je herausfinden, dass er bei besagtem Spiel tüchtig betrogen hatte - aber das tat er bekanntlich immer, wenn irgendetwas auf dem Spiel stand. Hätte er verloren, hätte er ihr seinen Namen verraten müssen, das wäre nicht allzu tragisch gewesen, aber er hatte sie einfach verlieren sehen wollen. Ihr Temperament war ziemlich explosiv gewesen, ihre Geduld praktisch nicht vorhanden, da hatte er austesten müssen, ob sie beim Unterliegen an sich würde halten können. Den Namen hatte er gewonnen, zu mehr hatte er sie aber nicht überreden können, auch wenn sie gar nicht mal schlecht ausgesehen hatte. Vielleicht irgendwann später mal, denn er hatte irgendwie im Gefühl, dass sie ihm schon nicht weglaufen würde. Jemand, der so drauf war, hatte weder Freunde noch Liebhaber, das machte ihn in der Hinsicht noch entspannter, als er ohnehin schon war.
"Na dann lass uns Spione jagen gehen, Souta-chan~", schmunzelte er, als sie sich aus dem Magierknäul befreit hatten, das das schwarze Brett innerhalb weniger Sekunden schon wieder neu umschwärmt hatte. Er stellte sich diese Aufgabe als eher geistig fordernd vor, als eine Art Denksportaufgabe und etwas, das Takt- und Fingerspitzengefühl erforderte. Wenn er gut drauf war und ihm die Sache Spaß machte, konnte man damit bei ihm sogar rechnen, auch wenn er ansonsten ja geradezu dreist werden konnte. Es sei denn natürlich, ihr Auftraggeber würde sich als hübsche, junge Frau mit gewaltigen... Händen... herausstellen - dann würde er wohl so dermaßen charmant sein, dass man mit einem Mopp hinter ihm herwischen musste.

Souta war noch nie in seinem Leben in einem Konzert oder einer Theateraufführung gewesen, und er hatte um ehrlich zu sein auch nicht vor, dieses Defizit in allzu naher Zukunft auszugleichen. Er war sich nicht einmal sicher, ob er nachgeben würde, wenn Seraphim ihm Karten besorgen und ihn auf eine derartige Vorstellung einladen würde, weil ihn dieses ganze Zeug einfach nicht die Bohne interessierte. Für ihn war das nur Gewinsel, stundenlang auf einem Platz hocken und schweigen. Wenn irgendjemand eine Folter für Souta erfinden wollte, durfte er sich gerne von dort bedienen, es gab nämlich wirklich kaum etwas, was ihn nervöser machen würde, als stillzusitzen, wenn ihm das gebotete Programm nicht mundete. Daher dachte Souta auch bei Marokkasu Town nicht an prunkvolle Opernsäle und Theaterhallen in merwkürdigen Cafés – ernsthaft, da ging man doch nur zum Essen hin, oder? - sondern eher an dunkle Clubs mit beweglichen Tänzerinnen, einer extraterralen Menge Alkohol, Gekreisch und nackte Haut, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Der Rotschopf mochte zwar viel lesen und auch ansonsten nicht ganz auf den Kopf gefallen sein, aber so gebildet, dass er in Opern ging, war er dann doch nicht, da differenzierten die Interessen der beiden jungen Männer doch tatsächlich einmal recht deutlich voneinander, wobei das ja natürlich nicht schlecht war, schließlich wurde es ziemlich schnell langweilig, wenn man sich in allen Punkten perfekt verstand. Außerdem hatte Souta sowieso relativ wenig Hoffnung, dass die Quest ihn in Etablissements zur geistigen Annäherung entführen würde, denn bisher schwebten ihm eher langweilige politische Machenschaften vor. Er konnte wahrscheinlich schon froh sein, wenn er dem Spion am Ende eine runterhauen konnte und musste sich sonst auf seinen scharfen Verstand verlassen, der ja durchaus zu etwas taugte, wenn man denn seine Aufmerksamkeit halten konnte. Hätte man sich in seiner Kindheit auch nur ansatzweise dafür interessiert, hätte man vielleicht soetwas wie ADHS bei ihm diagnostizieren und behandeln können, allerdings hatte man das versäumt und nun war Souta eben dezent lernbehindert, oder vielleicht auch einfach nur unverbesserlich. Beispielsweise stachen die Hummeln in seinen Hintern schon wieder ganz gewaltig von dem nutzlosen Herumstehen, so dass er die Aussage des Älteren, sie mögen jetzt einen Spion jagen, eher als Startschuss wertete, seine altbekannte Leier des 'Am-Arm-Packen-und-Mitreißens' auszuführen, die wie immer bahnbrechende Erfolge erzielte und die beiden erst nach Hause für die Ausrüstung – schon interessant, dass "nach Hause" jetzt irgendwie auf sie beide gleich zutraf, egal – dann zum Bahnhof zu befördern, wo er Seraphim die Ehre überließ, sich die nötigen Fahrkarten und Routen zu besorgen, und ihm dann fröhlich hinterherhoppste, auf dem Weg ins Zugabteil und später natürlich in den Speisewagen, denn der war ja bekanntlich sein liebstes Unterhaltunsgmittel während langer Reisen. Diesmal war es sogar gerechtfertigt, er hatte nämlich aufgrund des überstürzten Aufbruches kaum gefrühstückt, was man natürlich nicht so handhaben konnte, wenn man ihn bei Laune halten wollte ...

tbc: "Liebesgrüße aus Marokkasu" - Marokkasu Town

Rückblickend betrachtet, versprach aus dem heutigen Morgen ein ganz normaler Tag wie jeder andere zu werden. Ren war mit dem richtigen Fuß aus dem Bett aufgestanden, hatte sich warm geduscht und ordentlich gefrühstückt… Ja, eigentlich versprach es fast sogar ein guter Tag zu werden. So gut, dass Ren sogar beschloss sich heute vielleicht noch eine Quest auszugucken. Wenn er so darüber nachdachte, dann stand er mit dem Geld für die nächsten Tage noch ziemlich gut da, aber wer weiß, ob es ihm demnächst immer noch so gut ging wie jetzt gerade? Aus diesen Schlussfolgerungen heraus beschloss der Akuma das Haus relativ frühzeitig zu verlassen und sich mit gemächlicher Ruhe in Richtung des Gildenhauses zu bewegen…
Dort angekommen, öffnete der Hüne die Pforte und zu seiner Überraschung sah er vor sich ein schon erstaunlich volles Haus. Nach wie vor konnte Ren es nicht nachvollziehen, dass viele Gildenmitglieder ihre Freizeit auch hier zum Spaß verbrachten. Man traf sich mit anderen, feierte oder Ähnliches… Auch wenn das in einer solchen Gilde nicht ganz so ausartete wie bei anderen, waren sie dennoch nur miteinander beschäftigt. Nein, das verstand der Hüne nicht wirklich. Immerhin machte es für ihn wenig Sinn. Man diniert nicht, wo man arbeitet… Diese Meinung vertrat er zumindest. Und wenn er tatsächlich mal das seltene Bedürfnis hatte jemanden aus seiner Gilde wieder zu treffen, dann würde er das sicher nicht in der vollen Hütte hier tun. Viel zu viele Leute waren hier und es nervte endlos, wenn es so voll war. Mal ganz davon abgesehen, dass Ren noch nie in seinem ganzen Leben das Bedürfnis hatte jemanden wiederzusehen, mit dem er bereits zusammengearbeitet hatte. Erstrecht nicht in seiner Freizeit… Aber nun genug dazu…
Ohne sich direkt auszugucken, was er heute anstellen wollte, beschloss er sich erst einmal an die Theke zu setzen und die potentiellen Mitstreiter anzuschauen. Kaum saß er, fiel ihm auf das heute viele Weicheier und Kinder darunter waren. Darauf hatte er keine Lust. Da sich der Findungsprozess ein bisschen hinziehen konnte, zumindest hatte er das Gefühl, beschloss er sich ein Getränk zu bestellen. Gerade hatte er das erledigt, schon tippte etwas unsanft auf seine Schulter. Wollte ihm da jemand den Tag versauen? Genervt drehte er sich etwas zur Seite und neigte den Kopf zum Störenfried. „Da habe ich gesessen.“, knurrte ihn eine ihm sehr bekannte Stimme an. Als er der Person ins Gesicht sah, waren es seine Augen, in die er blickte. Ren und Hibiki sahen prinzipiell aus wie aus einem Ei geschlüpft und das trotz der Tatsache, dass die Brüder eine andere Mutter hatten. Allgemein wollte sich Ren aber von seinem Bruderherz wenig sagen lassen. Erstens war er der Ältere und zweitens war dieser Kerl einfach das vermutlich nervigste Lebewesen, was ihm jemals über die Leber gelaufen ist. „Richtig. Vergangenheitsform. Du hast dort gesessen. Jetzt sitze ich hier.“ Wenn man es ganz streng betrachtete, waren diese beiden eigentlich erwachsenen, jungen Männer sobald sie sich trafen, wie zwei Kleinkinder, die sich um jedes noch so winzige Spielzeug prügelten. In ihrem Fall ging es nur immer darum Recht zu haben oder gar auch nur um einen mickrigen, unbequemen Barhocker, der nun besser verteidigt wurde als ein Klumpen Gold. Natürlich artete diese besitzergreifende Diskussion noch weiter aus. Während Ren immer herablassender wurde, war es wiederum sein Bruder, der seinen Zorn sogar noch ein bisschen weniger beherrschte und fluchte wie ein alter Seemann. Ja, sie waren sich sehr ähnlich. Zu ähnlich, um sich zu verstehen… Da Ren aber diesmal am längeren Hebel saß, war es nun einmal mehr der Jüngere, der zuerst die Hand gegen seinen Bruder erhob. Für Ren war das die willkommene Einladung… Und schon fing die Schlägerei an… Von harmlosen Herumgeschubse übergehend in richtige Faustschläge oder auch Tritte… Doch wieso ging da niemand dazwischen? Einige der hier tätigen Magier schienen sich sogar einen Spaß daraus zu machen sie zu beobachten… Schaulustige Spanner… Wie auch immer. Ren und Hibiki waren nun also gerade mal wieder dabei ihre Kräfte auf die wohl menschlichste Art und Weise zu messen… Wie gesagt: Es sollte ein ganz normaler Tag werden. Aber ab diesem Zeitpunkt, absolut entgegen Rens Erwartungen, ging es nun nur noch bergab…

Im Gegensatz zu dem Zweimetermann, sah Seraphim die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit nicht ganz so eng. Er schätzte seine Gilde und verbrachte gerne ein wenig seiner Zeit in den Mauern des Gildenhauses, selbst wenn er nicht vorhatte, eine Quest anzunehmen, einfach nur, um dazusitzen, ein Getränk mit mittelmäßigem Alkoholgehalt zu süffeln und sich des Lebens zu erfreuen. Es war immer wieder lustig, das niedere Magiergesindel um das Questboard herumwuseln zu sehen, weil er sich so unglaublich über ihnen sah, dass es den Charme der Beobachtung eines Ameisenhaufens hatte. Gleichzeitig hielt er Ausschau nach neuen Mitgliedern, die ihm aufgrund ihrer herausragenden, positiven körperlichen Merkmale ins Auge sprangen, immerhin konnte er so einen Tag auch auf noch angenehmere Art ausklingen lassen, als er einfach nur mit einem guten Buch und musikalischer Begleitung schaffen würde. Gerade hatte er ein Mädchen mit blonden, kunstvoll gelockten, Haaren ins Auge gefasst und versuchte ihr Alter zu schätzen, um sich darüber klar zu werden, ob sich ein Anbaggerversuch lohnen würde, als sein friedlicher Gedankengang von einem lauten Tumult unterbrochen wurde. Verärgert schwenkte er den Kopf zur Seite und bekam mit, wie sich zwei Männer ein paar Meter neben ihm scheinbar um einen Sitzplatz zankten, als seien sie nicht ungefähr in seinem Alter, sondern knapp fünf bis zehn Jahre darunter. Die ersten paar Sekunden machte es ja noch Spaß, ihnen dabei zuzugucken, wie sie drauf und dran waren, sich die langen Haare auszurupfen, doch dann begannen sie handfester miteinander zum Kämpfen, was ihm einen besorgten Blick auf das Mobiliar abrang. Wahrscheinlich machten sie, wenn sie das hier weiter trieben, noch etwas kaputt und waren danach zu abgebrannt, um es zu ersetzen, was Kosten für die Gilde bedeuten würde, nur wegen zwei Hammeln, sie sich nicht beherrschen konnten... war er denn zum Kindergärtner degeneriert, dass er sich schon um solche hirnrissigen Gestalten kümmern musste.
Er seufzte, sprang schwungvoll von seinem Hocker und näherte sich den zwei Streitenden, um schließlich knapp einen Meter von ihnen entfernt stehen zu bleiben. Er selbst hatte kein Bedürfnis, sich zu prügeln, weil er das erstens für eine hohle Angewohnheit hielt und zweitens körperlich gar nicht vernünftig zu so etwas in der Lage war, weil er sich mehr auf Magie spezialisierte und diese sollte er vielleicht nicht mitten im Gildenhaus freisetzen. Sicherlich war es sehr eindrucksvoll, wenn er mit einem gewaltigen Windatem dafür gesorgt hätte, dass die beiden Kontrahenten an die Wand klatschten, aber damit würde er seinem eigentlichen Ziel, das Gildenhaus vor Schaden zu bewahren, keinen Schritt näher kommen, sondern ihnen bei ihrem Zerstörungswerk nur zusätzlich assistieren. "Yare, yare~ Ihr solltet besser damit aufhören, euch die hübschen Köpfe einzuhauen~", rief er mit leicht schnarrendem Unterton und wartete darauf, dass sie in ihrem Kampf innehielten. Er würde die beiden schon noch zum Rückzug kriegen, wenn er das wirklich wollte, immerhin war seine Magie und seine Position als Dragonslayer vor allem gut zum Drohen, weil man im Allgemeinen zweimal nachdachte, ehe man einen Dragonslayer angriff, da ein solcher Magier allein Aufgrund seiner Herkunft nicht zu verachten war. Es hatte in dieser Gilde immer einen geradezu mythischen Beiklang, wenn es hieß, dass man von einem Drachen aufgezogen worden war, was natürlich Vorteile verschaffte, die der Weißhaarige ohne zu Zögern ausnutzte. Warum sollte er sich auch dezent verhalten, wenn er die beiden Streithähne mit einem Hauch von Spott anlächeln konnte, um mit der Fußspitze auf den Boden zu tippen und lang gezogen "Ich wa~harte~" zu tönen, während er so tat, als sei das hier den Aufwand wirklich nicht wert. Warum er sich gleich auf den ersten Blick wahrscheinlich tödlich unbeliebt bei den beiden machte, lag doch auf der Hand: Sie waren nicht von Interesse für ihn; männlich und größer als er, was eine wirklich unschöne Kombination war. Da war er nicht darauf angewiesen, sich an sie heranzumachen, weswegen er den Schleim auch gleich streichen konnte.

Wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, wusste Ren, dass er sich schon lange Zeit nicht mehr sonderlich gegen Hibiki wehrte. Zu oft hatte man die beiden Streithähne aus dem Gildenhaus geworfen oder einer von ihnen erwachte ordentlich angematscht in einem der Hinterzimmer. In der Regel zog Hibiki auch den Kürzeren bei solchen Kämpfen, wenn er nicht mit seiner dunklen Magie schummelte. Im Vergleich zu diesem war Rens Körperkraft nämlich wortwörtlich ausschlaggebender. Der einzige Grund aus dem er nicht nachgab und einfach Hibiki aus dem Weg ging, lag darin, dass er zornig über den viel zu einfachen Werdegang seines Bruders war. Kurz gesagt: Es kotzte ihn an, dass er das Glück hatte nicht die schreckliche Erinnerung daran zu haben in der Wüste um das eigene Leben bangen zu müssen. Bei Hibiki lag das Interesse daran diese Kämpfe zu gewinnen eher darin zu beweisen, dass er der Sohn der besseren Magierin war und dass er das Talent seines Bruders völlig in den Schatten stellte. Wenn man es von ihrer Magie her betrachtete, dann war Hibiki Ren vermutlich auch schon um einiges voraus, dennoch siegte der Ältere meist durch Taktik und mehr Körperkraft. Hibiki war ein bisschen dumm, aber das würde er sicher bald wieder zeigen…
Während Ren sich also nur mittelmäßig gegen sein nerviges Halbgeschwisterkind zur Wehr setzte, weil er es einfach nicht einsah vor diesem Wurm zu kuschen, näherte sich etwas an, was ihm schon von vornherein kein gutes Gefühl gab. Es war eine relativ tiefe Stimme mit einer unfassbar nervigen Betonung, welche sich auch durch lauten Ton das Gehör der jungen Männer verschaffte. Seine Botschaft war leicht zu verstehen, wenn auch nicht besonders ausdrucksstark. Er verlangte danach, dass die beiden aufhörten zu kämpfen. Ren blickte einen Moment lang in die Richtung des Störenfrieds, während er mit den Armen die kraftlosen Schläge seines Bruders abblockte. Ein mittelgroßer Mann mit sehr hellen Haaren und einem schwierig zu deutenden Mal unter seinem Auge. Die anderen Magier in ihrer Näher schienen schnell ihre Aufmerksamkeit auf diesen Typen gerichtet zu haben und Ren erkannte, dass man diesem ihm fremden Typen gerade mehr Interesse widmete als den beiden sich prügelnden Jungen. Das war irgendwie kein gutes Omen… Der etwas dümmliche Hibiki ließ sich in seinem Zorn jedoch nicht bremsen. Ob Ren, wenn er wüsste wen er vor sich hatte, sich von dem Beigeschmack des Wortes Dragonslayer scheuchen ließ? Schwer zu sagen… Sein Job war ihm wichtig und die Gilde, auch wenn er es niemals zugeben würde, auch mehr als er glaubte, aber er ließ sich nur sehr ungern von jemandem unterdrücken. Egal ob ihn eine Göttin oder ein Drache großgezogen hatte… Auf jeden Fall hatte dieser Typ etwas an sich, was ihn interessant machte, doch Ren hatte das Gefühl, dass das nichts Gutes war. Man sollte eher Abstand von ihm halten, denn wer sich zwei Riesen in einer Prügelei mit einem unfassbar breiten Grinsen gegenüber stellte, konnte nicht ganz richtig ticken, oder? Ren hatte seinen Bruder schon fast vergessen, als dieser immer noch unaufhörlich mit seinen Patschehändchen gegen ihn vorzugehen versuchte. Und genau das störte ihn nun… Zornig darüber, dass diese lästige Schmeißfliege immer noch nicht das Weite gesucht hatte, packte er im Angriff fest die Handgelenke seines Bruders, damit er aufhörte damit herumzufuchteln, und blickte ihn mit den silbernen Augen streng an. „Du nervst…“, zischte er ihn an und verpasste ihm mit seinem hübschen Köpfchen eine Kopfnuss, die sein Gegenüber unweigerlich in die Knie zwang. Dass es bei ihnen beiden eine kleine rötliche Erinnerung an der Stirn hinterließ, störte ihn dabei herzlich wenig. Während er sich mit dem Ärmel ein bisschen Blut unter den Haarsträhnen an seiner Stirn wegwischte, sah er den Hellhaarigen mit einem Blick an, der aus einer Mischung von Skepsis und Jähzorn bestand. Dann drehte er sich um und sagte zum Abschluss: „Ich frage mich eher, wieso ein Spinner wie du sein ach so hübsches Köpfchen in Angelegenheiten reinhängt, die ihn einen feuchten Dreck angehen.“ Das untermalte nur noch einmal den Punkt auf der Sympathieskala, an dem der Fremde nun angekommen war. Hoffentlich reichte das, damit er das Weite suchte… Ren setzte sich wieder zurück auf seinen Platz und schielte skeptisch nach hinten. Ob er wohl wirklich ging?