Hätte Souta die Rhetorik aus Seraphims Frage nicht auf Anhieb herausgehört - und das war nicht schwer, der Sarkasmus des Weißhaars erinnerte oftmals an blutrünstige Raubtiere, die einem direkt ins Gesicht sprangen, wahrscheinlich war er auch deshalb so bissig - hätte sich der Kettenmagier wohl tatsächlich gefragt, wo sein bester Freund eigentlich war, als er mit dessen Körper eine Szene in einem Restaurant abgezogen hatte. Zweimal, um genau zu sein. Es war sein ganzer Charakter, der nur darauf ausgelegt war, aufzufallen, egal ob negativ oder positiv. So wie sich der Himmelsmagier allein dadurch durchs Leben bringen konnte, dass er Luft verschluckte, so deckte Souta eben einen großen Teil seines Energie- und Egobedarfs dadurch, dass ihm Leute Aufmerksamkeit schenkten. Da man diese jedoch nicht einfach so in den Schoß gelegt bekam, nicht einmal, wenn man dermaßen gut darin war auf sich aufmerksam zu machen wie er, musste man dafür etwas tun. Obwohl es vermutlich für jeden Dahergelaufenen leicht aussah, was er so trieb, damit man ihn beachtete, ähnelte das in Wirklichkeit doch vielmehr einer Art Wissenschaft. Man durfte nicht zu sehr auffallen, um keinen negativen Eindruck zu vermitteln, denn das würde ja wieder bedeuten, dass man gemieden wurde und das wollte man unbedingt vermeiden. Das Dasein im Rampenlicht der Gesellschaft war eine gefährliche Gratwanderung über die verschiedensten sozialen Etappen, eine Art Hürdenlauf, der ihn selbst nach jahrelanger Übung und intensivem Training immer noch forderte. Wo Seraphim nämlich einfach eine Maske aufsetzte, um gemocht zu werden - oder in seinem Fall einfach er selbst war - konnte Souta als fürchterlich ehrlicher Mensch nicht auf solche Mittel zurückgreifen. Sein eigenes, strahlendes Ego verbot ihm, sich als irgendjemand anderen auszugeben als er selbst, denn den besten und großartigsten Menschen Fiores durfte man schließlich nicht herunterkanzeln zu etwas, was man sich zugunsten einer Liebesnacht ausgedacht hatte. All diese Gedanken waren im Kopf des Rothaarigen versteckt, zischten kurz durch diesen, als die violetten Augen seines besten Freundes ihn musterten, und verschwanden dann, zogen sich zusammen zu einem wissenden Lächeln, welches Alles und Nichts zugleich sagen konnte. Was antwortete man auch auf eine rhetorische Frage? Der Kettenmagier beschloss, dass Schweigen eine sehr gute Antwort war und folgte dem Fahrplanstudenten, der sich kurz darauf neben ihn gesellte. Er hatte sich auf die Stirn geklatscht, als er ihn gesehen hatte...Hm. Schelmisch huschte das heile, linke Auge Soutas zur Seite, registrierte, dass Seraphim ihn gerade nicht ansah. Mit dem ältesten Trick der Welt, dem Scheingähnen, hob er seinen Arm und klatschte dann blitzschnell mit der harten Hand auf den ihm leicht schräg zugewandten Himmelsmagierhintern. Innerhalb einer Sekunde hatte er sich jedoch schon wieder umgedreht und studierte mit verschränkten Armen den Fahrplan, unschuldig pfeifend. Wann wohl ihr Zug ankam? So langsam war ihm ja schon wieder langweilig, außerdem neigte sich sein Knabbervorrat dem unausweichlichem Ende entgegen, und man wollte ja nicht, dass er quengelig wurde, oder?

Wenn Souta geglaubt hatte, Seraphim würde nun wie ein Mädchen quieken oder sonst etwas peinliches tun, hatte er sich leider geschnitten. Dennoch war es nur seiner außerordentlichen Selbstbeherrschung zu verdanken, dass ihm nichts ähnliches herausrutschte, denn er hatte wohl mit allem gerechnet, nicht aber mit sowas. Das beinahe traurige daran war, dass er sich zu hundert Prozent sicher sein konnte, dass der Einäugige, der, nachdem sein Kopf leicht herumgeruckt war, so auffallend unschuldig den Plan musterte, das einfach nur so aus Spaß tat. So eine Geste konnte eine deutlich anzügliche Komponente besitzen, das tat sie sogar meistens, aber in diesem Moment war sie alles, aber nicht das. Eigentlich war das durchaus in Ordnung und gerade, wenn man den Ort und Zeitpunkt bedachte, ziemlich angemessen, aber dennoch blieb da dieses kleine, scharfe Etwas überstehen, das ihn stach, als er zu dem abgewandten Gesicht des Rothaarigen blickte. Egal wie albern dieses Hemd auch war, es stand ihm gar nicht mal so schlecht, vielleicht lag das aber auch daran, dass er sich wahrscheinlich sehr schwer damit tun würde, von irgendetwas zu behaupten, es würde an ihm nicht gut aussehen - eine Sache, die ihn ebenfalls ärgerte. Das war sonst nämlich so gar nicht seine Art, er war eigentlich immer dazu in der Lage, alles sachlich zu beurteilen, aber bei Souta war dieser Fähigkeit da ein Riegel vorgeschoben. Das grundlegende Problem, das ihn in einen Zustand zu versetzen wusste, von dem er nicht wusste, ob er Traurigkeit, Wut oder Frust war - wahrscheinlich eine abstruse Mischung aus allem drei - war, dass er sich sicher war, dass Souta ihn nicht wollte. Das irritierte ihn immer wieder ungemein, denn das war er einfach nicht gewöhnt, so banal das auch klingen mochte. Diese was auch immer es denn nun war baute primär auf seinen eigenen Gefühlen, auf seiner Versessenheit, seiner Kopflosigkeit auf, mit einer vagen, dummen Hoffnung auf sporadische Erwiderung, nichts mehr. Er war es gewohnt, dass er es war, dem die Leute zu Füßen lagen, bei dessen schierem Anblick sie Herzrasen bekamen, dass sie nur für ihn lebten, sich für ihn aufgaben - und hier hatte er... nichts. Der Einäugige stand zu allererst nicht einmal auf Männer, nicht mal ein bisschen, es war ihm auch nicht schlichtweg egal, welchem Geschlecht jemand angehörte, wie das bei Cyrus selbst der Fall war. Allein damit brach ihm schon einmal ein Fundament weg, auf das er sich ansonsten sehr verlässlich stützen konnte, normalerweise konnte er allein schon mit seinem Aussehen punkten, das er nur noch hier und da richtig unterlegen musste und schon hatte er die meisten im Sack. Hier könnte er den Anderen vielleicht zum Lachen bringen, wenn er sich das Gesicht in Clownsmanier schminkte und mit übergroßen Schuhen und roter Gumminase spazieren ging, aber mehr auch nicht. Er selbst empfand dieses Gefühl als unangenehm, es war eine Art der Unbeholfenheit, als wäre er mit einem mal nackt und wüsste nicht, was er zu tun hatte, unangenehm und auf eine bestimmte Art und Weise auch peinlich. Nicht, dass er Probleme damit hatte, nackt herumzurennen, wirklich nicht, aber die Gesellschaft hatte was dagegen... Dann war da die Sache mit seinen hochgestochenen, viel zu naiven Gefühlen für den Jungen, die dieser nicht erwidern konnte, wahrscheinlich konnte das in diesem Ausmaße aber sowieso niemand. Als jemand, der solche Regungen anderer Menschen schamlos für sich ausnutzte, war er grundlegend immer misstrauisch, was das anging, weil er sich ja nie sicher sein konnte, ob er ihn nicht einfach jemand benutzte, sich aber gleichzeitig dafür schämend, dass er das dachte. Es war alles so schrecklich kompliziert, alles Faktoren, die ihn davon abhielten, einfach zu sagen, was er fühlte... war er zu einem schüchternen kleinen Mädchen verkümmert oder was?!
Der Körper des Dragonslayers setzte sich nach einer Denksekunde in Bewegung, zwei Arme schlangen sich sanft von hinten um die Mitte des Rothaarigen, hielten ihn vorsichtig fest, bevor er seine Lippen ebenso sachte auf das Jochbein seiner rechten Wange drückte, extra genau dorthin, wo er ihn nicht würde anblicken können. "Ich...", fing er an, doch blieb schon wieder auf halber Strecke hängen. Verdammt. So schwer konnte das doch nicht sein, oder? Es war nicht besonders kompliziert, nicht viel und doch irgendwie zu ernst, als dass er das einfach so hinkriegen würde, die Worte steckten in seinem Hals fest, zurück gehalten von schierer Angst. Vor Lachen, vor als unwichtig Abtun und vor Abweisung. "...hab dich auch lieb." Abgeschlossen mit einem kichernden Glucksen und einem leichten Pusten in sein Ohr war das doch noch einigermaßen passabel, nicht wahr? Zu seinem Glück fuhr in diesem Moment dann auch der Zug ein, ein bisschen zu früh, aber dafür unter so viel Lärmentwicklung, dass er das heftige Schlagen seines Herzens selbst in seinen Ohren übertönte. Er war so ein elender Feigling...

Wieso ... küsste Seraphim ihn eigentlich immer? Souta konnte nicht direkt sagen, dass es ihn störte, für ihn war es mittlerweile zu etwas recht Normalem, wenn auch Gewöhnungsbedürftigem geworden, dass sein "Schutzengel" gerne einmal seine Wangen, seine Stirn, seine Haare und andere Stellen seines Körpers mit Küssen überhäufte, das war wohl eben einfach seine Form, Zuneigung zu bekunden. Er umarmte eben jeden, der Weißhaarige küsste alle möglichen Leute. Kein Grund, sofort auszuticken, denn schließlich war das kein langer Zungenkuss gewesen, sondern ein kurzer, freundschaftlicher Schmatzer, nachdem er ihm auf den Hintern gehauen hatte. Das machte man nun einmal so unter besten Freunden, oder? Na gut, dass Seraphim die Arme um seine Mitte geschlungen hatte, war vielleicht ein bisschen weniger kumpelhaft und ein bisschen mehr die Liebkosung eines Liebespartners, aber da Seraphim ja bekanntlich sicher nicht der Geliebte Soutas war - dafür brauchte man schließlich einerseits Liebe und andererseits den Willen für eine feste Beziehung, und beides war nicht gegeben, wieso auch? - musste man auch das nicht kritisch betrachten. Auf das "Hab dich lieb" des Himmelsmagiers reagierte der Rotschopf deshalb nur mit seinem offenenen, amüsiertem Lachen, ehe er sich aus dessen Griff pellte und zu ihm umdrehte. Obwohl er eigentlich ganz ausgezeichnet darin war, die Zeichen einer zurückgezogenen Liebeserklärung zu deuten, war er im Moment blind genug, um einfach nur seinen besten Freund zu sehen, der ihn anlächelte und in sein Ohr gepustet hatte, keinen Feigling, der sich nicht traute, seine wahren Gefühle zu zeigen. Breit grinsend, wie er eben war, hob er die Hand und wies mit dem Daumen über die Schulter, auf den gerade laut lärmenden, einfahrenden Zug. Da seine Stimme durch das Pfeifen und Schnauben der Lokomotive überlagert worden wäre, hob er anschließend einfach die Handflächen zum Mund und machte, verrückte Grimassen schneidend, einfach die Lippenbewegungen für 'Lass uns einsteigen', ehe er auch schon eine der kleinen Leiter zu einem der Abteile erklomm, seinen Seesack hinter sich herschleifend. Nur kurz suchte er nach einem freien Abteil, schleuderte in seiner typischen materiellen Ignoranz sein Gepäckstück treffsicher auf einen Fenstersitz und bahnte sich zielstrebig seinen Weg in den Speisewagen. Wenn Seraphim nur ein bisschen schlau war - vermutlich war er das - oder Souta kannte - auch das war nicht unwahrscheinlich, er war recht berechenbar, wenn es um seinen Magen ging - dann würde er ihn hier schon finden. Nach kurzem Austausch von formalen Begrüßungen schickte der Rothaarige also nach einer großen Schüssel Reis mit Soße, während er sich auf einer Eckbank zurücklehnte und mit dem Salzstreuer spielte. Abenteuerliche Schlachten schlug der weiße Ritter gegen die eisernen Besteckstücke, um schließlich das scharfe schwarze Pfefferchen zu ergattern. Diese ergaben sich gerade den durch recht eindeutige Laute untermalten Liebesspiel, welches ihm vom Nachbartisch, wo eine alte Frau saß, ein paar empörte Blicke einbrachte, als der Kellner im Rekordtempo auch schon wieder ankam. "Ahhh, danke!" Das strahlende Lächeln des Rotschopfes schien für einen Moment den ganzen Zug zu erhellen, heller zu strahlen als die angenehm warme, durch die Fenster scheinende Sonne, dann wurde es wieder etwas dunkler als, sich der Kettenmagier über den hervorragenden Reis hermachte, ohne sich die Mühe zu machen, die Schüssel in Teller aufzuteilen. Der Kellner, der offenbar gedacht hatte, dass Souta sich, nachdem er sich an einen Vierertisch gesetzt hatte, sein Essen mit einigen anderen Reisenden teilen würde, starrte ihn an, doch das bemerkte er schon gar nicht mehr. Stattdessen schmatzte er schnabulierend vor sich her, bis er eine Pause einlegen musste und sich gegen die gepolsterte Lehne fallen ließ. Während er mit einer Hand seinen einstmals sehr schlanken Bauch, der sich nun ein Stück an seinem Hosenbund vorbeigeschoben hatte, tätschelte und mit der anderen zwischen seinen strahlend weißen Zähnen stocherte, blickte er auf den Eingang zum Abteil, nach Seraphim Ausschau haltend. Er hatte ihm extra etwas aufgehoben! Das war eine noble Geste von ihm, immerhin war er noch immr hungrig ... Am besten sein Schutzengel schwang demnächst die Flügelchen, oder sein Freund würde auch die Reste leeren, was wohl bedeuten würde, dass dieser ihn auf das Schiff rollen musste - und das mochten vermutlich beide eher nicht, oder?

Es war sowohl Fluch, als auch Segen, dass Souta einen Magen hatte, dessen Hunger man im Allgemeinen nicht stillen konnte, erstes, weil Seraphim sich schlichtweg weigern würde, ihn zu rollen, zweites, weil er so nicht bemerkte, dass der Dragonslayer nur aus dem Grund leicht humpelte, als er lustlos den Gang entlang trottete, weil er beim Einsteigen so heftig gegen die Zugwand getreten hatte, dass er sich die Zehen angeschlagen hatte. Es gab nur wenige Momente, in denen er sich selbst verachtete, aber irgendwie hatten sie alle gemein, dass sie mit Souta zu tun hatten und den Gefühlen, die der sonst so eiskalte Dragonslayer ohne jeden Zweifel für ihn empfand. Er konnte nicht einfach Ich liebe dich sagen, das ging nicht, dafür stand er sich selbst viel zu sehr im Weg, weil er wusste, dass er nur auf Ablehnung stoßen würde. Missmutig suchten die violetten Augen nach den roten Haaren des Kettenmagiers, aber sie fanden schließlich nur sein Gepäck in einem leeren Abteil. Mit immer noch leicht pochendem Fuß ließ er sich in eines der Polster sinken und legte die Stiefel achtlos auf das ihm gegenüber liegende, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Man hätte beinahe meinen können, dass er schmollte und vielleicht tat er das sogar, aufgebracht darüber, dass er so schrecklich unfähig war. Aber wer wusste, immerhin befanden sie sich auf bestem Weg zu einer Kreuzfahrt, wenn da nicht der ideale Moment kommen würde, der sogar ihn nicht verscheuchen würde, wann dann? Vielleicht war er auch einfach ein wenig in Sorge darüber, wie er auf eine Zurückweisung reagieren würde, wenn er es so verdammt ernst meinte; er konnte schließlich schlecht auf den Anderen hüpfen und in Gnomenmanier Liebe mich! schreien, so gerne er das tun würde. Er lächelte so schön, lachte, als würde die Sonne aufgehen, wie schön es wäre, wenn er diese nur für sich haben würde... aber das war alles nur Wunschdenken, dem er sich nicht allzu lange hingeben sollte. Souta musste entweder auf der Toilette oder aber - was statistisch wahrscheinlicher war - im Speisewaagen und er hatte wirklich keine Intentionen, ihn als Kugel zu erleben. Sicherlich mochte er ihn immer leiden, aber ehrlich gesagt, fand er ihn in seiner schlaksigen Normalform irgendwie attraktiver als wenn er sich vollgefressen hatte. Apropos: Seraphim küsste sicherlich nicht frei Haus jeden, der ihm über den Weg lief, aber es war eine praktische Alternative, wenn er keine Worte fand, die ihm angemessen genug erschienen. Wahrscheinlich dachte Souta das also nur, weil er nicht mitbekam, wie der Dragonslayer mit anderen Menschen umging, die er mochte, schließlich hatte er bis jetzt nicht besonders nahe bei ihm gewohnt, zudem gab es nur wenige, die er mochte. Naomi beispielsweise wurde gestreichelt und er duldete es, dass sie sich an ihn kuschelte, wozu sie beinahe eine Leidenschaft entwickelt hatte, aber küssen... tat er sie sicherlich nicht. Also raffte er sich wieder auf, schloss die Abteiltür und schlenderte in die Richtung, in der er eben diesen Wagen vermutete, nicht ganz sicher, ob das die richtige Entscheidung gewesen war.
Natürlich fand er ihn genau dort, wo er erwartet hatte. Egal, wie sehr Seraphim eigentlich hintergründige, verzweigte und komplizierte Dinge liebte, Souta war wirklich so einfach zu durchschauen, dass er ihm in dieser Hinsicht fast Leid tat. Mit einem kritischen Stirnrunzeln registrierte er, dass er es irgendwie geschafft hatte, immerhin zu einem Oval zu mutieren und stellte sich betont lässig in den Eingang eben jenes Wagens, den Rucksack wieder über der Schulter (zumindest er war nicht ganz so vertrauensselig, was Menschen anging!). "Sollte das Schiff kentern, weil das Ladegewicht zu groß war, weiß ich ja, wem ich das zuzuschreiben habe~" Mit langsamen Schritten kam er näher und stupste ihn gegen die Schläfe. "Ich werde dich nicht rollen, deswegen reicht das jetzt, glaube ich..." Und um Bauchschmerzen würde er sich auch nicht kümmern. Nur weil er konnte, bedeutete das nicht, dass er sich wie ein Heilsklave aufführen würde, das war weit außerhalb seiner Toleranzgrenzen. Er setzte sich auf den Stuhl gegenüber des jungen Mannes, legte den Rucksack auf einen freien Stuhl und schlug die Beine locker übereinander. "Da wären einige Dinge wichtiger, zum Beispiel die Frage, was du so kannst… außer zu rennen. Ich habe keine Ahnung von deiner Magie, beziehungsweise kann ich mir wenig darunter vorstellen." Die schlanke Gestalt lehnte sich zurück. "Dann erzähl mal."

Itasa Soutanobu war weit über die Grenzen seines momentanen Standortes als jemand bekannt, dessen Lächeln es vermochte, die finsterste Nacht mit neuem Licht zu füllen. Er war der Bauer der guten Laune und sähte deren Samen überall, wo sich seine Lippen über die weißen Zähne schoben, die aus einer Zahnpastawerbung hätten stammen können, dabei war es nicht einmal nur die wenig abstreitbare Ästhetik seines Gesichtes, welches durchaus wohlgeformt war, sondern schlichtweg die Tatsache, dass es ihm unmöglich war, unecht zu lächeln, welche seine Gegenüber zu faszinieren vermochte. Viele Menschen lächelten aus unterschiedlichen Gründen, maßen ihrer Mimik kaum Bedeutung bei, aber der Rothaarige konnte einfach nicht anders, als mit jedem Grinsen sein ganzes Gesicht aufstrahlen zu lassen. Im Gegensatz zu jenen, die ihr Innerstes eifersüchtig vor ihren Gesprächspartnern schützen wollten, öffnete sich Souta für einen kurzen Augenblick komplett und lächelte sein verständnisvolles Lächeln, das viel mehr war, als es zunächst, bei flüchtiger Betrachtung, den Anschein hatte. Schon in frühen Jahren hatte der Kettenmagier bemerkt, dass das Verziehen seiner Mundwinkel eine Seltenheit war, etwas, das gleichsam für andere wie für ihn selbst die unbedingte und unantastbare Versprechung von Unterstützung in sich trug. Für einen Augenblick stellte es sich der ganzen brutalen Welt mit all ihren schrecklichen Unglücken entgegen, ehe es sich auf genau eine Person konzentrierte, erfüllt von der Gewissheit, dass der Rotschopf eben diese genau so weit verstand, wie jene verstanden werden wollte, er in jene eben gerade soviel Glauben hatte, wie jene gerne in sich selbst gesetzt hätte und versicherte zugleich, dass man genau den Eindruck hinterlassen hatte, den sie hinterlassen hatte wollen. Soutas Lächeln war eine Art Magie, die sich nicht mit seinen Ketten oder Seraphims heilenden Händen vergleichen ließ, es war eine Macht, die abhängig machen konnte, obwohl das oftmals das Letzte war, was er wollte. Seine manipulative Wirkung beruhte auf stechender Ehrlichkeit, bestechend in manchen Fällen. Und er wusste nur zu gut, dass das Vorenthalten seines Lächelns oftmals genügte. Der frischgebackenen Blue Pegasus Magier musste nicht auf böse Worte zurückgreifen oder wütend werden, wenn ihm etwas nicht gefiel, es reichte schon, wenn sich als Reaktion auf einen Scherz, wie etwa das kenternde Schiff, das sein bester Freund ansprach, die Mundwinkel nicht hoben, er nicht grinste, sondern lediglich mit dem grünen Auge dem Weißhaarigen folgte, der sich ihm gegenüber setzte. Souta mochte es nicht, wenn man ihn auf sein Gewicht ansprach, sofern dies kein Lob enthielt. Das war eine Eigenheit von ihm, keinesfalls in mangelnder Selbstachtung begründet, sondern einfach nur eine Abneigung, die er sich selbst nicht so ganz erklären konnte. Er war nicht einmal böse deshalb, er fand es einfach nicht lustig, wenn man solche Witze auf seine Kosten machte. Allerdings war er gerade einigermaßen satt und deshalb nicht genug im Diva-Modus, um sich zu einer Klarstellung hinreißen zu lassen. Zu fröhlich darüber, dass sein Schutzengel doch gekommen war, tat er dessen geschmacklosen Scherz als keine große Sache ab und grinste nach einigen Sekunden des Schweigens auch schon wieder. So, Seraphim wollte also wissen, was er so konnte? Nicht, dass es ihn interessierte, aber es war vielleicht angebracht, dass sie das austauschten, immerhin konnten sie ja in eine Situation geraten, in der sie kämpfen mussten. Souta fand das nicht unbedingt erstrebenswert - er kämpfte eher ungern, weil er es für sinnlos hielt, andere zu verletzen, aber auch, weil seine Schnelligkeit jeden Kampf schnell in eine sehr langweilige Angelegenheit verwandelte. Dennoch würde er dem Weißhaar sagen, was er konnte, umgekehrt hatte er ja schon so seine Ahnungen. "Na ja", begann er also, die Arme verschränkend, so dass diese recht bequem auf seinem Bauch aufliegen konnten, "Was du unter 'Rennen' verstehst, ist ehrlich gesagt nicht einmal ein Bruchteil meiner Geschwindigkeit. Wenn ich es darauf anlege, könnte ich bequem eine ganze Weile neben diesem Zug herrennen und ihn vielleicht sogar überholen, wer weiß? Abgesehen davon stütze ich mich auf Faustkampf, viele Schläge innerhalb kurzer Zeit an den richtigen Stellen, wenn es sein muss. Ich habe eine Peitsche, aber die zu benutzen finde ich eher langweilig. Meine Magie ist nur ein Zusatzattribut. Ich kann aus meinen Armen Ketten machen und mit diesen Gegenstände oder Personen greifen, sie zu mir heranziehen und soetwas." Er rümpfte die Nase kurz, als hätte er etwas gesagt, was es nicht wert war, erwähnt zu werden, doch dann zuckte er mit den Schultern und wies auf die noch dampfende Schüssel. "Ich habe dir übrigens etwas aufgehoben! Greif zu!"

Gar nicht auszudenken, wie Seraphim wäre, wenn er geistig nur halb so reif wäre, wie er allgemein tat! Doch allein das Hochkräuseln seiner Mundwinkel, das kleine Grübchen auf seinen Wangen entstehen ließ, lehrte den genauen Beobachter eines besseren, schließlich war dies nur die Reaktion auf die Behauptung, Souta könne seine Arme in Ketten verwandeln. Klar hatte er gewusst, dass er eine Magie mit einem derartigen Schwerpunkt ausübte, aber nun war er dazu gekommen, sich das Ganze auch noch bildlich vorzustellen. Da Gedanken aber dummerweise gerne vom vorgegebenen Weg abwichen, vor allem wenn die Umgebung deutlich verlockender war, schwebte momentan ein in Ketten liegender Souta vor dem inneren Auge des Dragonslayers herum, dessen ziemlich genaue Kenntnis der Anatomie seines Gegenübers es recht einfach machte, unnötige Dinge einfach wegzulassen. Kleidung zum Beispiel. Dementsprechend fiel es ihm nicht unbedingt leicht, sein Grinsen wieder zu unterdrücken, bemerkbar daran, dass es erst zu flackern schien, ehe es zwar nicht erlosch, aber sich seiner normalen Haltung anpasste. Von einem wundervollen Bild zurück zur Wirklichkeit, in der er nickte und zum Reis hinüber blickte. Er hatte keinen Hunger, daher würde er das sicherlich noch weiter aufschieben, ehe er sich überlegte, wie man Souta vom Essen abhalten konnte, wichtiger war sowieso, was er erfahren hatte. Im Grunde genommen überschätzte sich Souta also aufgrund seiner Schnelligkeit so gewaltig, dass er Kämpfe als langweilig beschrieb, sonst schien er sich jedoch eher in Nahkampf verwickeln zu lassen oder aber eben so weit, wie seine Peitsche reichte. Besonders lang war sie ihm nicht vorgekommen, aber vielleicht konnte die Magie sie ja auch verlängern oder so. Er selbst war irgendwo zwischen Fernkampf und mittlerer Distanz einzustufen, vor allem aber konnte er etwas, das Souta sicherlich nicht erahnte: Er konnte fliegen. Vielleicht würde er es ihm ja irgendwann demonstrieren, ohne guten Grund jedoch nicht, schließlich fraß das Ganze Mana wie ein Monster. "Du scheinst dir deiner Sache ziemlich sicher zu sein...", urteilte er mit einem Blick auf den Reis, dem man seine Unentschlossenheit ablesen konnte, "Da die Gefahr aber von Piraten ausgeht, die normalerweise mit Schiffen ankommen, wird Bewegungsfreiheit am Boden eher nicht gegeben sein." Zusätzlich zu seiner sowieso schon triefend sarkastischen Art hatte sich nun ein Phänomen hinzugesellt, das bei ihm nur auf Missionen anzutreffen war: Seraphim konnte zum Teufelsanwalt werden. Egal, worum es nun ging, er fand immer etwas, was daran faul sein konnte. Nie wäre er jedoch auf die Idee gekommen, Souta würde etwas so banales wie schwimmen nicht beherrschen... "Aber das werden wir ja sehen. Mit ein bisschen Glück verleben wir einfach nur fünf wunderbare Tage an Bord eines Luxusdampfers und nichts passiert." Zumindest nichts negatives, was über kühle Drinks und heiße Mitreisende hinaus ging. Der Reis sah irgendwie wenig einladend aus... "Was würdest du mit dem Reis machen, wenn ich keinen Hunger hätte, Souta-chan?", fragte er und blickte in das wunderschön grüne Auge seines Gegenübers. Lautete die Antwort, dass er ihn dann selber essen würde, musste er ihn irgendwie wegschaffen, würde er freiwillig darauf verzichten, dann musste er das nicht tun. In keinem Falle aber sollte er das auch noch essen, denn wenn man schon auf Schnelligkeit und körperliche Kraft limitiert war und den Titel Magier nur aus Jux und Dollerei trug, sollte man Gegner nicht umrollen müssen. Natürlich mochte das ein wenig paranoide sein, aber ihm behagte die Vorstellung nicht, dass Souta sich nicht wehren konnte, während er sich in einer eindeutig nicht sicheren Umgebung befand. Nichts dagegen hätte er wiederum, wenn diese Umgebung irgendeine abgeschiedene Ecke wäre, rein zufällig niemand außer ihm selbst in der Nähe war und Souta sich vielleicht eher in dem Zustand aus seiner vorherigen Vorstellung befand. Aber nein... hier ging es rein um Professionalität!

Obgleich Seraphim wohl insgeheim an Soutas Seriosität zweifelte, weil dieser seine eigenen Fähigkeiten ohne mit der Wimper zu zucken in den Himmel lobte, hatte sich der Kettenmagier durchaus nicht darauf eingestellt, dass sie eine Luxusreise unternehmen würden. Selbstverständlich war er gut darin, sich sämtliche Probleme vom Leib zu grinsen, aber das bedeutete nicht, dass er dermaßen weltfremd war, wie man annehmen mochte. Wenn auch einäugig, war die Beobachtungsgabe des Rotschopfes eines seiner herausragendsten Talente, so dass er mehrere Eventualitäten schon längst berücksichtigt hatte:
Nummer Eins war natürlich das bloße Ausschreiben der Quest. Was hatte die Gilde davon, wenn sie zwei Mitglieder einfach so auf eine Kreuzfahrt entsandte? Souta hatte zwar gehört, dass die Drachenanbeter in manchen Angelegenheiten nicht mehr ganz koscher dachten, doch niemand finanzierte jemanden einfach so einen bezahlten Urlaub, wenn es da keine Bedrohung gab, die für den Rang der Quest entsprechend waren. Schließlich hatte man sie nicht umsonst so eingestuft, die schlauen Köpfe in der Gildenverwaltung hatten sich wahrscheinlich etwas dabei gedacht. Man durfte also von einer Bedrohung ausgehen, dass diese eben Piraten waren, erschien nur logisch. Ein luxuriöses Schiff war eine leichte Beute, gerade wegen der bereits von seinem besten Freund angesprochenen, mangelnden Bewegungsfläche, die den Anschein hatte, Magier wie ihn ausspielen zu können.
Nummer Zwei war natürlich die unmittelbare Folge von Nummer Eins. Er konnte nicht schwimmen, hatte es auch nicht gelernt, als er mit dem alten Mann vor ein paar Monaten Fische aus dem Waldbach gesammelt hatte, weil er sich stur davor geweigert hatte, den kleinen See zu betreten. Es hatte schon stark an seinen Nerven gezerrt, zwischen den Steinen zu sehen und das klare Wasser an den Füßen vorbeiplätschern zu sehen. Souta hatte sich also diese Ausrede mit der Seekrankheit einfallen lassen, damit er eine Entschuldigung hatte, wenn er spontan anfing zu plärren oder sich im Klo einschloss. Als außergewöhnlich schmerzempfindlicher Mensch durfte man schon einmal weinen, wenn man Bauchschmerzen hatte, Seraphim würde das so annehmen, wie er alles annahm, was er sagte. In der Gesellschaft des Weißhaarigen waren seine Worte schließlich Goldtaler, die aus seinem Mund fielen.
Nummer Drei brachte ihn daher also dazu, nachzudenken, inwiefern es klug war, den Himmelsmagier darin einzuweihen, dass er nicht unbedingt auf seine Schnelligkeit angewiesen war, ja, diese eher ein gewisser Nebeneffekt war. Er war sowohl durch die Kämpfe während seiner Reise als auch durch seinen Aufenthalt im Wald stärker geworden, das sah man ihm eigentlich auch an. Deshalb das weite Blümchenhemd. Und das Futtern von einem halben Dutzend Donuts, damit seine Mitte weich war, wenn Seraphim sie umschloss. Das schnelle Fressen im Speisewagen, als er spürte, wie er wieder normale Formen annahm. Sobald sie im Abteil waren, würde er sein Hemd zuknöpfen. Warum es ihm nicht gefallen würde, stärker auszusehen, wusste Souta nicht, aber er spürte, dass es vielleicht auf die Laune seines besten Freundes schlagen mochte, wenn dieser erkannte, dass er ihm körperlich weiter überlegen war, als er dachte. Nein, das musste nicht sein.
Viel interessanter war es also, sich anzuhören, wie man als zu selbstsicher hingestellt wurde, dabei zu lächeln, als hätte man ohnehin nur einen Scherz gemacht, und sich die lose fliegenden, feuerroten Haare hinter das mit großen goldenen Ohrringen durchstochene Ohr zu streichen. Seine Lippen spitzten sich etwas zu, als Seraphim Glück erwähnte, und er wandte kurz den Kopf nach rechts, wo die Person befand, die ihn schon vorher wegen seines albernen Getues angestarrt hatte. Souta versteifte die Brust, beugte sich etwas vor und klemmte die Hand unter das Kinn. "Du vergisst, dass diese fünf Tage auch vier Nächte haben, Seraphim~", murmelte er mit rauher Stimme, laut genug, dass man es recht deutlich vernehmen konnte, und grinste breit. Kaum war dieser Moment vorbei, lehnte er sich auch schon wieder breitbeinig zurück in die Eckbank und kugelte mit den Schultergelenken. "Was ich gerne mit diesem Reis machen würde weiß ich nur zu gut, was ich sollte, allerdings auch. Kellner?" Er erhob sich leicht, ehe die Bedienung kam, und sprach kurz mit ihr, ehe sie wieder in die Küche verschwand. Das Lächeln, welches er seinem besten Freund zuwarf, war plötzlich von sanftem Spott durchdrungen, während er aufstand und sich neben dem Weißhaar gegen den Tisch lehnte. "Ich habe ihm gesagt, er soll unser Essen einpacken und es später wieder aufwärmen. Ich werde mit dem Rest warten, bis sich diese Kugel hier", er streckte die Zunge heraus und piekte sich in den reisigen Bauch, "wieder in eine wunderschöne Figur verwandelt hat, die mein Gildenzeichen nicht seltsam verzerrt. Wollen wir nun in unser Abteil gehen?"

Jeder, der Seraphim einigermaßen kannte oder ihn zu kennen glaubte, merkte sich neben seinem etwas bissigem Humor vor allem die Tatsache, dass er sich nicht unterordnete. Er war nicht nur ein ziemlich stolzer Mensch, er schien auch an seiner Dominanz zu hängen, gab Zügel ungerne aus der Hand und versteckte diesen Wunsch nur selten und nur zugunsten einer wirklich guten Gelegenheit. Menschen standen seiner Ansicht ja sowieso nicht auf einer Stufe mit ihm, aber dennoch... würde es ihn gerade bei Souta wirklich stören, wenn er gewusst hätte, dass dieser ihm körperlich überlegen war. Dass er schneller war, meine Güte, das konnte er ja noch schlucken, aber dass er auch rein Kräftetechnisch stärker war... würde ihm wirklich sauer aufstoßen. Er, der er sich oft mit Mitgliedern seines eigenen Geschlechts um die männlichere Rolle stritt und immer gewann, konnte nicht akzeptieren, wenn bei jemandem, den er erfolgreich in die femininere Position gedrängt hatte, ein Risiko auftrat, dass das sich ändern könnte. Tatsache war nämlich eigentlich, dass Cyrus von seiner Persönlichkeit her nie besonders durchsetzungsfähig gewesen war. Als Kind war er schüchtern, scheu, still und deswegen sicherlich wahnsinnig niedlich gewesen und auch wenn er nun, als beinahe Erwachsener, als das komplette Gegenteil durchgehen konnte, so gab es immer noch Momente, in denen etwas anderes durchschimmerte. Das war auch der Grund dafür, dass er es tunlichst vermied, dass auch nur die Möglichkeit bestand, jemand könnte ihm zu seiner Mutter folgen, wenn er sie besuchte, immerhin war er in ihrer Gegenwart wie verwandelt: Kleinlaut, nervös und so unglaublich höflich, dass man ihn kaum wieder erkannte. Natürlich wäre es ihm über die Maßen peinlich, sollte ihn jemand so erleben... vielleicht war das auch der Grund, aus dem er sich unter Menschen solche Mühe gab, genau gegenteilig zu handeln. Er wollte nicht verletzlich, nicht schwach erscheinen… das letzte Mal, dass er sich aufgrund von Menschen so vollkommen erledigt gefühlt hatte, war von schrecklichen Verlusten und Schmerzen geprägt gewesen, daher hasste er eigene Schwäche… und gerade gegenüber jemandem, den er beschützen wollte, konnte er einfach nicht schwach erscheinen, das ging nicht! Er hätte ihn sicherlich immer noch mit der selben Inbrunst gemocht, hätte er das gewusst, aber worauf Souta sich hätte einstellen müssen, wäre die erneute Aufnahme eines Konkurrenzkampfes gewesen, in dem er so geübt war, dass er sich da inzwischen von den meisten Skrupeln losgelöst hatte. Seraphim mochte körperlich nicht viel vom Durchschnitt abweichen, aber er praktizierte nicht umsonst eine der der potentesten Magien Fiores – und hatte keine Probleme damit, diese auch einzusetzen. Der Kettenmagier kannte bisher nur einen Bruchteil seiner wahren Magie, da er um ihn herum immer nur die einfachsten Zauber eingesetzt hatte, die er kannte, weil sich für andere kein Grund ergeben hatte. Nur zum Angeben schleuderte er allerdings auch keine riesigen Portionen Mana heraus, die für höherrangige Zauber vonnöten waren. Was allerdings klar war: Es würde ihm immer noch besser gefallen, als dauernd eine wandelnde Kugel bei sich zu haben!
*Vergessen?* Seraphim hatte genau diesen Part sicherlich nicht vergessen, das war sogar einer der Hauptgründe gewesen, warum er gerade Souta diese Quest hatte andrehen wollen... den Charakterzug, den beide Jungen wohl teilten, war diese Fixierung auf gewisse Dinge, wie konnte der Einäugige da annehmen, dass er so etwas außer Acht lassen könnte?! "Vergessen?...", er schmunzelte, während die violetten Augen zum Fenster und hinaus wanderten. Es war geschlossen, in ihrem Abteil würde er darauf bestehen müssen, das ihrige zu öffnen. "Wohl eher nicht erwähnt, weil offensichtlich~" Deswegen sicherlich nicht weniger schlecht, aber er war sich sicher, dass Souta das mitkalkuliert hatte, als er seinen Vorschlag annahm. Wenn nicht... war er naiv gewesen. Was ihn allerdings wirklich erstaunte, war seine plötzliche Vernunft, was den Reis anging. Vielleicht sah man es dem Dragonslayer an, dass er einen Moment verblüfft blinzelte, ehe er wieder sein Dauerlächeln aufsetzte, jedenfalls hatte er erwartet, dass Souta das nun auch noch in sich hinein stopfen würde, komme was wolle. Er war so gewesen, als er in seiner Wohnung aufgetaucht war, mit einem Baby und wunden Füßen, um von einem bösen Samariter geheilt zu werden - und nun so etwas? Vielleicht hatte sich der Itasa doch mehr verändert, als er angenommen hatte, aber er war sich auch nicht sicher, ob er ihn fragen sollte, schließlich hatte sich offenbar schon diese Sache mit Hargeon Town als kleiner Reinfall erwiesen. Es war problematisch, auf einem Feld herumzuhopsen, auf dem in Reih und Glied Fettnäpfchen der Größe von Fritteusen herumstanden, aber es könnte es auch Wert sein. Später. Wortlos erhob er sich, nickte auf seinen Vorschlag, sie könnten ins Abteil zurückgehen, hauchte "Einen schönen Tag noch~" zu Soutas Sitznachbarin, die ihr Essen vergessen und sich stattdessen darauf verlegt hatte, die beiden jungen Männer mit einem gewissen Abscheu zu mustern - woran das wohl liegen konnte? - und schnappte sich Soutas Hand, um ihn hinter sich herzuziehen. Wäre er ein wenig kleiner gewesen, wäre eine Pirouette eine nette Idee gewesen, aber so war das eher schwer umzusetzen.

Tbc: Yo ho und 'ne Buddel voll Rum

Lang nicht gearbeitet hatte auch Naomi. Die junge Magierin war in der letzten Zeit nicht nur ihrer Meinungsfreiheit beraubt worden, sondern wahrscheinlich jeder Freiheit, die man einem Kind lassen konnte. Es grenzte schon an ein Wunder, dass sie selbst durch den Kleiderschrank gehen durfte, um sich die Kleidung für den heutigen Tag auszusuchen. So schlüpfte sie in die herrlich weichen schwarzen Leggins, streifte sich das beige Kleid mit der Kapuze und den langen Ärmeln über und schlüpfte in die frisch geputzten Halbschuhe. Fertig, das sah doch gar nicht so schlecht aus, wieso durfte sie es nicht öfter tragen. Gut, es war schlicht und schmucklos, aber das störte Naomi nicht. Nun band sie sich das lange Haar noch zu zwei Ordentlichen und parallel am Kopf sitzenden Zöpfen. Hoffentlich hatte keiner etwas daran auszusetzen, sich noch mal umzuziehen würde nur unnötig Zeit kosten, die sie nicht verschwenden wollte. Die Tür zu ihrem Zimmer ging auf, weshalb sie aus dem Schrank heraustrat. In der Tür stand der Hauslehrer und betrachtete sie mit einem kritischen Blick. Akira war scheinbar der, der überprüfen sollte, ob man sie so auf die Straße lassen durfte, weshalb er einen engen Bogen um sie zog. Dann nickte er zustimmend und nahm sie mit hinunter zur Tür. Dort wartet Masaru, der ehemalige Leibwächter, der sie nun eigentlich überall hin begleitete und noch eine Person, die selten zu sehen war, weil sie sich eigentlich in ihrem Arbeitszimmer einschloss. "Guten Tag Onkel Gideon", sie blieb in gebührendem Abstand stehen und verneigte sich. Scharfe Blicke zogen sich über das Mädchen mit den goldblonden Zöpfen: "Sieh zu, dass du uns nicht blamierst und im Nachhinein will ich einen detaillierten und wahrheitsgemäßen Bericht über alle Geschehnisse, am besten schriftlich, wenn du redest, kommt immer so viel unwichtiges dazu." "Ja Sire", schnell richtete sie sich wieder auf und ging zur Tür, welche von Masaru aufgehalten wurde und er folgte ihr hinaus.
Erst hinter der Gartenpforte erlaubte sie es sich, durchzuatmen. Sie war wirklich wieder auf dem Weg zur Gilde, um dort vielleicht einen Auftrag zu ergattern und dann ein kleines Abenteuer zu erleben. Wie ein Wunder schien es und ihre Schritte waren schneller und leichter als in den letzten Tagen. Ihr Begleiter schmunzelte, er hatte sie lang nicht so gesehen und schien erfreut, dass es ihr besser ging. Bis zum Eingang der Gilde begleitete er sie, dort reichte er ihr eine Tasche, in der alles enthalten war, was sie wahrscheinlich brauchen würde. Wasser zum Trinken, eine Lunchbox vom Küchenchef, Wechselkleidung und einige Kleinigkeiten, die man vielleicht für Erste Hilfe brauchen könnte. Dankbar umarmte sie den ihr lieb gewordenen Diener und öffnete die Tür zur Gilde.
Nach einigen Blicken durch den Raum konnte sie feststellen, dass keiner da war, den sie bereits kannte also schritt sie zuerst zum Board und sah nach, was es für Aufgaben zu vergeben gab. Jede klang sehr friedlich und als würde sie gut damit zurechtkommen, allerdings war es nicht möglich eine davon, allein zu machen. Was für ein Glück, das ihr der Junge ins Auge fiel, der da herumsaß, ebenfalls alleine und scheinbar hatte er einen Zettel in der Hand. Wie für sie gemacht. Tief atmete sie durch und schritt auf den Gildenkollegen zu. Er sah doch recht freundlich aus, vielleicht etwas gelangweilt oder frustriert? Genau konnte sie es nicht deuten, aber bisher waren alle Magier aus Blue Pegasus ganz nett zu ihr gewesen, und wenn dieser eine Ausnahmen stellen sollte, was sie nicht glaubte, dann würde sie ihn einfach mit Liebe und Freundlichkeit zuschütten, bis er aufgab. "Guten Tag", sie stellte sich schräg vor ihm auf, "ich bin Naomi Kagekami und ich wollte fragen, was du da für eine Aufgabe in deinen Händen hältst?" Dabei verneigte sie sich leicht vor ihm und wartet dann auf seine Antwort.