Das Schnarchen und alle anderen Geräusche um sie herum hatte sie inzwischen schon vollkommen aus ihrem Bewusstsein ausgeblendet, während sie das Questangebot sondierte. Babysitten, Pflanzensuche am Hakobe-Gebirge, einem Forscher bei seiner Forschung der Magie helfen… Alles war für Sylvana nicht das Wahre, wenn sie es sich so überlegte. Anscheinend würde es auch diesmal wieder schwer werden eine Quest zu finden, die sie nicht zu Verrückten führen oder ihr einen Tod durch Langeweile bescheren würde. Die letzte Quest hatte ihr da schon zuviel gegeben. Niemals wieder würde sie sich einem Zirkus auf mehr als hundert Meter nähern! Selbst wenn hunderte Löwen ihr im Nacken saßen und sie nicht in das Zirkuszelt verfolgen würden. Gut, diese Szenario war jetzt ein wenig sehr weit hergeholt, aber ihr Entschluss stand fest: Nie wieder!
„Maaaan! Irgendwo muss es doch eine Quest geben…“, murmelte die Dragonslayerin. Sie ging die nächsten Zettel durch. Ein entlaufendes Tier fangen, Ruinen untersuchen, Begleitschutz, Sirenen… Moment, was?! Sylvanas Blick fiel sofort wieder auf den Zettel zurück, nahm ihn in die Hand und las ihn sich genauer durch. Menschen verschwinden, weil Sirenen singen? Klang interessant und die Bezahlung…
Sylvana!
Von einem Moment auf den anderen verkrampfte sich ihr Herz, ihre Lunge schnürte sich zu. Mit einem erschrockenen Aufschrei wirbelte die Dragonslayerin herum. Ihre Augen waren geweitet, auf einen der vielen Tische gerichtet, die vor ihr standen. Grüne Haare und ein paar blaue Augen, die schüchtern in ihre Richtung blickten. „Kabuto?“ Ihr Herz, welches nach dem kleinen Aussetzer wie wild angefangen zu schlagen hatte, beruhigte sich wieder und ihre Lungen gönnten sich ein paar tiefe Atemzüge frischer, kühler Luft. Ein leises Seufzen verließ ihre Kehle, ehe sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen legte. „Du hast mir ja einen Schrecken eingejagt. War wohl ein wenig zu sehr auf die verschiedenen Quests fixiert gewesen.“ Ein wenig Glück hatte Kabuto ja schon. Wäre er jemand anderes gewesen, zum Beispiel ihr kleiner Cousin, könnte er sich jetzt auf eine schön schmerzhafte Schmerztherapie freuen. Aber er war es nun einmal nicht. Und so wirklich böse konnte Sylvana nicht auf Kabuto sein. Irgendwas hatte er, was ihn immun gegen ihren Zorn machte.
Ihr Blick fiel auf ihre Hand, die sich im Moment des Erschreckens an das Auftragsblatt geklammert hatte und selbiges beim Herumwirbeln mit sich gerissen hatte. Vorsichtig lockerte sie die zur Faust geballte Hand und entfaltete das zusammengedrückte Papier in ihrer Hand. Die paar Knicke waren jetzt nicht der Weltuntergang. Viel wichtiger war aber, was der kleine Käfermagier um diese frühe Stunde hier im Gildenhaus zusuchen hatte? Vielleicht hatte er den gleichen Grund wie sie? Sollte sich ja herausfinden lassen.
„Was führt dich zu solch früher Stunde hierher?“ Mit langsamen Schritten ging sie auf ihn zu, passte auf nicht auf jemanden zu treten. Die sollten mal ihren Rausch ausschlafen und sie nicht nerven.

Ohje, da hatte der Grünschopf Sylvana ja einen Schreck eingejagt. Das war ganz sicher nicht seine Absicht gewesen, aber es war ja auch überhaupt nicht seine Absicht gewesen, überhaupt erst zu schreien. Hoffentlich, hoffentlich würde sie ihn nicht dafür hassen... oder elektrokutieren. Eine Gänsehaut breitete sich auf seinem gesamten Körper aus, einerseits verursacht durch ein bisschen Angst, andererseits durch seine erdrückenden Schuldgefühle. Aber wenigstens erkannte sie ihn sofort, und sie klang auch nicht zu sauer, also konnte er es sich leisten, mit einer coolen und seriösen Begrüßung Eindruck zu schinden: S-Sylvana! E-es tut mir so, soo leid! Ich wollte dich nicht erschrecken, entschuldige, bitte! Ich... Ich tu-tue alles, um das wieder gut zu machen, versprochen! … Na gut, cool und seriös sah anders aus, aber das war eben der Kyofu-Style. Inzwischen war er aus seinem improvisierten Versteck gekommen, indem er in die Höhe geschnellt war, nachdem man ihn bemerkt hatte, um nun kerzengerade vor der Magierin zu stehen. Sein Gesicht war rot, seine Augen geradezu verzweifelt zugekniffen, sein ganzer Körper schrie geradezu: Verzeih mir, verzeih mir. Und sein Flehen wurde erhört! Sylvana schien wirklich nicht wütend zu sein. Was für ein gnädiger Mensch sie doch war...
In ihrer Hand hielt sie offenbar etwas, ein Stück Papier. Wenn man bedachte, dass sie bis eben noch am Questboard gestanden hatte, handelte es sich dabei höchstwahrscheinlich um eine Questbeschreibung. Angestrengt kämpfte der Kyofu die Röte aus seinen Wangen und sah seine Bekannte dann interessiert an. Er hätte wirklich nicht erwartet, um diese Zeit jemanden zu treffen, der eine Quest mit ihm unternehmen würde, schon gar nicht jemand, der so liebenswert war wie die Dragonslayerin. Normalerweise war er ja nicht gerade ein Glückskind, aber das hier konnte man einfach nur Schicksal nennen! Und wieder einmal hatte ihm sein geliebter Glücksbringer den richtigen Weg gewiesen, hatte es sich als richtig heraus gestellt, seinem ewigen Begleiter zuzuhören, zu lauschen und zu folgen. Immerhin hatte ihn das zu der jungen Göttin geführt, der er gerade gegenüber stand... und die wissen wollte, was er hier machte. Eine berechtigte Frage um diese Zeit, auch wenn er bisher nicht auf die Idee gekommen war, die Anwesenheit Sylvanas zu hinterfragen. Ich? Ich musste weg von zuhause, und dann hat mein Herz mir gesagt, ich soll hierher kommen, antwortete er breit lächelnd und offensichtlich stolz, ehe er seine Hand wieder um den Talisman in seiner Hemdtasche schlang. Dann wurde ihm klar, wie das geklungen hatte, sein Ausdruck wurde verdattert und er lief – schon wieder – hochrot an. S-s-so habe ich das nicht gemeint! Nicht falsch verstehen! A-also, es stimmt schon, aber das, ähm... Das... Ich freue mich wirklich sehr, dich zu sehen, aber... Und schon war seine Stimme bei einer Lautstärke angekommen, die sie wahrscheinlich nicht einmal verstanden hätte, wenn er direkt neben ihr stehen würde. Sein Kopf war zur Seite gedreht und er starrte zu Boden, an eine freie Stelle Holz zwischen zwei Betrunkenen, die nebeneinander lagen und ihren Rausch ausschliefen. Sein Kopf glühte richtig...
Er murmelte noch ein paar Sekunden lang panisch und unhörbar alle möglichen Entschuldigungen und Erklärungen, bis er es endlich schaffte, zur Ruhe zu kommen und sie wieder anzusehen. Dann wanderte sein Blick hinunter zu dem Zettel, den sie ja noch immer hielt. Ähm... mal ein anderes Thema. Das ist eine Quest, oder? W-wenn du mö-möchtest, komme ich gerne mit dir..., bot er an, sichtlich nervös. Er versuchte überzeugend zu lächeln, doch jetzt gerade merkte man wohl, dass ihm die Situation etwas peinlich war. Trotzdem, sein Angebot war ehrlich...

Für Sylvana war es in diesem Moment unmöglich ein Kichern zu unterdrücken. Es war schön zu sehen, dass Kabuto noch genauso war, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Gut, es war jetzt keine Ewigkeit gewesen, seit sie sich das letzte Mal über den Weg gelaufen waren, aber wer wusste schon, wie schnell sich die Menschen in diesem Alter veränderten. Lächelnd legte sie eine Hand auf den Kopf des kleineren Jungen, wuschelte ihm einmal kurz durch die Haare.
„Ach, ist schon halb so wild. Wegen so was bin ich schon nicht böse auf dich.“ Kurz streckte sich die Dragonslayerin, stemmte dann ihre eigene Hand gegen ihre Hüfte und folgte daraufhin Kabutos Blick auf den Zettel, ehe sie wieder den Käfermagier anschaute. Ja, wenn sie so jetzt darüber nachdachte, war eine solche Mission ein wenig problematisch für eine Person. Wenn es wirklich um Sirenen ging, dann sollte man jemanden an seiner Seite haben, auf den man sich verlassen konnte. Kabuto war zwar kein muskelbepackter Superheld, aber er hatte das Herz am rechten Fleck und war mehr als nur verlässlich, dass wusste Sylvana. Ja, sie vertraute dem Käfermagier. Warum sollte sie auch nicht? Er vertraute ihr immerhin auch beinahe schon blind.
„Dein Herz also, hm?“ Ein keckes Grinsen auf ihr Lippen gelegt, beugte sich die Dragonslayerin nach vorne, sodass ihr Kopf auf Kabutos Augenhöhe war. Ihre Fingerspitzen streichelten über die Hemdtasche, in welcher die Hand des Käfermagiers verschwunden war. Warum sie das machte? Naja, sie wollte Kabuto kurz ein wenig ärgern. Es war nicht bösartig gemeint, fand sie seine Reaktionen doch niedlich. Wohl genau deswegen machte sie es auch – sie fand es niedlich.
„Ich freue mich aber auch, Kabuto.“ Das Grinsen verformte sich augenblicklich wieder in ein freundliches Lächeln, als sich Sylvana wieder aufrichtete und ihre Hand von seinem Hemd entfernte. Es wäre unfair ihm gegenüber gewesen, wenn sie damit weitergemacht hätte. Sie wusste ja genau, dass es ihm ernst mit seinen Entschuldigungen war. Eigentlich musste er sich nicht einmal dafür entschuldigen. Ihr war schon klar genug, was Kabuto damit gemeint hatte.
„Ja, dass ist in der Tat eine Quest.“ Beinahe augenblicklich fielen ihre Augen wieder auf den Zettel in ihrer Hand. Darüber nachgedacht hatte sie ja schon. Warum denn nicht? „Ich habe sicherlich nichts dagegen, wenn du mich begleiten würdest. Aber vielleicht solltest du erstmal schauen, ob dir diese Quest zusagt.“ Sie streckte ihm ihren Arm entgegen, sodass der etwas mitgenommene Zettel, welchen sie am oberen Ende mit ihren Fingerspitzen festhielt, vor seinen Augen hang.

Wie lieb Sylvana doch war, ihm einfach so zu vergeben... ihm, einem gemeinen kleinen Jungen, der eine Göttin wie sie erschreckt hatte. Ja, von den beiden wachen Personen in diesem Raum war sie wohl die einzige, die ihm vergab, aber das war schon okay so – sie war ja auch die Person, die dem Kyofu wichtiger war. Dass sie ihm gleich darauf so nahe kam und sogar fast seine Hand berührte, wenn man von der wirklich dünnen Schicht Stoff darauf absah, war ihm zwar schon unangenehm, aber auf der anderen Seite... war es auch schön. Unglaublich schön sogar. Er hatte schon oft etwas über das ominöse 'Händchen halten' gehört... fühlte sich das so an? Also, wenn es auch nur ein halb so schönes Gefühl war, dann musste er es unbedingt einmal ausprobieren, früher oder später; lieber früher. Wenn man erst einmal mit so etwas Schönem anfing, wollte man nicht gleich wieder aufhören.
Ja, er verlor sich in seinen Gedanken, ein wenig zumindest. Wieder einmal... Er mochte einige Stärken haben, zum Beispiel konnte er mit seiner Frisur Käfer anlocken, doch Fokus gehörte nicht dazu. Sylvana sprach zu ihm, doch er steckte immer noch fest: Sie berührt mich! Und würde sie ihn nicht vor dem Loslassen wieder heraus reißen, wäre es danach wohl: Jaa, sie hat mich berührt! Seinen Einstieg in das Gespräch fand er allerdings wieder bei „Ich freue mich aber auch, Kabuto.“ Das bedeutete, sie freute sich, ihn zu sehen, und es war ihr nicht einmal peinlich, das laut auszusprechen! Nun gut, es war abgesehen von Kabuto niemand hier, der sie hören konnte, und wenn doch, dann hatte diese Person bestimmt einen riesigen Kater und andere Probleme, als zwei Gildenkollegen zu belauschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand außer ihm im Stande war, sie zu hören, lag fast bei null, also war es vielleicht so, dass sie sich nur traute, es zu sagen, solange sie allein waren, weil sie nicht wollte, dass irgendjemand davon wusste... aber das machte die Aussage nicht minder wahr! Sie freute sich, ihn zu sehen! Sie freute sich, ihn zu sehen! Eine Göttin erfreute sich an der Anwesenheit eines Jungen, dessen einzig erwähnenswerte Merkmale daraus bestanden, dass er oft mit Tieren spielte, vor denen er höllisch Angst hatte, und seine Haarfarbe! Wenn das nicht als Aufwertung zu gelten hatte, was dann?
Nun wurde es allerdings Zeit, sich mit den wesentlichen Dingen zu beschäftigen, in diesem Fall: mit der Quest. Auf Anfrage hin erhielt Kabuto die Erlaubnis, sein-... ähm, die Dragonslayerin zu eskortieren, und er durfte sich zuvor sogar einen Überblick über die Aufgaben verschaffen, die er zu erfüllen haben würde. Interessiert nahm der Junge das Blatt aus der Hand des Mädchens, im Gegensatz zu ihr nutzte er zehn Finger, um es zu halten, und begann, darüber zu lesen. Mit jedem Satz wurden seine Augen ein bisschen größer, während seine Lippen sich passend zu den Worten leicht bewegten. Eines war jetzt schon klar: Das würde Ärger geben. E-Eine Sirene? Ich dachte, die gibt es nur im Meer... Moment mal! Ich dachte, die gibt es gar nicht! Uwah, diese Viecher sind bestimmt unglaublich gefährlich, wenn ich auch nur ein bisschen was von ihnen höre, ziehen sie mich zu sich und ich werde ertrinken, so wie all ihre anderen Opfer, und dann wird Sylvana sehen, wie nutzlos ich bin, und mit ihren Kräften wird sie die Sirene natürlich ganz leicht ausschalten, aber weil sie sieht, wie wenig ich ausrichten kann, ist es natürlich sinnlos, mich zu retten, und obwohl sie die Chance dazu hat, lässt sie mich ertrinken, und das kann ich ihr nicht mal verübeeeln... Innerlich war Junge den Tränen nahe, doch nach außen hin versuchte er, sich gefasst zu geben. Sicher. Nun gut, so richtig gelang ihm das nicht, doch wenn man ihn kannte, war eine gewisse Anspannung ganz gewöhnlich, und mehr ließ er gerade nicht zu. Etwas unsicher, aber keinesfalls unglücklich lächelte er das Mädchen, das er begleiten wollte, an, während er das Blatt sinken ließ; sie wollte auf diese Quest gehen, und egal, wie wundervoll sie war, er konnte es einfach nicht mit sich selbst vereinbaren, sie ganz allein gegen so ein gefährliches Wesen angehen zu lassen. Nein, er würde an ihrer Seite sein, und wenn das bedeutete, dass er für sie sterben müsste! Das klingt fantastisch! Ich freue mich schon darauf, mit dir zu kommen!, rief er, so fröhlich, wie er eben konnte – und er konnte sehr fröhlich sein, wenn er daran dachte, mit ihr unterwegs zu sein. Gehen wir gleich los? Oder musst du noch etwas erledigen?

Natürlich glaubte Sylvana nicht daran, dass ein solch mythisches Wesen daran schuld war, dass Menschen verschwanden. Es mochte sein, dass es eventuell einen Stellargeist gab, der die Gestalt und die Fähigkeiten einer Sirene besaß, aber welcher Stellarmagier würde einen Vorteil darin besitzen Menschen aus einem Dorf verschwinden zu lassen? Es musste also etwas anderes dahinterstecken. Genau aus diesem Grund wollte Sylvana die Quest ja auch annehmen. Die Bezahlung war nicht schlecht und sie war in der Lage dieses Rätsel zu lösen. Ein Rätsel, welches ihr inneres Interesse geweckt hatte.
„Lass mich einfach mal nachsehen.“ Sylvana öffnete ihre Handtasche und ließ ihren Blick in ihr versinken. Von außen sah die Tasche so aus, als würde nicht viel hineinpassen. Vielleicht eine Geldbörse und eine kleine Flasche Wasser. Aber wie so oft war der Schein auch hier trügerisch. Ihre Tasche hatte sie erst vor wenigen Wochen mit einem einfachen Zauber belegen lassen, der das Volumen im Inneren der Tasche vergrößerte. Jetzt konnte sie theoretisch einen Rücksack voller Dinge in ihrer Tasche verstauen. Es war zwar nicht viel, aber immerhin konnte sie jetzt auch mal ein oder zwei Bücher zusätzlich mit sich nehmen. Falls einmal Langeweile auftreten sollte. //Geldbörse, Wasser, etwas zu Essen, ein Lehrbuch der Zauberkunde…// „Scheint ja alles da zu sein.“ Nicht, dass Sylvana vermutete diese Quest würde mit Kabuto langweilig werden. Den dicken Wälzer hatte sie schon seit mehreren Tagen immer mit sich rumgetragen. Sie wollte einfach mehr über die verschiedenen Arten der Magie lernen, um besser mit ihnen umgehen zu können. Es war immer hilfreich zu wissen, wozu gewisse Magier in der Lage waren, um dann gegen sie vorgehen zu können. Bisher hatte sie nur die Kapitel zu den grundlegenden Elementarmagien durchgelesen. Wirklich viel war zwar nicht in ihrem Gedächtnis geblieben, aber es dauerte nun einmal eine gewisse Weile, bis sich solche elementaren Informationen im Kopf gefestigt hatten. Aber zurück zu Kabuto und der Quest, welche die beiden Magier nun zu bewältigen hatten. Erneut nahm Sylvana das Questblatt in die Hand und las es sich durch.
„Unser Ziel ist also ein kleines Dorf, welches ganz in der Nähe liegen soll. Nanto…“ So ganz genau wusste Sylvana nicht, wo Nanto überhaupt lag. Sie kannte die ganzen kleinen Dörfer in der Umgebung überhaupt nicht. Aus der Luft hatte die Dragonslayerin sie bereits gesehen, als Raiden ihr diese Region gezeigt hatte, aber welches nun davon Nanto war konnte sie wirklich nicht sagen. Woher denn bitte auch, immerhin waren sie ja nicht mit großen Buchstaben, die in der Luft schwebten, gekennzeichnet. „Einen Moment, Kabuto.“
Lächelnd ging sie zurück ans schwarze Brett, nahm ein zusammengerolltes Pergament, welches auf dem Tisch neben den etlichen Aufträgen lag, und breitete selbiges sogleich auf dem Tisch aus. Ihr Zeigefinger strich langsam über die Landkarte Fiores, von Magnolia Town aus langsam nach Osten. Da war auch schon das Dorf, Nanto. Es war wirklich nicht weit von hier entfernt, höchstens ein Fußmarsch von einer Stunde trennte Nanto und Magnolia Town voneinander. Also würde man weder eine Kutsche, noch einen Zug benötigen.
„Ich denke, dass wir direkt losgehen können. Natürlich ohne große Eile.“ So hatte es Sylvana gerne. Keinen Stress, keine Hektik. Sie würden selbst mit halber Geschwindigkeit vor der Mittagszeit Nanto erreichen. Die Sonne war immerhin gerade erst dabei aufzugehen. „Also dann: Setzen wir uns in Bewegung.“

tbc: Nanto

Eigentlich war dies ein ausgezeichneter Tag. Jedenfalls wenn man nach normalen Maßstäben verfuhr. Es war nicht nur sonnig, sondern auch warm und wohl der eine oder andere würde sich den Tag am Strand freinehmen und es sich gutgehen lassen. Das Problem an der Sache war, dass Raviael nicht der Typ war, den man - jedenfalls im Bezug aufs Wetter - mit normalen Maßstäben behandeln durfte. Für ihn war das Wetter zwar genauso schön wie für die anderen, allerdings war es für ihn eher langweilig, nicht... besonders. Es wäre schön gewesen, wenn das Wetter nicht so schön gewesen wäre - aber das wäre dann gegenüber den Anderen weniger fair, nicht? Der junge Donnermagier lag mehr als er saß auf einem der Bank-Tisch-Kombinationen des Gildenhauses von Fairy Tail. Nicht, dass er nicht durchaus etwas zu tun gehabt hätte - aber das Problem war eher, dass er überhaupt keine Lust hatte. Nicht nur stand zwar die Miete an, sondern auch Essen war eigentlich auch mal wieder an der Reihe, nur war der junge Mann einem Teufelskreis erlegen: Je weniger er aß, desto weniger Kraft hatte er, was wieder darauf hinauslief dass er weniger aß. Weil er sich ja nicht etwas besorgen konnte: Zuviel Anstrengung. Soweit logisch, oder? Trotzdem hatte er sich im Prinzip vorgenommen, schon noch eine Queste anzunehmen... irgendwann in den nächsten Tagen. Schon die gesamte letzte Woche war für ihn nicht mehr als eine reine Warterei gewesen. Warterei worauf? Vollkommen egal, der Weg war doch das Ziel, oder etwa nicht?!

Jetzt allerdings schien sich eine Möglichkeit für ihn aufzutun: Einer der Mitglieder seiner Gilde schien sich aufgemacht zu haben, eine Queste zu erledigen. Nun... jetzt war eher die Frage, ob Raviael es sich antun wollte, gerade mit diesem Mitglied zu gehen. Das Problem: Er war schwach. Kazuya, wie er genannt wurde, war stark. Ziemlich sogar, wenn er das richtig in Erinnerung hatte, aber im Prinzip kannte er ihn ja noch nicht einmal. Egal! Essen und Miete wie einige kleine Sachen mussten her, ergo auch das Geld: Also auf in den Kampf. Der große, schlaksige Blondschopf erhob sich von seinem Platz, trat auf den Kerl, der im Grunde das gesamte Haus angesprochen hatte, heran, und legte den Kopf schief. Soviel dazu schon einmal, anscheinend war kaum jemand wirklich interessiert an dieser Menge Geld. Allerdings ging es den meisten Magiern bei Fairy Tail ja weniger um's Geld, mehr um den Spaß - oder die Herausforderung, wie auch immer. "'Tag.", fing er an und lächelte leicht. "Brauchst du noch Unterstützung? Ich bin dabei; Wenn du nicht jemanden brauchst, der einen Drachen erlegen kann. Wann brechen wir auf? Wohin geht's - und was ist die Aufgabe?" Raviael war durchaus interessiert, denn der junge Kerl vor ihm war nicht unbedingt dafür bekannt, halbe Sachen zu machen oder gar sich mit niederen Aufgaben abzugeben. Dafür bekannt? - Gut, es war eher eine Annahme von dem Blonden, aber ganz daneben konnte dass ja nicht sein, oder? Immerhin waren diejenigen, die in der Gilde gewisse Fähigkeiten hatten, schon bekannt. Gleichwohl Raviael eher wenigen Leuten wirklich bekannt vorkommen würde... einfach, weil er sich noch keinen Namen gemacht hatte. Kommt Zeit, kommt Rat, und jetzt erst einmal eine Queste. Er hoffte, dass der Kerl wenigstens seinen Namen kannte...

Kaum hatte der Dragonslayer ausgeredet, erhob sich schon ein blonder, junger Mann,d er sich wohl für die Quest interessierte, die Kazuya in Aussicht gestellt hatte. Jedenfalls kam er auf den pinkhaarigen Jungen zu und begrüßte ihn, wenn auch nicht sonderlich freundlich. Ein „Tag“ erschien nicht gerade als die Art sich ordentlich zu begrüßen, besonders wenn man bedachte, dass Kazuya den Typen noch nie gesehen hatte. Dieser hingegen schien schon vom Wasser Dragonslayer der Gilde gehört zu haben, jedenfalls meinte Kazuya das aus dem Unterton des Jungen heraus zu hören, als er seine Unterstützung anbot. Es wäre recht schmeichelhaft gewesen, wenn Kazuya interessieren würde, was andere über ihn dachten, tat es aber nicht. „Du willst mir also helfen? Meinetwegen, aber das Erlegen von Drachen wäre in diesem Fall sogar hinderlich.“ Und dennoch wollte der Wasser Dragonslayer diese Quest bestreiten, es schien paradox. Obwohl, wenn man darüber nachdachte, schien es doch logisch, kaum ein anderer Magier hatte eine Bindung zu Drachen und hier ging es darum einen aufzuspüren. „Die Aufgabe führt uns nach Hargeon Town, falls dir das etwas sagt. Jedenfalls soll sich da ein Drache im Hafenbecken herumtreiben und die Fischer bestehlen. Ein paar Aktivisten oder so, was die den Drachen retten wollen, wollen von uns, dass wir ihn einfangen und ihnen bringen sollen.“ Nicht, dass Kazuya das wirklich tun würde. Besonders, wenn es sich bei dem Drachen wirklich um Levia handelte, würde er sicherlich nicht versuchen sie einzufangen. Nicht seine Ziehmutter. Da würde er lieber eine Aufgabe versemmeln, als seiner Mutter so etwas an zu tun. Doch das ließe sich ja noch entscheiden, wenn sie da waren, es musste sich ja nicht um seine Ziehmutter handeln, es gab sicherlich auch andere Drachen, die mit Wasser irgendwie klarkamen, wenn auch nicht so gut. Es half also nicht, wenn sich Kazuya jetzt schon den Kopf darüber zerbrach, das konnte er noch in Hargeon tun. Außerdem stand hier ja noch ein blonder Magier, von dem Kazuya weder wusste, was er konnte, noch wie er hieß. „Sag mal, wie heißt du eigentlich und welche Magie benutzt du? Nicht das es mich wirklich interessieren würde, ehrlich, es geht mir am Arsch vorbei, aber es wäre nervig, wenn ich während der ganzen Aufgabe nur 'Hey du' zu dir sagen müsste.“ War er nicht wieder nett? Aber was sollte man machen, so war Kazuya eben, wer nicht damit leben konnte, musste eben mit einer anderen Person auf eine Quest gehen. „Ach übrigens, los geht es genau ...“ Mit einer Ausladenden Geste hob Kazuya seinen Arm und tat so, als würde er auf eine Armbanduhr schauen. Er liebte es einfach andere zu ärgern. „...jetzt. Also auf zum Bahnhof, außer du willst etwa eine Woche zu Fuß gehen, dann hätten wir noch eine halbe Stunde.“ Selbst wenn der blonde Magier lieber laufen wollte, würde Kazuya ihn sicherlich nicht lassen, sie mussten schnell nach Hargeon Town kommen, selbst wenn das bedeutete, dass Kazuya mit dem … Zug fahren musste. Die Neugier über den Drachen obsiegte eben gegen die Abneigung des Dragonslayers Zügen gegenüber. Er versuchte sie so selten wie nur möglich zu nutzen. Aber es musste schließlich sein.

Raviael lächelte leicht. Offensichtlich war er hier auf die etwas widerborstige Spezies Mensch getroffen... was ja nicht schlimm war. Im Gegenteil, mit etwas mehr Kraft oder Macht kamen wohl auch seltsame Eigenarten. Trotz der Tatsache, dass der Kerl nicht wirklich freundlich war und noch dazu irgendwie, aber auch nur irgendwie ein etwas seltsames Benehmen hatte, lächelte Raviael weiter und verschränkte die Arme vor der Brust, rein, weil er interessant fand, was da so kam. "Wie nett.", bemerkte er schmunzelnd. "Mein Name ist Raviael. Ich mag Blitze." Ein leises Lachen entfuhr ihm, aber damit würde er bei dem rosahaarigen Kerl vor ihm wohl nicht besonders viel weiter kommen. "Ich bin ein Donnermagier und erforsche das Wetter. Wenn es also darum geht, bin ich dein Mann... oh, und was für ein Zufall. Ob du es glaubst oder nicht, aber ich kenne Hargeon Town. Seltsam, dass sich ausgerechnet in meiner Heimatstadt ein Drache herumtreiben soll..." Nachdenklich legte der junge Mann den Kopf schief und stellte sich vor, wie in dem Hafenbecken eine gigantische Eidechse sein Unwesen trieb und grinste. Kazuya, der tatsächlich ein wenig jünger schien als Raviael es war, schien nicht nur ein wenig unfreundlich zu sein, sondern auch eine Faible für große, sarkastische Gesten zu haben. Nun, auch nichts ungewöhnliches, in dieser Welt hatten sich viele Menschen so etwas angewöhnt. "Jetzt schon, meine Güte. Das ist ja spontan.", erwiderte der Blondschopf in einem ähnlichen Tonfall. Wer schoss, musste auch bereit sein, erschossen zu werden, nicht? Aber eigentlich fand er sein Gegenüber durchaus sympatisch. Immerhin sagte der, was er dachte... und das nicht einmal durch die Blume. Fand man ja auch nicht häufig... Raviael selbst gehörte nicht unbedingt zu dieser Art Mensch. Dazu war er viel zu faul... das beschwor Konflikte herauf, die Kraft kosteten. Und das ging in einer einfachen Kosten-Nutzen-Vergleichsrechnung einfach nicht in ein positives Ergebnis über.

"Dann auf zum Bahnhof. Der Zug fährt bald los, wenn ich mich nicht irre", erwiderte Raviael und ging vor; War ja nicht so, als würde er den Weg nicht kennen. Im Grunde war er diesen Weg sogar schon sehr oft gegangen... immerhin war er in Hargeon geboren und aufgewachsen. Und als er schließlich entschlossen hatte, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen und in die Fairy-Tail-Gilde einzutreten, war er eben diesen Weg öfters gefahren; Obwohl ihm das damals Kräfte gekostet hatte, die er in zehn Jahren nicht wieder ein-schlafen konnte. Na, egal: Schicksal. Am Bahnhof angekommen hatte sich die Anordnung, in der sie gegangen waren, geändert: Raviael schlenderte mehr als er lief hinter Kazuya her, aber dank seiner recht langen Beine konnte er noch wunderbar mithalten. Der Zug, den sie nehmen würden, sollten oder auch konnten, wie auch immer, stand bereits da und schien bereit für Schandtaten. Ein leises Gähnen entschlüpfte dem Blondschopf. Eine Queste, aha... er hoffte, dass alles gut gehen würde. Aber er hatte ja einen starken Kameraden, nicht? "Übrigens, Kazuya... du bist ein Wasser-Dragonslayer, oder etwa nicht? Denkst du, du kennst den Drachen, der sich da angeblich pudelwohl im Wasser fühlt?"

Am liebsten hätte Kazuya seinen Kopf gegen die nächste Wand geschlagen, als der blonde Magier vor ihm stand und sagte: „Ich mag Blitze.“ War er geistig zurückgeblieben? Wenn das der Fall war konnte die ganze Aufgabe mehr als nur kompliziert werden, der Dragonslayer brauchte niemanden,d er ihn zu sehr herunter zog. Egal, auf welche Art er nun anders befähigt war oder auch eben nicht. Zum Glück führte Raviael, so hatte er sich wenigstens genannt, seinen Punkt noch weiter aus. Er war also Donnermagier und kannte sich etwas mit dem Wetter aus? Wenn es ihm gefiel. 'Wieso ist eigentlich jeder verdammte Magier dieser Gilde Donnermagier? Er ist einer, Minato der Versager ist auch einer und diese arrogante Schnepfe Sylvana ist auch noch Donner Dragonslayerin. Die sind alle irre.' So viel zu, wenn es ihm gefiel. Doch weiter im Text, immerhin stand der Dragonslayer noch immer mit dem Donnermagier in der Gilde herum. Dieser erzählte, dass er aus Hargeon stamme. Natürlich, musste ja so kommen. 'Oh, wie toll, dann können wir ja Freunde sein, weil wir aus der gleichen Stadt kommen … Es interessiert mich einen Scheiß, dass er aus Hargeon ist, ich bin es auch, binde es aber nicht jedem auf die Nase.' Kazuya schaffte es sogar in sarkastischem Tonfall zu denken. Gut, dass Raviael das nicht mitbekommen konnte und sich schon, nach einer sarkastischen Bemerkung natürlich, zum Gehen wandte. Angepisst folgte der Dragonslayer dem blonden Magier durch die Tür der Gilde und schloss schon vor dem Gildengebäude wieder auf ihn auf.
Im großen Bahnhofsgebäude drängten sich die beiden Magier durch die Leute, denn gerade waren drei Züge fast zeitgleich angekommen, das bedeutete Chaos in der Halle. Ohne sich weiter umzusehen schob sich der Dragonslayer durch die menge und versuchte dem Fluss zu folgen. Das war ein kleiner Trick, den er sich mal ausgedacht hatte, eine Menschenmenge verhielt sich meist wie ein Fluss, deswegen sollte man eigentlich in der Lage sein den Weg hindurch zu finden, wie man auch durch einen Fluss schwamm, theoretisch. Praktisch musste man noch viel mehr beachten und das machte es schwerer. Endlich vor dem Zug fragte Raviael, ob Kazuya den Drachen vielleicht kannte. „Also erst einmal heißt es DER Wasser Dragonslayer, ich bin mir hundertprozentig sicher, dass Levia keinen weiteren Schüler hat. Und dann muss ich den Drachen oder was auch immer, nicht unbedingt kennen. Weißt du wie viele Drachen es gibt? Das könnte irgendein Drache des Seetangs sein oder so, der ein paar Fische schnorren will.“ Eine nette Erklärung, das Problem war einfach, dass Kazuya selbst nicht an diese Erklärung glaubte oder viel eher hoffte, dass es wirklich Levia war. Grob schob der Dragonslayer den Donnermagier in ein freies Abteil und platzierte sich selbst in Fahrtrichtung auf der gepolsterten Bank. Die Beine überschlug der Dragonslayer einmal und bugsierte sie auf den Sitzplatz, der ihm gegenüber lag. Somit hatte er eine einigermaßen bequeme Position gefunden und seine neue Bekanntschaft rückte ihm auch nicht so auf die Pelle. Alle waren glücklich, vor allem Kazuya.